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Entscheidungsstichwort (Thema)
Berliner Testament: Verzicht der Schlusserben (Kinder) auf Geltendmachung der Pflichtteile gegen眉ber 眉berlebendem Ehegatten gegen Abfindung, die erst mit dem Tod des zun盲chst 眉berlebenden Ehegatten f盲llig wird
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Leitsatz (amtlich)
Haben Eheleute ihre Kinder im Wege eines Berliner Testaments zu Schlusserben eingesetzt und vereinbaren diese mit dem 眉berlebenden Ehegatten, jeweils gegen Zahlung einer erst mit dessen Tod f盲lligen Abfindung auf die Geltendmachung der Pflichtteile nach dem erstverstorbenen Ehegatten zu verzichten, k枚nnen die Kinder beim Tod des 眉berlebenden Ehegatten keine Nachlassverbindlichkeiten i.S. des 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG aus dieser Vereinbarung abziehen. Die Abfindungsverpflichtungen stellten f眉r den 眉berlebenden Ehegatten keine wirtschaftliche Belastung dar.
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Normenkette
ErbStG 搂 10 Abs. 5 Nr. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Die Eltern der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) hatten sich durch gemeinschaftliches Testament gegenseitig als Erben eingesetzt. Erben des 脺berlebenden sollten die Kl盲ger zu gleichen Teilen sein. F眉r den Fall, dass einer der Kl盲ger beim Tod des Erstversterbenden auf seinem Pflichtteil besteht, war bestimmt, dass er auch nach dem Tod des 脺berlebenden auf den Pflichtteil beschr盲nkt ist (Pflichtteilssanktionsklausel). Nach dem Tod des Vaters im November 1996 vereinbarte die Mutter noch im Dezember 1996 mit den Kl盲gern die Zahlung einer Abfindung von je 100 000 DM daf眉r, dass die Kl盲ger auf die Geltendmachung ihrer Pflichtteile nach dem Vater verzichteten. Die Abfindungen sollten mit dem Ableben der Mutter f盲llig werden.
Nach dem Tod der Mutter im November 2000 verlangten die Kl盲ger, die vereinbarten Abfindungen als Nachlassverbindlichkeit zu ber眉cksichtigen. Das lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ab. Mit letztmals w盲hrend des bereits anh盲ngigen Klageverfahrens ge盲nderten Bescheiden vom 22. Juli 2003 setzte er die Erbschaftsteuer bei einem steuerpflichtigen Erwerb von jeweils 281 500 DM auf jeweils 15 444 鈧 fest. Bez眉glich der Abfindungen blieb die Klage erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, die von der Mutter geschuldeten Abfindungen k枚nnten gem盲脽 搂 42 der Abgabenordnung (AO) nicht als Nachlassverbindlichkeiten ber眉cksichtigt werden. Aufgrund der testamentarisch festgelegten Erbfolge habe festgestanden, dass die Kl盲ger die Abfindungen nicht an sich selbst zahlen w眉rden. Die Kl盲ger h盲tten in der m眉ndlichen Verhandlung einger盲umt, dass die gew盲hlte Gestaltung ausschlie脽lich der Steuerminderung gedient habe. Infolgedessen h盲tten sie auch in Missbrauchsabsicht gehandelt. Im 脺brigen habe es zu ihren Lebzeiten auch an einer wirtschaftlichen Belastung der Mutter gefehlt.
Mit der Revision r眉gen die Kl盲ger fehlerhafte Anwendung des 搂 42 AO sowie des 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Die streitbefangene Gestaltung sei auch zivilrechtlich zul盲ssig und sinnvoll. Das Motiv, Steuern zu sparen, f眉hre nicht zum Rechtsmissbrauch. Als 眉berlebende Ehegattin habe die Mutter uneingeschr盲nkt 眉ber den gesamten Nachlass verf眉gen und ihn damit auch "verjubeln" k枚nnen. Durch die Abfindungsvereinbarung vom Dezember 1996 seien sie, die Kl盲ger, zumindest in H枚he von jeweils 100 000 DM abgesichert gewesen. Die einvernehmliche Abfindungsregelung sei m枚glich gewesen, ohne die Anwendung der sog. einfachen Pflichtteilsklausel auszul枚sen. Mit der Abfindungsvereinbarung sei zudem die Gleichbehandlung der Schlusserben sichergestellt worden. In der Literatur werde sogar die Ansicht vertreten, Pflichtteilsanspr眉che bez眉glich des Erstversterbenden k枚nnten die Schlusserben auch noch erstmals nach dem Tod des Letztversterbenden gegen眉ber sich selbst geltend machen (Muscheler, Zeitschrift f眉r Erbrecht und Verm枚gensnachfolge --ZEV-- 2001, 377, 381).
