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Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufzeichnungspflichten im Taxigewerbe; Aufbewahrungspflicht von Schichtzetteln
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Leitsatz (amtlich)
1. Auch nicht buchf眉hrungspflichtige Gewerbetreibende sind verpflichtet, ihre Betriebseinnahmen gem盲脽 搂 22 UStG i.V.m. 搂搂 63 bis 68 UStDV einzeln aufzuzeichnen.
2. Im Taxigewerbe erstellte Schichtzettel sind gem盲脽 搂 147 Abs. 1 AO 1977 aufzubewahren. Sie gen眉gen den sich aus der Einzelaufzeichnungspflicht ergebenden Mindestanforderungen.
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Normenkette
EStG 搂 4 Abs. 3; AO 1977 搂听147 Abs. 1, 搂听162 Abs.听1-2; UStG 搂 22; UStDV 搂搂听63-68
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) ist seit 1987 Taxiunternehmer. Er ermittelt seinen Gewinn gem盲脽 搂 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In den Streitjahren erkl盲rte er Gewinne in H枚he von
1990 |
42 776 DM, |
1991 |
47 744 DM, |
1992 |
44 310 DM. |
Bei einer Au脽enpr眉fung wurden M盲ngel in der Kassenf眉hrung, Kassenfehlbetr盲ge und das Fehlen sog. Schichtzettel festgestellt. Die Schichtzettel enthalten Angaben der jeweiligen Fahrer, des Datums der Schicht, des Schichtbeginns, des Schichtendes, der "Total- und Besetztkilometer", der Touren, des Fahrpreises, des Tachostandes, der Fahrten ohne Uhr, der Gesamteinnahme, der Lohnabz眉ge, der sonstigen Abz眉ge, der verbleibenden Resteinnahme und der an den Unternehmer abgelieferten Betr盲ge. Unter Zugrundelegung eines Taxiumsatzes von j盲hrlich 100 000 DM erh枚hte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt 鈥旻A鈥) die Gewinne im Wege der Sch盲tzung um
1990 |
16 496 DM, |
1991 |
984 DM, |
1992 |
2 615 DM. |
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 鈥旹FG鈥 2003, 45). Entgegen der Auffassung des Kl盲gers h盲tten die Schichtzettel gem盲脽 搂 147 Abs. 1 Nr. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) aufbewahrt werden m眉ssen. Der Versto脽 gegen diese Vorschrift habe das FA zur Sch盲tzung berechtigt. Wegen der besonderen Bedeutung der Schichtzettel sei ein nicht unerheblicher Unsicherheitszuschlag erforderlich. Das FA habe im Rahmen seiner Sch盲tzung einen j盲hrlichen Taxenumsatz im Zweischichtbetrieb von 100 000 DM zugrunde gelegt. Dieser Umsatzwert sei 眉blich. Die Sch盲tzung liege an der untersten Grenze.
Mit der Revision tr盲gt der Kl盲ger vor:
1. Das FA sei dem Grunde nach nicht zur Sch盲tzung berechtigt.
Die Aufbewahrungspflicht des 搂 147 Abs. 1 Nr. 5 AO 1977 kn眉pfe an die Buchf眉hrungs- und Aufzeichnungspflichten gem盲脽 搂搂 140, 141 AO 1977 an. Best眉nden aber f眉r den Steuerpflichtigen keine Aufzeichnungspflichten, so bed眉rfe es auch keiner Aufbewahrungspflicht.
Im Rahmen des 搂 4 Abs. 3 EStG best眉nden keine allgemeinen Aufzeichnungspflichten f眉r Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben. Es best眉nden auch keine anderen Aufzeichnungspflichten, die eine Pflicht zur Aufbewahrung der Schichtzettel nach sich ziehen w眉rden.
Eine Aufzeichnungspflicht k枚nne nicht aus 搂 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) abgeleitet werden. Die Schichtzettel lie脽en nicht erkennen, wie sich die einzelnen Ums盲tze, getrennt nach Steuers盲tzen, zusammensetzten; es seien nur die Gesamteinnahmen enthalten. Im 脺brigen k枚nnte die umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungspflicht nicht eine einkommensteuerrechtliche Aufzeichnungspflicht nach sich ziehen; die Anwendbarkeit des 搂 22 UStG sei auf umsatzsteuerrechtliche Zwecke beschr盲nkt.
Da die in den Schichtzetteln relevanten Daten in das Kassenbuch 眉bertragen worden seien, habe keine Aufbewahrungspflicht f眉r die Schichtzettel bestanden. Die Aufbewahrung von Einnahmeursprungsaufzeichnungen sei nicht erforderlich, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Ausz盲hlung in ein anderes Medium, z.B. in ein Kassenbuch, 眉bertragen werde.
