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Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtm盲脽igkeit eines Unsicherheitsabschlags von den geltend gemachten Betriebsausgaben und Vorsteuerbetr盲gen
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Leitsatz (NV)
1. Wird ein Antrag auf Aufschub des Pr眉fungsbeginns gestellt, aber nicht bis zu einem konkreten Zeitpunkt befristet, weil ein Rechtsbehelfsverfahren betrieben wird, das die Pr眉fungsanordnung betrifft, endet die Festsetzungsfrist zwei Jahre nach Wegfall des geltend gemachten Hinderungsgrundes f眉r die Durchf眉hrung der Pr眉fung.
2. Die ordnungsgem盲脽e Aufzeichnung der Betriebsausgaben in einer 脺berschussrechnung gem盲脽 搂 4 Abs. 3 EStG setzt im Rahmen der allgemeinen Aufzeichnungspflicht gem盲脽 搂 146 Abs. 1 und Abs. 5 AO nur voraus, dass die H枚he der Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen wird; eine f枚rmliche Aufzeichnungspflicht besteht hingegen nicht. Nur bei Vorlage geordneter und vollst盲ndiger Belege verdient eine Einnahmen眉berschussrechnung jedoch Vertrauen und kann die Vermutung der Richtigkeit f眉r sich in Anspruch nehmen.
3. Ein pauschaler Unsicherheitsabschlag f眉r steuermindernde Umst盲nde ist eine griffweise Sch盲tzung der Besteuerungsgrundlagen, die in einem vern眉nftigen Verh盲ltnis zu den erkl盲rten oder nicht erkl盲rten Einnahmen stehen muss. Es bedarf zu ihrer Rechtm盲脽igkeit einer ausreichenden Begr眉ndungstiefe des FG-Urteils, aus der erkennbar ist, dass und warum diese Sch盲tzungsmethode im entschiedenen Einzelfall notwendig ist und dass sie auch im Hinblick auf die Angemessenheit des Sch盲tzungsergebnisses allgemeinen Erfahrungsgrunds盲tzen entspricht.
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Normenkette
AO 搂听146 Abs.听1, 5, 搂听162 Abs. 2; EStG 搂 4 Abs. 3
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision des Kl盲gers wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. November 2011听听5 K 5244/09 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur眉ckverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung 眉ber die Kosten des gesamten Verfahrens 眉bertragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) war in den Streitjahren (1995 bis 1997) u.a. als Steuerberater in einer Einzelkanzlei t盲tig. Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen眉berschussrechnung (搂听4 Abs.听3 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren anzuwendenden Fassungen --EStG--) und f眉hrte zus盲tzlich auf elektronischem Wege freiwillig B眉cher. Im Rahmen der Umsatzbesteuerung unterlag er der Ist-Besteuerung. Er erzielte Vermietungseink眉nfte aus einer umsatzsteuerpflichtig vermieteten Immobilie und aus nicht umsatzsteuerpflichtig vermieteten Immobilien.
Rz. 2
Die Einkommensteuererkl盲rungen der Streitjahre reichte der Kl盲ger im Januar 1997 (f眉r 1995), im Mai 1998 (f眉r 1996) und im Mai 1999 (f眉r 1997) beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Die Umsatzsteuererkl盲rung f眉r 1995 reichte der Kl盲ger am 14.听Januar 1997, die Umsatzsteuererkl盲rung f眉r 1996 Ende April 1998 und die Umsatzsteuererkl盲rung 1997 im Mai 1999 beim FA ein. Zudem gab der Kl盲ger in den Streitjahren monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Die Veranlagung erfolgte zun盲chst erkl盲rungsgem盲脽.
Rz. 3
Es erging eine Pr眉fungsanordnung vom 15.听September 1999, die die Einkommen- und Umsatzsteuer der Streitjahre umfasste. Der am 4.听Oktober 1999 zu Beginn der Pr眉fung erschienene Betriebspr眉fer verlie脽 nach Aush盲ndigung eines Einspruchsschreibens gegen die Pr眉fungsanordnung das B眉ro des Kl盲gers, der zudem die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Pr眉fungsanordnung beantragte. Das gegen die Pr眉fungsanordnung gef眉hrte Einspruchs- und Klageverfahren sowie die gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieben erfolglos (s. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.听Mai 2003 IV听B听206/01, BFH/NV 2003, 1394).
Rz. 4
Der Au脽enpr眉fer schlug daraufhin dem Kl盲ger mit Schreiben vom 2.听September 2003 und vom 14.听Oktober 2003 Termine zur Fortsetzung der Pr眉fung vor und forderte diesen auf, ihm Einsicht in die Unterlagen zu gew盲hren. Er erschien an dem von ihm vorgeschlagenen Termin am 4.听November 2003 und nochmals am 5.听November 2003 in den B眉ror盲umen des Kl盲gers, der dort aber f眉r ihn nicht zu sprechen war und ihm auch keine Unterlagen aush盲ndigte.
Rz. 5
Am 13.听November 2003 beantragte der Kl盲ger beim FA abermals die Aufhebung der Pr眉fungsanordnung vom 15.听September 1999 mit der Begr眉ndung, die Pr眉fung habe nicht wirksam begonnen und es sei daher Festsetzungsverj盲hrung eingetreten. Dies lehnte das FA am 18.听M盲rz 2004 ab. Dem Kl盲ger wurde als Termin zur Fortsetzung der Pr眉fung der 30.听M盲rz 2004 mitgeteilt. An diesem Termin traf der Betriebspr眉fer den Kl盲ger in dessen B眉ror盲umen wiederum nicht an. Unterlagen standen ebenfalls nicht bereit. Eine Angestellte des Kl盲gers nahm eine schriftliche Einladung des Pr眉fers zur Schlussbesprechung am 27.听April 2004 entgegen, zu der der Kl盲ger nicht erschien.
