Haftung des Grundstückserwerbers für unrichtige Steuerausweise

Ein Grundstückserwerber haftet nicht für den unrichtigen Umsatzsteuerausweis in übernommenen Mietverträgen. Ein unrichtiger Umsatzsteuerausweis des Voreigentümers kann nicht dem Grundstückserwerber zugerechnet werden. Ob dem Grundstücksveräußerer der unrichtige Steuerausweis auch nach Veräußerung zuzurechnen ist und ob sich für den Grundstückserwerber eine Haftung nach den Regelungen der AO ergeben kann, blieb im Entscheidungsfall offen.

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In § 14c UStG werden die Umsatzsteuerfolgen beschrieben, wenn in einer Rechnung die Umsatzsteuer zu hoch oder unberechtigt ausgewiesen wird. Durch § 14c UStG sollen Steuerausfälle verhindert werden, die dadurch entstehen können, dass der Rechnungsaussteller den ausgewiesenen Steuerbetrag nicht abführt und der Rechnungsempfänger Vorsteuer geltend macht. Der nationalstaatliche Gesetzgeber unterscheidet zwischen unrichtigem und unberechtigtem Steuerausweis.

Bei unrichtigem Steuerausweis schuldet derjenige, der einen höheren Steuerbetrag ausweist, den Mehrbetrag. Eine Berichtigung des Steuerbetrags wird zugelassen (§ 14c Abs. 1 Satz 2 UStG).

Wird Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen, obwohl der Rechnungsaussteller zum gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet dieser die ausgewiesene Umsatzsteuer. Der geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist (§ 14c Abs. 1 Satz 3 UStG).

Durch das JStG 2024 (BGBl I 2024 Nr. 387 v. 5.12.2024) hat der Gesetzgeber bestimmt, dass eine Person zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer auch dann schuldet, wenn der Steuerausweis in einer Gutschrift erfolgt (§ 14c Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UStG).

Aus einer Rechnung, in der unrichtige bzw. unberechtigte Umsatzsteuer ausgewiesen wird, scheidet ein Vorsteuerabzug aus. Dies folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, wonach dem Leistungsempfänger nur für die gesetzlich geschuldete Steuer ein Vorsteuerabzug zusteht (vgl. Abschn. 14c.1 Abs. 1 Satz 7 UStAE).

Das BMF hat mit Schreiben v. 27.2.2024 (BStBl I 2024, 361) zu den Detailfragen zur Anwendung von § 14c UStG Stellung genommen. Weiteres ergibt sich aus den Abschn. 14c.1 und 14c.2 des UStAE.

Vom BFH zu klärende Frage

Der BFH musste die Frage beurteilen, ob ein unrichtiger Steuerausweis geschuldet wird und ob der Eigentumserwerberin eines bebauten Gebäudes der unrichtige Steuerausweis zuzurechnen ist.

Sachverhalt: Grundstückserwerb im Zwangsversteigerungsverfahren

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:

  • Die Klägerin (eine GmbH) erwarb im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens ein bebautes Grundstück.
  • Das Grundstück war mit einem mehrstöckigen Bürogebäude sowie einer Tiefgarage bebaut.
  • Das Gebäude und auch die Tiefgarage waren größtenteils vermietet.
  • Unter den Mietverträgen befanden sich ein am 23.3.2007 abgeschlossener Mietvertrag mit einer Fachklinik und ein am 7.6.2012 abgeschlossener Mietvertrag über Physiopraxisräume.
  • In den vom Voreigentümer abgeschlossenen Mietverträgen waren jeweils eine Nettokaltmiete und sonstige Vorschüsse ausgewiesen. Es findet sich der Zusatz „zzgl. 19 % MwSt“ und ein ausgewiesener entsprechender Betrag.
  • Die Klägerin verbuchte im Streitjahr diese vereinnahmten Mieten als Bruttomieten und behandelte sie als zum Regelsteuersatz umsatzsteuerpflichtig.
  • Im Rahmen der Abschlussarbeiten behandelte die Klägerin diese Mieten abweichend als umsatzsteuerfrei.

Die Finanzverwaltung schloss sich dieser Auffassung nicht an und setzte die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer (§ 14c Abs. 1 UStG) fest, weil in den Altmietverträgen zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Eine Option zur Umsatzsteuerpflicht schied nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 UStG aus, da die Mieter nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren.

FG Berlin-Brandenburg: Grundstückserwerber schuldet die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer

Die Klage hiergegen hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 11.4.2022, 7 K 7031/19, EFG 2022, 1789) musste sich die Klägerin die vom Alteigentümer abgeschlossenen Mietverträge zurechnen lassen. Für einen in dem Altmietvertrag ausgewiesenen unrichtigen Steuerausweis schulde der Grundstückserwerber die Steuer.

