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Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Erblasser herr眉hrende Steuerschulden f眉r das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten
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Leitsatz (amtlich)
1. Die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallenden Abschlusszahlungen f眉r die vom Erblasser herr眉hrende Einkommensteuer des Todesjahres, einschlie脽lich Kirchensteuer und Solidarit盲tszuschlag, sind als Nachlassverbindlichkeiten gem盲脽 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsf盲hig (脛nderung der Rechtsprechung).
2. Bei einer Zusammenveranlagung von im selben Jahr verstorbenen Ehegatten sind Abschlusszahlungen f眉r das Todesjahr analog 搂 270 AO aufzuteilen und als Nachlassverbindlichkeiten beim jeweiligen Erwerb von Todes wegen abzugsf盲hig.
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Normenkette
ErbStG 搂听9 Abs. 1 Nr. 1, 搂听10 Abs.听1, 5 Nr. 1, 搂搂听11, 12 Abs. 1; BewG 搂 12; BGB 搂搂听1922, 1967 Abs. 2; AO 搂听37 Abs. 2, 搂搂听38, 44, 45 Abs. 1, 搂听270; EStG 2004 搂听2 Abs. 7 S. 1, 搂听25 Abs. 1, 搂搂听26b, 36 Abs.听1, 4 S. 1, 搂听51a Abs. 1; SolZG 搂 1 Abs. 2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin) ist neben ihrer Schwester zu 1/2 Miterbin ihres am 31. Dezember 2004 verstorbenen Vaters (V). Ihre Mutter (M) war bereits am 13. November 2004 vorverstorben. F眉r 2004 wurden V und M zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. F眉r Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidarit盲tszuschlag f眉r 2004 waren --nach Anrechnung der von V und M entrichteten Vorauszahlungen, des Zinsabschlags und der Kapitalertragsteuer-- Abschlusszahlungen in H枚he von insgesamt 1.823.885 鈧 zu entrichten.
Rz. 2
Die Kl盲gerin machte die H盲lfte der Abschlusszahlungen als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte in dem ge盲nderten Steuerbescheid vom 22. September 2008 einen Abzug und setzte die Erbschaftsteuer gegen die Kl盲gerin auf 473.936 鈧 fest.
Rz. 3
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass die Einkommensteuer des Todesjahres des Erblassers beim Erben nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden k枚nne, weil sie am ma脽geblichen Stichtag noch nicht entstanden gewesen sei. Das Urteil des FG ist ver枚ffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1342.
Rz. 4
Mit der Revision r眉gt die Kl盲gerin die Verletzung des 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
Rz. 5
W盲hrend des Revisionsverfahrens hat das FA mit Bescheid vom 5. Juni 2012 die Erbschaftsteuer wegen hier nicht streitiger Punkte auf 532.817 鈧 erh枚ht.
Rz. 6
In der m眉ndlichen Verhandlung hat die Kl盲gerin erkl盲rt, ihre Eltern h盲tten ein Berliner Testament errichtet. Danach h盲tten sich die Eltern gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Die Erbschaft nach ihrer Mutter sei ausgeschlagen worden.
Rz. 7
Die Kl盲gerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 5. Juni 2012 dahin zu 盲ndern, dass die von ihr zu tragenden Zahlungen der Einkommensteuer, der Kirchensteuer sowie des Solidarit盲tszuschlags f眉r V und M f眉r 2004 in H枚he von 911.942,50 鈧 als zus盲tzliche Nachlassverbindlichkeiten ber眉cksichtigt werden.
Rz. 8
Das FA beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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Rz. 9
II. Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt bereits aus verfahrensrechtlichen Gr眉nden zur Aufhebung der Vorentscheidung. Da w盲hrend des Revisionsverfahrens ein 脛nderungsbescheid ergangen ist, ist das Urteil des FG gegenstandslos geworden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Januar 2008 VI R 44/07, BFHE 220, 269, BStBl II 2011, 21).
