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Entscheidungsstichwort (Thema)
Billigkeitsregelung zur Organschaft
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Leitsatz (NV)
Die Billigkeitsregelung zur Organschaft im BMF-Schreiben vom 05.07.2011 (BStBl I 2011, 703) kann von der Finanzverwaltung dahingehend verstanden werden, dass bei Schwester-Kapitalgesellschaften keine finanzielle Eingliederung vorliegt, wenn die eine GmbH an der anderen GmbH nur zu 50 % beteiligt ist.
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Normenkette
AO 搂搂听163, 227; UStG 2005 搂 2 Abs. 2 Nr. 2; GG Art 3 Abs. 1
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-W眉rttemberg vom 24.05.2017 - 1 K 1543/16 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Kl盲gerin zu tragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig ist die Anerkennung einer Organschaft bei Schwester-Kapitalgesellschaften f眉r 2008 bis 2010 (Streitjahre) aufgrund der Billigkeitsregelung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 05.07.2011 (BStBl I 2011, 703).
Rz. 2
Kl盲gerin und Revisionsbeklagte (Kl盲gerin) ist eine juristische Person in der Rechtsform einer GmbH, die in 1991 von den Eheleuten K errichtet wurde. Gegenstand des Unternehmens ist die Belieferung von Alten- und Pflegeheimen mit Lebensmitteln, Hausverbrauchs- und Heimbedarfsg眉tern sowie aller damit verbundenen Dienstleistungen.
Rz. 3
Ihre Ums盲tze f眉hrte die Kl盲gerin ausschlie脽lich an ein Alten- und Pflegeheim in der Rechtsform einer GmbH (H-GmbH) aus, an der die Eheleute bis Ende 2010 jeweils h盲lftig beteiligt waren.
Rz. 4
In 2005 ver盲u脽erten die Eheleute jeweils 25% ihrer Gesch盲ftsanteile an der Kl盲gerin an die H-GmbH, sodass die Anteile an der Kl盲gerin seitdem von den Eheleuten mit je 25听% und von der H-GmbH zu 50听% gehalten wurden. Am 09.12.2005 schlossen die Kl盲gerin und die H-GmbH einen "Bewirtschaftungsvertrag" ab. Seitdem erbringt die Kl盲gerin ihre Leistungen ausschlie脽lich gegen眉ber der H-GmbH. Alleiniger Gesch盲ftsf眉hrer der Kl盲gerin und der H-GmbH ist HK (Ehemann).
Rz. 5
Der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) behandelte die Kl盲gerin ab 2006 als Organgesellschaft der H-GmbH (Organtr盲gerin). Eine Au脽enpr眉fung bei der Kl盲gerin f眉r die Jahre 2006 bis 2007 hatte zwar beanstandet, dass keine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestehe, weil die H-GmbH nur zu 50听% an der Kl盲gerin beteiligt sei und es daher an einer finanziellen Eingliederung fehle (Bericht vom 20.12.2010), die Rechtsbehelfsstelle des FA half jedoch den Einspr眉chen der Kl盲gerin gegen die ge盲nderten Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007 ab, weil es davon ausging, dass eine Organschaft aufgrund der 脺bergangsregelung des BMF im Schreiben vom 05.07.2011 (BStBl I 2011, 703) noch bis einschlie脽lich 31.12.2011 anzuerkennen sei. F眉r die Folgejahre 2008 bis 2010 (Streitjahre) kam das FA hingegen auf der Grundlage desselben BMF-Schreibens zu dem Ergebnis, dass die 脺bergangsregelung im Streitfall nicht anwendbar sei. Die Kl盲gerin habe daher als selbst盲ndiges Unternehmen ihre Ums盲tze gegen眉ber der H-GmbH zu versteuern. Deren H枚he sowie die Vorsteuern sch盲tzte das FA und 盲nderte die Umsatzsteuerfestsetzungen der Streitjahre.