Rz. 6
Der Pr眉fer fertigte nach Aktenlage unter dem 6.听Mai 2004 einen Bericht 眉ber die Au脽enpr眉fung f眉r die Streitjahre. Er traf die Feststellung, dass er bis zuletzt keine Einsicht in Belege und Buchf眉hrungsunterlagen habe nehmen k枚nnen, da der Kl盲ger die Mitwirkung verweigert habe. F眉r die Einkommensteuer in den Streitjahren nahm der Pr眉fer u.a. von den Betriebsausgaben der Kanzlei einen griffweisen Abschlag in H枚he von 10听% der geltend gemachten Aufwendungen vor. Zudem korrigierte er die Entnahmen f眉r das auch privat genutzte Fahrzeug im Betriebsverm枚gen des Kl盲gers. Bei der Umsatzsteuer korrigierte er ebenfalls die Besteuerung des Privatanteils f眉r das auch privat genutzte betriebliche Kfz. Im Wesentlichen versagte er dem Kl盲ger in allen Streitjahren mangels vorgelegter Belege in voller H枚he den in den Voranmeldungen und Steuererkl盲rungen geltend gemachten Vorsteuerabzug aus der Kanzlei- und der steuerpflichtigen Vermietungst盲tigkeit. Das FA schloss sich dieser W眉rdigung an. Es erlie脽 unter dem 22.听Juni 2004 entsprechend ge盲nderte Bescheide zur Einkommen- und Umsatzsteuer f眉r alle Streitjahre.
Rz. 7
W盲hrend des sich anschlie脽enden Einspruchsverfahrens gegen die Steuerfestsetzungen wurde die zwischenzeitlich vom Kl盲ger erhobene (weitere) Klage auf Aufhebung der Pr眉fungsanordnung durch ein Urteil des FG vom 23.听Oktober 2007听听5听K听3179/04听B als unzul盲ssig abgewiesen. Die nachfolgend unter dem Aktenzeichen VIII听B听4/08 beim BFH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 4.听Dezember 2008 als unbegr眉ndet zur眉ckgewiesen.
Rz. 8
Das FA erlie脽 w盲hrend des Einspruchsverfahrens zu Gunsten des Kl盲gers ge盲nderte Bescheide vom 9.听M盲rz 2009. Dabei hielt es in den ge盲nderten Einkommensteuerbescheiden an der griffweisen 10听%-igen K眉rzung der geltend gemachten Betriebsausgaben fest. Den Ansatz der Entnahme f眉r die Privatfahrten mit dem betrieblichen Kfz erh枚hte das FA in den ge盲nderten Einkommen- und Umsatzsteuerbescheiden nach einem Verb枚serungshinweis. In den ge盲nderten Umsatzsteuerbescheiden f眉r die Streitjahre lie脽 das FA den Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten der steuerpflichtig vermieteten Immobilie und aus der Kanzleit盲tigkeit des Kl盲gers teilweise zu. Im 脺brigen wies es die Einspr眉che als unbegr眉ndet zur眉ck.
Rz. 9
Im anschlie脽enden Klageverfahren vor dem FG machte der Kl盲ger geltend, die 脛nderungsbescheide der Streitjahre seien wegen des Eintritts der Festsetzungsverj盲hrung aufzuheben, die unmittelbar nach der Au脽enpr眉fung ergangenen Bescheide vom 22.听Juni 2004 seien nichtig. Seien die Bescheide wirksam, sei er erkl盲rungsgem盲脽 zu veranlagen.
Rz. 10
W盲hrend des Klageverfahrens 眉bersandte der Kl盲ger nach einem rechtlichen Hinweis des FG seine Eingangs- und Ausgangsrechnungen der Streitjahre. Zudem reichte er beim FG Buchungsunterlagen mit einer chronologischen Auflistung der Gesch盲ftsvorf盲lle und die Best盲nde der Vorsteuerkonten ein. Es handelte sich um 26听Aktenordner mit Belegen und einen Ordner mit Kontoausz眉gen.
Rz. 11
Das FA erlie脽 nach Durchsicht der Unterlagen des Kl盲gers w盲hrend des Klageverfahrens unter dem 1.听Oktober 2010 ge盲nderte Umsatz- und Einkommensteuerbescheide f眉r die Streitjahre. Diesen liegt noch eine griffweise K眉rzung der Betriebsausgaben und der Vorsteuerbetr盲ge in H枚he von 1听% zugrunde. Zudem hielt das FA an der Korrektur des Privatanteils f眉r das betriebliche Fahrzeug fest. Es erkl盲rte die Hauptsache f眉r erledigt und beantragte, dem Kl盲ger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Kl盲ger gab jedoch keine Erledigungserkl盲rung ab.
Rz. 12
Das FG gab der Klage teilweise statt. Es gew盲hrte dem Kl盲ger f眉r das Streitjahr 1996 die begehrte Absetzung f眉r Abnutzung (AfA) nach dem F枚rdergebietsgesetz f眉r dessen Vermietungsobjekte. Im 脺brigen wies es die Klage ab. Die Entscheidung ist nicht ver枚ffentlicht.
Rz. 13
Nach dem Inhalt der Akten erging unter dem 2.听Januar 2012 --kurz vor Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde-- ein ge盲nderter Bescheid zur Einkommensteuer f眉r das Streitjahr 1996. In diesem gew盲hrte das FA dem Kl盲ger infolge der Entscheidung des FG die streitige F枚rdergebiets-AfA.
Rz. 14
Mit seiner Revision r眉gt der Kl盲ger die Verletzung formellen und materiellen Bundesrechts.
Rz. 15
Die nach der Au脽enpr眉fung ergangenen 脛nderungsbescheide vom 22.听Juni 2004 seien nichtig gewesen. Dies habe zur Konsequenz, dass mangels einer Ablaufhemmung gem盲脽 搂听171 Abs.听4 Satz听1 der Abgabenordnung (AO) bei Erlass der 脛nderungsbescheide vom 9.听M盲rz 2009 bereits Festsetzungsverj盲hrung eingetreten gewesen sei.
