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Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur 脺berpr眉fung einer bestandskr盲ftigen Steuerfestsetzung im Billigkeitsverfahren; kein qualifizierter Versto脽 gegen Gemeinschaftsrecht durch Besteuerung der Ums盲tze einer Massagepraxis-GmbH in den Jahren 1989 bis 1991
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Leitsatz (amtlich)
1. Eine bestandskr盲ftige Steuerfestsetzung kann im Billigkeitsverfahren nach 搂 227 AO 1977 nur dann sachlich 眉berpr眉ft werden, wenn die Steuerfestsetzung 鈥昩eurteilt nach der Rechtslage bei der Festsetzung der Steuer鈥 offensichtlich und eindeutig falsch ist und wenn dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren.
2. Der Umstand allein, dass eine bestandskr盲ftig festgesetzte Steuer in Widerspruch zu einer sp盲ter entwickelten Rechtsprechung steht, rechtfertigt noch nicht den Erlass der Steuer.
3. Das FG darf Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf 眉berpr眉fen, ob die Auslegung durch die Beh枚rde m枚glich ist.
4. Ein qualifizierter Versto脽 gegen das Gemeinschaftsrecht (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG) liegt nicht vor, wenn das FA die Ums盲tze einer Massagepraxis in der Rechtsform einer GmbH in den Jahren 1989 bis 1991 als steuerpflichtig behandelt hat.
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Normenkette
AO 1977 搂 227; UStG 1980 搂 4 Nr. 14 S. 1; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Die Kl盲gerin und Revisionsbeklagte (Kl盲gerin) betrieb in den Streitjahren (1989 bis 1991) eine Massagepraxis in der Rechtsform einer GmbH. Sie gab f眉r 1989 keine Umsatzsteuererkl盲rung ab und erkl盲rte in der Umsatzsteuererkl盲rung f眉r 1990 keine steuerpflichtigen Ums盲tze, weil sie der Auffassung war, ihre Ums盲tze seien nach 搂 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG 1980) steuerfrei.
Der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt 鈥旻A鈥) meinte dagegen, eine Steuerfreiheit nach 搂 4 Nr. 14 UStG 1980 sei nicht gegeben, weil diese Vorschrift nicht f眉r eine GmbH gelte. Dementsprechend setzte das FA in den Umsatzsteuerbescheiden f眉r 1989 und 1990 vom 26. Juni 1992 Umsatzsteuer gegen die Kl盲gerin fest, wobei es die Ums盲tze anhand der in den Bilanzen der Kl盲gerin ausgewiesenen Erl枚se sch盲tzte.
Nach Zur眉ckweisung ihrer Einspr眉che gegen diese Bescheide erhob die Kl盲gerin beim Finanzgericht (FG) Klage (9 K 272/92). Sie nahm die Klage am 30. M盲rz 1993 zur眉ck, nachdem der Berichterstatter des FG ihrem damaligen Prozessbevollm盲chtigten Folgendes mitgeteilt hatte:
"Da nicht erkennbar ist, mit welcher Begr眉ndung die Klage Erfolg haben k枚nnte, wird zur Vermeidung (weiterer unn枚tiger) Kosten die R眉cknahme der Klage zu bedenken gegeben."
Nach Klager眉cknahme beantragte die Kl盲gerin im Mai 1993, ihr die Umsatzsteuer f眉r 1989 und f眉r 1990 zu erlassen. Dies lehnte das FA durch Bescheid vom 29. Juni 1993 ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde der Oberfinanzdirektion (OFD) zur Entscheidung vorgelegt. Nachdem die OFD der Kl盲gerin mitgeteilt hatte, sie teile die Rechtsauffassung des FA, verzichtete die Kl盲gerin auf eine f枚rmliche Beschwerdeentscheidung.
