Die Entnahme einer Wohnung führt nicht zu anschaffungsnahen Herstellungskosten

Hintergrund: Sanierung einer Wohnung nach Entnahme
Streitig war, ob Aufwendungen für Baumaßnahmen an einer aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen entnommenen Wohnung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen oder als anschaffungsnahe Herstellungskosten im Wege der AfA zu berücksichtigen sind.
X erzielte als Inhaber einer Hofstelle land- und forstwirtschaftliche Einkünfte sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Nach der Entnahme einer zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden (vermieteten) Wohnung in 2011 wurde diese anschließend (in 2011 bis 2013) umfangreich saniert und modernisiert.
Das FA vertrat die Auffassung, die von X bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als (sofort abziehbare) Erhaltungsaufwendungen geltend gemachten Ausgaben seien anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Sie seien somit nach § 7 Abs. 4 EStG zusammen mit dem Teilwert der entnommenen Wohnung lediglich in Höhe der AfA mit 2 % jährlich zu berücksichtigen.
Das FG wies die Klage ab. Das Tatbestandsmerkmal "Anschaffung" in § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG sei normspezifisch dahin auszulegen, dass auch die Entnahme eines Wirtschaftsguts im Wege der Analogie als anschaffungsähnlicher Vorgang erfasst werde.
Entscheidung: Keine anschaffungsnahe Herstellungskosten, sondern sofort abziehbarer Sanierungsaufwand
Der BFH widerspricht dem FG. Die Entnahme der Wohnung aus dem Betriebsvermögen ist keine Anschaffung i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Der BFH hob für 2010 und 2013 das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Für 2011 und 2012 wurde die Revision als unbegründet zurückgewiesen, da sich insoweit für X aufgrund der Steuerfestsetzung auf 0 EUR keine Beschwer ergab.
Entnahme ist keine Anschaffung
"Anschaffung" ist im Einkommensteuerrecht nicht definiert. Der Begriff wird vom BFH (ebenso in der Literatur) unterschiedlich interpretiert und jeweils aus seinem Sinnzusammenhang heraus nach dem Zweck der Vorschrift ausgelegt. Eine Anschaffung ist danach jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Wirtschaftsgut im Austausch mit einer Gegenleistung - also entgeltlich - erworben wird (BFH v. 25.6.2002, IX R 47/98, BStBl II 2002, S. 756, Rz. 12). Bei der Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen fehlt es indes an einer Gegenleistung.
Gesetzeswortlaut
Außerdem würde der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG überdehnt, wenn man unter "Anschaffung" auch die Überführung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen verstehen wollte. Nach dem Wortsinn setzt eine "Anschaffung" den Übergang von Vermögen zwischen verschiedenen Personen voraus (BFH v. 23.4.1965, VI 34/62 U, BStBl III 1965, S. 477 zu § 23 Abs. 1 EStG). Bei der Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen desselben Steuerpflichtigen fehlt es am ٲٰäɱ. Anders als in § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG wird in § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme nicht im Wege der Fiktion einer Anschaffung gleichgestellt.
Gesetzeszweck
§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG dient der Gleichstellung von Investoren beim Erwerb von intakten Immobilien einerseits und von renovierungsbedürftigen Gebäuden andererseits (BFH v. 12.9.2001, IX R 39/97, BStBl II 2003, S. 569). Erstere Erwerber können die Anschaffungskosten nur im Wege der AfA geltend machen. Käufer einer renovierungsbedürftigen Immobilie, die einen geringeren Kaufpreis zahlen, könnten dagegen ohne die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG die anschließenden Instandhaltungsmaßnahmen als sofort abziehbare Werbungskosten geltend machen, so dass es steuerlich vorteilhafter wäre, Objekte mit Renovierungsstau zu erwerben. Bereits die Anknüpfung am Erwerb spricht dafür, dass die Regelung auf einen tatsächlichen Anschaffungsvorgang mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und ٲٰäɱ abzielt. Bei der Überführung in das Privatvermögen durch Entnahme besteht daher keine eine Analogie rechtfertigende vergleichbare Interessenlage.
15 %-Grenze
Schließlich fehlt es bei der Entnahme des Gebäudes aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen an dem von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG festgelegten Ѳßٲ in Gestalt der Grenze von "15 % der Anschaffungskosten" des Gebäudes. Denn der bei der Entnahme anzusetzende Teilwert erfüllt offensichtlich nicht die Tatbestandsmerkmale des Anschaffungskostenbegriffs. Auch in der Legaldefinition der Anschaffungskosten in § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB kommt durch den Begriff des Erwerbs das Erfordernis des ٲٰäɱs zum Ausdruck.
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Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Dieses hat noch zu klären, ob die Aufwendungen für die Baumaßnahmen möglicherweise (ganz oder teilweise) Herstellungskosten darstellen, die ebenfalls lediglich im Wege der AfA zu berücksichtigen wären.
Hinweis: Gleichstellung von Anschaffung und Entnahme für die AfA-Bemessungsgrundlage
Eine Gleichstellung von Anschaffung und Entnahme als "anschaffungsähnlicher Vorgang" erfolgt nur für Zwecke der AfA-Bemessung (z.B. BFH v. 22.2.2021, IX R 13/19, BFH/NV 2021, S. 1169; BFH v. 8.11.1994, IX R 9/93, BStBl II 1995, S. 170). Diese Bemessungsgrundlage bezeichnet § 7 EStG für Fälle der Anschaffung als Anschaffungskosten. Dass der Gesetzgeber für den Fall der Entnahme keinen anderen Begriff verwendet, also die Höhe der (neuen) Bemessungsgrundlage mit den gleichen Worten beschreibt, ist kein Anlass dafür, die Entnahme einer Anschaffung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gleichzusetzen).
BFH Urteil vom 03.05.2022 - IX R 7/21 (veröffentlicht am 20.10.2022)
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