Rz. 6
Die hiergegen eingelegten Einspr眉che wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 28.12.2012 zur眉ck, weil es an der finanziellen Eingliederung der Kl盲gerin in die H-GmbH fehle. Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung k枚nne die H-GmbH ihren Willen bei der Kl盲gerin nicht durchsetzen. Die 脺bergangsregelung im BMF-Schreiben sei nicht anwendbar. Im anschlie脽enden Klageverfahren beantragte die Kl盲gerin in der m眉ndlichen Verhandlung vom 25.02.2015, aus Billigkeitsgr眉nden keine Umsatzsteuer festzusetzen und das Klageverfahren bis zur Entscheidung des FA 眉ber den Billigkeitsantrag ruhen zu lassen. Nach Zustimmung des FA beschloss das Finanzgericht (FG) das Ruhen dieses Verfahrens.
Rz. 7
Das FA lehnte mit Bescheid vom 29.10.2015 den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgr眉nden ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch als unbegr眉ndet zur眉ck. Die Kl盲gerin besitze kein sch眉tzenswertes Vertrauen f眉r die Annahme, Organgesellschaft der H-GmbH gewesen zu sein, da diese nicht die Mehrheit der Stimmrechte an der Kl盲gerin gehalten habe. Auf eine mittelbare Beteiligung der Gesellschafter komme es ebenso wenig an wie auf einen Stimmbindungsvertrag.
Rz. 8
Die Klage vor dem FG hatte hingegen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 132 ver枚ffentlichten Urteil ist das FA auf der Grundlage der 脺bergangsregelung im BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 703 verpflichtet, aus Billigkeitsgr眉nden keine Umsatzsteuer gegen die Kl盲gerin festzusetzen, da diese als Organgesellschaft der H-GmbH gelte. Die 脺bergangsregelung setze nur voraus, dass die am vermeintlichen Organkreis beteiligten Unternehmer unter Berufung auf Abschn.听2.8 Abs.听5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) in der am 04.07.2011 geltenden Fassung 眉bereinstimmend eine finanzielle Eingliederung annehmen. Diese Voraussetzung sei erf眉llt, da die Verwaltungsregelung f眉r eine finanzielle Eingliederung zwar den Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit (in der Regel mehr als 50听%) an der Organgesellschaft fordere, aber nicht regele, wie sich diese Mehrheit errechne. Mit der Bezugnahme auf das bereits im BStBl ver枚ffentlichte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.12.1996听- XI听R听25/94 (BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441) sei klar gewesen, dass schon eine nicht unwesentliche Beteiligung der Organ-Kapitalgesellschaft an der Organgesellschaft ein 脺ber- und Unterordnungsverh盲ltnis begr眉nde und zus盲tzliche Beteiligungen gemeinsamer Anteilseigner f眉r die finanzielle Eingliederung zu ber眉cksichtigen seien.
Rz. 9
Mit der vom FG zugelassenen Revision r眉gt das FA die Verletzung materiellen Rechts (搂听163 Abs.听1 der Abgabenordnung --AO--).
Rz. 10
Im Streitfall bestehe keine sachliche Unbilligkeit i.S. der 脺bergangsregelung des BMF-Schreibens in BStBl I 2011, 703, da dieses andere Sachverhalte betreffe. Ein sachlicher Billigkeitsgrund bestehe nur f眉r die durch die 脛nderung der Rechtsprechung unmittelbar betroffenen Steuerpflichtigen. Das BFH-Urteil vom 22.04.2010听- V听R听9/09 (BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597) betreffe die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine KG, im Streitfall gehe es aber weder um die Eingliederung in eine Personengesellschaft noch um die Zusammenrechnung mittelbarer Beteiligungen. Im Urteil vom 01.12. 2010听- XI听R听43/08 (BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600) sei eine Organschaft zwischen zwei Kapitalgesellschaften abgelehnt worden, an denen eine nat眉rliche Person alleiniger Anteilseigner des Organtr盲gers und der potentiellen Organschaft gewesen sei. Auch insoweit sei der Sachverhalt nicht vergleichbar.
Rz. 11
Entgegen der Ansicht des FG ergebe sich aus dem BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 nichts anderes. Nach den Urteilsgr眉nden m眉sse die Organgesellschaft in das Unternehmen des Organtr盲gers eingegliedert sein. Dies erfordere eine zur Durchsetzung des eigenen Willens erforderliche Stimmenmehrheit. Hierf眉r sei unma脽geblich, ob der Organtr盲ger 眉ber keine oder nur 眉ber eine unmittelbare Beteiligung verf眉ge, die nicht zur Durchsetzung seines Willens ausreiche. Halte der Organtr盲ger nicht die Mehrheit der Stimmrechte, sei er rechtlich nicht in der Lage, seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. Eine einschr盲nkende Anwendung dieses Urteils auf F盲lle mit ausschlie脽lichem Anteilsbesitz von nat眉rlichen Personen sei dem Urteil nicht zu entnehmen.
