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Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung medizinischer Telefonberatung (Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil X-GmbH vom 05.03.2020 - C-48/19)
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Leitsatz (amtlich)
1. Auch telefonische Beratungen im Rahmen eines sog. Gesundheitstelefons k枚nnen einen therapeutischen Zweck verfolgen und unter den Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" fallen.
2. Telefonische Beratungen im Rahmen von Patientenbegleitprogrammen k枚nnen Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sein, wenn diese als Patientenschulungen im Rahmen der erg盲nzenden Leistungen zur Rehabilitation nachgewiesen einen therapeutischen Zweck erf眉llen.
3. F眉r die nicht unter einen der Katalogberufe des 搂 4 Nr. 14 Buchst. a UStG fallenden Unternehmer kann sich die erforderliche Berufsqualifikation entweder aus einer berufsrechtlichen Regelung oder daraus ergeben, dass die betreffenden heilberuflichen Leistungen in der Regel von den Sozialversicherungstr盲gern finanziert werden.
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Normenkette
UStG 搂 4 Nr. 14 Buchst. a; EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. c
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision der Kl盲gerin wird das Urteil des Finanzgerichts D眉sseldorf vom 14.08.2015 - 1 K 1570/14 U aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht D眉sseldorf zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zur眉ckverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung 眉ber die Kosten des Verfahrens 眉bertragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin), eine GmbH, verfolgt den Gesellschaftszweck, im Auftrag von Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen (insbesondere Krankenkassen und -versicherungen) Versorgungsleistungen aktiv zu unterst眉tzen und somit einen qualitativ hochwertigen Beitrag zur Gesunderhaltung der Bev枚lkerung zu leisten, was auch den Handel mit elektronischen Endger盲ten, Literatur sowie EDV-Systemen einschlie脽t.
Rz. 2
Sie betrieb im Besteuerungszeitraum 2014 (Streitjahr) im Auftrag von gesetzlichen Krankenkassen ein sog. Gesundheitstelefon, bei dem Versicherte in medizinischer Hinsicht beraten wurden, und f眉hrte im Auftrag von gesetzlichen Krankenkassen --und auch von Pharmaunternehmen, was die Kl盲gerin im Revisionsverfahren nicht mehr weiterverfolgt-- Patientenbegleitprogramme f眉r an chronischen oder lang andauernden Krankheiten leidende Patienten durch.
Rz. 3
Die telefonischen Beratungsleistungen wurden durch Krankenschwestern und medizinische Fachangestellte (Arzthelfer) erbracht, die gr枚脽tenteils auch als Gesundheitscoach ausgebildet waren. In mehr als einem Drittel der F盲lle wurde zudem ein Arzt, regelm盲脽ig ein Facharzt, hinzugezogen, der die Beratung 眉bernahm bzw. bei R眉ckfragen Anweisungen oder eine "zweite Meinung" erteilte.
Rz. 4
Im Rahmen des Gesundheitstelefons richtete die Kl盲gerin Informations-Hotlines ein, unter denen Mitarbeiter f眉r die Versicherten regelm盲脽ig rund um die Uhr an jedem Tag erreichbar waren. Die Mitarbeiter der Kl盲gerin meldeten sich unter dem Namen der jeweiligen Krankenkasse. Soweit eine medizinische Beratung gew眉nscht wurde, erfolgte eine softwaregest眉tzte Befunderhebung, d.h. eine Kontexteinstufung mit gezielten Fragen zur Thematik, und darauf folgend eine Beratung zu der vom Anrufer angegebenen therapeutischen Versorgungssituation. Dabei wurden Diagnosen und m枚gliche Therapien erkl盲rt und Ratschl盲ge zu Verhaltens- und Behandlungs盲nderungen erteilt. Die abgeschlossenen F盲lle wurden dem 盲rztlichen Leiter stichprobenartig eingespielt und insbesondere auf die medizinisch-fachliche Nachvollziehbarkeit der dokumentierten Angaben 眉berpr眉ft.
