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Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung eines Haftungsbescheids durch einen anderen Haftungsbescheid w盲hrend des Klageverfahrens
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Leitsatz (amtlich)
Ersetzt das Finanzamt w盲hrend eines Klageverfahrens den mit der Klage angefochtenen Haftungsbescheid durch einen anderen Haftungsbescheid, in dem es erstmals seine Ermessenserw盲gungen erl盲utert, so wird dieser Bescheid zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Im weiteren Verlauf jenes Verfahrens sind die nunmehr angestellten Ermessenserw盲gungen in vollem Umfang zu ber眉cksichtigen.
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Normenkette
FGO 搂听68 S. 1, 搂听102 S. 2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten 眉ber die verfahrensrechtlichen Folgen der Ersetzung eines Haftungsbescheids durch einen anderen Haftungsbescheid.
Der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger), ein Verein, veranstaltet Konzerte. Der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) nahm an, dass der Kl盲ger in diesem Zusammenhang seiner Verpflichtung zum Steuerabzug gem盲脽 搂 50a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes nicht nachgekommen sei, und erlie脽 deshalb gegen ihn einen Haftungsbescheid 眉ber K枚rperschaftsteuer und Solidarit盲tszuschlag f眉r den Anmeldungszeitraum I/2000. Der Einspruch des Kl盲gers gegen diesen Bescheid hatte keinen Erfolg. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) enthalten weder der Bescheid selbst noch die Einspruchsentscheidung Ausf眉hrungen zur Ermessensbet盲tigung.
Der Kl盲ger focht den Haftungsbescheid mit einer Klage an. Daraufhin hob das FA den Bescheid am 27. Februar 2008 auf. Gleichzeitig erlie脽 es einen neuen Haftungsbescheid, der im Hinblick auf den Haftungsgegenstand und die Haftungsbetr盲ge mit dem urspr眉nglichen identisch ist. In diesem Bescheid hei脽t es u.a., der Kl盲ger werde als Haftungsschuldner in Anspruch genommen, weil er den ma脽geblichen Vertrag geschlossen und die f眉r die Steuerschuld ma脽gebliche Verg眉tung gezahlt habe und weil der Steuerschuldner im Ausland ans盲ssig sei; von einer Inanspruchnahme des gesetzlichen Vertreters des Kl盲gers werde zun盲chst abgesehen. Der Bescheid enth盲lt ferner den Hinweis, dass er gem盲脽 搂 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des anh盲ngigen Klageverfahrens werde.
Nach Erhalt dieses Bescheids erkl盲rte der Kl盲ger im Klageverfahren den Rechtsstreit in der Hauptsache f眉r erledigt. Das FA gab keine Erledigungserkl盲rung ab. Daraufhin erlie脽 das FG ein Urteil mit dem Tenor, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe (Nieders盲chsisches FG, Urteil vom 6. M盲rz 2008听 11 K 300/01). Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1051 abgedruckt.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision r眉gt das FA eine Verletzung des 搂 68 FGO. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, dass der Haftungsbescheid vom 27. Februar 2008 zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens geworden ist und dass die darin enthaltenen Ermessenserw盲gungen bei der Entscheidung des FG zu ber眉cksichtigen sind.
Der Kl盲ger beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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II. Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zur眉ckverweisung der Sache an das FG (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Dieses hat zu Unrecht angenommen, dass der Haftungsbescheid vom 27. Februar 2008 nicht zum Gegenstand des bei ihm anh盲ngigen Verfahrens geworden ist.
