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Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung eines Arbeitgebers f眉r die Einbehaltung und Abf眉hrung von Lohnsteuer; keine Heilung von Ermessensfehlern bei erstmaligen Ermessenserw盲gungen im Revisionsverfahren
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Leitsatz (amtlich)
Werden erstmals w盲hrend des Revisionsverfahrens Ermessenserw盲gungen angestellt, k枚nnen diese im Revisionsverfahren nicht mehr ber眉cksichtigt werden (Anschluss an BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 21/03, BFH/NV 2005, 171).
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Normenkette
EStG 搂听42d Abs.听1 Nr. 1, Abs.听3 S盲tze听1-2, 搂听38 Abs.听1 S. 1, Abs.听3 S. 1, 搂听41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AO 搂 130 Abs.听1, 5; FGO 搂听68 S. 1, 搂搂听127, 102 S. 2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Rz. 1
I. Im Rahmen der 脺berpr眉fung eines Lohnsteuerhaftungsbescheids ist streitig, ob die einer beherrschenden Gesellschafter-Gesch盲ftsf眉hrerin unter Widerrufsvorbehalt zugesagte Weihnachtsgratifikation auch dann zugeflossen ist, wenn deren Zusage aufgrund eines sp盲teren Gesellschafterbeschlusses widerrufen wird.
Rz. 2
Die Kl盲gerin und Revisionsbeklagte (Kl盲gerin), eine GmbH, wurde im Streitjahr 2002 errichtet. Deren alleinige Gesellschafterin war zugleich Gesch盲ftsf眉hrerin.
Rz. 3
Die Kl盲gerin sagte der Gesellschafter-Gesch盲ftsf眉hrerin durch Gesch盲ftsf眉hrervertrag eine Weihnachtsgratifikation zu, behielt sich insoweit aber das Recht zum Widerruf vor. Nachdem die (Allein-)Gesellschafter-Gesch盲ftsf眉hrerin am 4. Oktober 2002 beschlossen hatte, f眉r das Streitjahr 2002 keine Weihnachtsgratifikation zu gew盲hren, wurde diese auch nicht ausgezahlt.
Rz. 4
Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Au脽enpr眉fung nahm das urspr眉nglich zust盲ndige Finanzamt die Kl盲gerin mit Haftungsbescheid f眉r Lohnsteuer, Solidarit盲tszuschlag und Kirchensteuer neben weiteren, hier nicht streitigen Gr眉nden auch hinsichtlich der auf die Weihnachtsgratifikation entfallenden Lohnsteuer in Anspruch, die von der Kl盲gerin nicht einbehalten worden war.
Rz. 5
Nach insoweit erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Die Kl盲gerin sei hinsichtlich der Weihnachtsgratifikation nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichtet gewesen. Denn der Gesellschafter-Gesch盲ftsf眉hrerin sei kein Arbeitslohn zugeflossen.
Rz. 6
Mit seiner Revision r眉gt der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) die Verletzung materiellen Rechts.
Rz. 7
Das FA beantragt,das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zur眉ckzuverweisen.
Rz. 8
Die Kl盲gerin stellt keinen Antrag.
Rz. 9
W盲hrend des Revisionsverfahrens hat das FA den streitbefangenen Haftungsbescheid vom 9. Dezember 2004 --ge盲ndert am 24. Februar 2005-- am 9. August 2012 unter gleichzeitigem Erlass eines neuen Haftungsbescheids nach 搂 130 Abs. 1 der Abgabenordnung zur眉ckgenommen, da das Auswahlermessen in dem urspr眉nglichen Haftungsbescheid nicht hinreichend dokumentiert worden sei.