Rz. 12
Die Kl盲gerin habe nicht davon ausgehen k枚nnen, dass die unmittelbare Beteiligung der H-GmbH von 50听% zur Begr眉ndung einer Organschaft ausreichen k枚nne. Zur finanziellen Eingliederung f眉hre nur eine Zusammenrechnung der unmittelbaren Beteiligung von 50听% mit der mittelbaren Beteiligung des HK von 25听%. Eine solche Zusammenrechnung mittelbarer Beteiligungen und unmittelbarer Beteiligungen sei jedoch bereits mit BFH-Urteil vom 22.11.2001听- V听R听50/00 (BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167) abgelehnt worden. Dies gelte insbesondere dann, wenn --wie hier-- der Minderheitsgesellschafter auch beim potentiellen Organtr盲ger 眉ber keine eigene Mehrheitsbeteiligung verf眉ge (Anteilsbesitz 50听%). Damit h盲tten sich f眉r einen gewissenhaften Steuerpflichtigen Zweifel an der Annahme einer Organschaft ergeben m眉ssen.
Rz. 13
Im 脺brigen d眉rfe das Gericht die Richtlinien nicht selbst auslegen, sondern nur pr眉fen, ob die Auslegung durch die Beh枚rde m枚glich ist. Im Streitfall sei die Ablehnung der Billigkeitsma脽nahme ermessensgerecht, da die Auslegung der 脺bergangsregelung durch die Finanzverwaltung m枚glich gewesen sei.
Rz. 14
Das FA beantragt, das Urteil des FG vom 18.07.2017 (gemeint wohl 24.听05.2017) 1听K听1553/16 aufzuheben.
Rz. 15
Die Kl盲gerin beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Rz. 16
Die Kl盲gerin verteidigt die Vorentscheidung und tr盲gt erg盲nzend vor: Die 脺bergangsregelung sei nach ihrem eindeutigen Wortlaut anwendbar. Die H-GmbH und die Kl盲gerin seien 眉bereinstimmend von einer Organschaft ausgegangen und h盲tten nach der historischen Entwicklung der Verwaltungsanweisungen auch von einer Organschaft ausgehen k枚nnen. Im Schrifttum sei das BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600 dahingehend verstanden worden, dass erst hierdurch das Institut der mittelbaren finanziellen Eingliederung vollumf盲nglich aufgegeben wurde, w盲hrend bislang eine finanzielle Eingliederung 眉ber die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft f眉r m枚glich erachtet worden sei.
Rz. 17
Die Beteiligten haben mit ihren Schrifts盲tzen vom 22.11.2017 (Kl盲gerin) und vom 30.01.2018 (FA) auf die Durchf眉hrung einer m眉ndlichen Verhandlung verzichtet.
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Rz. 18
II. Die Revision des FA ist begr眉ndet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (搂听126 Abs.听3 Nr.听1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil verletzt 搂听102 FGO i.V.m. 搂搂听163, 227 AO, indem es das FA verpflichtet, auf der Grundlage der 脺bergangsregelung des BMF f眉r die Streitjahre keine Umsatzsteuer festzusetzen. Die Ablehnung der abweichenden Steuerfestsetzung durch das FA war nicht ermessensfehlerhaft.
Rz. 19
1. Nach 搂听163 AO k枚nnen Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erh枚hen, bei der Festsetzung der Steuer unber眉cksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig w盲re. 搂听163 AO soll sachlichen und pers枚nlichen Besonderheiten des Einzelfalls, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht ber眉cksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst 盲ndernde Korrektur des Steuerbetrags insoweit Rechnung tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2013听- X听R听39/10, BFHE 244, 485, BStBl II 2014, 572, unter II.1., m.w.N.). Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen der abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgr眉nden nach 搂听163 AO ebenso wie des Erlasses nach 搂听227 AO nicht n盲her konkretisiert, sondern die Entscheidung in das Ermessen der Finanzbeh枚rden gestellt. Zur Vereinheitlichung der Anwendung von Billigkeitsregeln kann wiederum das BMF Verwaltungsvorschriften erlassen, die die entscheidenden Ermessenserw盲gungen der Finanzbeh枚rden festschreiben und damit deren Ermessen auf Null reduzieren (vgl. BFH-Urteil vom 21.07.2016听- X听R听11/14, BFHE 254, 497, BStBl II 2017, 22, unter II.1.).