Die Kl盲ger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Erbschaftsteuerbescheide vom 22. Juli 2003 mit der Ma脽gabe zu 盲ndern, dass jeweils weitere Nachlassverbindlichkeiten in H枚he von 100 000 DM ber眉cksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
II. Die Revision ist unbegr眉ndet, sie war daher zur眉ckzuweisen (搂 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Kl盲ger sind die Erben ihrer Mutter geworden. Die Vereinbarung vom Dezember 1996 zwischen ihnen und der Mutter ist zivilrechtlich wirksam und hat trotz der Pflichtteilssanktionsklausel im gemeinschaftlichen Testament der Eltern nicht zum Verlust der Stellung der Kl盲ger als Erben nach ihrer Mutter gef眉hrt. Die aus der Vereinbarung sich ergebenden Abfindungsverpflichtungen der Mutter sind jedoch keine Nachlassverbindlichkeiten i.S. des 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG, da sie f眉r die Mutter keine wirtschaftliche Belastung darstellten.
1. Die Vereinbarung vom Dezember 1996 ist kein Scheingesch盲ft i.S. des 搂 117 Abs. 1 des B眉rgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie des 搂 41 Abs. 2 Satz 1 AO gewesen. Die Partner der Vereinbarung haben die mit ihr verbundenen Rechtsfolgen gewollt, da nur unter dieser Voraussetzung der erstrebte Abzug der Abfindungsverpflichtungen als Nachlassverbindlichkeiten beim Tod der Mutter in Betracht kam. Eine wirksam begr眉ndete Abfindungsverpflichtung w盲re auch dann erforderlich gewesen, wenn die Vertragspartner mit einer Vereinigung von Abfindungsanspruch und -verpflichtung gerechnet und auf die Regelung des 搂 10 Abs. 3 ErbStG gesetzt haben sollten. Nur bestehende Rechtsverh盲ltnisse k枚nnen zivilrechtlich durch Vereinigung (Konfusion) erl枚schen und erbschaftsteuerrechtlich der Regelung des 搂 10 Abs. 3 ErbStG unterfallen.
2. Die Vereinbarung vom Dezember 1996 hat auch nicht den Verlust der Stellung der Kl盲ger als Schlusserben ausgel枚st, der im gemeinschaftlichen Testament der Eltern f眉r den Fall vorgesehen war, dass nach dem Tod des Erstversterbenden Pflichtteilsrechte geltend gemacht werden. Der Verzicht auf die bereits entstandenen Pflichtteilsanspr眉che gegen Abfindung nach dem Tod des Vaters bedeutete kein Bestehen auf dem Pflichtteilsrecht im Sinne dieser Pflichtteilssanktionsklausel. Welches Verhalten des Schlusserben die Verwirkung seines Erbrechts infolge einer Pflichtteilssanktionsklausel ausl枚st, ist durch deren Auslegung zu ermitteln (Palandt/Edenhofer, B眉rgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl., 搂 2269 Rz 14).
a) Wird ein gemeinschaftliches Testament, wie es die Eltern der Kl盲ger errichtet haben --gew枚hnlich als Berliner Testament bezeichnet--, mit einer Pflichtteilssanktionsklausel versehen, kommt dieser Klausel regelm盲脽ig die Funktion zu, sicher zu stellen, dass das Verm枚gen der Ehegatten beim 脺berlebenden verbleibt und dass sich nicht einer der Schlusserben durch Inanspruchnahme seines Pflichtteils nach dem Tod des Erstversterbenden einen Verm枚gensvorteil vor den 眉brigen (pflichtteilsberechtigten) Schlusserben verschafft, indem er die zu erwartenden Anteile der Schlusserben aus dem Gleichgewicht bringt (vgl. Ermann/M. Schmidt, BGB, 11. Aufl., 搂 2269 Rz 15). Das den Pflichtteil in Anspruch nehmende Kind ist n盲mlich sp盲ter am Nachlass des 眉berlebenden Ehegatten mit der unver盲nderten Erbquote wie die 眉brigen Schlusserben beteiligt.