Rz. 10
Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zur眉ckzuverweisen (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um den von der Kl盲gerin begehrten Abzug der Nachlassverbindlichkeiten beurteilen zu k枚nnen. Die anteilig auf die Kl盲gerin als Miterbin entfallenden Abschlusszahlungen f眉r Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidarit盲tszuschlag f眉r 2004 sind, soweit sie V betreffen, entgegen der Auffassung des FG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsf盲hig. Soweit die Abschlusszahlungen M betreffen, sind sie als Nachlassverbindlichkeiten abzugsf盲hig, wenn V Alleinerbe der vorverstorbenen M war. Ist dagegen V wegen einer Ausschlagung der Erbschaft nicht Alleinerbe der M geworden, scheidet ein Abzug der M betreffenden Abschlusszahlungen als Nachlassverbindlichkeiten bei dem hier der Besteuerung zugrunde liegenden Erwerb von Todes wegen nach V aus. Das FG hat --aus seiner Sicht zu Recht-- noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob V Alleinerbe der M war oder ob die Erbschaft ausgeschlagen wurde.
Rz. 11
1. Gem盲脽 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind von dem Erwerb des Erben die vom Erblasser herr眉hrenden Schulden, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb geh枚renden Gewerbebetrieb oder Anteil an einem Gewerbebetrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits nach 搂 12 Abs. 5 und 6 ErbStG ber眉cksichtigt worden sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsf盲hig. Nachlassverbindlichkeiten in diesem Sinne sind auch die vom Erblasser herr眉hrenden pers枚nlichen Steuerschulden, die gem盲脽 搂 1922 Abs. 1 des B眉rgerlichen Gesetzbuchs (BGB), 搂 45 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) auf den Erben 眉bergegangen sind (st盲ndige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 2010 II R 23/09, BFHE 229, 363, BStBl II 2010, 641, m.w.N.).
Rz. 12
Nach 搂 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Verm枚gen als Ganzes auf den oder die Erben 眉ber. Gem盲脽 搂 1967 BGB haften die Erben f眉r die Nachlassverbindlichkeiten. Das hierin f眉r den Erbfall statuierte Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge beschr盲nkt sich nicht auf den Bereich des Zivilrechts, sondern erstreckt sich auch auf das Steuerrecht (vgl. Beschluss des Gro脽en Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.I.). So ordnet 搂 45 Abs. 1 Satz 1 AO an, dass bei der Gesamtrechtsnachfolge "die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverh盲ltnis auf den Rechtsnachfolger 眉ber(gehen)". Ungeachtet des restriktiv gehaltenen Wortlauts des 搂 45 Abs. 1 Satz 1 AO leitet der BFH in st盲ndiger Rechtsprechung aus dieser Bestimmung her, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger grunds盲tzlich in einem umfassenden Sinne sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers eintritt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.I.1., m.w.N.).
Rz. 13
2. Zu den abzugsf盲higen Nachlassverbindlichkeiten i.S. des 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG geh枚ren nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbest盲nden begr眉ndet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen.
Rz. 14
a) Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt ebenso wie die Erbenhaftung nach 搂 1967 Abs. 2 BGB voraus, dass Schulden vom Erblasser herr眉hren. Aus dem Begriff "herr眉hren" ergibt sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein m眉ssen. Zivilrechtlich gehen mit dem Erbfall auch "verhaltene", noch werdende und schwebende Rechtsbeziehungen des Erblassers auf den Erben 眉ber (st盲ndige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 7. Juni 1991 V ZR 214/89, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1991, 2558, m.w.N.). Deshalb sind Erblasserschulden i.S. des 搂 1967 Abs. 2 BGB auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden w盲ren, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung n枚tigen weiteren Voraussetzung verstorben w盲re (vgl. BGH-Urteil in NJW 1991, 2558).