Rz. 20
2. Das zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft erlassene BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 703 ist eine solche ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift. Es behandelt die Konsequenzen aus den BFH-Urteilen in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 und in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, die zu einer 脛nderung der Rechtsprechung bei der finanziellen Eingliederung von Kapital- und Personengesellschaften f眉hrten. Neben einer 脛nderung von Abschn.听2.8 Abs.听5 UStAE ordnet das BMF an, dass die Grunds盲tze dieses Schreibens in allen offenen F盲llen anzuwenden sind.
Rz. 21
F眉r die Zurechnung von vor dem 01.01.2012 ausgef眉hrten Ums盲tzen wird es jedoch nicht beanstandet, wenn die am vermeintlichen Organkreis beteiligten Unternehmer unter Berufung auf Abschn.听2.8 Abs.听5 UStAE in der am 04.07.2011 geltenden Fassung 眉bereinstimmend eine finanzielle Eingliederung annehmen.
Rz. 22
a) Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, die unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art.听3 Abs.听1 des Grundgesetzes) zur Selbstbindung der Verwaltung f眉hren, sind bei der gerichtlichen Pr眉fung, ob die Finanzverwaltung ihre Ermessensentscheidung fehlerfrei, insbesondere willk眉rfrei getroffen hat, von den Finanzgerichten zu beachten (BFH-Urteile vom 13.01.2011听- V听R听43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, sowie vom 19.03.2009听- V听R听48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92, sowie vom 10.06.1992听- I听R听142/90, BFHE 168, 226, BStBl II 1992, 784).
Rz. 23
b) Allerdings haben die Finanzgerichte nur zu pr眉fen, ob sich die Beh枚rden an die Richtlinien gehalten haben und ob die Richtlinien selbst einer sachgerechten Ermessensaus眉bung entsprechen (BFH-Urteil vom 21.10.1999听- I听R听1/98, BFH/NV 2000, 691). Dabei ist f眉r die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift nicht ma脽geblich, wie das FG eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das FG darf daher Verwaltungsanweisungen nicht nach den allgemeinen Auslegungsmethoden selbst auslegen, sondern nur darauf 眉berpr眉fen, ob die Auslegung durch die Beh枚rde m枚glich ist (Senatsurteile vom 24.11.2005听- V听R听37/04, BFHE 211, 411, BStBl II 2006, 466, Leits盲tze听1 und 2, sowie vom 13.01.2005听- V听R听35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; BFH-Beschluss vom 04.06.2003听- VII听B听138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, unter II.2.c, m.w.N.). Den Finanzbeh枚rden ist es danach lediglich verwehrt, die Anwendung der Verwaltungsanweisung in offensichtlich von der Verwaltungsanweisung gedeckten Einzelf盲llen ohne zwingende Sachgr眉nde abzulehnen (BFH-Urteile vom 07.12.2005听- I听R听123/04, BFH/NV 2006, 1097, unter II.2.d), vom 20.10.1999听- X听R听69/96, BFHE 190, 185, BStBl II 2000, 259, unter II.3.c, sowie vom 23.04.1991听- VIII听R听61/87, BFHE 164, 422, BStBl II 1991, 752).
Rz. 24
3. Nach Ma脽gabe dieser Grunds盲tze ist die Ablehnung der Billigkeitsma脽nahme durch das FA nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des FG ist der vorliegende Sachverhalt nicht offensichtlich von der Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung erfasst. Denn die Finanzverwaltung geht bereits seit der Ver枚ffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 (Leitsatz听2) davon aus, dass die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines Organtr盲gers nicht gegeben ist, wenn dieser die notwendige (qualifizierte) Stimmenmehrheit in der juristischen Person nur mit Hilfe eines Minderheitsgesellschafters erreichen kann. Die Finanzverwaltung durfte die 脺bergangsregelung somit dahingehend verstehen, dass im Falle der Kl盲gerin mangels finanzieller Eingliederung in die H-GmbH keine Organschaft 眉ber mittelbare Beteiligung der Minderheitsgesellschafter vorlag.
