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Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalertragsteuer bei beschr盲nkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der franz枚sischen "soci茅t茅 par actions simplifi茅e" (S.A.S.): Unionsrechts- und Verfassungsm盲脽igkeit; Freistellungs- und Erstattungsverfahren; Zust盲ndigkeit
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Leitsatz (amtlich)
1. Eine franz枚sische Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer "soci茅t茅 par actions simplifi茅e" (S.A.S.) war bis zum 15. Dezember 2004 nicht als "Gesellschaft eines Mitgliedstaats" i.S. von Art. 2 Buchst. a i.V.m. Buchst. f des Anhangs der Richtlinie 90/435/EWG anzusehen. Dividendenzahlungen an eine solche Gesellschaft durch ihre deutsche Tochtergesellschaft erf眉llten damit weder unmittelbar noch analog die Voraussetzungen des 搂 43b Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 zu 搂 43b EStG 2002 (Anschluss an EuGH-Urteil vom 1. Oktober 2009 C-247/08, Slg. 2009, I-9225).
2. Die K枚rperschaftsteuer f眉r Kapitalertr盲ge i.S. von 搂 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002, die nach 搂 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 i.V.m. 搂 31 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 dem Steuerabzug unterliegen, ist bei einer beschr盲nkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft als Bezieherin der Eink眉nfte nach 搂 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG 2002 durch den Steuerabzug abgegolten. Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgesch眉ttet werden, werden infolgedessen wirtschaftlich einer h枚heren Besteuerung unterworfen als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ausgesch眉ttet werden. Darin liegt ein Versto脽 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 Abs. 1 EG (Anschluss an EuGH-Urteil vom 20. Oktober 2011 C-284/09 "Kommission ./. Deutschland", DStR 2011, 2038, sowie an Senatsurteil vom 22. April 2009 I R 53/07, BFHE 224, 556).
3. Die nachtr盲gliche Erstattung einbehaltener und abgef眉hrter Kapitalertragsteuer kann, wenn die Voraussetzungen des 搂 50d Abs. 1 EStG 2002 nicht erf眉llt sind, die Einbehaltung und Abf眉hrung aber gegen unionsrechtliche Grundfreiheiten verst枚脽t, auf eine analoge Anwendung von 搂 50d Abs. 1 EStG 2002 gest眉tzt werden. Zust盲ndig f眉r die Entscheidung 眉ber ein solches Erstattungsbegehren ist das FA, nicht das BZSt (Best盲tigung und Fortf眉hrung der st盲ndigen Senatsrechtsprechung). Eine vorherige Freistellung von der Pflicht zur Einbehaltung und Abf眉hrung von Kapitalertragsteuer nach 搂 50d Abs. 2 EStG 2002 ist unter diesen Umst盲nden hingegen ausgeschlossen.
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Normenkette
EStG 2002 搂听20 Abs. 1 Nr. 1, 搂听36 Abs.听2 Nr. 2, Abs.听4 S. 2, 搂听43 Abs. 1 S.听1 Nr. 1, S.听3, 搂听43b Abs.听1, 2 S. 3, 搂听44 Abs. 1 S盲tze听1, 3, 搂听49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a, 搂听50d Abs.听1-2; KStG 2002 搂听2 Nr. 1, 搂搂听8b, 31 Abs. 1, 搂听32 Abs. 1 Nr. 2; FVG 搂 5 Abs. 1 Nr. 2; AO 搂听20 Abs.听3-4, 搂听155 Abs. 1 S. 3; GG Art.听3 Abs. 1, Art.听20 Abs. 3, Art.听108; EG Art. 56 Abs. 1; EWGRL 435/90 Art.听2 Buchst. a, Art.听5; DBA FRA Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Rz. 1
I. Es geht im Streitfall um die Konsequenzen im Anschluss an die Urteile des Gerichtshofs der Europ盲ischen Gemeinschaften, jetzt des Gerichtshofs der Europ盲ischen Union, (EuGH) vom 1. Oktober 2009 C-247/08, "Gaz de France" (Slg. 2009, I-9225) sowie vom 20. Oktober 2011 C-284/09 "Kommission ./. Deutschland" (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 2038).