Rz. 15
b) Diese zivilrechtlichen Grunds盲tze sind auch f眉r die Beurteilung der Nachlassverbindlichkeiten i.S. des 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zu beachten (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juli 1978 II R 64/73, BFHE 126, 55, BStBl II 1979, 23; Weinmann in Moench/Weinmann, 搂 10 ErbStG Rz 51). Der Abzug der vom Erblasser herr眉hrenden Schulden setzt nicht zwingend voraus, dass beim Tod des Erblassers, also zum ma脽geblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung (搂 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), eine rechtliche Verpflichtung bestanden haben muss (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1963 II 166/61, H枚chstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964, 83, und in BFHE 126, 55, BStBl II 1979, 23). Bei einem Erwerb von Todes wegen wirken sich auch Steuerschulden aus der Veranlagung des Erblassers f眉r das Todesjahr bereicherungsmindernd aus, obwohl sie beim Erbfall noch nicht rechtlich entstanden waren. Denn der Erbe hat diese Steuerschulden zu tragen. Entscheidend f眉r den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbest盲nde verwirklicht hat und deshalb "f眉r den Erblasser" als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht.
Rz. 16
c) Das f眉r das Erbschaftsteuerrecht ma脽gebliche Stichtagsprinzip (搂 9 und 搂 11 ErbStG) steht dem Abzug dieser Steuerverbindlichkeiten nicht entgegen. Bereits zum Zeitpunkt der Steuerentstehung, also beim Tod des Erblassers steht fest, dass die Belastung kraft Gesetzes mit Ablauf des Todesjahres eintreten wird (nachfolgend unter II.2.e). Dabei ist unsch盲dlich, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls die Belastung durch Steuerverbindlichkeiten der H枚he nach nicht genau feststeht, weil noch m枚gliche Wahlrechte ausge眉bt werden oder besondere steuerrelevante Ereignisse eintreten k枚nnen.
Rz. 17
d) Soweit aus den haupts盲chlich zum Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung ergangenen Entscheidungen des BFH entnommen werden k枚nnte bzw. kann, dass der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG "nur" bei einer zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehenden rechtlichen Verpflichtung m枚glich ist, h盲lt der Senat daran jedenfalls f眉r die kraft Gesetzes aufgrund einer Tatbestandsverwirklichung des Erblassers entstehenden Steueranspr眉che nicht mehr fest (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 24. M盲rz 1999 II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339; vom 15. Januar 2003 II R 23/01, BFHE 200, 413, BStBl II 2003, 267; vom 14. Dezember 2004 II R 35/03, BFH/NV 2005, 1093; vom 14. November 2007 II R 3/06, BFH/NV 2008, 574; in BFHE 229, 363, BStBl II 2010, 641; BFH-Beschluss vom 15. Mai 2009 II B 155/08, BFH/NV 2009, 1441; differenzierend BFH-Urteil vom 27. Juni 2007 II R 30/05, BFHE 217, 190, BStBl II 2007, 651, unter II.3.a). Es verbleibt jedoch dabei, dass der Abzug einer Steuerschuld als Nachlassverbindlichkeit nach 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG --abweichend vom Zivilrecht-- zus盲tzlich voraussetzt, dass sie eine wirtschaftliche Belastung darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 2. M盲rz 2011 II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147, unter III.7.c aa aaa).
Rz. 18
e) Nach diesen Grunds盲tzen ist die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallende Abschlusszahlung f眉r die vom Erblasser herr眉hrende Einkommensteuer des Todesjahres als Nachlassverbindlichkeit gem盲脽 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsf盲hig (vgl. Kapp/Ebeling, 搂 10 ErbStG Rz 82; Gebel in Troll/Gebel/J眉licher, ErbStG, 搂 10 Rz 119, 140; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., 搂 10 Rz 32, unter a und c; K盲mper/Milatz, Zeitschrift f眉r Erbrecht und Verm枚gensnachfolge --ZEV-- 2011, 70; Billig, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2012, 61; a.A. Weinmann, a.a.O., 搂 10 ErbStG Rz 54; J眉ptner in Fischer/J眉ptner/Pahlke/ Wachter, ErbStG, 4. Aufl., 搂 10 Rz 134; Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 搂 10 Rz 121; Hartmann, Der Erbschaft-Steuer-Berater 2007, 170, unter 3.c; Gleichlautender L盲ndererlass vom 18. Januar 2010, ZEV 2010, 107; R E 10.8 Abs. 3 Satz 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011, BStBl I Sonder-Nr. 1/2011, 2, 23 f.).