1. Ein vor dem FG gef眉hrter Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, wenn nach Eintritt der Rechtsh盲ngigkeit ein Ereignis eingetreten ist, durch welches das gesamte im Verfahren streitige --nach Ma脽gabe des Klageantrags zu bestimmende-- Klagebegehren objektiv gegenstandslos geworden ist (Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 20. Oktober 2004 II R 74/00, BFHE 207, 355, BStBl II 2005, 99, 100; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 搂 138 FGO Rz 9, m.w.N.). Ist eine Erledigung eingetreten und erkl盲rt daraufhin nur der Kl盲ger den Rechtsstreit f眉r erledigt, w盲hrend das FA der Erledigungserkl盲rung widerspricht, so muss das FG die Erledigung durch Urteil feststellen (BFH-Urteile vom 19. Januar 1971 VII R 32/69, BFHE 101, 201, BStBl II 1971, 307; vom 29. November 1984 V R 146/83, BFHE 143, 101, 105, BStBl II 1985, 370, 372; Brandt in Beermann/Gosch, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 搂 138 FGO Rz 191, m.w.N.). So ist das FG im Streitfall verfahren.
2. Das FG hat das erledigende Ereignis darin gesehen, dass das FA den urspr眉nglich angefochtenen Haftungsbescheid aufgehoben hat. Es hat dabei dem Umstand, dass zugleich ein neuer Haftungsbescheid erlassen wurde, keine Bedeutung beigemessen. Insbesondere hat es angenommen, dass jener neue Bescheid nicht gem盲脽 搂 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des anh盲ngigen Klageverfahrens geworden sei. Dem ist nicht beizupflichten.
a) Nach 搂 68 Satz 1 FGO wird, wenn ein angefochtener Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ge盲ndert oder ersetzt wird, der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ergeht jener Verwaltungsakt w盲hrend eines Klageverfahrens und wird durch ihn dem Begehren des Kl盲gers nicht in vollem Umfang abgeholfen, so wird durch seinen Erlass das Klageverfahren nicht erledigt. Es ist vielmehr fortzusetzen, wobei Gegenstand der gerichtlichen 脺berpr眉fung nunmehr der 盲ndernde oder ersetzende Verwaltungsakt ist.
b) 搂 68 Satz 1 FGO greift u.a. dann ein, wenn ein angefochtener Verwaltungsakt aus formellen Gr眉nden aufgehoben und inhaltsgleich wiederholt wird (BFH-Urteile vom 8. Februar 2001 VII R 59/99, BFHE 194, 466, BStBl II 2001, 506; vom 26. November 1986 I R 256/83, BFH/NV 1988, 82). Denn dieser Vorgang ist als "Ersetzung" des angefochtenen Bescheids i.S. des 搂 68 Satz 1 FGO anzusehen (ebenso St枚cker in Beermann/ Gosch, a.a.O., 搂 68 FGO Rz 30; Schallmoser in H眉bschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 搂 68 FGO Rz 39). Er unterf盲llt 搂 68 Satz 1 FGO auch dann, wenn der urspr眉ngliche Bescheid keine hinreichenden Ausf眉hrungen zur Ermessensaus眉bung enthielt und diese in dem "ersetzenden" Bescheid nachgeholt werden. Das hat der Senat zu 搂 68 FGO i.d.F. vor der Geltung des Zweiten Gesetzes zur 脛nderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) entschieden (Urteil in BFH/NV 1988, 82), und insoweit hat die Neufassung des Gesetzes die Reichweite der Vorschrift nicht ver盲ndert.
c) Das FG hat dies erkannt. Es hat jedoch angenommen, dass 搂 68 Satz 1 FGO nicht eingreife, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand gehabt und keinerlei Erl盲uterung zur Ermessensbet盲tigung enthalten habe. Die Finanzbeh枚rde d眉rfe n盲mlich im gerichtlichen Verfahren ihre Ermessenserw盲gungen nur erg盲nzen (搂 102 Satz 2 FGO), nicht aber erstmalig Ermessenserw盲gungen anstellen (BFH-Urteil vom 11. M盲rz 2004 VII R 52/02, BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579). Deshalb m眉ssten, wenn solche Erw盲gungen erstmals in einem ersetzenden Bescheid angestellt w眉rden und dieser Bescheid Gegenstand des Klageverfahrens werde, jene Erw盲gungen unbeachtet bleiben. Das sei nicht sachgerecht, weshalb 搂 68 Satz 1 FGO im Wege der teleologischen Reduktion dahin auszulegen sei, dass er einen solchen Sachverhalt nicht erfasse. Vielmehr sei in dieser Situation der Rechtsstreit wegen des urspr眉nglichen Bescheids in der Hauptsache erledigt und in Bezug auf den ersetzenden Bescheid die M枚glichkeit des Einspruchs er枚ffnet.