Rz. 2
Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin) ist eine in Frankreich ans盲ssige Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer "soci茅t茅 par actions simplifi茅e" (S.A.S.). Sie ist alleinige Anteilseignerin einer inl盲ndischen GmbH, der F-GmbH.
Rz. 3
Am 13. Juni 2002 stellte die Kl盲gerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten, dem (fr眉heren) Bundesamt f眉r Finanzen --BfF-- (seit dem 1. Januar 2006: Bundeszentralamt f眉r Steuern --BZSt--), einen Antrag auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung von der deutschen Abzugsteuer auf Kapitalertr盲ge nach 搂 43b Abs. 1 i.V.m. 搂 50d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002). Am 27. Juni 2002 erteilte das BfF daraufhin eine Freistellungsbescheinigung f眉r den Zeitraum vom 13. Juni 2002 bis zum 31. Mai 2005. Darin bescheinigte das BfF, dass die F-GmbH als Schuldnerin der Kapitalertr盲ge berechtigt sei, den Steuerabzug f眉r die Kapitalertr盲ge der Kl盲gerin i.S. des 搂 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Franz枚sischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und 眉ber gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Verm枚gen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (BGBl II 1961, 398) in der Fassung des Zusatzabkommens vom 20. Dezember 2001 (BGBl II 2002, 2370) --DBA-Frankreich-- in erm盲脽igter H枚he von 5 v.H. des Bruttoertrags vorzunehmen. Die F-GmbH hatte daraufhin --am 12. August 2002-- Kapitalertragsteuer in H枚he von 5 v.H. der an die Kl盲gerin geleisteten Dividendenzahlungen angemeldet.
Rz. 4
Mit ihrem Einspruch gegen die erteilte Freistellungsbescheinigung beanspruchte die Kl盲gerin die volle Freistellung von der Abzugsteuer. Zwar sei die "S.A.S." in der Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 眉ber das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG, Amtsblatt der Europ盲ischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 225, 6, berichtigt ABlEG Nr. L 266, 20) --Mutter-/Tochter-Richtlinie (MTR)-- und in Einklang damit auch in der Anlage 2 zu 搂 43b EStG 2002 als beg眉nstigte Rechtsform nicht aufgef眉hrt. Doch sei sie einer Aktiengesellschaft im Sinne der Richtlinie gleichzustellen. Sie berief sich dazu u.a. auf ein (nicht ver枚ffentlichtes, an das Bayerische Staatsministerium der Finanzen gerichtetes) Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 14. Juni 2000 IV B -0 1000- 3/00, in welchem --allerdings bezogen auf Einbringungsvorg盲nge nach 搂 23 Abs. 4 des Umwandlungssteuergesetzes-- eine derartige Gleichstellung als gerechtfertigt angesehen wurde. Das BfF lehnte das ab.
Rz. 5
W盲hrend des anschlie脽enden Klageverfahrens bescheinigte das BZSt der Kl盲gerin mit ge盲ndertem Bescheid vom 8. Januar 2010, dass die F-GmbH als Schuldnerin f眉r Kapitalertr盲ge, die in der Zeit vom 16. Dezember 2004 bis 23. Mai 2005 zugeflossen seien, berechtigt sei, den Steuerabzug f眉r die Kapitalertr盲ge in H枚he von 0 v.H. der Bruttoertr盲ge vorzunehmen. Grund f眉r diese 脛nderung war die Einbeziehung auch der S.A.S. in den Katalog der Gesellschaften i.S. der Richtlinie 90/435/EWG in Anlage 2 zu 搂 43b EStG 2002 durch das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur 脛nderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310) mit Wirkung vom 16. Dezember 2004 an. Im 脺brigen verblieb es bei der Ablehnung, die beantragte Bescheinigung zu erteilen.