Rz. 19
aa) Stirbt ein Steuerpflichtiger vor Ablauf des Kalenderjahres, ist zum Zeitpunkt des Erbfalls zwar noch keine Einkommensteuer f眉r das Todesjahr entstanden. Der Steuerpflichtige hat aber bis zu seinem Ableben selbst Steuertatbest盲nde verwirklicht und damit das sp盲tere Entstehen der Steuerverbindlichkeiten begr眉ndet. Mit seinem Ableben tritt der Erbe in die Rechtsstellung des Verstorbenen (Erblasser) ein; der durch den Erblasser (Steuerpflichtiger) begr眉ndete, mit Ablauf des Todesjahres entstehende Anspruch aus dem Steuerschuldverh盲ltnis geht auf den Erben 眉ber.
Rz. 20
bb) Anspr眉che aus dem Steuerschuldverh盲ltnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht kn眉pft (搂 38 AO). Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer (搂 2 Abs. 7 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der f眉r 2004 ma脽geblichen Fassung --EStG--), die nach 搂 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht.
Rz. 21
Sie wird nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat, soweit nicht nach 搂 46 EStG eine Veranlagung unterbleibt (搂 25 Abs. 1 EStG). Stirbt der Steuerpflichtige vor Ablauf des Kalenderjahres und endet damit seine pers枚nliche Steuerpflicht, wird der Veranlagung f眉r das Todesjahr (Kalenderjahr) ein abgek眉rzter Ermittlungszeitraum zugrunde gelegt. Die Veranlagung ist auf das bis zum Tod des Steuerpflichtigen erzielte Einkommen zu beschr盲nken (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.III.1.). Im Hinblick darauf, dass das Einkommen des Erblassers erfasst und damit an die Verwirklichung des Steuertatbestands durch den Erblasser angekn眉pft wird, ist die Einkommensteuer des Todesjahres unmittelbar in der Person des Erblassers (Steuerpflichtiger) begr眉ndet. Eine etwaige Einkommensteuerschuld f眉r das Todesjahr des Erblassers bleibt trotz des 脺bergangs auf den Erben eine vom Erblasser herr眉hrende Steuerschuld. Insoweit ist unerheblich, dass der Einkommensteuerbescheid f眉r den Erblasser gegen眉ber dem Erben als Gesamtrechtsnachfolger ergeht.
Rz. 22
Soweit der Erbe selbst einkommensteuerrelevante Tatbest盲nde verwirklicht, wie z.B. beim Zufluss nachtr盲glicher Einnahmen aus einer ehemaligen T盲tigkeit des Erblassers nach 搂 24 Nr. 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1996 X R 14/94, BFHE 179, 406, BStBl II 1996, 287, unter 3.), sind die darauf entfallenden Einkommensteuerzahlungen des Erben keine Nachlassverbindlichkeiten nach 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. Obwohl der Erblasser die Grundlage f眉r den Zufluss von Einnahmen gesetzt hat, wird der Steuertatbestand in diesen F盲llen erst mit dem Zufluss der Einnahmen durch den Erben als Steuerpflichtigen verwirklicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 179, 406, BStBl II 1996, 287).
Rz. 23
cc) Eine bereits am Todestag des Erblassers bestehende rechtliche Verpflichtung als Voraussetzung f眉r den Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten i.S. des 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass nur rechtlich entstandene Steuererstattungsanspr眉che zum Erwerb i.S. des 搂 10 Abs. 1 ErbStG 锄盲丑濒别苍.