Rz. 25
a) Die gewerbliche oder berufliche T盲tigkeit wird nach 搂听2 Abs.听2 Nr.听2 Satz听1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht selbst盲ndig ausge眉bt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der Verh盲ltnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organtr盲gers eingegliedert ist (Organschaft). Eine finanzielle Eingliederung liegt nach st盲ndiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn der Organtr盲ger unmittelbar oder mittelbar an der Organgesellschaft beteiligt ist, sodass er seinen Willen bei ihr durch Mehrheitsbeschl眉sse durchsetzen kann. Dies erfordert im Regelfall eine einfache Stimmenmehrheit und damit mehr als 50听% der Stimmrechte in der Organgesellschaft, sofern keine h枚here qualifizierte Mehrheit f眉r die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167). W盲hrend nach 眉berkommener Rechtsprechung eine mittelbare finanzielle Eingliederung auch 眉ber einen oder mehrere an beiden Gesellschaften beteiligte Gesellschafter begr眉ndet werden konnte (BFH-Urteil vom 17.04.1969听- V听R听123/68, BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505), schr盲nkte der BFH diese Rechtsprechung im Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 dahingehend ein, dass eine finanzielle Eingliederung in das Unternehmen einer GmbH nicht gegeben ist, wenn eine nat眉rliche Person als Nichtunternehmer die Mehrheitsbeteiligung an mehreren Kapitalgesellschaften h盲lt. War Organtr盲ger hingegen eine Personengesellschaft, konnte eine Kapitalgesellschaft, deren Anteile von den Gesellschaftern des Organtr盲gers gehalten wird, weiterhin mittelbar finanziell eingegliedert sein (BFH-Urteil vom 20.01.1999听- XI听R听69/97, BFH/NV 1999, 1136).
Rz. 26
Diese zweifelhafte Differenzierung nach der Rechtsform des Organtr盲gers (vgl. hierzu W盲ger, Organschaft im Umsatzsteuerrecht in Spindler/Tipke/R枚dder, Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift Schaumburg, 2009, 1189听ff., 1198/1199) wurde durch die BFH-Urteile in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 und in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600 (Rechtsprechungs盲nderung) beendet. Danach erfordert die finanzielle Eingliederung sowohl bei einer Kapitalgesellschaft als auch bei einer Personengesellschaft als Organtr盲ger eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft an der Organgesellschaft; nicht mehr ausreichend ist seitdem eine mittelbare Beherrschung 眉ber den oder die Gesellschafter der Gesellschaft.
Rz. 27
b) Vor diesem Hintergrund geht das FG zwar zu Recht davon aus, dass Abschn.听2.8 Abs.听5 UStAE in der am 04.07.2011 geltenden Fassung nicht selbst regelte, ob f眉r die --zur finanziellen Eingliederung erforderliche-- Stimmrechtsmehrheit neben der unmittelbaren Beteiligung eines (vermeintlichen) Organtr盲gers auch die (mittelbaren) Beteiligungen der Gesellschafter zu ber眉cksichtigen sind. Die Bezugnahme in Abschn.听2.8 Abs.听5 Satz听6 UStAE auf das im BStBl ver枚ffentlichte BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 k枚nnte durchaus daf眉r sprechen, dass im Falle einer nicht unwesentlichen Beteiligung der Organtr盲ger-Kapitalgesellschaft an der Organgesellschaft die zus盲tzlichen Beteiligungen gemeinsamer Anteilseigner zu ber眉cksichtigen waren und somit eine finanzielle Eingliederung begr眉nden konnten. Im Streitfall l盲ge damit eine Stimmrechtsmehrheit bei der H-GmbH vor, sodass die Kl盲gerin als Organgesellschaft zu behandeln w盲re.
Rz. 28
c) Das FG hat bei seiner Entscheidung allerdings nicht ber眉cksichtigt, dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung zur finanziellen (mittelbaren) Eingliederung mit der Ver枚ffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 weiter eingeschr盲nkt hat. Nach Leitsatz听2 dieses Urteils ist die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines Organtr盲gers nicht gegeben, wenn dieser die notwendige qualifizierte Stimmenmehrheit in der juristischen Person nur mit Hilfe eines Minderheitsgesellschafters erreichen kann.