d) Dem ist nicht beizupflichten. Zwar mag zwischen den Regelungen in 搂 102 FGO einerseits und in 搂 68 FGO andererseits insofern ein gewisser Widerspruch bestehen, als 搂 102 Satz 2 FGO nur die "Erg盲nzung" von Ermessenserw盲gungen gestattet, w盲hrend 搂 68 Satz 1 FGO die vollst盲ndige Ersetzung des angefochtenen Bescheids erlaubt und im Hinblick auf die Ermessensaus眉bung keine Einschr盲nkung enth盲lt. Ein solcher Widerspruch k枚nnte aber nicht in der Weise ausger盲umt werden, dass die in 搂 102 Satz 2 FGO enthaltene Einschr盲nkung auf den Anwendungsbereich des 搂 68 Satz 1 FGO 眉bertragen wird. Vielmehr stehen beide Regelungen gleichrangig nebeneinander mit der Folge, dass die Ersetzung eines Verwaltungsakts auch dann unter 搂 68 Satz 1 FGO f盲llt, wenn aus Rechtsgr眉nden Ausf眉hrungen zur Ermessensaus眉bung notwendig sind und der ersetzende Verwaltungsakt erstmals solche Ausf眉hrungen enth盲lt.
aa) 搂 68 FGO dient u.a. der Verfahrensbeschleunigung (BFH-Urteil vom 25. Juli 1991 XI R 2/86, BFHE 165, 324, BStBl II 1992, 37; St枚cker in Beermann/Gosch, a.a.O., 搂 68 FGO Rz 3). Seine Zielsetzung besteht insoweit darin, dass ein einmal anh盲ngig gewordenes Klageverfahren ungeachtet einer 脛nderung der Bescheidlage fortgef眉hrt werden kann und dass dadurch Verz枚gerungen vermieden werden, die mit der Unterbrechung jenes Verfahrens und der Einleitung eines weiteren --auf den 脛nderungsbescheid bezogenen-- Rechtsbehelfsverfahrens verbunden sein k枚nnten. Dieses Anliegen besteht auch in der hier in Rede stehenden Situation. Es entspricht daher dem Grundgedanken des 搂 68 Satz 1 FGO, die Norm in dieser Situation uneingeschr盲nkt anzuwenden.
bb) Allerdings darf die Anwendung des 搂 68 FGO nicht dazu f眉hren, dass die von der Finanzbeh枚rde getroffene Regelung einer inhaltlichen 脺berpr眉fung durch die Gerichte entzogen wird. Deshalb ist 搂 68 Satz 1 FGO nach verbreiteter Ansicht nicht anwendbar, wenn ein mit einer Klage angefochtener Verwaltungsakt ge盲ndert oder ersetzt wird, die Klage gegen den urspr眉nglichen Verwaltungsakt aber unzul盲ssig ist (Schallmoser in H眉bschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., 搂 68 FGO Rz 89, m.w.N.). Mit diesem Sachverhalt ist der hier zu beurteilende aber nicht vergleichbar.