Rz. 5
Die Teilnehmer der Patientenbegleitprogramme wurden auf der Basis von Abrechnungsdaten und Krankheitsbildern von den Krankenkassen ermittelt, von diesen angeschrieben und auf Wunsch in das Programm eingeschrieben. Die Teilnehmer, die von Mitarbeitern der Kl盲gerin 眉ber einen Zeitraum von drei bis zw枚lf Monaten angerufen wurden, konnten bei Fragen jederzeit die medizinische Hotline erreichen und rund um die Uhr situationsbezogene Informationen zu ihrem Krankheitsbild erhalten. Schwerpunkt der Begleitprogramme war, das Verst盲ndnis der Teilnehmer und ihrer Angeh枚rigen f眉r ihre Krankheit und die regel- und vorschriftsm盲脽ige Einnahme der Medikamente oder die Teilnahme an anderen Therapien zu verbessern, Fehlmedikationen zu vermeiden und eine ad盲quate Reaktion auf Symptomzunahme und soziale Isolation herbeizuf眉hren. Ziel dessen war es, die Kosten bei Versicherten mit chronischen oder psychischen Erkrankungen besser zu managen und insbesondere die Zahl erneuter station盲rer Aufnahmen der Teilnehmer deutlich zu verringern bzw. bei ambulanter Verdachtsdiagnose in Zusammenhang mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom oder der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivit盲tsst枚rung die Eltern zu unterst眉tzen und zur Verringerung von Sekund盲rerkrankungen zu entlasten.
Rz. 6
Die Kl盲gerin stufte ihre Ums盲tze aus dem Betrieb des Gesundheitstelefons --soweit der Anruf von ihren Mitarbeitern als therapeutischer Anruf erfasst wurde-- und der Patientenbegleitprogramme als Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin ein und meldete f眉r den --vormals allein streitgegenst盲ndlichen-- Voranmeldungszeitraum Februar 2014 insoweit steuerfreie Ums盲tze an.
Rz. 7
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte die betreffenden Ums盲tze als steuerpflichtig und setzte mit Bescheid vom 08.05.2014 die Umsatzsteuervorauszahlung f眉r Februar 2014 abweichend von der Voranmeldung fest.
Rz. 8
Das Finanzgericht (FG) D眉sseldorf wies mit Urteil vom 14.08.2015听- 1听K听1570/14听U (Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 2232) die Klage ab. Es f眉hrte aus, die telefonischen Beratungsleistungen der Kl盲gerin seien nicht als 盲rztliche Heilbehandlungen von der Umsatzsteuer befreit. Die im Rahmen des Gesundheitstelefons erteilten Informationen beruhten nicht auf medizinischen Feststellungen, die von entsprechendem Fachpersonal getroffen worden seien, sondern allein auf den Angaben des Anrufers zu dem Krankheitsbild, zu dem dieser sich habe weiter informieren wollen, sei es zur Art der Diagnose, der Behandlungsm枚glichkeiten oder der Pr盲ventionsma脽nahmen. Dementsprechend h盲tten auch die Krankenkassen in ihren Internet-Auftritten ausdr眉cklich darauf hingewiesen, dass ein medizinisches Informationsgespr盲ch den Besuch beim Arzt nicht ersetzen k枚nne bzw. dass diese Informationen nicht den Haus- oder Facharzt und auch nicht den Apotheker ersetzten; es w眉rden keine Ferndiagnosen gestellt, sondern lediglich weitergehende Informationen 眉ber eine Erkrankung oder Ausk眉nfte zu Diagnosen erteilt. Auch den Beratungsleistungen des Patientenbegleitprogrammes fehle es am erforderlichen therapeutischen Zweck. Die Leistungen seien weder 盲rztlich verordnet noch seien sie im Rahmen einer individuellen Vorsorge- oder Rehabilitationsma脽nahme durchgef眉hrt worden.
Rz. 9
Mit der Revision macht die Kl盲gerin im Wesentlichen geltend, ihre vorbeugenden Beratungsleistungen unterfielen der Steuerbefreiung, da sie einen unmittelbaren Krankheitsbezug h盲tten und dazu dienten, sp盲tere h枚here Kosten durch 盲rztliche Heilbehandlungen zu vermeiden. Ebenso wie bei Erst- oder Notfallberatung sei eine vorherige von medizinischem Fachpersonal gestellte Diagnose nicht Voraussetzung. Auch ein (erstmaliger) telefonischer Arzt-Patienten-Kontakt sei Teil einer steuerbefreiten 盲rztlichen Leistung. Im 脺brigen k盲me telemedizinischen Leistungen zunehmende Bedeutung zu.