Rz. 6
Die fortgef眉hrte Klage blieb mit ihrem entsprechend angepassten und eingeschr盲nkten Antrag erfolglos (Finanzgericht --FG-- K枚ln, Urteil vom 28. Januar 2010听 2 K 4220/03). Begr眉ndet wurde ihre Abweisung mit dem EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-9225, das auf Vorabentscheidungsersuchen ebenfalls des FG K枚ln (Beschluss vom 23. Mai 2008听 2 K 3527/02, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 1391) in einem --zwischenzeitlich ebenfalls durch Klageabweisung rechtskr盲ftig abgeschlossenen (FG K枚ln, Urteil vom 28. Januar 2010听 2 K 3527/02, EFG 2010, 971)-- Parallelverfahren wie folgt entschieden hatte:
Rz. 7
"1. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 90/435 眉ber das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten ist in Verbindung mit Buchst. f ihres Anhangs dahin auszulegen, dass eine franz枚sische Gesellschaft in der Rechtsform einer 'soci茅t茅 par actions simplifi茅e' nicht als 'Gesellschaft eines Mitgliedstaats' im Sinne der Richtlinie angesehen werden kann, bevor diese durch die Richtlinie 2003/123 ge盲ndert wurde.
Rz. 8
Nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 90/435 ist 'Gesellschaft eines Mitgliedstaats' jede Gesellschaft, die eine der im Anhang der Richtlinie aufgef眉hrten Formen aufweist. Die Technik, die im Anhang in den meisten F盲llen und insbesondere in Buchst. f dieses Anhangs f眉r die Gesellschaften franz枚sischen Rechts verwendet wird und die darin besteht, die Bezeichnungen der von der Richtlinie erfassten Rechtsformen aufzuz盲hlen, ohne dass es eine Klausel gibt, die es erm枚glicht, die Richtlinie auf andere nach dem Recht der jeweiligen Mitgliedstaaten gegr眉ndete Gesellschaften anzuwenden, wobei in Bezug auf das franz枚sische Recht eine Ausnahme f眉r staatliche Betriebe und Unternehmen besteht, bedeutet, dass die fraglichen Bezeichnungen abschlie脽end aufgez盲hlt werden.
Rz. 9
Au脽erdem zielt die Richtlinie 90/435 nicht darauf ab, ein gemeinsames Steuersystem f眉r alle Gesellschaften der Mitgliedstaaten oder f眉r alle Arten von Beteiligungen einzuf眉hren. Bei nicht unter diese Richtlinie fallenden Beteiligungen ist es Sache der Mitgliedstaaten, festzulegen, ob und in welchem Umfang die wirtschaftliche Doppelbesteuerung der ausgesch眉tteten Gewinne vermieden werden soll, und dazu einseitig oder durch Abkommen mit anderen Mitgliedstaaten Mechanismen zur Vermeidung oder Abschw盲chung dieser wirtschaftlichen Doppelbesteuerung einzuf眉hren.
Rz. 10
2. Es gibt nichts, was die G眉ltigkeit von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 90/435 眉ber das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten in Verbindung mit Buchst. f ihres Anhangs und mit Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie im Hinblick auf die Grunds盲tze der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs beeintr盲chtigen k枚nnte.
Rz. 11
Zwar obliegt die in Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehene Verpflichtung zur Befreiung von jedem Steuerabzug an der Quelle den Mitgliedstaaten nur in Bezug auf die Gewinnaussch眉ttungen an Gesellschaften, die als Gesellschaften im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden k枚nnen, doch gestattet diese Richtlinie einem Mitgliedstaat nicht, an Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten, die nicht in ihren Anwendungsbereich fallen, ausgesch眉ttete Gewinne ung眉nstiger zu behandeln als die an vergleichbare inl盲ndische Gesellschaften ausgesch眉tteten Gewinne.