Denn die Unzul盲ssigkeit der Klage hindert einerseits das Gericht an einer Sachentscheidung. Sie kann andererseits nach der Rechtsprechung des BFH nicht vermittels einer Anwendung des 搂 68 FGO behoben werden (BFH-Urteile vom 11. Dezember 1986 IV R 184/84, BFHE 148, 422, BStBl II 1987, 303; vom 19. Februar 1993 VI R 70/92, BFH/NV 1993, 552). Auf dieser Basis h盲tte eine Anwendung des 搂 68 FGO im Fall der unzul盲ssigen Klage zur Folge, dass die Klage gegen den 盲ndernden oder ersetzenden Verwaltungsakt abgewiesen werden m眉sste, ohne dass es auf dessen inhaltliche Rechtm盲脽igkeit ank盲me. Da zudem 搂 68 Satz 2 FGO f眉r den Anwendungsbereich des 搂 68 Satz 1 FGO den Einspruch ausschlie脽t, w盲re der 盲ndernde oder ersetzende Bescheid im Ergebnis keiner gerichtlichen Rechtm盲脽igkeitskontrolle zug盲nglich. Deshalb ist der Gesetzgeber erkl盲rterma脽en davon ausgegangen, dass in einer solchen Situation der Einspruch gegen den "neuen" Bescheid zul盲ssig sein soll; er hat dies durch die Einf眉gung des Wortes "insoweit" in 搂 68 Satz 2 FGO klarstellen wollen (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BTDrucks 14/4549, S. 11).
Im Zusammenhang mit 搂 102 Satz 2 FGO fehlt es dagegen nicht nur an einer vergleichbaren 脛u脽erung des Gesetzgebers, sondern auch an einer entsprechend eindeutigen Ausgangssituation. Dem Rechtsschutzinteresse des B眉rgers kann vielmehr in vollem Umfang durch eine Gesetzesauslegung des Inhalts Rechnung getragen werden, dass im Anwendungsbereich des 搂 68 FGO die Nachholung von Ermessenserw盲gungen nicht gem盲脽 搂 102 Satz 2 FGO beschr盲nkt ist. Einer solchen Auslegung stehen weder der Gesetzestext noch die Gesetzesmaterialien entgegen. Daher l盲sst sich der vom FG angenommene Vorrang des 搂 102 Satz 2 FGO vor 搂 68 Satz 1 FGO aus dem Gesetz nicht ableiten.
cc) Zu einer abweichenden Beurteilung der Rechtslage f眉hrt nicht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), auf die das FG verwiesen hat. Danach ist es der Verwaltungsbeh枚rde verwehrt, einen mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt durch einen anderen Verwaltungsakt zu ersetzen und in dem ersetzenden Verwaltungsakt erstmals eine vom Gesetz geforderte Ermessensbet盲tigung zum Ausdruck zu bringen. Ein solches Vorgehen versto脽e gegen den seinerzeit in 搂 41 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) verankerten Grundsatz, dass die notwendige Erl盲uterung einer Ermessensaus眉bung (搂 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X) nur bis zur Erhebung der Klage nachgeholt werden k枚nne (BSG-Urteile vom 24. August 1988听 7 RAr 53/86, BSGE 64, 36; vom 15. Februar 1990听 7 RAr 28/88, BSGE 66, 204, m.w.N.). Die genannte Rechtsprechung besagt indessen nicht, dass in einem solchen Fall der ersetzende Bescheid nicht gem盲脽 搂 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Gegenstand eines den urspr眉nglichen Bescheid betreffenden Klageverfahrens werde; im Gegenteil geht das BSG ausdr眉cklich davon aus, dass in der von ihm behandelten Situation 搂 96 Abs. 1 SGG eingreift (BSG-Urteil in BSGE 64, 36). Nichts anderes gilt im Anwendungsbereich des 搂 68 FGO, dessen Regelungsgehalt insoweit demjenigen des 搂 96 SGG entspricht.