Rz. 10
Das FA verteidigt die Vorentscheidung und f眉hrt aus, dass --selbst wenn der individuelle Gesundheitsfall des Anrufers Anlass des Telefonats gewesen sei-- aufgrund der fehlenden Krankenunterlagen nur die Bandbreite der allgemein denkbaren medizinischen M枚glichkeiten habe dargestellt werden k枚nnen. Das Telefonat habe neben einer allgemeinen medizinischen Information nur eine Entscheidungshilfe geben k枚nnen, ob der Anrufer z.B. einen (weiteren) Arzt aufsucht oder die von seinem Arzt vorgeschlagene Therapie bzw. Behandlung fortf眉hrt.
Rz. 11
Mit Beschluss vom 18.09.2018听- XI听R听19/15 (BFHE 262, 561, BStBl II 2019, 178) hat der erkennende Senat das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europ盲ischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"1. Liegt unter Umst盲nden wie denen des Ausgangsverfahrens, in denen ein Steuerpflichtiger im Auftrag von Krankenkassen Versicherte zu verschiedenen Gesundheits- und Krankheitsthemen telefonisch ber盲t, eine T盲tigkeit vor, die dem Anwendungsbereich des Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.听November 2006 眉ber das gemeinsame Mehrwertsteuersystem [MwStSystRL] unterf盲llt?
2. Reicht es unter Umst盲nden wie denen des Ausgangsverfahrens in Bezug auf die in Frage 1 genannten Leistungen sowie f眉r Ums盲tze im Rahmen von 'Patientenbegleitprogrammen' f眉r den erforderlichen beruflichen Bef盲higungsnachweis aus, dass die telefonischen Beratungen von 'Gesundheitscoaches' (medizinischen Fachangestellten, Krankenschwestern) durchgef眉hrt werden und in circa einem Drittel der F盲lle ein Arzt hinzugezogen wird?"
Rz. 12
Der EuGH hat mit seinem Urteil X-GmbH vom 05.03.2020听- C-48/19 (EU:C:2020:169) wie folgt geantwortet:
"1. Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c [MwStSystRL] ist dahin auszulegen, dass telefonisch erbrachte Beratungsleistungen in Bezug auf Gesundheit und Krankheiten unter die in dieser Vorschrift vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung fallen k枚nnen, sofern sie eine therapeutische Zielsetzung verfolgen; dies zu pr眉fen ist Sache des vorlegenden Gerichts.
2. Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c [MwStSystRL] ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass Krankenpfleger und medizinische Fachangestellte, die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin erbringen, aufgrund der Tatsache, dass diese Leistungen telefonisch erbracht werden, zus盲tzlichen Anforderungen an die berufliche Qualifikation gen眉gen, damit diese Leistungen in den Genuss der in dieser Vorschrift vorgesehenen Steuerbefreiung kommen k枚nnen, sofern davon ausgegangen werden kann, dass sie ein vergleichbares Qualit盲tsniveau aufweisen wie die von anderen Anbietern auf diese Weise erbrachten Leistungen; dies zu pr眉fen ist Sache des vorlegenden Gerichts."
Rz. 13
Die Kl盲gerin sieht sich durch das EuGH-Urteil in ihrer Rechtsauffassung best盲tigt.
Rz. 14
Das FA leitet hingegen aus dem EuGH-Urteil ab, dass im Gegensatz zu den Patientenbegleitprogrammen, die sich jeweils auf ein bestimmtes Krankheitsbild eines bestimmten Patienten beschr盲nkten, beim Gesundheitstelefon nicht in gleicher Weise naheliegend sei, dass auch hier durchgehend ein im weiteren Sinne therapeutischer Zweck erf眉llt werde. Jedenfalls fehle es insgesamt an den notwendigen gesetzlichen Regelungen, die die an die Mitarbeiter/innen zu stellenden Qualifikationsanforderungen festlegen. Insbesondere sei ungekl盲rt, in welchem Umfang auch Krankenpfleger und medizinische Fachangestellte Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin erbringen k枚nnen.