Rz. 12
Folglich ist eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 90/435 --wie sie sich aus ihrem Art. 2 Buchst. a und aus Buchst. f ihres Anhangs ergibt--, mit der andere Gesellschaften, die nach nationalem Recht gegr眉ndet werden k枚nnen, von vornherein ausgeschlossen werden, nicht geeignet, die Niederlassungsfreiheit oder den freien Kapitalverkehr einzuschr盲nken."
Rz. 13
Mit ihrer Revision r眉gt die Kl盲gerin Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt (sinngem盲脽), das FG-Urteil aufzuheben und unter Ab盲nderung der erteilten Freistellungsbescheinigungen das BZSt zu verpflichten, auch f眉r den Zeitraum vom 13. Juni 2002 bis 15. Dezember 2004 die Freistellung f眉r den Gesamtbetrag der Kapitalertr盲ge ohne Steuerabzug zu gew盲hren.
Rz. 14
Das BZSt beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Rz. 15
II. Die Revision ist unbegr眉ndet. Das FG hat der Kl盲gerin im Ergebnis zutreffend einen Freistellungsanspruch gem盲脽 搂 50d Abs. 2 EStG 2002 versagt.
Rz. 16
1. Die von der F-GmbH im Streitjahr an die Kl盲gerin ausgesch眉tteten Gewinne unterlagen als inl盲ndische Kapitalertr盲ge gem盲脽 搂 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. 搂 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 2002, 搂 31 Abs. 1 des K枚rperschaftsteuergesetzes 2002 (KStG 2002) der Kapitalertragsteuer. Als Schuldnerin der Kapitalertr盲ge hatte die F-GmbH gem盲脽 搂 44 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 den Steuerabzug f眉r Rechnung der beschr盲nkt steuerpflichtigen Kl盲gerin (搂 2 Nr. 1, 搂 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. 搂 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG 2002) --und zugleich der Schuldnerin der Kapitalertragsteuer (搂 44 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002)-- vorzunehmen.
Rz. 17
F眉r Aussch眉ttungen an die Kl盲gerin als franz枚sische Muttergesellschaft gelten die Sonderregeln des 搂 43b EStG 2002, mit dem Art. 5 MTR in nationales Recht umgesetzt worden ist. Danach wird die Kapitalertragsteuer gem盲脽 搂 43b Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 auf Antrag f眉r Kapitalertr盲ge i.S. des 搂 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002, die einer Muttergesellschaft, die weder ihren Sitz noch ihre Gesch盲ftsleitung im Inland hat, aus Aussch眉ttungen einer unbeschr盲nkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft i.S. des 搂 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 2002 zuflie脽en, nicht erhoben. F眉r die hiernach m枚gliche Nichterhebung von Kapitalertragsteuer sieht 搂 50d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 (i.V.m. 搂 5 Abs. 1 Nr. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes) ein Freistellungsverfahren --urspr眉nglich-- beim BfF und --nunmehr-- beim BZSt vor, welches die Berechtigung zum Unterlassen des Steuerabzugs auf Antrag zu bescheinigen hat. Fehlt es an einer derartigen Freistellungsbescheinigung und wurde der Steuerabzug vom Kapitalertrag deswegen in Einklang mit der Regelungslage (vgl. 搂 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 2002) ungeachtet des 搂 43b EStG 2002 vorgenommen, bleibt der Anspruch des Gl盲ubigers der Kapitalertr盲ge auf Erstattung der einbehaltenen und abgef眉hrten Steuer unber眉hrt; er ist gem盲脽 搂 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 durch entsprechenden Antrag geltend zu machen. Zust盲ndig f眉r die Entscheidung auch 眉ber diesen Antrag war ebenfalls das BfF bzw. ist ebenfalls das BZSt.
Rz. 18
2. Vor diesem Regelungshintergrund war das BfF --und ist jetzt das BZSt-- nicht verpflichtet, der Kl盲gerin eine Freistellungsbescheinigung gem盲脽 搂 50d Abs. 2 EStG 2002 zu erteilen.