In der im Dezember 1993 beim FA eingereichten Umsatzsteuererkl盲rung f眉r 1991 erkl盲rte die Kl盲gerin steuerpflichtige Ums盲tze in H枚he von 338 326 DM. Der entsprechende Umsatzsteuerbescheid f眉r 1991 erging am 7. Januar 1994.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 1998 beantragte die Kl盲gerin den Erlass der Umsatzsteuern f眉r 1989 bis 1991 nebst Nebenleistungen wegen sachlicher Unbilligkeit. Sie f眉hrte zur Begr眉ndung u.a. aus, ihre Ums盲tze seien gem盲脽 搂 4 Nr. 14 UStG 1980/1991 steuerfrei gewesen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe durch Urteil vom 4. M盲rz 1998 XI R 53/96 (BFHE 185, 305, BStBl II 2000, 13) klargestellt, dass auch eine GmbH steuerfreie Ums盲tze nach 搂 4 Nr. 14 UStG 1991 erzielen k枚nne, solange das Unternehmen unter direkter Weisung oder Einflussnahme einer spezifischen, fachlichen oder handlungsbezogenen Leitung t盲tig sei. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall gegeben.
Durch Bescheid vom 6. Februar 2001 lehnte das FA den begehrten Erlass ab. Der Einspruch der Kl盲gerin blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 22. M盲rz 2001 f眉hrte das FA u.a. aus: Bestandskr盲ftige Steuerfestsetzungen k枚nnten im Billigkeitsverfahren nach 搂 227 der Abgabenordnung (AO 1977) nur dann sachlich 眉berpr眉ft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch sei und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar gewesen sei, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren. Beide Voraussetzungen seien hier nicht erf眉llt. Die Umsatzsteuerbescheide f眉r 1989 bis 1991 seien nicht offensichtlich und eindeutig falsch gewesen, sondern h盲tten der damaligen Rechtslage entsprochen. Die nachfolgende 脛nderung der BFH-Rechtsprechung durch das Urteil in BFHE 185, 305, BStBl II 2000, 13 rechtfertige es nicht, diese neue Rechtsprechung im Billigkeitswege auch bereits bei bestandskr盲ftigen Veranlagungen anzuwenden.
Es sei der Kl盲gerin auch weder unm枚glich noch unzumutbar gewesen, sich gegen die Umsatzsteuerfestsetzung zu wenden. Das Klageverfahren wegen Umsatzsteuer 1989 und 1990 sei offenbar nur deshalb nicht weiter verfolgt worden, weil die rechtliche W眉rdigung durch das FA als zutreffend anerkannt worden sei. Aus diesem Grunde sei auch gegen die Umsatzsteuerfestsetzung f眉r 1991 kein Einspruch eingelegt worden.
Die Klage der Kl盲gerin hatte Erfolg. Das FG hob den Bescheid vom 6. Februar 2001 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 22. M盲rz 2001 auf und verpflichtete das FA, 眉ber den Erlassantrag der Kl盲gerin unter Ber眉cksichtigung der Rechtsauffassung des FG neu zu befinden. Das FG f眉hrte zur Begr眉ndung aus, es liege ein Ermessensfehler vor, weil das FA bei seiner Ermessensentscheidung nicht alle den Sachverhalt betreffenden Umst盲nde ber眉cksichtigt habe.
Zum einen habe das FA 眉bersehen, dass seinerzeit der Kl盲gerin in dem Klageverfahren 9 K 272/92 nach dem Hinweis des damaligen Berichterstatters praktisch kein anderer Weg als die Klager眉cknahme geblieben sei; sie habe sich in einer Zwangslage befunden, in der ihr die weitere Rechtsverfolgung nicht mehr zumutbar gewesen sei.
Zum anderen habe das Bundesministerium der Finanzen (BMF) durch Schreiben vom 28. Februar 2000 (BStBl I 2000, 433) angeordnet, dass die Grunds盲tze des BFH-Urteils in BFHE 185, 305, BStBl II 2000, 13 "in allen noch offenen F盲llen anzuwenden" seien. Das FA habe verkannt, dass ein "offener Fall" im Sinne dieses BMF-Schreibens nicht nur dann vorliege, wenn das Festsetzungsverfahren noch offen sei, sondern auch dann, wenn die festgesetzten Steuern 鈥昦us welchen Gr眉nden auch immer鈥 noch nicht beglichen worden seien.