b) Beide Funktionen der Pflichtteilssanktionsklausel --und zwar sowohl der Erhalt des ungeschm盲lerten Verm枚gens in der Hand des 眉berlebenden Elternteils als auch die Gleichbehandlung der Schlusserben-- werden nicht beeintr盲chtigt, wenn alle Schlusserben jeweils gegen eine erst nach dem Tod des 眉berlebenden Elternteils f盲llig werdende Abfindung in gleicher H枚he auf den Pflichtteil verzichten. Daher kann, wenn nicht besondere Umst盲nde hinzukommen, nicht angenommen werden, solch ein Pflichtteilsverzicht aller Schlusserben gegen gleich hohe Abfindung werde von der Pflichtteilssanktionsklausel erfasst. Derartige Umst盲nde sind im Streitfall weder festgestellt noch erkennbar. Vielmehr spricht vorliegend f眉r die hier vertretene Auslegung der Pflichtteilssanktionsklausel zus盲tzlich, dass die Klausel ausdr眉cklich nur die Inanspruchnahme des Pflichtteils durch eines der Kinder regelt. W眉rde die Klausel gleichwohl auf die Vereinbarung vom Dezember 1996 angewendet werden und w眉rden damit beide Kl盲ger als (Schluss-)erben ausfallen, m眉sste wiederum durch Auslegung --diesmal des Testaments-- gekl盲rt werden, wer testamentarischer Erbe der Mutter geworden oder ob gesetzliche Erbfolge eingetreten ist.
3. Zivilrechtlich erl枚schen Verpflichtungen des Erblassers mit dessen Tod, wenn sich Forderung und Schuld in diesem Augenblick aufgrund des 搂 1922 Abs. 1 BGB in der Person des Erben vereinigen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 1. Juni 1967 II ZR 150/66, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1967, 2399). Erbschaftsteuerrechtlich gelten jedoch gem盲脽 搂 10 Abs. 3 ErbStG die infolge Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit erloschenen Rechtsverh盲ltnisse als nicht erloschen. Angesichts der Tatsache, dass die Kl盲ger eine Erbengemeinschaft bildeten, ihnen die Abfindungsanspr眉che aber jeweils individuell zustanden, ist zweifelhaft, ob es im Streitfall zivilrechtlich zu einer Konfusion gekommen ist (vgl. dazu Gebel in Troll/Gebel/J眉licher, ErbStG, 搂 10 Rz 94; Muscheler, ZEV 2001, 377, unter 3.2.). Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, da so oder so von der Mutter herr眉hrende Abfindungsverpflichtungen anzunehmen sind, und zwar entweder in 脺bereinstimmung mit dem Zivilrecht oder erst aufgrund der Regelung des 搂 10 Abs. 3 ErbStG. Diese Verpflichtungen kommen grunds盲tzlich als Nachlassverbindlichkeiten i.S. des 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG in Betracht. Die Nr. 2 der Vorschrift ist schon deshalb nicht einschl盲gig, weil die Pflichtteile, auf die die Kl盲ger verzichtet haben, den Nachlass des Vaters und nicht den der Mutter betrafen. Dem Abzug steht jedoch entgegen, dass die Abfindungsverpflichtungen die Mutter zu ihren Lebzeiten nicht belasteten.