Rz. 19
a) Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach 搂 50d Abs. 2 EStG 2002 scheidet aus. Denn das setzt nach Satz 1 der Vorschrift (u.a.) voraus, dass die betreffenden Eink眉nfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliegen und nach 搂 43b EStG 2002 oder nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden k枚nnen. Beides ist vorliegend --眉ber den bereits verbeschiedenen Teil der in Rede stehenden Dividende hinaus-- jedoch nicht der Fall. 搂 43b EStG 2002 ist insoweit nicht einschl盲gig, weil eine Kapitalgesellschaft franz枚sischen Rechts in der Rechtsform der S.A.S. im streitgegenst盲ndlichen Bescheinigungszeitraum nicht unter den entsprechenden Katalog beg眉nstigter Kapitalgesellschaften fiel und weil --wie sich abschlie脽end aus dem EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-9225 ergibt-- in diesem Umstand kein Versto脽 gegen Unionsrecht zu sehen ist.
Rz. 20
b) Aus letztlich eben diesem Grunde verbietet es sich zugleich, 搂 43b EStG 2002 und den dazu ergangenen, abschlie脽enden Katalog beg眉nstigter Kapitalgesellschaften aus verfassungs- oder unionsrechtlichen Gr眉nden erweiternd oder aber aufgrund der Annahme einer Regelungsl眉cke analog auf die hier in Rede stehende Gesellschaftsform anzuwenden.
Rz. 21
aa) Der deutsche Gesetzgeber wollte die Mutter/Tochter-Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Er hat sich dabei auf das Mindestma脽 der einzur盲umenden Beg眉nstigung beschr盲nkt und insbesondere davon abgesehen, den Kreis der beg眉nstigten Gesellschaftsformen 眉ber das infolge der Richtlinie Gebotene hinausgehend zu erweitern. Das mag nicht "alternativlos" gewesen sein, zumal der Richtliniengeber --in Art. 3 der Richtlinie-- den nationalen Gesetzgeber mit der Aufforderung, "wenigstens jede Gesellschaft eines Mitgliedstaates, die die Bedingungen des Art. 2 (der Richtlinie) erf眉llt 鈥" nur mit jenem Mindestma脽 in Pflicht nahm. Das entsprach aber ersichtlich der Umsetzungsabsicht des deutschen Gesetzgebers. So gesehen gibt es aber keinen Grund, diesen 眉ber die Annahme einer Regelungsl眉cke und 眉ber eine Regelungsanalogie zur Anordnung einer "脰ffnungsklausel" f眉r andere --gegenw盲rtige oder zuk眉nftige-- Gesellschaftsformen zu zwingen, auch wenn solche --de lege lata nicht beg眉nstigten-- Gesellschaftsformen der Sache nach vergleichbar mit beg眉nstigten Gesellschaftsformen sein m枚gen.