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Rz. 10
II. Die Revision ist unbegr眉ndet und gem盲脽 搂 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur眉ckzuweisen.
Rz. 11
1. Die Revision f眉hrt zwar aus verfahrensrechtlichen Gr眉nden zur Aufhebung der Vorentscheidung. Denn Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens war noch der Haftungsbescheid vom 9. Dezember 2004, der am 24. Februar 2005 ge盲ndert wurde. Da das FA diesen urspr眉nglichen Haftungsbescheid w盲hrend des Revisionsverfahrens in vollem Umfang zur眉ckgenommen und durch den Haftungsbescheid vom 9. August 2012 ersetzt hat, ist dieser nach 搂 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539; vom 6. August 1996 VII R 77/95, BFHE 181, 107, BStBl II 1997, 79; vom 26. November 1986 I R 256/83, BFH/NV 1988, 82; vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791). Soweit dem Urteil eines FG ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt, kann es keinen Bestand haben. Dennoch bedarf es hier keiner Zur眉ckverweisung der Sache an das FG gem盲脽 搂 127 FGO, da die Sache spruchreif ist. Die vom FG getroffenen tats盲chlichen Feststellungen bilden unver盲ndert die Grundlage f眉r die Entscheidung des erkennenden Senats (dazu etwa Senatsurteil vom 27. Oktober 2011 VI R 71/10, BFHE 235, 448, BStBl II 2012, 234, m.w.N.).
Rz. 12
2. Die Revision ist gleichwohl als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen. Denn das Urteil der Vorinstanz ist im Ergebnis zu best盲tigen. Die Klage ist begr眉ndet, da das FA das ihm einger盲umte Ermessen nicht rechtsfehlerfrei ausge眉bt hat.
Rz. 13
a) Der Arbeitgeber haftet daf眉r, dass die von seinen Arbeitnehmern geschuldete Lohnsteuer einbehalten und an das FA abgef眉hrt wird (搂 42d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- i.V.m. 搂搂 38 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind er und die Arbeitnehmer gem盲脽 搂 42d Abs. 3 Satz 1 EStG Gesamtschuldner. Das FA kann die Steuerschuld oder die Haftungsschuld nach pflichtgem盲脽em Ermessen (搂 5 der Abgabenordnung) gegen眉ber jedem Gesamtschuldner geltend machen (搂 42d Abs. 3 Satz 2 EStG).
Rz. 14
b) Der streitbefangene Haftungsbescheid verletzt die Kl盲gerin insoweit in ihren Rechten, als das FA seiner Pflicht zur Aus眉bung des einger盲umten Ermessens nicht nachgekommen ist.
Rz. 15
Denn es war sich jedenfalls hinsichtlich des Auswahlermessens dieser Pflicht bei Erlass des urspr眉nglichen Haftungsbescheids vom 9. Dezember 2004 --wie es selbst einr盲umt-- 眉berhaupt nicht bewusst. Es hat sich in diesem Haftungsbescheid lediglich auf die Feststellung beschr盲nkt, dass die Kl盲gerin Lohnsteuer in unzutreffender H枚he einbehalten und abgef眉hrt habe und ihre Inanspruchnahme --insbesondere mangels entschuldbaren Rechtsirrtums-- nicht unbillig sei. Auch in dem 脛nderungsbescheid vom 24. Februar 2005 und der Einspruchsentscheidung fehlen entsprechende Ermessenserw盲gungen.
Rz. 16
Der Fehler, dass eine gebotene Ermessensaus眉bung unterblieben ist, ist auch in der Folgezeit nicht geheilt worden. Nach 搂 102 Satz 2 FGO kann die Finanzbeh枚rde ihre Ermessenserw盲gungen hinsichtlich des Verwaltungsakts bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens erg盲nzen. Im Streitfall hat das FA im Klageverfahren aber keine Ermessenserw盲gungen nachgeschoben. Denn es hat erstmals w盲hrend des Revisionsverfahrens solche Ermessenserw盲gungen angestellt. Im Umkehrschluss aus 搂 102 Satz 2 FGO k枚nnen diese im Revisionsverfahren jedoch unabh盲ngig davon nicht mehr ber眉cksichtigt werden, dass eine Erg盲nzung im Sinne dieser Vorschrift zumindest ansatzweise zuvor angestellte Ermessenserw盲gungen vorausgesetzt h盲tte (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 21/03, BFH/NV 2005, 171).
Rz. 17
3. Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob der Gesellschafterbeschluss 眉ber die Nichtauszahlung der Weihnachtsgratifikation einen Zufluss von Arbeitslohn bewirkt, kommt es angesichts dessen nicht mehr an.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 5086309 |
BFH/NV 2013, 1728 |
BFH/PR 2013, 435 |
BStBl II 2013, 737 |
BFHE 2014, 200 |
BFHE 241, 200 |
BB 2013, 2006 |
DB 2013, 1881 |
DB 2013, 6 |
DStR 2013, 8 |
DStRE 2013, 1264 |
DStZ 2013, 649 |
HFR 2013, 899 |