3. Im Streitfall ist hiernach der Haftungsbescheid vom 27. Februar 2008 zum Gegenstand des beim FG anh盲ngigen Verfahrens geworden. Daher hatte der Kl盲ger sein mit der Klage verfolgtes Ziel, eine endg眉ltige Aufhebung des Haftungsbescheids zu erwirken, nicht erreicht. Daraus folgt, dass eine inhaltliche Erledigung des Klageverfahrens nicht eingetreten ist. Das FG h盲tte mithin dem Feststellungsantrag des Kl盲gers nicht stattgeben d眉rfen, weshalb sein Urteil aufgehoben werden muss.
4. Doch kann der Senat nicht zugleich in der Sache selbst entscheiden (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Insbesondere kann er nicht deshalb, weil nur der Kl盲ger den Rechtsstreit in der Hauptsache f眉r erledigt erkl盲rt hat und eine Erledigung tats盲chlich nicht eingetreten ist, die Klage abweisen. Vielmehr muss die Sache an das FG zur眉ckverwiesen werden, damit dieses das Klageverfahren fortsetzen und 眉ber die Rechtm盲脽igkeit des Haftungsbescheids vom 27. Februar 2008 befinden kann.
a) Erkl盲rt der Kl盲ger einen Rechtsstreit f眉r erledigt und widerspricht das FA dieser Erkl盲rung, so beschr盲nkt sich der Rechtsstreit in der Folge grunds盲tzlich auf die Erledigungsfrage. F眉r eine Entscheidung 眉ber den urspr眉nglichen Klageantrag ist dann kein Raum (BFH-Urteil vom 27. September 1979 IV R 70/72, BFHE 128, 492, BStBl II 1979, 779; BFH-Beschluss vom 20. M盲rz 2003 III B 74/01, BFH/NV 2003, 935). Der Kl盲ger kann aber, wenn er eine Erledigungserkl盲rung abgibt, hilfsweise an seinem fr眉heren Antrag festhalten (BFH-Urteil in BFHE 207, 355, BStBl II 2005, 99, 101; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., 搂 138 FGO Rz 36, m.w.N.). Ist das geschehen und die Erledigung nicht eingetreten, so muss das FG 眉ber jenen Antrag entscheiden.
b) Im Streitfall hat der Kl盲ger in der m眉ndlichen Verhandlung vor dem FG eine Erledigungserkl盲rung abgegeben, nachdem das FG darauf hingewiesen hatte, dass seiner Ansicht nach der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Er hatte aber zuvor mitgeteilt, dass er an einer Kl盲rung der streitigen Sachfrage interessiert sei und in erster Linie eine Entscheidung des FG zu dieser Frage anstrebe (Schriftsatz vom 16. Januar 2008). Angesichts dessen muss der in der m眉ndlichen Verhandlung gestellte Antrag erg盲nzend dahin ausgelegt werden, dass er ein hilfsweises Festhalten an dem urspr眉nglichen Klageantrag beinhaltet. Zu dieser Auslegung ist der erkennende Senat befugt, da das Revisionsgericht Prozesserkl盲rungen ohne Bindung an Tatsachenfeststellungen des FG auslegen darf (Ruban in Gr盲ber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., 搂 118 Rz 48, m.w.N.). Mit der Situation, in der ein fachkundig vertretener Kl盲ger trotz eines Hinweises auf Zweifel am Eintritt der Erledigung von einem entsprechenden Hilfsantrag absieht und keine anderen Gr眉nde f眉r ein fortbestehendes Interesse an einer Sachentscheidung erkennbar sind (dazu Senatsbeschluss vom 3. April 2000 I B 68/99, BFH/NV 2000, 1226), ist der Streitfall nicht vergleichbar.
c) Dem hiernach zu bescheidenden Hilfsantrag des Kl盲gers kann nicht schon deshalb stattgegeben werden, weil der urspr眉nglich angefochtene Haftungsbescheid keine Ermessenserw盲gungen enthalten hat. Denn Gegenstand der gerichtlichen Pr眉fung muss wegen 搂 68 Satz 1 FGO der Bescheid vom 27. Februar 2008 sein, und darin hat das FA seine Ermessensaus眉bung erl盲utert. Eine nachtr盲gliche Ermessensbet盲tigung, die nur in den Grenzen des 搂 102 Satz 2 FGO zul盲ssig w盲re, liegt in Bezug auf diesen Bescheid nicht vor. Nur darauf kommt es jedoch an, da 搂 102 Satz 2 FGO ausschlie脽lich die Erg盲nzung von Ermessenserw盲gungen "hinsichtlich des Verwaltungsakts" regelt.