Rz. 16
Das FG habe die griffweise K眉rzung des Betriebsausgabenabzugs gem盲脽 搂听162 AO in den zuletzt ergangenen 脛nderungsbescheiden zu Unrecht als rechtm盲脽ig angesehen. Er habe ordnungsgem盲脽e Gewinnermittlungen, zutreffende Steuererkl盲rungen und zutreffende Voranmeldungen f眉r die Streitjahre eingereicht. Im finanzgerichtlichen Verfahren seien s盲mtliche Belege zu Eingangs- und Ausgangsrechnungen, sowie Bankbelege, Kassenunterlagen, alle Mietkonten und Lohnunterlagen chronologisch geordnet vorgelegt worden. Dem FG seien f眉r die Vorsteuerbetr盲ge auch die freiwillig gef眉hrten Bestandskonten sowie s盲mtliche Datenerfassungsprotokolle und Buchungsjournale 眉bermittelt worden. Aus diesen sei ersichtlich, bei welchen Zahlungsvorg盲ngen Vorsteuer gezogen worden sei. Auch die Summenziehungen seien aus den Buchungsjournalen zu ersehen, weil diese ma脽gebend f眉r die Erstellung der monatlichen Umsatzsteuer-Voranmeldung gewesen seien. Er habe seine Mitwirkungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten erf眉llt.
Rz. 17
Der Kl盲ger beantragt sinngem盲脽, das angefochtene FG-Urteil vom 29.听November 2011, die ge盲nderten Einkommensteuerbescheide f眉r die Streitjahre 1995 und 1997 vom 1.听Oktober 2010, den ge盲nderten Einkommensteuerbescheid 1996 vom 2.听Januar 2012 sowie die ge盲nderten Umsatzsteuerbescheide f眉r die Streitjahre, jeweils vom 1.听Oktober 2010, samt der zuvor ergangenen Bescheide vom 9.听M盲rz 2009 und vom 22.听Juni 2004 und die Einspruchsentscheidungen vom 17.听August 2009 aufzuheben, hilfsweise, die Steuerfestsetzungen f眉r die Streitjahre in der Weise zu 盲ndern, dass er erkl盲rungsgem盲脽 veranlagt wird.
Rz. 18
Das FA beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Rz. 19
II. Die Revision ist begr眉ndet.
Rz. 20
Das FG hat zum Hauptantrag des Kl盲gers zwar zu Recht entschieden, dass die angefochtenen Bescheide f眉r die Streitjahre nicht wegen eines Eintritts der Festsetzungsverj盲hrung aufzuheben sind (s. unten II.3.). Die Vorentscheidung ist aber hinsichtlich des Hilfsantrags rechtsfehlerhaft, soweit das FG die vom FA im Sch盲tzungswege vorgenommene griffweise K眉rzung der Betriebsausgaben und des Vorsteuerabzugs um 1听% als rechtm盲脽ig angesehen hat (s. unten II.4.). Die Sache ist nicht spruchreif (s. unter II.5.). Der Senat hebt die Vorentscheidung auf und verweist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zur眉ck (搂听126 Abs.听3 Satz听1 Nr.听2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Rz. 21
1. Die Revision f眉hrt wegen der Einkommensteuer f眉r das Streitjahr 1996 aus verfahrensrechtlichen Gr眉nden zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Rz. 22
Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens war gem盲脽 搂听68 Satz 1 FGO der im Klageverfahren ge盲nderte Einkommensteuerbescheid f眉r das Streitjahr 1996 vom 1.听Oktober 2010 geworden. An dessen Stelle trat w盲hrend der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde der zu Gunsten des Kl盲gers ge盲nderte Einkommensteuerbescheid f眉r das Streitjahr 1996 vom 2.听Januar 2012. Dieser wurde aufgrund entsprechender Anwendung des 搂听68 Satz听1 FGO Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (st盲ndige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Beschluss vom 8.听Mai 2012 III听B听2/11, BFH/NV 2012, 1305) und ist nach dessen Fortsetzung als Revisionsverfahren Gegenstand dieses Verfahrens. Damit liegt dem FG-Urteil f眉r das Streitjahr 1996 wegen Einkommensteuer ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde, so dass es insoweit keinen Bestand haben kann (st盲ndige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Urteil vom 15.听Mai 2013 VI听R听28/12, BFHE 241, 200, BStBl II 2013, 737).
Rz. 23
Die vom FG getroffenen tats盲chlichen Feststellungen bilden unver盲ndert die Grundlage f眉r die Entscheidung des Senats (BFH-Urteil vom 23.听Januar 2003 IV听R听71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43). Durch den 脛nderungsbescheid zur Einkommensteuer vom 2.听Januar 2012 f眉r das Streitjahr 1996 ist keine Verb枚serung eingetreten. Es haben sich auch hinsichtlich der weiteren im Streit stehenden Punkte keine 脛nderungen ergeben. Die Beteiligten haben hinsichtlich des ge盲nderten Bescheids keine weitergehenden Antr盲ge gestellt.
Rz. 24
Da auch wegen der Einkommensteuer f眉r das Streitjahr 1996 die Revision hinsichtlich des hilfsweisen 脛nderungsbegehrens aus den unten dargelegten Erw盲gungen begr眉ndet ist, wird die Sache auch insoweit gem盲脽 搂听126 Abs.听3 Satz听1 Nr.听2 FGO an das FG zur眉ckverwiesen (s. z.B. BFH-Urteil vom 22.听Januar 2013 IX听R听25/11, BFH/NV 2013, 1387).
Rz. 25
2. Die Revision ist im 脺brigen zul盲ssig. Der Kl盲ger verfolgt trotz unterschiedlich formulierter Antr盲ge vor dem FG und in der Revision dasselbe Klagebegehren. Es liegt daher keine unzul盲ssige Klage盲nderung (vgl. 搂听123 Abs.听1 FGO) vor.