Rz. 15
Nach Wiederaufnahme des Revisionsverfahrens hat das FA am 09.06.2020 f眉r das Streitjahr einen Umsatzsteuerbescheid erlassen und diesen mit Bescheid vom 16.09.2020 gem盲脽 搂听129 der Abgabenordnung berichtigt.
Rz. 16
Die Kl盲gerin beantragt sinngem盲脽, unter Aufhebung des FG-Urteils und 脛nderung des Umsatzsteuerbescheides f眉r 2014 vom 16.09.2020 die Umsatzsteuer auf 鈥μ偓 festzusetzen.
Rz. 17
Das FA beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen, hilfsweise unter Aufhebung der Vorentscheidung die Sache an das FG zur眉ckzuverweisen.
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Rz. 18
II. Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zur眉ckverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (搂听126 Abs.听3 Satz听1 Nr.听2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Rz. 19
Zu Unrecht hat das FG den von der Kl盲gerin mit dem Betrieb des Gesundheitstelefons und der Durchf眉hrung von Patientenbegleitprogrammen erbrachten Leistungen die Qualit盲t von Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin (搂听4 Nr.听14 Buchst.听a des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008, BGBl I 2008, 2794 --UStG--, Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL) bereits dem Grunde nach abgesprochen. Die tats盲chlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um den Streitfall abschlie脽end zu entscheiden.
Rz. 20
1. Das Urteil des FG ist schon aus verfahrensrechtlichen Gr眉nden aufzuheben. Da dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Verwaltungsakt zugrunde liegt, kann es keinen Bestand haben (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24.04.2013听- XI听R听3/11, BFHE 242, 410, BStBl II 2014, 86, Rz听25; vom 03.07.2014听- V听R听32/13, BFHE 246, 264, BStBl II 2017, 666, Rz听10; BFH-Beschluss vom 12.09.2018听- I听R听77/16, BFH/NV 2019, 296, Rz听9).
Rz. 21
Der im Revisionsverfahren zuletzt ergangene Umsatzsteuer-Jahresbescheid f眉r 2014 vom 16.09.2020 hat den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid f眉r Februar 2014, der Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens war, i.S. der 搂搂听68 Satz听1, 121 Satz听1 FGO ersetzt. Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt ge盲ndert oder ersetzt, so wird gem盲脽 der auch im Revisionsverfahren (搂听121 Satz听1 FGO) geltenden Vorschrift des 搂听68 FGO der neue Verwaltungsakt zum Gegenstand des Verfahrens. Das gilt auch f眉r einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid im Verh盲ltnis zum Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 242, 410, BStBl II 2014, 86, Rz听26, m.w.N.). Gegenstand der revisionsrechtlichen Pr眉fung ist deshalb nunmehr die Rechtm盲脽igkeit des Umsatzsteuer-Jahresbescheides f眉r 2014 vom 16.09.2020.
Rz. 22
2. 搂听4 Nr.听14 Buchst.听a UStG befreit die "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Aus眉bung der T盲tigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer 盲hnlichen heilberuflichen T盲tigkeit durchgef眉hrt werden". Unionsrechtlich beruht dies auf Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL. Danach sind "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Aus眉bung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten 盲rztlichen und arzt盲hnlichen Berufe durchgef眉hrt werden", steuerfrei.
Rz. 23
Die Vorschrift des 搂听4 Nr.听14 Buchst.听a Satz听1 UStG ist im Lichte des Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL unionsrechtskonform auszulegen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 11.10.2017听- XI听R听23/15, BFHE 259, 567, BStBl II 2018, 109, Rz听24听f., m.w.N.), wozu auch weiterhin die Rechtsprechung des EuGH zu Art.听13 Teil听A Abs.听1 Buchst.听c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten 眉ber die Umsatzsteuern herangezogen werden kann (vgl. EuGH-Urteile Future Health Technologies vom 10.06.2010听- C-86/09, EU:C:2010:334, Rz听27; Peters vom 18.09.2019听- C-700/17, EU:C:2019:753, Rz听18).