Die Schichtzettel seien f眉r die Besteuerung nicht von Bedeutung. Nach gefestigter Auffassung im Taxigewerbe dienten die Schichtzettel in erster Linie der Kontrolle der angestellten Fahrer; es handele sich um innerbetriebliche Unterlagen.
2. Die vorgenommene Sch盲tzung sei der H枚he nach nicht ausreichend begr眉ndet. Das FG versto脽e gegen die Anforderungen, die an eine ordnungsgem盲脽e Sch盲tzung zu richten seien. Es k枚nne weder als gerichtsbekannt noch als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass ein j盲hrlicher Taxenumsatz von 100 000 DM 眉blich sei. Die Sch盲tzung sei nicht nachpr眉fbar. Auch sei nicht erkennbar, warum gerade von einem Zwei-Schicht-Betrieb ausgegangen worden sei.
Der Kl盲ger beantragt, das angefochtene Urteil sowie die Einkommensteuer-Bescheide 1990 bis 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
1. Das FA sei dem Grunde nach zur Sch盲tzung befugt. Der Kl盲ger habe keine ausreichenden Aufkl盲rungen 眉ber die von ihm erkl盲rten gewerblichen Eink眉nfte gegeben, seine gem盲脽 搂 90 Abs. 1 AO 1977 bestehende Mitwirkungspflicht verletzt und gegen Aufbewahrungspflichten versto脽en.
Entgegen der Auffassung des Kl盲gers bestehe auch bei der Gewinnermittlung nach 搂 4 Abs. 3 EStG die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen nach 搂 147 AO 1977.
Im Streitfall habe der Kl盲ger durch die Vernichtung der Schichtzettel gegen die Aufbewahrungspflicht des 搂 147 Abs. 1 Nr. 5 AO 1977 versto脽en. Die Schichtzettel enthielten steuerlich relevante Aussagen von besonderer Bedeutung. Allein die Eintragungen im Kassenbuch b枚ten keine Gew盲hr f眉r die Vollst盲ndigkeit.
2. Die H枚he der Sch盲tzung beruhe auf bei anderen Taxibetrieben gewonnenen Erkenntnissen.
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II. Die Revision ist begr眉ndet; sie f眉hrt gem盲脽 搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zur眉ckverweisung der Sache an das FG. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Rechtm盲脽igkeit der vom FA 眉bernommenen Sch盲tzung der H枚he nach beurteilen zu k枚nnen.
1. Zu Recht hat das FG die Sch盲tzungsbefugnis des FA dem Grunde nach bejaht.
a) Der Kl盲ger war im Rahmen der von ihm zul盲ssigerweise nach 搂 4 Abs. 3 EStG vorgenommenen Gewinnermittlung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen verpflichtet. Auch die 脺berschussrechnung setzt voraus, dass die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs 鈥旴FH鈥 vom 15. April 1999 IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., 2003, 搂 4 Rz. 374 f.).
b) Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung ergibt sich f眉r Unternehmen aus 搂 22 UStG i.V.m. 搂搂 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchf眉hrungsverordnung (UStDV). Zwar sind umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungen keine Aufzeichnungen "nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen" i.S. des 搂 140 AO 1977. Die Aufzeichnungsverpflichtung aus einem Steuergesetz wirkt aber, sofern dieses Gesetz keine Beschr盲nkung auf seinen Geltungsbereich enth盲lt oder sich eine Beschr盲nkung aus der Natur der Sache nicht ergibt, unmittelbar auch f眉r andere Steuergesetze, also auch f眉r das EStG (BFH-Urteil vom 2. M盲rz 1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504; Weber-Grellet in Kirchhof/S枚hn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 搂 4 Rdnr. D 52).
骋别尘盲脽 搂 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind u.a. auch die vereinnahmten Entgelte aufzuzeichnen. Nach 搂 63 Abs. 1 UStDV m眉ssen die Aufzeichnungen so beschaffen sein, dass es einem sachverst盲ndigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit m枚glich ist, einen 脺berblick 眉ber die Ums盲tze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten.