Rz. 26
a) Der Senat legt das Klagebegehren des Kl盲gers vor dem FG anhand der Klageschrift aus. Hierzu ist der Senat befugt (BFH-Urteil vom 23.听Februar 2012 IV听R听32/09, BFH/NV 2012, 1479). Die Auslegung ergibt, dass der Kl盲ger erkl盲rungsgem盲脽 veranlagt werden will. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Kl盲ger sich einerseits darauf gest眉tzt, dass s盲mtliche 脛nderungsbescheide, die nach Abschluss der Au脽enpr眉fung ergangen sind, aufgrund zuvor eingetretener Festsetzungsverj盲hrung aufzuheben sind. F眉r den Fall, dass die Bescheide nicht aufzuheben sind, greift er hilfsweise die Sch盲tzung des FA in den zuletzt ergangenen Steuerfestsetzungen mit einem 脛nderungsbegehren an.
Rz. 27
Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Kl盲ger vor dem FG ausdr眉cklich nur die Ab盲nderung der angefochtenen Bescheide beantragt hatte. Auch das FG ist von diesem haupt- und hilfsweisen Klagebegehren ausgegangen. Es hat zun盲chst die Aufhebung s盲mtlicher nach der Au脽enpr眉fung ergangener Bescheide wegen Festsetzungsverj盲hrung abgehandelt und anschlie脽end das 脛nderungsbegehren gepr眉ft.
Rz. 28
b) Die beantragte Aufhebung der Bescheide in der Weise, dass die nach Abgabe der Steuererkl盲rungen urspr眉nglich ergangenen Bescheide wiederaufleben sollen, umfasst angesichts des Kl盲gervortrags gleicherma脽en ein Aufhebungs- und hilfsweise ein 脛nderungsbegehren, wie es in dem vom Senat im Tatbestand formulierten "sinngem盲脽en" Antrag zum Ausdruck kommt.
Rz. 29
3. Das FG hat zu dem auf Aufhebung der Bescheide gerichteten Hauptantrag des Kl盲gers zu Recht entschieden, die zum Verfahrensgegenstand gewordenen Bescheide der Streitjahre vom 1.听Oktober 2010 seien nicht aufzuheben.
Rz. 30
a) W盲ren die nach Abschluss der Au脽enpr眉fung unter dem 22.听Juni 2004 ergangenen 脛nderungsbescheide --wie der Kl盲ger meint-- erst nach Eintritt der Festsetzungsverj盲hrung ergangen, h盲tte dies auch die Rechtswidrigkeit s盲mtlicher w盲hrend des sich anschlie脽enden Einspruchsverfahrens gem盲脽 搂听365 Abs.听3 AO ergangenen und der gem盲脽 搂听68 Satz听1 FGO zum Verfahrensgegenstand des FG-Verfahrens gewordenen 脛nderungsbescheide vom 1.听Oktober 2010 zur Folge. Denn eine Ablaufhemmung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gem盲脽 搂听171 Abs.听3a AO setzt voraus, dass der angefochtene Bescheid --hier urspr眉nglich die Bescheide vom 22.听Juni 2004-- vor Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen ist (s. z.B. BFH-Urteil vom 29.听Juni 2011 IX听R听38/10, BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963, Rz听11). Dies war jedoch der Fall.
Rz. 31
b) Der Senat geht mit den Beteiligten und dem FG davon aus, dass die Festsetzungsverj盲hrung f眉r die Streitjahre aufgrund des Zeitpunkts der abgegebenen Steuererkl盲rungen mit Ablauf der Jahre 1997 bis 1999 gem盲脽 搂听170 Abs.听2 Satz听1 Nr.听1 AO begonnen hat.
Rz. 32
c) Der Ablauf der vierj盲hrigen Festsetzungsfrist gem盲脽 搂听169 Abs.听2 AO war gem盲脽 搂听171 Abs.听4 AO bei Erlass der 脛nderungsbescheide vom 22.听Juni 2004 gehemmt.
Rz. 33
aa) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Au脽enpr眉fung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so l盲uft die Festsetzungsfrist f眉r die Steuern, auf die sich die Au脽enpr眉fung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Au脽enpr眉fung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Au脽enpr眉fung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach 搂听202 Abs.听1 Satz听3 AO drei Monate verstrichen sind (搂听171 Abs.听4 AO). Die Festsetzungsfrist endet gem盲脽 搂听171 Abs.听4 Satz听3 AO sp盲testens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Au脽enpr眉fung stattgefunden haben, die in 搂听169 Abs.听2 AO genannten Fristen verstrichen sind; eine Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unber眉hrt.
Rz. 34
bb) Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Antrag auf Hinausschieben des Beginns der Au脽enpr眉fung gem盲脽 搂听197 Abs.听2 AO i.V.m. 搂听171 Abs.听4 Satz听1听听2.听Alternative AO auch darin zu sehen, dass der Steuerpflichtige --wie hier der Kl盲ger-- eine ihm gegen眉ber ergangene Pr眉fungsanordnung anficht und zugleich beantragt, deren Vollziehung auszusetzen (BFH-Urteil vom 25.听Januar 1989 X听R听158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483). Dies gilt jedoch nur, wenn der Verwaltungsakt, mit dem der Pr眉fungsbeginn festgesetzt wurde, rechtm盲脽ig war (BFH-Entscheidungen vom 10.听April 2003 IV听R听30/01, BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827; vom 15.听Mai 2007 I听B听10/07, BFH/NV 2007, 1624). Letzteres ist f眉r die gegen眉ber dem Kl盲ger f眉r die Streitjahre ergangene Pr眉fungsanordnung vom 15.听September 1999 der Fall. Auf der Grundlage des rechtskr盲ftigen klageabweisenden Urteils des FG vom 28.听September 2001听听3听K听3024/01 (nachgehend BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1394) sind die Beteiligten und der Senat gem盲脽 搂听110 Abs.听1 FGO daran gebunden, dass die Pr眉fungsanordnung rechtm盲脽ig ist. Soweit der Kl盲ger in der Revision nochmals Umst盲nde vortr盲gt, nach denen diese rechtswidrig gewesen sein soll, ist der Vortrag unerheblich.