Rz. 22
bb) In Anbetracht dessen erkennt der Senat auch nicht, dass die so verstandene Umsetzung der Richtlinie gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes --GG-- (Art. 3 Abs. 1 GG) verstie脽e, was gleicherma脽en eine verfassungskonforme erweiternde Auslegung als auch ein entsprechendes Normenkontrollersuchen nach Art. 100 Abs. 1 GG ausschlie脽t: Die Kl盲gerin r盲umt selbst ein, dass die Rechtsform der S.A.S. seinerzeit bei Verabschiedung der Richtlinie und bei deren Umsetzung in nationales Recht noch nicht existierte. Der deutsche Gesetzgeber hatte also keine Veranlassung, diese --oder andere, noch nicht existente-- Rechtsformen in den Kreis der beg眉nstigten Gesellschaften einzubeziehen. Ihn traf ebenso wenig eine Verpflichtung, das ausl盲ndische Gesellschaftsrecht zu beobachten und eine dortige Rechtsentwicklung innerstaatlich nachzuvollziehen. Das war vielmehr Aufgabe des Richtliniengebers, wie es dann in der Folgezeit von diesem ja auch zugunsten der S.A.S. nachvollzogen worden ist. Durch die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht geschaffene Ungleichbehandlungen innerstaatlicher Sachverhalte k枚nnen jedoch nicht dem nationalen Gesetzgeber zugerechnet werden, da dieser lediglich gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Erf眉llung vertraglicher Verpflichtungen in die nationale Rechtsordnung zu 眉bernehmen hat (vgl. auch f眉r den Fall der sog. umgekehrten Inl盲nderdiskriminierung z.B. Senatsbeschluss vom 15. Juli 2005 I R 21/04, BFHE 210, 43, BStBl II 2005, 716; Senatsurteil vom 18. M盲rz 2009 I R 13/08, BFH/NV 2009, 1613). F眉r den streitgegenst盲ndlichen Zeitraum ist deswegen davon auszugehen, dass es umgekehrt gleichheitsgerecht ist, die S.A.S. mit anderen nichtbeg眉nstigten Gesellschaften gleichzubehandeln und ihr nicht eine Beg眉nstigung zu gew盲hren, die ihr aufgrund richtlinienkonformer Anwendung nicht zusteht. Dass in Art. 3 MTR davon die Rede ist, als Muttergesellschaft im Sinne der Richtlinie gelte "wenigstens" jede Gesellschaft eines Mitgliedstaats, die die Bedingungen des Art. 2 der Richtlinie erf眉llt, 盲ndert daran auch insoweit nichts. Gleichwohl trifft den richtlinienumsetzenden Mitgliedstaat keine Pflicht, 眉ber den aufgelisteten Katalog einschl盲giger Gesellschaftsformen hinauszugehen. Und so gesehen bel盲sst das Unionsrecht dem nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie auch keinen Auslegungsspielraum, der --aus national-verfassungsrechtlicher Sicht-- eine Ungleichbehandlung nach sich zu ziehen verm枚chte (s. zur insoweit notwendigen Differenzierung auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. Oktober 2011听 1 BvL 3/08, DStR 2011, 2141).
Rz. 23
cc) Schlie脽lich besteht keine Veranlassung, den EuGH zur abermaligen Auslegung der Mutter/Tochter-Richtlinie anzurufen, auch wenn der EuGH sich in seinem Urteil in Slg. 2009, I-9225 nicht ausdr眉cklich dazu ge盲u脽ert hat, dass die Richtlinie den nationalen Gesetzgeber nur auf das beschriebene Mindestma脽 verpflichtet. Doch hat er in der Nichteinbeziehung der Rechtsform der S.A.S. in die Richtlinie keinen Versto脽 gegen unionsrechtliches Prim盲r- und Sekund盲rrecht erkannt. Diese Antwort auf die ihm gestellte Vorlagefrage bel盲sst keine Auslegungszweifel.
Rz. 24
c) Die Kl盲gerin wendet sich allerdings zu Recht dagegen, dass Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgesch眉ttet werden, in Deutschland anders als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ausgesch眉ttet werden, wirtschaftlich einer h枚heren Besteuerung unterworfen werden, weil die einbehaltene Kapitalertragsteuer bei ihr weder angerechnet (vgl. 搂 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG 2002) noch verg眉tet (vgl. 搂 36 Abs. 4 Satz 2 EStG 2002) wird, sondern nach 搂 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG 2002 abgeltenden Charakter hat und sonach bei ihr definitiv wird. Der Senat verweist dazu im Einzelnen und zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 22. April 2009 I R 53/07 (BFHE 224, 556, m.w.N.).