Rz. 24
Nach der Rechtsprechung des BFH fallen Einkommensteuererstattungsanspr眉che, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, jedenfalls bei einer Zusammenveranlagung mit dem 眉berlebenden Ehegatten nicht in den steuerpflichtigen Erwerb nach 搂 10 Abs. 1 ErbStG, weil sie erst mit Ablauf des Todesjahres entstehen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 2008 II R 30/06, BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626). F眉r Erwerbe ab dem 1. Januar 2009 gilt zudem 搂 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG (i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008, BGBl I 2008, 3018, BStBl I 2009, 140). Danach sind Steuererstattungsanspr眉che des Erblassers zu ber眉cksichtigen, wenn sie rechtlich entstanden sind (搂 37 Abs. 2 AO).
Rz. 25
Das Ankn眉pfen an unterschiedliche Voraussetzungen f眉r den Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten einerseits und f眉r den Ansatz von Steuererstattungsanspr眉chen als Erwerb andererseits beruht auf den unterschiedlichen Regelungen in 搂 10 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. Denn f眉r den Abzug von Schulden als Nachlassverbindlichkeiten kommt es nach 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nur darauf an, dass sie vom Erblasser "herr眉hren". F眉r eine einschr盲nkende Auslegung des Begriffs "herr眉hren" im Sinne von "rechtlich entstanden" ist ein zwingender Grund nicht ersichtlich. Eine solche Auslegung w眉rde auch dem im Erbschaftsteuerrecht geltenden Bereicherungsprinzip zuwiderlaufen, weil der Erbe in H枚he der entstehenden und von ihm zu begleichenden Steuerschulden f眉r das Todesjahr des Erblassers nicht bereichert ist.
Rz. 26
dd) Hat der Erblasser den Steuertatbestand verwirklicht, ist als Nachlassverbindlichkeit die Einkommensteuer-Abschlusszahlung i.S. des 搂 36 Abs. 4 Satz 1 EStG, also diejenige Einkommensteuer abzugsf盲hig, die sich nach Anrechnung der vom Erblasser entrichteten Einkommensteuer-Vorauszahlungen und der durch Steuerabzug erhobenen anrechenbaren Einkommensteuer (vgl. 搂 36 Abs. 2 EStG) ergibt. Es kommt dabei allein auf die materielle Rechtslage und nicht auf die Steuerfestsetzungen an (vgl. BFH-Urteil in BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626).
Rz. 27
f) Zu den vom Erblasser herr眉hrenden Schulden geh枚ren diejenigen Steuerverbindlichkeiten, die durch ihn selbst begr眉ndet wurden. Das sind Steuerverbindlichkeiten, die entstehen, weil der Erblasser den Steuertatbestand verwirklicht hat. Bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer f眉r das Todesjahr eines oder beider Ehegatten sind Steuerverbindlichkeiten grunds盲tzlich auf die Ehegatten aufzuteilen.
Rz. 28
aa) Werden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, werden die Eink眉nfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (搂 26b EStG). Aufgrund dieser Zusammenveranlagung sind die Ehegatten Gesamtschuldner der Einkommensteuer (搂 44 Abs. 1 Satz 1 AO). Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung (搂 44 Abs. 1 Satz 2 AO).
Rz. 29
bb) Stirbt einer der Ehegatten und ergibt sich aufgrund der Zusammenveranlagung der Ehegatten f眉r das Todesjahr eine Abschlusszahlung, ist die vom verstorbenen Ehegatten als Erblasser herr眉hrende Einkommensteuerschuld analog 搂 270 AO (in der f眉r 2004 ma脽geblichen Fassung) zu ermitteln.