Mit der Revision r眉gt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es beruft sich zur Begr眉ndung auf seine Ausf眉hrungen in der Einspruchsentscheidung und macht ferner geltend, das FG sei vom BFH-Urteil vom 11. August 1987 VII R 121/84 (BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512) abgewichen.
Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
Die Kl盲gerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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II. Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (搂 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung 鈥旻GO鈥).
Das FG hat das FA zu Unrecht verpflichtet, den Erlassantrag der Kl盲gerin erneut zu bescheiden. Die Ablehnung des begehrten Erlasses durch das FA ist nicht ermessensfehlerhaft. Die Einziehung der streitigen Umsatzsteuern ist nicht unbillig i.S. des 搂 227 AO 1977. Sachliche Billigkeitsgr眉nde, die hier allein in Betracht kommen, sind nicht gegeben.
1. Steuern, die 鈥晈ie hier die Umsatzsteuer f眉r die Streitjahre鈥 bestandskr盲ftig festgesetzt worden sind, k枚nnen nach st盲ndiger Rechtsprechung des BFH nur dann im Billigkeitsverfahren sachlich 眉berpr眉ft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht m枚glich oder nicht zumutbar war, sich gegen deren Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (vgl. BFH-Urteile in BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512; vom 4. Mai 1995 V R 83/93, BFH/NV 1996, 190, unter 1. b aa; vom 5. Februar 2003 II R 84/00, BFH/NV 2004, 340, unter II. 2. a; vom 9. Juli 2003 V R 57/02, BFHE 203, 8, BStBl II 2003, 901, unter II. 1. b aa).
Beide Voraussetzungen m眉ssen kumulativ vorliegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512; vom 17. Dezember 1997 III R 8/94, BFH/NV 1998, 936, unter 2.).
2. Im Streitfall fehlt es an der ersten Voraussetzung. Die (bestandskr盲ftigen) Umsatzsteuerfestsetzungen f眉r 1989 bis 1991 waren nicht offensichtlich und eindeutig unrichtig.
a) Die Umsatzsteuerfestsetzungen f眉r die Streitjahre ergingen in den Jahren 1992 und 1994. Sie entsprachen der damals herrschenden Rechtsansicht.
aa) Der BFH hat erst sp盲ter, n盲mlich erstmals im Jahr 1998 durch das BFH-Urteil in BFHE 185, 305, BStBl II 2000, 13 entschieden, dass 搂 4 Nr. 14 UStG 1991 auch dann anwendbar ist, wenn der Unternehmer eine GmbH ist, deren Gesellschafter und Gesch盲ftsf眉hrer die nach dieser Vorschrift erforderliche Qualifikation aufweisen.
Ob dieses Urteil eine 脛nderung der bisherigen BFH-Rechtsprechung darstellt, wie das FA in der Einspruchsentscheidung ausgef眉hrt hat, oder ob es sich lediglich um eine Fortentwicklung der bis dahin vorliegenden Rechtsprechung zur Umsatzsteuer handelt, mag offen bleiben. Jedenfalls war 鈥昺it den Umsatzsteuerbescheiden f眉r die Streitjahre鈥 bis zu diesem Urteil davon auszugehen, dass die Ums盲tze einer GmbH nicht nach 搂 4 Nr. 14 UStG 1980/1991 steuerfrei waren.
bb) Es war im Zeitpunkt der Festsetzung der Umsatzsteuer (1992 und 1994) auch nicht offensichtlich und eindeutig, dass eine GmbH Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten 眉ber die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) beanspruchen konnte.
Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften unter den Bedingungen, die sie zur Gew盲hrung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verh眉tung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbr盲uchen festsetzen, von der Steuer die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Aus眉bung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten 盲rztlichen oder arzt盲hnlichen Berufe erbracht werden.