Rz. 25
aa) Dieser Vorwurf ist nach Lage der Dinge begr眉ndet; der EuGH hat in seinem Urteil in DStR 2011, 2038 auf einen entsprechenden Unionsrechtsversto脽 durch Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit gem盲脽 Art. 56 des Vertrages zur Gr眉ndung der Europ盲ischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza --ABlEG 2002 C 325, 1-- (jetzt Art. 63 des Vertrages 眉ber die Arbeitsweise der Europ盲ischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon, Amtsblatt der Europ盲ischen Union 2007 C 306/01) erkannt. Deutschland darf danach Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgesch眉ttet werden, wirtschaftlich keiner h枚heren Belastung unterwerfen als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ausgesch眉ttet werden. In Deutschland wurden vergleichbare Dividenden im streitgegenst盲ndlichen Zeitraum aber --unbeschadet des auch hier praktizierten Abzugs von Kapitalertragsteuer-- nach 搂 8b Abs. 1 KStG 2002 und infolge der beschriebenen Anrechnung bzw. Verg眉tung der Kapitalertragsteuer prinzipiell vollen Umfangs von der K枚rperschaftsteuer befreit. Erst seit dem Veranlagungszeitraum 2004 wird der Steuervorteil wirtschaftlich geschm盲lert; seitdem gelten 5 v.H. der Dividenden nach 搂 8b Abs. 5 Satz 1 KStG 2002 (i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerkl盲rung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuerverg眉nstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2840) als nicht abziehbare Betriebsausgaben.
Rz. 26
Diese Steuerfreistellung ist --vom Veranlagungszeitraum 2004 an in entsprechendem Umfang gleicherma脽en geschm盲lert-- nunmehr auch ausl盲ndischen Kapitalgesellschaften als Dividendenempf盲ngern einzur盲umen. Dass das (bislang) unterblieben ist, ist Deutschland als Quellenstaat anzulasten. Der Unionsrechtsversto脽 kann zwar prinzipiell gerechtfertigt werden, indem Deutschland sich mit dem Ans盲ssigkeitsstaat des Dividendenempf盲ngers bilateral darauf verst盲ndigt, dass jener Staat die deutsche Quellensteuer in voller H枚he anrechnet oder erstattet (vgl. EuGH-Urteil in DStR 2011, 2038; s. auch Senatsurteil in BFHE 224, 556, m.w.N.). Das aber ist im Hinblick auf Frankreich nicht geschehen; Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb DBA-Frankreich sieht insofern lediglich eine Steueranrechnung begrenzt auf den Betrag der auf die Dividenden entfallenden franz枚sischen Steuer vor.
Rz. 27
bb) F眉r die Verfahrenskonstellation des Streitfalls hilft dieser materiell-rechtliche Befund der Kl盲gerin indessen nicht weiter. Denn deren Begehren st眉tzt sich insoweit nicht auf 搂 43b Abs. 1 EStG 2002 und somit auch nicht unmittelbar auf das tatbestandlich vorgegebene Verfahren nach 搂 50d Abs. 2 EStG 2002. Es st眉tzt sich vielmehr --davon losgel枚st-- darauf, dass der Steuerabzug als solcher abweichend von einer vergleichbaren Inlandskonstellation bei der ausl盲ndischen Muttergesellschaft definitiv wird und deswegen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verst枚脽t. In dieser Situation ist die Einleitung des Freistellungsverfahrens nach 搂 50d Abs. 2 EStG 2002 ausgeschlossen (vgl. auch 搂 43b Abs. 2 Satz 3 letzter Halbsatz EStG 2002). Nicht anders als Steuerinl盲nder ist die Kl盲gerin vielmehr gehalten, den Steuerabzug zun盲chst hinzunehmen (vgl. 搂 43 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002) und ihr Begehren sodann im Rahmen eines (nachtr盲glichen) Erstattungsverfahrens auf anderer Rechtsgrundlage --in entsprechender Anwendung von 搂 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 und gerichtet auf Erlass eines entsprechenden Freistellungsbescheides gem盲脽 搂 155 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO)-- durchzusetzen (vgl. zur Abgrenzung auch Senatsurteil vom 11. Oktober 2000 I R 34/99, BFHE 193, 336, BStBl II 2001, 291).