Entscheidung: Grundstückserwerber schuldet die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer nicht

Der BFH gab der Revision der Klägerin statt. Zu Unrecht habe das FG Berlin-Brandenburg einen etwaigen Steuerausweis in den vom Voreigentümer abgeschlossenen Mietverträgen in Verbindung mit den Kontoauszügen über Mietzahlungen der Klägerin zugerechnet.

  • Steuerschuldnerin i.S.d. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG ist der Unternehmer, der in einer Rechnung für seine Leistungen einen Steuerbetrag unrichtig ausweist (Rechnungsaussteller).
  • Eine Inanspruchnahme als Rechnungsaussteller nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG setzt voraus, dass dieser an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat oder dass diesem die Ausstellung anderweitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen zuzurechnen ist.
  • Die Klägerin hat im Entscheidungsfall nicht an dem Mietvertrag mitgewirkt. Vielmehr hat der im eigenen Namen handelnde Voreigentümer die Mietverträge selbst (unrichtig) abgeschlossen.
  • Der Klägerin ist diese Unrichtigkeit nicht zuzurechnen. Sie tritt zwar in die Mietverträge ein. Die Regelung in § 566 BGB, wonach der Kauf eine Miete nicht bricht, löst aber keine Zurechnung eines vom Voreigentümer veranlassten unrichtigen Steuerausweises (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG) aus. Begründet wird dies damit, dass § 566 BGB dem Schutz des Mieters diene und nicht über die Hintertüre eine Zurechnung des unrichtigen Steuerausweises des Voreigentümers durch den Grundstückserwerber begründen könne (Rz. 18 und 19).
  • Aus dem offenen Umsatzsteuerausweis in den von dem Voreigentümer abgeschlossenen Mietverträgen lässt sich keine Pflicht herleiten, die auf die Klägerin übergegangen ist (Rz. 20). Nur im Falle der Wahl der Umsatzsteuerpflicht (vgl. § 9 Abs. 2 UStG) besteht eine Pflicht zur Rechnungsausstellung, die auch auf den Erwerber übergeht (§ 566 Abs. 1 BGB). Im Entscheidungsfall geht es aber nicht um die Pflicht zur Rechnungsausstellung, sondern um die Frage der Zurechnung des unrichtigen Steuerausweises an den neuen Grundstückseigentümer.
  • Auch eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) löst für den Erwerber keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG aus. Ein unrichtiger Steuerausweis, der sich aus einem vom Veräußerer abgeschlossenen Mietvertrag ergibt, begründet beim Erwerber für Zeiträume nach dem Grundstückserwerb keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG (Rz. 21 bis 24).
  • Auch ein Überwachungsverschulden scheidet aus, da die Klägerin in den Mietverträgen nicht als Rechnungsausstellerin benannt war.

Praxisfolgen

Die BFH-Entscheidung konkretisiert die Steuerschuldnerschaft nach § 14c Abs. 1 UStG im Falle eines Grundstückserwerbs. Die Entscheidungsgründe sind über den entschiedenen Einzelfall hinaus von hoher Praxisrelevanz.

Die Entscheidung verdeutlicht zunächst, dass Berater bei Grundstückserwerb die bislang abgeschlossenen Mietverträge auch auf die Umsatzsteuer hin genau prüfen sollten.

Sollte ein Mietvertrag durch den neuen Eigentümer angepasst werden, macht sich der neue Eigentümer den Mietvertrag zu Eigen. Dann dürfte sich für ihn als neuen Rechnungsaussteller eine Steuerschuld unmittelbar aus § 14c Abs. 1 UStG ergeben.

Wird der Mietvertrag des Alteigentümers unverändert übernommen, gilt dies nicht: Selbst wenn sich – wie im Entscheidungsfall – keine Steuerschuldnerschaft für den Erwerber aus den unrichtig übernommenen Mietverträgen ergibt, stellt sich allerdings weitergehend die Frage, ob den die Umsatzsteuer zu Unrecht zahlenden Mietern gegenüber dem (neuen) Vermieter ein zivilrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht geleiteten Umsatzsteuer zusteht.

Die BFH-Entscheidung geht leider nicht näher darauf ein, ob der die Umsatzsteuer zu Unrecht ausweisende Unternehmer (Verkäufer) diese Steuer auch nach dem Gebäudeverkauf selbst schuldet. Eine Stellungnahme der FinVerw. dürfte hierzu erforderlich sein.

Sollte eine solche fortwährende Steuerschuld bejaht werden, dürfte eine Haftung des Erwerbers nach Maßgabe von §§ 69 bis 76 AO (insbesondere die Betriebsübernehmerhaftung nach § 75 AO) zu prüfen sein. Im Entscheidungsfall geht der BFH hierauf nicht näher ein, wohl auch, weil der Erwerb im Rahmen der Zwangsversteigerung stattfand und § 75 AO hierauf nicht zur Anwendung kommt.

; veröffentlicht am 27.2.2025

Alle in der 9. Kalenderwoche veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Vermietung, Rechnung, Mietvertrag