Der Gerichtshof der Europ盲ischen Gemeinschaften (EuGH) hat erstmals im Jahr 2002 entschieden, dass die Mehrwertsteuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG f眉r Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Aus眉bung der 盲rztlichen und arzt盲hnlichen Berufe erbracht werden, von der Rechtsform des Steuerpflichtigen, der die dort genannten 盲rztlichen oder arzt盲hnlichen Leistungen erbringt, unabh盲ngig ist (vgl. EuGH-Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00, Ambulanter Pflegedienst K眉gler, Slg. 2002, I-6833, Umsatzsteuer-Rundschau 鈥昒R鈥 2002, 513).
Diese Frage hatte der erkennende Senat im Jahr 2000 in seinem Vorlagebeschluss an den EuGH (noch) als zweifelhaft angesehen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2000 V R 1/98, BFHE 191, 76, UR 2000, 250).
cc) Die Umsatzsteuerfestsetzungen gegen die Kl盲gerin waren auch nicht deshalb offensichtlich und eindeutig unrichtig, weil etwa ein (zur Entsch盲digung verpflichtender) qualifizierter Versto脽 gegen das Gemeinschaftsrecht vorlag.
Das Gemeinschaftsrecht erkennt einen Entsch盲digungsanspruch an, sofern drei Voraussetzungen erf眉llt sind: Die Rechtsnorm, gegen die versto脽en worden ist, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Versto脽 ist hinreichend qualifiziert, und zwischen dem Versto脽 gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem dem Gesch盲digten entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (vgl. EuGH-Urteile vom 18. Januar 2001 Rs. C-150/99, Stockholm Lind枚park, Slg. 2001, I-493, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 鈥昒VR鈥 2001, 108, Rdnr. 37, und vom 30. September 2003 Rs. C-224/01, K枚bler, Slg. 2003, I-10239, Der Betrieb 鈥旸B鈥 2003, 2331, m.w.N.).
Bei der Frage, ob ein qualifizierter Versto脽 gegen das Gemeinschaftsrecht vorliegt, sind alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu ber眉cksichtigen. Zu diesen Gesichtspunkten geh枚ren u.a. das Ma脽 an Klarheit und Pr盲zision der verletzten Vorschrift, die Vors盲tzlichkeit des Versto脽es und die Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums; ein Versto脽 gegen das Gemeinschaftsrecht ist jedenfalls dann hinreichend qualifiziert, wenn die fragliche Entscheidung die einschl盲gige Rechtsprechung des EuGH offenkundig verkennt (vgl. EuGH-Urteil K枚bler in Slg. 2003, I-10239, DB 2003, 2331 Rdnrn. 54 bis 56).
Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erf眉llt. Die Vorgaben in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG waren jedenfalls im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung 鈥晈ie dargelegt鈥 nicht eindeutig.
b) Unerheblich ist, ob die Umsatzsteuerfestsetzungen f眉r die Streitjahre zu dem Zeitpunkt offensichtlich und eindeutig unrichtig waren, als 眉ber den Erlassantrag der Kl盲gerin vom 17. Dezember 1998 entschieden wurde, n盲mlich im Jahr 2001 (Ablehnungsbescheid vom 6. Februar 2001, Einspruchsentscheidung vom 22. M盲rz 2001).
aa) F眉r die Frage, ob eine Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist 鈥晆nd deshalb ein Erlass in Betracht kommt鈥 ist ma脽geblich, ob das FA bei der Steuerfestsetzung (damals) die Rechtslage richtig beurteilt hat (vgl. BFH-Urteil vom 17. September 1986 II R 56/83, BFH/NV 1988, 217, m.w.N.).
Der Umstand allein, dass eine durch bestandskr盲ftigen Steuerbescheid oder durch rechtskr盲ftiges Urteil festgesetzte Steuer in Widerspruch zu einer sp盲teren Rechtsprechung steht, rechtfertigt noch nicht den Erlass der Steuer (vgl. BFH-Urteile vom 22. September 1976 I R 68/74, BFHE 120, 200, BStBl II 1977, 15; vom 30. Oktober 1990 VII R 106/87, BFH/NV 1991, 509, unter II. 2. a bb).