Rz. 28
Die Entscheidungszust盲ndigkeit dar眉ber obliegt dem 枚rtlich und sachlich zust盲ndigen Finanzamt (vgl. 搂 20 Abs. 3 und 4 AO), nicht aber dem BZSt, dessen Sachzust盲ndigkeit im Finanzverwaltungsgesetz abschlie脽end bestimmt wird. Letzteres entspricht st盲ndiger Spruchpraxis des Senats (vgl. z.B. --ebenfalls bezogen auf das Erstattungsverfahren analog 搂 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 und zu einer mit dem Streitfall vergleichbaren Ausgangslage-- Urteil in BFHE 224, 556, m.w.N.; s. zur Abgrenzung demgegen眉ber Senatsurteil vom 20. Dezember 2006 I R 13/06, BFHE 216, 259, BStBl II 2007, 616, dort unter II.4.b bb, speziell unter bbb der 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别) und tr盲gt dem Umstand Rechnung, dass sich die Zust盲ndigkeit des BZSt im Sinne einer funktionalen Aufgabenteilung auf die positiv-rechtlich angeordneten Anwendungsf盲lle beschr盲nkt. Freistellungen und Erstattungen von Kapitalertragsteuer, welche dar眉ber hinausgehen und welche sich auf eine andere Rechtsgrundlage st眉tzen, sind institutionell hingegen allein vom zust盲ndigen Finanzamt zu verantworten. Sie lassen sich weder kraft einer Art "Annexkompetenz" noch einer zust盲ndigkeitsbegr眉ndenden Analogie auf das BZSt 眉bertragen. Das gebietet der auch und insbesondere bei Zust盲ndigkeitsregelungen ma脽gebliche allgemeine Vorbehalt des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. z.B. Kluth in Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 3, 5. Aufl., 搂 84 Rz 11 ff.), und das gilt auch dann, wenn eine anderweitige Zust盲ndigkeitsregelung im Einzelfall, namentlich bei Fonds- und Streubesitzbeteiligungen --und damit nicht im Streitfall--, durchaus sachdienlich sein mag.
Rz. 29
cc) Ihrerseits unionsrechtliche Einw盲nde gegen diese Zweiteilung des Verfahrens --vorheriger Steuerabzug und anschlie脽ende Erstattung-- w盲ren ebenso unbegr眉ndet wie gegen die verlagerte Verfahrenszust盲ndigkeit: Die hintereinander geschaltete Verfahrenszweiteilung hat der EuGH prinzipiell ausdr眉cklich akzeptiert (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006 Rs. C-290/04 "Scorpio", BFH/NV 2007, Beilage 1, 36); das gilt insbesondere dann, wenn --wie beim Abzug der Kapitalertragsteuer-- In- wie Ausl盲nder gleichbehandelt werden (vgl. Senatsurteil in BFHE 216, 259, BStBl II 2007, 616, dort unter II.4.b cc der 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别). Und die verfahrensrechtliche Umsetzung unionsrechtlicher Anforderungen an das nationale Steuerrecht obliegt mangels einer einschl盲gigen Unionsregelung ohnehin autonom den einzelnen Mitgliedstaaten (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 C-262/09, Meilicke u.a., BFH/NV 2011, 1467, dort Rz 55, m.w.N.). Es darf dem Steuerpflichtigen nur nicht unm枚glich gemacht werden, seinen unionsrechtlich begr眉ndeten Anspruch durchzusetzen. Das aber ist jedenfalls infolge der voneinander abweichenden Zust盲ndigkeitsregelungen nicht der Fall.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 2943815 |
BFH/NV 2012, 871 |
BFH/PR 2012, 187 |
BFHE 2012, 318 |
BFHE 236, 318 |
BB 2012, 1205 |
BB 2012, 993 |
BB 2013, 2013 |
DB 2012, 838 |
DStR 2012, 742 |
DStRE 2012, 586 |
DStZ 2012, 347 |
HFR 2012, 616 |