Rz. 35
cc) Wird ein Antrag auf Aufschub des Pr眉fungsbeginns ohne zeitliche Vorgaben gestellt, endet die Festsetzungsfrist zwei Jahre nach Wegfall des geltend gemachten Hinderungsgrundes f眉r die Durchf眉hrung der Pr眉fung (BFH-Urteil vom 1.听Februar 2012 I听R听18/11, BFHE 236, 195, BStBl II 2012, 400; zur Zweijahresfrist s.a. BFH-Urteil vom 17.听M盲rz 2010 IV听R听54/07, BFHE 229, 20, BStBl II 2011, 7). Dies gilt auch, wenn --wie im Streitfall-- ein Rechtsbehelfsverfahren betrieben wird, das die Pr眉fungsanordnung oder Pr眉fungsma脽nahmen betrifft, die mit der gegen den Steuerpflichtigen gerichteten Au脽enpr眉fung in hinreichendem sachlichen Zusammenhang stehen (BFH-Urteile in BFHE 236, 195, BStBl II 2012, 400, Rz听19; vom 19.听Mai 2016 X听R听14/15, BFHE 254, 193, BStBl II 2017, 97, Rz听28).
Rz. 36
dd) Auf dieser Grundlage hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass eine Ablaufhemmung f眉r die Streitjahre gem盲脽 搂听171 Abs.听4 Satz 1 AO eingetreten ist.
Rz. 37
Wegen der vom Kl盲ger beantragten AdV der rechtm盲脽igen Pr眉fungsanordnung gem盲脽 搂听171 Abs.听4听听2.听Alternative AO musste zur Wahrung der Ablaufhemmung innerhalb von zwei Jahren nach Wegfall des Hinderungsgrundes und Kenntnisnahme der Finanzverwaltung --hier dem Ergehen des BFH-Beschlusses in BFH/NV 2003, 1394-- mit Pr眉fungshandlungen begonnen werden. Dies war der Fall. Denn jedenfalls liegen nach au脽en erkennbare Pr眉fungshandlungen (s. zum Begriff BFH-Urteil vom 26.听April 2017 I听R听76/15, BFHE 258, 210, BStBl II 2017, 1159, Rz听22) innerhalb der Zweijahresfrist darin, dass der Kl盲ger mit Schreiben vom 2.听September 2003 und vom 14.听Oktober 2003 aufgefordert wurde, dem Pr眉fer Einsicht in die Buchf眉hrungsunterlagen zu gew盲hren. Zudem hat der Pr眉fer die aus den Akten erkennbaren Besteuerungsgrundlagen aufbereitet, den Kl盲ger zur weiteren Aufkl盲rung zu einer Schlussbesprechung am 27.听April 2004 eingeladen und den Pr眉fungsbericht vom 6.听Mai 2004 gefertigt.
Rz. 38
ee) Die 脛nderungsbescheide vom 22.听Juni 2004 sind entgegen der Auffassung des Kl盲gers auch nicht nichtig. Somit kann dahinstehen, ob f眉r den Fall der Nichtigkeit dieser Bescheide --wie der Kl盲ger meint-- auf der Grundlage des BFH-Urteils vom 15.听M盲rz 2007 II听R听5/04 (BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 472) der Erlass der 脛nderungsbescheide vom 9.听M盲rz 2009 im Einspruchsverfahren erst nach Eintritt der Festsetzungsverj盲hrung erfolgt sein k枚nnte.
Rz. 39
Verl盲sst eine Sch盲tzung der Besteuerungsgrundlagen gem盲脽 搂听162 AO --im Streitfall der 10-%ige Unsicherheitsabschlag von s盲mtlichen Betriebsausgaben des Kl盲gers der Streitjahre in den 脛nderungsbescheiden vom 22.听Juni 2004-- den durch die Umst盲nde des Einzelfalls gezogenen Sch盲tzungsrahmen, ist sie --lediglich-- rechtswidrig. Nichtigkeit ist selbst bei groben Sch盲tzungsfehlern, die auf der Verkennung der tats盲chlichen Gegebenheiten oder der wirtschaftlichen Zusammenh盲nge beruhen, regelm盲脽ig nicht anzunehmen.
Rz. 40
Ausnahmsweise kann eine fehlerhafte Sch盲tzung die Nichtigkeit des auf ihr beruhenden Verwaltungsakts zur Folge haben, wenn sich das FA nicht an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert, sondern bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen gesch盲tzt hat (st盲ndige Rechtsprechung, s. zum Ganzen BFH-Urteil vom 15.听Juli 2014 X听R听42/12, BFH/NV 2015, 145). Willk眉rma脽nahmen, die mit den Anforderungen an eine ordnungsgem盲脽e Verwaltung schlechterdings nicht zu vereinbaren sind, k枚nnen ebenfalls einen besonders schweren Fehler i.S. von 搂听125 Abs.听1 AO darstellen. Willk眉rlich und damit nichtig i.S. von 搂听125 Abs.听1 AO ist ein Sch盲tzungsbescheid nicht nur bei subjektiver Willk眉r des handelnden Bediensteten. Auch wenn das Sch盲tzungsergebnis trotz vorhandener M枚glichkeiten, den Sachverhalt aufzukl盲ren und Sch盲tzungsgrundlagen zu ermitteln, krass von den tats盲chlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass 眉berhaupt und ggf. welche Sch盲tzungserw盲gungen angestellt wurden (s. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 145, m.w.N.), kann eine Nichtigkeit vorliegen.
Rz. 41
Diese rechtlichen Ma脽st盲be hat das FG bei seiner Pr眉fung der Nichtigkeit beachtet. Seine tats盲chlichen Feststellungen tragen die W眉rdigung, dass keine willk眉rliche Sch盲tzung zu Lasten des Kl盲gers vorlag. Die vollst盲ndige Streichung des Vorsteuerabzugs und die griffweise 10听%-ige K眉rzung der Aufwendungen stellten aufgrund der verweigerten Mitwirkung des Kl盲gers keine objektiv willk眉rliche Sch盲tzung der Besteuerungsgrundlagen dar. Die Erw盲gungen des Pr眉fers bzw. des FA konnte der Kl盲ger anhand des Berichts 眉ber die Au脽enpr眉fung vom 6.听Mai 2004 auch erkennen, ebenso s盲mtliche Feststellungen zu den 眉brigen Besteuerungsgrundlagen. Gem盲脽 搂听118 Abs.听2 FGO hat das FG f眉r den Senat auch bindend festgestellt, dass keine willk眉rliche Sch盲tzung bewusst zu Lasten des Kl盲gers erfolgte und keine Umst盲nde vorlagen, die die Sch盲tzung als Versto脽 gegen eine ordnungsgem盲脽e Verwaltung erscheinen lassen. Das FG hat insbesondere festgestellt, es seien keine Umst盲nde erkennbar, die objektiv f眉r Befangenheit des beauftragten Pr眉fers spr盲chen.