c) Betriebseinnahmen sind einzeln aufzuzeichnen. Dem Grundsatz nach gilt das auch f眉r Bareinnahmen. Der Umstand der sofortigen Bezahlung der Leistung rechtfertigt nicht, die jeweiligen Gesch盲ftsvorf盲lle nicht auch einzeln aufzuzeichnen. Aus Gr眉nden der Zumutbarkeit und Praktikabilit盲t sind bestimmte Berufsgruppen (wie z.B. Einzelh盲ndler) von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung entbunden (Weber-Grellet, a.a.O., Rz. D 53). Die Situation bei Einzelhandelsunternehmen ist mit der bei Taxiunternehmen nicht vergleichbar (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 12. Mai 1966 IV 472/60, BStBl III 1966, 371, 373). Indes gen眉gen im Bereich des Taxigewerbes die sog. Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerz盲hler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, den sich aus der Einzelaufzeichnungspflicht ergebenden Mindestanforderungen; damit wird den branchenspezifischen Besonderheiten dieses Gewerbes ausreichend Rechnung getragen.
d) 搂 147 Abs. 1 AO 1977 verlangt die geordnete Aufbewahrung von Unterlagen. Diese Aufbewahrungspflicht ist akzessorisch und setzt eine Aufzeichnungspflicht voraus (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 搂 147 AO 1977, Tz. 1). Die Aufbewahrung von Einnahmeursprungsaufzeichnungen ist nicht erforderlich, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Ausz盲hlung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte gef眉hrte Kassenbuch 眉bertragen wird (BFH-Urteil vom 13. Juli 1971 VIII 1/65, BFHE 103, 34, BStBl II 1971, 729). Diese Voraussetzung ist im Streitfall jedoch nicht erf眉llt. Es besteht keine einheitliche Tageskasse, deren Ergebnis nach Ausz盲hlung unmittelbar in ein Kassenbuch 眉bernommen werden kann. Die Ergebnisse des Kl盲gers setzen sich vielmehr aus den Einnahmen der einzelnen Fahrer zusammen, die erst in ihrer Summe das jeweilige Tagesergebnis ergeben.
e) Die Schichtzettel sind Einnahmeursprungsaufzeichnungen; sie enthalten Angaben, aus denen sich die H枚he der Ums盲tze und damit auch der Betriebseinnahmen unmittelbar ergibt. Der Kl盲ger war insoweit aufbewahrungspflichtig; die Vernichtung der Schichtzettel bedeutete einen Versto脽 gegen diese Pflicht.
Sowohl bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht 鈥晈ie im Streitfall鈥 als auch bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht ist das FA dem Grunde nach zur Sch盲tzung gem盲脽 搂 162 Abs. 1 und 2 AO 1977 berechtigt (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., Vor 搂 140 AO 1977, Tz. 23; 搂 147 AO 1977, Tz. 64; 搂 162 AO 1977, Tz. 37; Weber-Grellet, a.a.O., Rdnr. D 58).
2. Das FG-Urteil l盲sst sich in Bezug auf die H枚he der Sch盲tzung nicht in der gebotenen Weise 眉berpr眉fen. Zwar geh枚rt die Sch盲tzung in ihrer Gesamtheit, einschlie脽lich der methodischen 脺berlegungen, zu den tats盲chlichen Feststellungen des FG, die f眉r das Revisionsgericht bindend sind (BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1998 III B 78/97, BFH/NV 1999, 741; Tipke/Kruse, a.a.O., 搂 118 FGO, Tz. 74). Das entbindet das FG aber nicht von der Pflicht, die Umst盲nde, die zu dieser Sch盲tzung gef眉hrt haben, im Einzelnen darzulegen, damit der BFH im Rahmen seiner Kompetenz die Sch盲tzung der H枚he nach 眉berpr眉fen kann (vgl. BFH-Urteil vom 18. April 1991 IV R 7/89, BFHE 165, 38, BStBl II 1991, 833). Gegenstand der notwendigen Feststellungen des FG sind die entscheidungserheblichen Tatsachen, die den abstrakt formulierten gesetzlichen Tatbest盲nden zugrunde liegen (Tipke/Kruse, a.a.O., 搂 76 FGO, Tz. 21, 30).
Das FG ist 鈥昫er Sch盲tzung des FA folgend鈥 von einem j盲hrlichen Taxenumsatz im Zweischichtbetrieb von 100 000 DM ausgegangen; es h盲lt diesen Umsatzwert aufgrund von Erkenntnissen aus anderen Klageverfahren f眉r durchaus 眉blich. Diese Feststellungen gen眉gen nicht, um die Hinzusch盲tzungsbetr盲ge nachvollziehen zu k枚nnen.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 1148151 |
BFH/NV 2004, 858 |
BStBl II 2004, 599 |
BFHE 2004, 249 |
BFHE 205, 249 |
BB 2004, 1147 |
DB 2004, 1349 |
DStR 2004, 954 |
DStRE 2004, 736 |
DStZ 2004, 392 |
DStZ 2004, 413 |
HFR 2004, 660 |