Rz. 24
a) Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL betrifft Leistungen, die au脽erhalb von Krankenh盲usern, sei es in den Praxisr盲umen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort, erbracht werden (vgl. z.B. EuGH-Urteile Peters, EU:C:2019:753, Rz听21; X-GmbH, EU:C:2020:169, Rz听20). Auch telefonisch erbrachte Heilbehandlungen k枚nnen unter die in Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL vorgesehene Steuerbefreiung fallen, wenn sie alle Voraussetzungen f眉r die Anwendung dieser Befreiung erf眉llen (vgl. EuGH-Urteil X-GmbH, EU:C:2020:169, Rz听21, 23).
Rz. 25
b) Der autonome unionsrechtliche Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" (vgl. EuGH-Urteile Unterpertinger vom 20.11.2003听- C-212/01, EU:C:2003:625, Rz听35; D'Ambrumenil und Dispute Resolution Services vom 20.11.2003听- C-307/01, EU:C:2003:627, Rz听53) erfasst Leistungen, die der Diagnose, der Behandlung und, soweit m枚glich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsst枚rungen dienen (vgl. z.B. EuGH-Urteile Peters, EU:C:2019:753, Rz听20; X-GmbH, EU:C:2020:169, Rz听28). Daraus folgt jedoch nicht zwangsl盲ufig, dass die therapeutische Zielsetzung einer Leistung in einem besonders engen Sinne zu verstehen ist; so fallen medizinische Leistungen, die zum Schutz einschlie脽lich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden, unter die in Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL vorgesehene Steuerbefreiung (vgl. z.B. EuGH-Urteile Future Health Technologies, EU:C:2010:334, Rz听41听f.; PFC Clinic vom 21.03.2013听- C-91/12, EU:C:2013:198, Rz听27; X-GmbH, EU:C:2020:169, Rz听29).
Rz. 26
Das Fehlen einer 盲rztlichen Verschreibung vor der telefonischen Beratung oder einer konkreten 盲rztlichen Behandlung im Anschluss daran gen眉gt nicht zur Kl盲rung der Frage, ob eine solche Beratung unter den Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" i.S. von Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL f盲llt (EuGH-Urteil X-GmbH, EU:C:2020:169, Rz听30).
Rz. 27
c) Zum Streitfall hat der EuGH mit Urteil X-GmbH (EU:C:2020:169) entschieden:
"31 Im vorliegenden Fall erm枚glichen Beratungen, die darin bestehen, die in Betracht kommenden Diagnosen und Therapien zu erl盲utern sowie 脛nderungen der durchgef眉hrten Behandlungen vorzuschlagen, es der betroffenen Person, ihre medizinische Situation zu verstehen und gegebenenfalls entsprechend t盲tig zu werden, insbesondere indem sie ein bestimmtes Arzneimittel einnimmt oder nicht einnimmt; sie k枚nnen daher einen therapeutischen Zweck verfolgen und somit unter den Begriff 'Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin' im Sinne von Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c der Richtlinie fallen.
32 Dagegen fallen Leistungen, die in der Erteilung von Ausk眉nften 眉ber Erkrankungen oder Therapien bestehen, aber aufgrund ihres allgemeinen Charakters nicht geeignet sind, zum Schutz, zur Aufrechterhaltung oder zur Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit beizutragen, nicht unter diesen Begriff.
33 Ebenso k枚nnen Leistungen, die in der Erteilung von Ausk眉nften administrativer Art, wie der Kontaktdaten eines Arztes oder einer Schlichtungsstelle, bestehen, den unter die in Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c der Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung fallenden Leistungen nicht gleichgestellt werden."
Rz. 28
d) Das FG hat seiner Entscheidung andere Rechtsgrunds盲tze zugrunde gelegt. Sein Urteil kann auch deshalb keinen Bestand haben.
Rz. 29
Dem FG obliegt es, Feststellungen (搂听118 Abs.听2 FGO) zu den von der Kl盲gerin mit dem Betrieb des Gesundheitstelefons erbrachten Leistungen zu treffen und diese gem盲脽 den Rechtsgrunds盲tzen des EuGH-Urteils X-GmbH (EU:C:2020:169, Rz听31 bis 33) rechtlich einzuordnen.