Rz. 30
Gesamtschuldner k枚nnen f眉r das Vollstreckungsverfahren so gestellt werden, als seien sie Einzelschuldner (搂 268 AO). Hierzu wird nach Ma脽gabe der 搂搂 269 ff. AO die Gesamtschuld auf die einzelnen Steuerschuldner aufgeteilt. Zur Bestimmung des Aufteilungsma脽stabs sind grunds盲tzlich fiktive getrennte Veranlagungen durchzuf眉hren; das Verh盲ltnis der sich daraus ergebenden Steuerbetr盲ge ergibt den Aufteilungsschl眉ssel f眉r die r眉ckst盲ndige Steuer (搂 270 AO in der f眉r 2004 ma脽geblichen Fassung). Dadurch wird erreicht, dass jeder der Gesamtschuldner nur noch mit dem Steuerbetrag in Anspruch genommen wird, der seinem Anteil am zusammen veranlagten Einkommen entspricht (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 2008 VI R 45/04, BFHE 220, 204, BStBl II 2008, 418; BFH-Beschluss vom 3. November 2010 X S 28/10, BFH/NV 2011, 203).
Rz. 31
Ebenso ist zu verfahren, wenn die Zusammenveranlagung von Ehegatten f眉r das Jahr, in dem einer der Ehegatten verstorben ist, zu einer Einkommensteuer-Abschlusszahlung (vgl. 搂 36 Abs. 4 Satz 1 EStG) f眉hrt und zu kl盲ren ist, inwieweit diese zu den Nachlassverbindlichkeiten geh枚rt. Soweit die Abschlusszahlung nach einer Aufteilung analog 搂 270 AO (in der f眉r 2004 ma脽geblichen Fassung) auf den Verstorbenen (Erblasser) entf盲llt, ist sie beim Erwerb des Erben als eine vom Erblasser herr眉hrende Nachlassverbindlichkeit abzugsf盲hig.
Rz. 32
cc) Entsprechendes gilt, wenn zusammen veranlagte Ehegatten im selben Jahr versterben und die Veranlagung zur Einkommensteuer f眉r das Todesjahr zu einer Abschlusszahlung f眉hrt. Die Abschlusszahlung ist analog 搂 270 AO (in der f眉r 2004 ma脽geblichen Fassung) auf die Ehegatten aufzuteilen und als Nachlassverbindlichkeit beim jeweiligen Erwerb von Todes wegen abzugsf盲hig.
Rz. 33
Ist jedoch bei einem Ableben der Ehegatten im selben Jahr der zweitverstorbene Ehegatte Alleinerbe des zuerst verstorbenen Ehegatten gewesen, ist beim Erwerb der Erben des zweitverstorbenen Ehegatten die gesamte Abschlusszahlung aus der Zusammenveranlagung der verstorbenen Ehegatten f眉r das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeit abzugsf盲hig. Soweit die Abschlusszahlung auf den zweitverstorbenen Ehegatten entf盲llt, ist sie eine von diesem als Erblasser herr眉hrende Steuerverbindlichkeit, weil er den Steuertatbestand verwirklicht hat. Soweit die Abschlusszahlung auf den zuerst verstorbenen Ehegatten entf盲llt, handelt es sich um eine Steuerschuld, die zivil- und steuerrechtlich mit dem Ableben des zuerst verstorbenen Ehegatten als schwebende Rechtsbeziehung auf den zun盲chst 眉berlebenden Ehegatten und bei dessen Ableben auf seine Erben 眉bergegangen ist. Diese Steuerschuld, die auf einer Verwirklichung des Steuertatbestands durch den zuerst verstorbenen Ehegatten beruht, ist erbschaftsteuerrechtlich als eine vom zweitverstorbenen Ehegatten herr眉hrende Nachlassverbindlichkeit abzugsf盲hig, weil sie bereits den Erwerb des zweitverstorbenen Ehegatten minderte und bei seinem Ableben mangels entsprechender Tilgung als schwebende, mit Ablauf des Jahres entstehende Belastung weiterbestand. Sie mindert deshalb auch die Bereicherung der Erben des zweitverstorbenen Ehegatten.