Rz. 42
Der Verweis des Kl盲gers auf das BFH-Urteil vom 28.听September 2011 VIII听R听8/09 (BFHE 235, 298, BStBl II 2012, 395) und sein Vorbringen, die Pr眉fungsanordnung vom 15.听September 1999 sei aus denselben Gr眉nden nichtig, was auf die 脛nderungsbescheide vom 22.听Juni 2004 ausstrahle, ist unerheblich. Es steht --wie dargelegt-- gem盲脽 搂听110 Abs.听1 FGO bindend fest, dass die Pr眉fungsanordnung rechtm盲脽ig war.
Rz. 43
d) Die im Einspruchsverfahren gegen die 脛nderungsbescheide vom 22.听Juni 2004 ergangenen 脛nderungsbescheide vom 9.听M盲rz 2009 und die im Klageverfahren erlassenen Bescheide vom 1.听Oktober 2010 sind ebenfalls vor Eintritt der Festsetzungsverj盲hrung ergangen. Die Ablaufhemmung des 搂听171 Abs.听4 AO endete mit der Unanfechtbarkeit der aufgrund der Au脽enpr眉fung ergangenen Steuerbescheide; der Erlass der im Rechtsbehelfsverfahren wegen desselben Steueranspruchs ergangenen 脛nderungsbescheide konnte auf 搂听171 Abs.听3a AO gest眉tzt werden (s.a. Banniza in H眉bschmann/Hepp/Spitaler, 搂听171 AO Rz听124).
Rz. 44
4. Die Revision ist jedoch hinsichtlich des hilfsweise erhobenen 脛nderungsbegehrens begr眉ndet. Das FG hat die Klage insoweit rechtsfehlerhaft als unbegr眉ndet abgewiesen.
Rz. 45
a) Es hat auf der Grundlage seiner Feststellungen zu Unrecht bejaht, dass das FA in den 脛nderungsbescheiden vom 1.听Oktober 2010 zur Sch盲tzung der Besteuerungsgrundlagen befugt war.
Rz. 46
aa) Der Kl盲ger hat auf der Grundlage der Feststellungen des FG keine Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten gem盲脽 搂听22 Abs.听2 Nr.听5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. 搂听63 Abs.听2 der Umsatzsteuer-Durchf眉hrungsverordnung (UStDV) im Hinblick auf die geltend gemachten Vorsteuerbetr盲ge und Betriebsausgaben verletzt.
Rz. 47
aaa) Gem盲脽 搂听162 Abs.听2 Satz 2 AO ist zu sch盲tzen, wenn der Steuerpflichtige B眉cher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu f眉hren hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchf眉hrung oder die Aufzeichnungen, die er zu f眉hren hat, nicht nach 搂听158 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden k枚nnen.
Rz. 48
bbb) Das FG hat feststellt, der Kl盲ger habe f眉r die Streitjahre Umsatzsteuer-Voranmeldungen und -Erkl盲rungen abgegeben und zur Pr眉fung der geltend gemachten Vorsteuerbetr盲ge und Betriebsausgaben mit Vorsteuerabzug alle Belege und Summenziehungen (die "Best盲nde der Vorsteuerbetr盲ge") im Klageverfahren vorgelegt. Auf dieser Grundlage hat das FG zu diesem Zeitpunkt eine Sch盲tzungsbefugnis des FA im Hinblick auf die geltend gemachten Vorsteuerbetr盲ge zu Unrecht bejaht.
Rz. 49
Eine umsatzsteuerrechtliche Verpflichtung zur Aufzeichnung von Entgelten f眉r Eingangsleistungen f眉r den Kl盲ger ergibt sich zwar gem盲脽 搂听22 Abs.听1, Abs.听2 Nr.听5 UStG. Nach diesen Vorschriften hatte der Kl盲ger im Rahmen der Ist-Besteuerung gem盲脽 搂听20 UStG --was er nicht in Abrede stellt-- u.a. die Entgelte f眉r steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen, die an ihn f眉r sein Unternehmen ausgef眉hrt worden sind, sowie die auf die Entgelte und Teilentgelte entfallenden Steuerbetr盲ge aufzuzeichnen. Gem盲脽 搂听63 Abs.听2 Satz听1 oder Abs.听5 UStDV sind diese Entgelte sowie Vorsteuerbetr盲ge am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums zusammenzurechnen.
Rz. 50
Die gem盲脽 搂听22 Abs.听2 Nr.听5 UStG i.V.m. 搂听63 Abs.听2 UStDV erforderlichen Aufzeichnungen der Entgelte f眉r Eingangsleistungen sind auch f眉r die Aufzeichnungen der Betriebsausgaben zu beachten. Es handelt sich zwar nicht um Aufzeichnungen "nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen" i.S. des 搂听140 AO. Die umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungsverpflichtung wirkt aber auch im Rahmen der Gewinnermittlung gem盲脽 搂听4 Abs.听3 EStG (BFH-Urteile vom 2.听M盲rz 1982 VIII听R听225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504; vom 26.听Februar 2004 XI听R听25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599; BFH-Beschl眉sse vom 16.听Februar 2006 X听B听57/05, BFH/NV 2006, 940; vom 12.听Juli 2017 X听B听16/17, BFHE 257, 523).