Dieser Beurteilung steht die Rechtsprechung des BSG zur Ersetzung von Verwaltungsakten w盲hrend eines sozialgerichtlichen Verfahrens (dazu oben II.2.d cc) nicht entgegen. Denn die verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen, auf denen sie beruht, weichen von den hier ma脽geblichen in entscheidungserheblicher Weise ab. Die f眉r Haftungsbescheide geltende Regelungslage ist u.a. dadurch gekennzeichnet, dass die Anfechtung eines solchen Bescheids den Ablauf der ma脽geblichen Festsetzungsfrist hemmt (搂 171 Abs. 3a der Abgabenordung --AO--) und dass diese Hemmung fortwirkt, wenn --wie im Streitfall-- ein angefochtener Haftungsbescheid durch einen anderen Haftungsbescheid ersetzt wird (BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004 VII R 18/03, BFHE 208, 292, BStBl II 2005, 323). Das Gesetz geht mithin davon aus, dass die Finanzbeh枚rde einen angefochtenen Haftungsbescheid bis zum Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens ohne zeitliche Einschr盲nkung ersetzen kann. Diese M枚glichkeit muss auch die Erg盲nzung des Bescheids um Ermessenserw盲gungen umfassen, da anderenfalls die in 搂 171 Abs. 3a AO getroffene Regelung in diesem Bereich h盲ufig versagen w眉rde: W眉rde einerseits ein ersetzender Haftungsbescheid zum Gegenstand eines anh盲ngigen Klageverfahrens und k枚nnten andererseits die in ihm angestellten Ermessenserw盲gungen in jenem Verfahren nicht ber眉cksichtigt werden, so k枚nnte die Finanzbeh枚rde eine nachtr盲gliche Ermessensaus眉bung nur dadurch wirksam vornehmen, dass sie nach Ergehen des finanzgerichtlichen Urteils und vor Ablauf der das Urteil betreffenden Rechtsmittelfrist erneut einen Haftungsbescheid erl盲sst; dass das dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ist angesichts der in 搂 171 Abs. 3a AO getroffenen Regelung nicht anzunehmen. Eine vergleichbare Regelungslage besteht in Bezug auf diejenigen Fragen, auf die sich die Rechtsprechung des BSG bezieht, nicht. Daher kann jene Rechtsprechung nicht auf die hier anstehende Fragestellung 眉bertragen werden.
5. Im Ergebnis ist bei der Entscheidung des Rechtsstreits der nunmehr streitbefangene Bescheid auch insoweit zu ber眉cksichtigen, als es um die darin enthaltenen Erl盲uterungen zur Ermessensbet盲tigung geht. Mit diesen Erw盲gungen hat sich das FG, von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig, nicht befasst. Ebenso hat es zu Grund und Umfang einer Haftung des Kl盲gers weder n盲here tats盲chliche Feststellungen getroffen noch rechtliche 脺berlegungen angestellt. Die hiernach fehlenden Pr眉fungsschritte k枚nnen im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden, weshalb die Sache zu diesem Zweck an das FG zur眉ckverwiesen werden muss.
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Fundstellen
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BFH/NV 2009, 1032 |
BFH/PR 2009, 352 |
BStBl II 2009, 539 |
BFHE 2009, 195 |
BFHE 224, 195 |
BB 2009, 1099 |
DB 2009, 1221 |
DStRE 2009, 697 |
DStZ 2009, 461 |
HFR 2009, 800 |