Rz. 34
g) Nach diesen Grunds盲tzen ist auch zu entscheiden, ob Abschlusszahlungen, die auf den mit Ablauf des Kalenderjahres entstehenden Solidarit盲tszuschlag (vgl. 搂 1 Abs. 2 des Solidarit盲tszuschlaggesetzes) sowie f眉r die ebenfalls an das Einkommen ankn眉pfende, nach Landesrecht festzusetzende Kirchensteuer entfallen (vgl. 搂 51a Abs. 1 EStG), als Nachlassverbindlichkeiten abzugsf盲hig sind.
Rz. 35
3. Die abzugsf盲higen Nachlassverbindlichkeiten sind mit ihrem nach 搂 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abzuziehen (搂 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Schulden sind mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umst盲nde einen h枚heren oder geringeren Wert begr眉nden (搂 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. 搂 12 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes --BewG--).
Rz. 36
F眉r Steuerverbindlichkeiten, die mit Ablauf des Todesjahres des Erblassers entstehen, verbleibt es beim Ansatz mit dem Nennwert, obwohl die zu einer Abschlusszahlung f眉hrende Festsetzung erst nach dem Stichtag f眉r die Entstehung der Erbschaftsteuer erfolgt. Besondere Umst盲nde, die eine Abweichung vom Nennwert rechtfertigen k枚nnten, sind nicht ersichtlich. Eine Abzinsung nach 搂 12 Abs. 3 BewG scheidet ebenfalls aus, weil es an einem von vornherein bestimmten Zeitpunkt f眉r den Eintritt der F盲lligkeit der Einkommensteuer, der Kirchensteuer und des Solidarit盲tszuschlags fehlt und somit die Berechnungs- oder Sch盲tzungsgrundlagen f眉r eine Abzinsung fehlen (vgl. BFH-Urteile vom 17. Januar 1996 II R 4/93, BFH/NV 1996, 649, unter II.3.b; in BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626, betr. Einkommensteuererstattungsanspr眉che). Einkommensteuernachforderungen sind im 脺brigen nur innerhalb des in 搂 233a Abs. 2 AO bestimmten Zeitraums unverzinslich.
Rz. 37
4. Danach mindern im Streitfall die anteilig auf die Kl盲gerin entfallenden Abschlusszahlungen f眉r Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidarit盲tszuschlag f眉r 2004, soweit sie V betreffen, als Nachlassverbindlichkeiten den Erwerb der Kl盲gerin. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Aufgrund der vom FG getroffenen tats盲chlichen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die Abschlusszahlungen, soweit sie M betreffen, ebenfalls als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb der Kl盲gerin aufgrund des Ablebens des V abgezogen werden k枚nnen. Der von der Kl盲gerin begehrte Abzug der h盲lftigen Abschlusszahlungen in H枚he von 911.942,50 鈧 ist nur dann zu gew盲hren, wenn V Alleinerbe der M war. Ist dagegen die Erbschaft des V nach M ausgeschlagen worden, wie die Kl盲gerin in der m眉ndlichen Verhandlung vor dem BFH vorgetragen hat, sind die Abschlusszahlungen nur insoweit abzugsf盲hig, als sie auf V entfallen. Das FG wird daher noch festzustellen haben, ob V Alleinerbe war und die Erbschaft ausgeschlagen wurde. Im Fall der Ausschlagung ist weiter festzustellen, inwieweit die Abschlusszahlungen entsprechend 搂 270 AO (in der f眉r 2004 ma脽geblichen) Fassung auf V entfallen; in diesem Fall sind die auf M entfallenden Abschlusszahlungen nicht als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb der Kl盲gerin abzuziehen.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 3239376 |
BFH/NV 2012, 1738 |
BFH/PR 2012, 352 |
BStBl II 2012, 790 |
BFHE 2013, 233 |
BFHE 238, 233 |
DB 2012, 13 |
DB 2012, 2204 |
DStR 2012, 1698 |
DStRE 2012, 1163 |
DStZ 2012, 680 |
HFR 2012, 1076 |