Rz. 51
Es ist angesichts der abgegebenen Voranmeldungen und der im Klageverfahren vorgelegten Belegsammlung aber aus den Feststellungen des FG nicht erkennbar, warum der Kl盲ger den Verpflichtungen zur Aufzeichnung und Summenziehung der Vorsteuerbetr盲ge/Betriebsausgaben nicht gen眉gt haben soll. Hierzu h盲tte das FG im Klageverfahren anhand der vorgelegten Belegordner und sonstigen Unterlagen konkrete Feststellungen treffen m眉ssen. Abgesehen vom Eingreifen einer etwaigen Pr盲klusion (z.B. nach 搂听79b Abs.听3 FGO) ist einer gerichtlichen Entscheidung derjenige Sach- und Streitstand zugrunde zu legen, wie er sich am Schluss der m眉ndlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht darstellt (s. BFH-Urteil vom 20.听September 2016 X听R听36/15, BFH/NV 2017, 593, Rz听14 und 18).
Rz. 52
ccc) Gleiches gilt f眉r die vom FG angenommene Sch盲tzungsbefugnis des FA hinsichtlich der ertragsteuerlichen Betriebsausgaben des Kl盲gers, aus denen kein Vorsteuerabzug beansprucht wurde (z.B. Lohnaufwand). Das FG bejaht insoweit zu Unrecht einen Versto脽 des Kl盲gers gegen eine umsatz- und ertragsteuerliche Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht f眉r Summenziehungen. Die vom FG herangezogene Verpflichtung des Kl盲gers zur Summenziehung gem盲脽 搂听22 Abs.听2 Nr.听5 UStG i.V.m. 搂听63 Abs.听2 UStDV besteht n盲mlich nur f眉r Entgelte und Steuerbetr盲ge, aus denen der Vorsteuerabzug begehrt wird (s.a. 搂听22 Abs.听3 Satz听1 UStG; Heuermann in S枚lch/Ringleb, Umsatzsteuer, 搂听22 Rz听115).
Rz. 53
ddd) Eine Sch盲tzungsbefugnis aufgrund einer missachteten Verpflichtung des Kl盲gers zur Summenziehung bei den Betriebsausgaben kann schlie脽lich auch nicht auf 搂搂听146 Abs.听1 und 5, 147 Abs.听1 AO gest眉tzt werden.
Rz. 54
Nach der Regelung des 搂听146 Abs.听1 AO sind die f眉r die jeweilige Gewinnermittlungsart erforderlichen Aufzeichnungen vollst盲ndig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Gem盲脽 搂听146 Abs.听5 Satz听1 Halbsatz听2 AO m眉ssen die Aufzeichnungen so gef眉hrt werden, dass sie dem konkreten Besteuerungszweck entsprechen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 940; vgl. auch allgemein: 搂听145 Abs.听2 AO). Eine ordnungsgem盲脽e 脺berschussrechnung gem盲脽 搂听4 Abs.听3 EStG setzt hiernach aber nur voraus, dass die H枚he der Betriebsausgaben --wie im Streitfall-- durch Belege nachgewiesen wird; eine f枚rmliche Aufzeichnungspflicht besteht hingegen nicht (BFH-Urteil vom 15.听April 1999 IV听R听68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481; BFH-Beschl眉sse vom 7.听Februar 2008 X听B听189/07, juris; vom 31.听Juli 2009 VIII听B听28/09, BFH/NV 2009, 1967).
Rz. 55
bb) Auch fehlt es an Feststellungen des FG, die dessen W眉rdigung tragen, dass eine Sch盲tzungsbefugnis des FA gem盲脽 搂听162 Abs.听2 Satz 1 AO bestand. Das FG hat nicht festgestellt, dass der Kl盲ger 眉ber seine Angaben zu den Betriebsausgaben und Vorsteuerbetr盲gen keine ausreichende Aufkl盲rung zu geben vermochte oder die weitere Auskunft verweigert hat.
Rz. 56
aaa) Eine Sch盲tzungsbefugnis nach dieser Vorschrift h盲ngt nicht vom Bestehen einer gesetzlichen (f枚rmlichen) Aufzeichnungspflicht ab, sondern besteht, wenn das FA die Besteuerungsgrundlagen aus den Angaben des Steuerpflichtigen nicht ermitteln kann (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1967).
Rz. 57
bbb) F眉r steuermindernde Tatsachen muss ein Steuerpflichtiger aufgrund der ihn treffenden Feststellungslast im Rahmen der Gewinnermittlung nach 搂听4 Abs.听3 EStG seine Betriebsausgaben so festhalten, dass das FA diese auf Richtigkeit und Vollst盲ndigkeit 眉berpr眉fen kann (BFH-Beschluss vom 7.听Februar 2008 X听B听189/07, juris; Segebrecht/Gunsenheimer, Die Einnahmen眉berschussrechnung nach 搂听4(3) EStG, 13.听Aufl., Rz听131). In der Regel ist notwendige Voraussetzung f眉r den Schluss, dass die in der Gewinnermittlung geltend gemachten Aufwendungen durch den Betrieb veranlasst sind, s盲mtliche Belege aufzubewahren und anhand der Aufzeichnungen die M枚glichkeit zu schaffen, diese nachzuweisen (BFH-Urteil in BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481). Denn nur bei Vorlage geordneter und vollst盲ndiger Belege verdient eine Einnahmen眉berschussrechnung Vertrauen und kann die Vermutung der Richtigkeit f眉r sich in Anspruch nehmen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481; in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599, m.w.N.).
Rz. 58
ccc) Das FG hat aber keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ableiten l盲sst, dass die geltend gemachten Betriebsausgaben anhand der geordneten Belegsammlung f眉r das FA nicht nachvollziehbar waren. Es hat allein auf den Umfang der Belege und die Unzumutbarkeit jeglicher 脺berpr眉fung der Belegsammlung verwiesen. Das FG als Tatsachengericht hat den Sachverhalt aber so festzustellen, wie er sich am Schluss der m眉ndlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht darstellt (s. BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 593, Rz听14 und 18). Um dem zu gen眉gen, h盲tte es als Grundlage seiner W眉rdigung, die Vorsteuerbetr盲ge und Betriebsausgaben seien anhand der Belegsammlung nicht nachvollziehbar, zumindest stichprobenartig aus der Belegsammlung heraus darlegen m眉ssen, dass die Betriebsausgaben und Vorsteuerbetr盲ge in der Gewinnermittlung unzutreffend angesetzt waren und dass eine Ermittlung der zutreffenden Betr盲ge unzumutbar war.