Rz. 29
aa) Der Fall betraf die finanzielle Eingliederung zweier GmbHs (PTA und PS) in das Unternehmen einer KG (Kl盲gerin im dortigen Streitfall). An der KG waren der Gesellschafter E mit 80听% und K mit 20听% beteiligt. Die Kapitalanteile an den beiden GmbHs hielten die Kl盲gerin (60听%), der Minderheitsgesellschafter der Kl盲gerin K (20听%) und ein Dritter (20听%). Beschl眉sse der GmbH erforderten grunds盲tzlich 65听% der Stimmen, in Ausnahmef盲llen 75听% der Stimmen. Das FA bejahte eine finanzielle Eingliederung, da es hierf眉r ausreiche, dass beim Organtr盲ger und den Organgesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen 眉ber die f眉r die Beschlussfassungen erforderliche Mehrheit verf眉gten. FG und BFH lehnten hingegen eine Zusammenrechnung der Anteile ab und gaben der Klage statt. Die Beteiligung des Minderheitsgesellschafters K sichere der Kl盲gerin (KG) nicht die notwendige Mehrheit in beiden GmbHs, vielmehr h盲nge die Stimmenmehrheit der Kl盲gerin vom jeweiligen Stimmverhalten des K ab. Eine vom Willen der Kl盲gerin abweichende Willensbildung bei K sei deswegen nicht ausgeschlossen, weil er bei der Willensbildung in der Kl盲gerin 眉berstimmt worden sein k枚nnte. Die Beteiligung des K k枚nne erst dann zu den Stimmen des Mehrheitsgesellschafters hinzugez盲hlt werden, wenn dieser sich durch eine Stimmrechtsbindung zu einem gleich gerichteten Stimmverhalten verpflichtet habe. Solange nicht gew盲hrleistet sei, dass die Kl盲gerin ihren Willen aufgrund ihrer finanziellen Beteiligung an den jeweiligen GmbHs durchsetzen k枚nne, seien diese nicht in ihr Unternehmen eingegliedert. Da es im vorliegenden Streitfall f眉r eine Stimmrechtsbindung weder Feststellungen noch Anhaltspunkte gibt, ist eine finanzielle Eingliederung ausgeschlossen.
Rz. 30
bb) In der vorbehaltslosen Ver枚ffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 liegt die Anweisung der obersten Finanzbeh枚rden des Bundes und der L盲nder an die nachgeordneten Dienststellen der Finanzverwaltung, die in der jeweiligen Entscheidung enthaltenen Rechtsgrunds盲tze auf gleichgelagerte Sachverhalte allgemein --眉ber den entschiedenen Einzelfall hinaus-- anzuwenden (vgl. BFH-Urteil vom 31.08.2011听- X听R听19/10, BFHE 234, 420, BStBl II 2012, 190, unter II.2.c).
Rz. 31
d) Die Sache ist entscheidungsreif. Die Ver枚ffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 stellt f眉r die Finanzverwaltung einen sachlichen Grund dar, die Anwendung der Billigkeitsregelung ermessensfehlerfrei abzulehnen. Das anderslautende Urteil des FG ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Rz. 32
4. Mit seiner Entscheidung weicht der V.听Senat des BFH nicht von dem Urteil des XI.听Senats des BFH vom 26.06.2019听- XI听R听3/17 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2019, 2135, Der Betrieb --DB-- 2019, 2384) ab, das zu einem anderen Sachverhalt ergangen ist. Der vorliegende Fall betrifft die finanzielle Eingliederung bei unmittelbarer Beteiligung (50听%) unter Hinzurechnung der Anteile eines Minderheitsgesellschafters, w盲hrend es in dem BFH-Urteil in DStR 2019, 2135, DB 2019, 2384 um die finanzielle Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft bei ausschlie脽lich mittelbaren Beteiligungen geht. Das hier streitentscheidende Senatsurteil in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 wird daher bei den Nachweisen zur bisherigen Rechtsprechung in der Entscheidung in DStR 2019, 2135, DB 2019, 2384 (unter II.1. der Gr眉nde) nicht erw盲hnt.
Rz. 33
5. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂听135 Abs.听2 FGO.
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Fundstellen
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BFH/NV 2020, 86 |
HFR 2020, 267 |