Rz. 30
e) F眉r die Leistungen der Kl盲gerin im Rahmen der Patientenbegleitprogramme ist der sachliche Anwendungsbereich der Steuerbefreiung des 搂听4 Nr.听14 Buchst.听a Satz听1 UStG, Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL dem Grunde nach er枚ffnet. Es handelt sich um Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, da diese als Patientenschulungen im Rahmen der erg盲nzenden Leistungen zur Rehabilitation (搂听43 Abs.听1 Nr.听2 des F眉nften Buchs Sozialgesetzbuch --SGB听V--) nur gegen眉ber Teilnehmern mit von 盲rztlichem Fachpersonal diagnostizierter chronischer Krankheit erbracht werden und damit nachgewiesen einen therapeutischen Zweck erf眉llen (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 262, 561, BStBl II 2019, 178, Rz听28).
Rz. 31
f) Eine Heilbehandlungsleistung ist nach Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL allerdings nur dann steuerfrei, wenn sie im Rahmen der Aus眉bung 盲rztlicher und arzt盲hnlicher Berufe erbracht wird (vgl. EuGH-Urteil X-GmbH, EU:C:2020:169, Rz听17). Nicht notwendig ist jedoch, dass jeder Aspekt einer therapeutischen Behandlung von medizinischem Personal durchgef眉hrt wird (vgl. EuGH-Urteil Verigen Transplantation Service International vom 18.11.2010听- C-156/09, EU:C:2010:695, Rz听28).
Rz. 32
aa) Die Definition der 盲rztlichen oder arzt盲hnlichen Berufe obliegt nach Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL den Mitgliedstaaten, die 眉ber ein Ermessen bei der Bestimmung der Berufe, in deren Rahmen die Erbringung von Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin von der Mehrwertsteuer befreit ist, und insbesondere bei der Festlegung der Qualifikationen, die f眉r die Aus眉bung dieser Berufe erforderlich sind, verf眉gen (vgl. EuGH-Urteile Solleveld u.a. vom 27.04.2006听- C-443/04 und C-444/04, EU:C:2006:257, Rz听29听f., 32; X-GmbH, EU:C:2020:169, Rz听40).
Rz. 33
bb) Dementsprechend regelt 搂听4 Nr.听14 Buchst.听a UStG, dass Leistungen im Rahmen der Aus眉bung der T盲tigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer 盲hnlichen heilberuflichen T盲tigkeit erfasst werden.
Rz. 34
cc) F眉r die nicht unter einen der genannten Katalogberufe fallenden Unternehmer kann sich die erforderliche Berufsqualifikation nach der nationalen Rechtsprechung aus einer berufsrechtlichen Regelung ergeben. Au脽erdem kann --entsprechend dem Zweck der Regelung, die Sozialversicherungstr盲ger von der Umsatzsteuer zu entlasten-- grunds盲tzlich vom Vorliegen des Bef盲higungsnachweises ausgegangen werden, wenn die Leistungen des Unternehmers durch heilberufliche T盲tigkeit in der Regel von den Sozialversicherungstr盲gern finanziert werden (vgl. BFH-Urteile vom 12.08.2004听- V听R听18/02, BFHE 207, 381, BStBl II 2005, 227, unter II.B.3.e听bb, Rz听43; vom 11.11.2004听- V听R听34/02, BFHE 208, 65, BStBl II 2005, 316, unter II.4.a, Rz听21). Eine Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen ist dabei dann von Bedeutung, wenn sie den Charakter eines Bef盲higungsnachweises hat. Dies kann sich im Einzelfall aus den Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach den nationalen Regelungen im Vierten Kapitel des SGB听V und damit aus den 搂搂听69听ff. SGB听V ergeben. So ist z.B. die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach 搂听92 SGB听V, der Abschluss eines Versorgungsvertrags nach 搂听111 SGB听V oder die Zulassung nach 搂听124 SGB听V als Indiz f眉r das Vorliegen der erforderlichen Berufsqualifikation anzusehen (vgl. BFH-Beschluss vom 14.10.2010听- V听B听152/09, BFH/NV 2011, 326, Rz听4, m.w.N.). Auch aus der Kostentragung nach 搂听43 SGB听V i.V.m. einer Gesamtvereinbarung kann sich der erforderliche Qualifikationsnachweis ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 30.04.2009听- V听R听6/07, BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679, unter II.3.b, Rz听24).