bb) Aus dem Urteil des VII. Senats des BFH in BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512 ergibt sich nichts anderes. Entgegen der Auffassung der Kl盲gerin hat der VII. Senat des BFH dort nicht entschieden, f眉r die Frage, ob eine Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig sei, m眉sse auf den Zeitpunkt der Entscheidung 眉ber den Billigkeitsantrag abgestellt werden. Er hat diese Frage in dem bezeichneten Urteil vielmehr (ausdr眉cklich) offen gelassen (vgl. BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512, 513 linke Spalte). Soweit der VII. Senat dort noch ausf眉hrt, eher f眉r die Auffassung, dass es darauf ankomme, wie die Rechtslage objektiv im Zeitpunkt der Entscheidung 眉ber den Billigkeitsantrag zu werten ist, spreche das BFH-Urteil in BFHE 120, 200, BStBl II 1977, 15, handelt es sich nur um ein obiter dictum, so dass auf sich beruhen mag, ob der erkennende Senat sich dieser Beurteilung anschlie脽en k枚nnte.
cc) Gegen die Auffassung, nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung 眉ber den Billigkeitsantrag beurteile sich, ob im Sinne der dargelegten Rechtsprechung eine bestandskr盲ftige Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig sei, spricht entscheidend, dass ansonsten auf Kosten der Rechtssicherheit die Bestandskraft von Steuerbescheiden ausgeh枚hlt w眉rde.
Denn k盲me es f眉r die Frage, ob eine bestandskr盲ftige Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist, auf den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung 眉ber einen nach Bestandskraft gestellten Erlassantrag an, m眉sste z.B. jede nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen eingetretene 脛nderung der Rechtsprechung des BFH oder auch nur eine erstmalige Entscheidung des BFH zu dem einschl盲gigen Problemkreis im Erlasswege ber眉cksichtigt werden.
Dies ist indes nicht Sinn des 搂 227 AO 1977. Es entspricht der Entscheidung des Gesetzgebers, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit grunds盲tzlich den Vorrang haben soll vor dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit im Einzelfall, wenn ein Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist. Diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers ist bei der Auslegung des 搂 227 AO 1977 zu ber眉cksichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512, 513, rechte Spalte).
3. Das FG hat nicht gepr眉ft, ob die (bestandskr盲ftigen) Steuerfestsetzungen gegen die Kl盲gerin offensichtlich und eindeutig unrichtig sind. Sollte es davon ausgegangen sein, diese Pr眉fung sei entbehrlich, weil nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 433 die Grunds盲tze des BFH-Urteils in BFHE 185, 305, BStBl II 2000, 13 "in allen noch offenen F盲llen anzuwenden" seien 鈥晈as auch f眉r das Erlassverfahren zu gelten habe鈥, so w盲re dies (ebenfalls) rechtsfehlerhaft. Damit h盲tte das FG seinen 脺berpr眉fungsspielraum nach 搂 102 FGO und seinen Auslegungsspielraum 眉berschritten.
Denn zum einen ist ein FG gem盲脽 搂 102 FGO bei der Pr眉fung einer Ermessensentscheidung nach 搂 227 AO 1977 auf die Feststellung von Ermessensfehlern beschr盲nkt und darf nicht seine eigene Ermessensentscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung des FA setzen (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtsh枚fe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 2/02, BFHE 203, 410, BStBl II 2004, 39).
Zum anderen ist f眉r die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift nicht ma脽geblich, wie das FG eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das FG darf daher Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf 眉berpr眉fen, ob die Auslegung durch die Beh枚rde m枚glich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juni 2003 VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, unter II. 2. c, m.w.N.). Die Auslegung des FA in der Einspruchsentscheidung, vorliegend sei kein "offener Fall" im Sinne des bezeichneten BMF-Schreibens gegeben, war m枚glich.
4. Das FG-Urteil kann mithin keinen Bestand haben. Die Klage ist vielmehr abzuweisen.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 1331719 |
BFH/NV 2005, 747 |
BStBl II 2005, 460 |
BFHE 2005, 398 |
BFHE 208, 398 |
BB 2005, 817 |
DB 2005, 1093 |
DStR 2005, 647 |
DStRE 2005, 552 |
DStZ 2005, 288 |
HFR 2005, 514 |
UR 2005, 318 |