Rz. 59
b) Ferner tragen die Feststellungen des FG --selbst wenn eine Sch盲tzungsbefugnis unterstellt w眉rde-- nicht dessen W眉rdigung, dass ein griffweiser Abschlag von s盲mtlichen Vorsteuerbetr盲gen und Betriebsausgaben in H枚he von 1听% rechtm盲脽ig ist.
Rz. 60
aa) Die Pr眉fung gesch盲tzter Besteuerungsgrundlagen durch den BFH, welche zu den tats盲chlichen Feststellungen des FG gem盲脽 搂听118 Abs.听2 FGO geh枚ren, ist auf Rechtsfehler beschr盲nkt. Das FG-Urteil muss erkennen lassen, auf welchen Tatsachen die Sch盲tzung beruht und auf welchem Weg sie zustande gekommen ist. Es hat darzulegen, wie und dass es seine 脺berzeugung in rechtlich zul盲ssiger und einwandfreier Weise gewonnen hat (BFH-Urteile vom 6.听Februar 1991 II听R听87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459, unter II.2.a; vom 16.听September 2015 X听R听43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz听40; vom 20.听M盲rz 2017 X听R听11/16, BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz听52). Die gewonnenen Sch盲tzergebnisse m眉ssen schl眉ssig, wirtschaftlich m枚glich und vern眉nftig sein. Zudem darf das FG bei der Sch盲tzung nicht gegen anerkannte Sch盲tzungsgrunds盲tze, allgemeine Erfahrungss盲tze oder die Denkgesetze versto脽en (BFH-Urteile vom 18.听Oktober 1983 VIII听R听190/82, BFHE 139, 350, BStBl II 1984, 88, m.w.N.; in BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992).
Rz. 61
bb) Ein pauschaler Unsicherheitsabschlag f眉r steuermindernde Umst盲nde ist eine griffweise Sch盲tzung der Besteuerungsgrundlagen, die in einem vern眉nftigen Verh盲ltnis zu den erkl盲rten oder nicht erkl盲rten Einnahmen stehen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 10.听Mai 2012 X听B听71/11, BFH/NV 2012, 1461; zum Sicherheitszuschlag bei den Betriebseinnahmen BFH-Entscheidungen vom 26.听Oktober 1994 X听R听114/92, BFH/NV 1995, 373; vom 7.听Februar 2017 X听B听79/16, BFH/NV 2017, 774; in BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz听51). Die griffweise Sch盲tzung stellt im Spektrum der verschiedenen denkbaren Sch盲tzungsmethoden diejenige dar, die mit den gr枚脽ten Unsicherheiten behaftet ist und konkreten Tatsachengrundlagen vollst盲ndig oder nahezu vollst盲ndig entbehrt (BFH-Beschluss vom 28.听September 2011 X听B听35/11, BFH/NV 2012, 177). Es bedarf zu ihrer Rechtm盲脽igkeit einer ausreichenden Begr眉ndungstiefe des FG, dass und warum diese Sch盲tzungsmethode im jeweiligen Einzelfall notwendig ist und dass sie auch im Hinblick auf die Angemessenheit des Sch盲tzungsergebnisses allgemeinen Erfahrungsgrunds盲tzen entspricht (BFH-Urteil in BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz听51, mit Anmerkung N枚cker, jurisPR-SteuerR 45/2017 Anm.听3). Auf der anderen Seite ist aber auch das Ma脽 der Verletzung der dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten zu ber眉cksichtigen. Deshalb kann es gerechtfertigt sein, bei einer Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen einen Sicherheitszuschlag oder einen Sicherheitsabschlag vorzunehmen (BFH-Urteil vom 15.听April 2015 VIII听R听49/12, juris, Rz听19, m.w.N.).
Rz. 62
cc) Der Vorentscheidung fehlt es an der erforderlichen Begr眉ndungstiefe.
Rz. 63
Das FA hat den pauschalen Sicherheitsabschlag von den Vorsteuerbetr盲gen und Betriebsausgaben in den 脛nderungsbescheiden vom 1.听Oktober 2010 damit begr眉ndet, es sei nicht erkennbar, ob der Kl盲ger ausschlie脽lich privat und gemischt veranlasste Aufwendungen als Betriebsausgaben geltend gemacht habe. Diese Begr眉ndung hat das FG 眉bernommen und nicht hinterfragt. F眉r die Notwendigkeit eines pauschalen Unsicherheitsabschlags und der Angemessenheit der Sch盲tzung des FA h盲tte es die vorgelegten Belege aber zumindest stichprobenartig auswerten und Feststellungen treffen m眉ssen, aus denen erkennbar ist, dass der Kl盲ger 眉berhaupt unter 搂听12 EStG fallende Aufwendungen als Betriebsausgaben gebucht hatte, und begr眉nden m眉ssen, warum dies einen pauschalen Abschlag in H枚he von 1听% von den geltend gemachten Vorsteuerbetr盲gen und Betriebsausgaben rechtfertigt.
Rz. 64
5. Die Sache ist nicht spruchreif.
Rz. 65
Der Senat kann die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Sch盲tzungsbefugnis des FA und zur H枚he eines angemessenen Unsicherheitsabschlags nicht selbst treffen. Die Sache wird an das FG zur眉ckverwiesen (搂听126 Abs.听3 Satz听1 Nr.听2 FGO).
Rz. 66
6. Der Senat entscheidet nach Verzicht der Beteiligten ohne m眉ndliche Verhandlung (搂听90 Abs.听2 FGO). Die Kostenentscheidung beruht auf 搂听143 Abs.听2 FGO.
听
Fundstellen
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BFH/NV 2018, 606 |
DStRE 2018, 557 |