Rz. 35
dd) Im vorliegenden Fall waren Krankenschwestern und medizinische Fachangestellte (Arzthelfer), die gr枚脽tenteils auch als Gesundheitscoach ausgebildet waren, t盲tig. Bei gegebener Relevanz wurden diese in mehr als einem Drittel der F盲lle von Fach盲rzten unterst眉tzt. Die betreffenden Kosten wurden vollst盲ndig von gesetzlichen Krankenkassen getragen, woraus --wie dargestellt-- grunds盲tzlich auf die f眉r die erbrachten Leistungen erforderliche Qualifikation des von der Kl盲gerin eingesetzten Personals geschlossen werden kann. Allerdings erfolgte dies m枚glicherweise auf einzelvertraglicher Grundlage au脽erhalb des Leistungskatalogs und nicht aufgrund eines unter II.2.f听cc genannten Vertrags.
Rz. 36
Hierzu weitere Feststellungen zu treffen, die Feststellungen tats盲chlich zu w眉rdigen und nach den Vorgaben des EuGH-Urteils X-GmbH (EU:C:2020:169) rechtlich einzuordnen, obliegt dem FG.
Rz. 37
(1) Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL verlangt nicht, dass Krankenpfleger und medizinische Fachangestellte, die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin erbringen, aufgrund der Tatsache, dass diese Leistungen telefonisch erbracht werden, zus盲tzlichen Anforderungen an die berufliche Qualifikation gen眉gen, damit diese Leistungen in den Genuss der in dieser Vorschrift vorgesehenen Steuerbefreiung kommen k枚nnen, sofern davon ausgegangen werden kann, dass sie ein vergleichbares Qualit盲tsniveau aufweisen wie die von anderen Anbietern auf diese Weise erbrachten Leistungen (vgl. EuGH-Urteil X-GmbH, EU:C:2020:169, Leitsatz听2, Rz听47).
Rz. 38
(2) Zwar k枚nnen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihres Ermessens ggf. verlangen, dass die Anbieter berufliche Qualifikationen erwerben, die 眉ber diejenigen hinausgehen, die f眉r die in anderer Weise als telefonisch erbrachten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin erforderlich sind (EuGH-Urteil X-GmbH, EU:C:2020:169, Rz听44). Solche verbindlichen Festlegungen 眉ber die fachlichen Anforderungen an das Erbringen von telefonischen medizinischen Beratungsleistungen bestehen in der Bundesrepublik Deutschland indes nicht (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 262, 561, BStBl II 2019, 178, Rz听34).
Rz. 39
Aus dem Einwand des FA, dass f眉r die Patientenbegleitprogramme und die Gesundheits-Hotline der Kl盲gerin gesetzliche Regelungen fehlen, die die Qualifikationsanforderungen der Mitarbeiter/innen festlegen, folgt damit nicht, dass in F盲llen wie dem vorliegenden die Steuerbefreiung nach 搂听4 Nr.听14 Buchst.听a Satz听1 UStG, Art.听132 Abs.听1 Buchst.听c MwStSystRL ausgeschlossen w盲re. Vielmehr gelten die unter II.2.f听cc dieses Urteils dargestellten Rechtsgrunds盲tze.
Rz. 40
g) Gr眉nde, die Veranlassung g盲ben, die streitbefangenen Ums盲tze der Kl盲gerin im Hinblick auf gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen Dritter aus Gr眉nden der steuerrechtlichen Neutralit盲t der Umsatzsteuer zu unterwerfen, hat das FG nicht festgestellt. Sie sind bisher auch nicht ersichtlich.
Rz. 41
3. Durch die Zur眉ckverweisung erh盲lt das FG zugleich Gelegenheit, Feststellungen zu der H枚he der Vorsteuern und deren Aufteilung sowie ggf. zu 搂听14c Abs.听1 Satz听1 UStG zu treffen.
Rz. 42
4. Die 脺bertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf 搂听143 Abs.听2 FGO.
Rz. 43
5. Der Senat erkennt gem盲脽 搂听90 Abs.听2 i.V.m. 搂听121 Satz听1 FGO mit Einverst盲ndnis der Beteiligten durch Urteil ohne m眉ndliche Verhandlung.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 14288471 |
BFH/NV 2021, 425 |
BStBl II 2023, 415 |
HFR 2021, 292 |