a) Gem盲脽 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind vom Erwerb des Erben die vom Erblasser herr眉hrenden pers枚nlichen Verbindlichkeiten, die gem盲脽 搂 1922 Abs. 1 BGB, 搂 45 Abs. 1 AO auf die Erben 眉bergegangen sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Der Abzug setzt voraus, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestehen und den Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet haben (so noch zu 搂 23 Abs. 1 ErbStG 1925 Urteile des Reichsfinanzhofs vom 26. M盲rz 1936 III eA 12/36, RStBl 1936, 543, und vom 24. November 1938 IIIe 64/38, RStBl 1939, 496, sowie Kipp, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 1927, 搂 23 Rz 50; zu 搂 23 Abs. 4 ErbStG 1951 Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. November 1963 II 166/61, H枚chstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1964, 83, sowie zu 搂 10 Abs. 5 ErbStG 1974 BFH-Urteil vom 24. M盲rz 1999 II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339; Moench/Weinmann, 搂 10 ErbStG Rz 46; Gebel in Troll/Gebel/ J眉licher, ErbStG, 搂 10 Rz 129; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl. 2004, 搂 10 Rz 32). Insoweit gelten dieselben Grunds盲tze, wie sie bis zum Steuer盲nderungsgesetz 1992 f眉r den Abzug betrieblicher Schulden und bis Ende 1996 f眉r die Ermittlung des Gesamtverm枚gens galten (so BFH in BFH/NV 1999, 1339, m.w.N.). An dieser wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn der Erblasser als Schuldner davon ausgehen konnte, die Verpflichtungen unter normalen Umst盲nden nicht selbst erf眉llen zu m眉ssen (vgl. BFH-Urteil vom 5. M盲rz 1997 II R 24/94, BFH/NV 1997, 820). Korrespondierend mit der fehlenden Belastung der Mutter hat im 脺brigen die Begr眉ndung der Abfindungsanspr眉che auf Seiten der Kl盲ger wirtschaftlich zu keiner Bereicherung gef眉hrt, da sie erst zu einem Zeitpunkt befriedigt werden sollten, zu dem das gesamte Verm枚gen der Mutter --soweit noch vorhanden-- den Kl盲gern bereits aus einem anderen Rechtsgrund zugefallen sein w眉rde. Mit dem zus盲tzlichen Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung wird zwar vom Zivilrecht abgewichen; dem steht jedoch gegen眉ber, dass Leistungen des Erben aus dem Nachlass auch ohne rechtliche Verpflichtung in besonders gelagerten Ausnahmef盲llen als Nachlassverbindlichkeiten in Betracht kommen, wenn sie eine ernsthafte wirtschaftliche Belastung darstellen (so BFH-Urteil in HFR 1964, 83).
b) Im Streitfall waren die Abfindungsanspr眉che gegen die Mutter unter normalen Umst盲nden nicht durchzusetzen. Die entsprechenden Verbindlichkeiten belasteten daher die Mutter im Todeszeitpunkt nicht. Soweit die Kl盲ger geltend machen, die Mutter habe durchaus mit einer Inanspruchnahme rechnen m眉ssen, weil ihnen bei einer Gef盲hrdung ihrer Abfindungsanspr眉che durch Verm枚gensverfall der Mutter das Recht zugestanden h盲tte, die F盲lligkeitsabrede zu widerrufen, f眉hrt dies zu keiner anderen Beurteilung. Ein Verm枚gensverfall der Mutter w盲re zum einen kein normaler Umstand im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung und ist zum anderen bis zum Tod der Mutter nicht eingetreten. Daher kann auf sich beruhen, ob die Kl盲ger bei einem solchen Verm枚gensverfall die F盲lligkeitsabrede h盲tten widerrufen k枚nnen (vgl. dazu BGH-Urteil vom 29. Mai 1974 IV ZR 65/72, NJW 1974, 652). Die Mutter konnte zudem zu ihren Lebzeiten 眉ber das gesamte Verm枚gen verf眉gen. Dagegen waren die Kl盲ger nicht gesichert. Die Abfindungsverpflichtungen sind daher nicht gem盲脽 搂 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsf盲hig. Auf die Voraussetzungen des 搂 10 Abs. 3 ErbStG kommt es daher ebenso wenig an wie auf die Anforderungen des 搂 42 AO.
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Fundstellen
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BFH/NV 2007, 1773 |
BStBl II 2007, 651 |
BFHE 2008, 190 |
BFHE 217, 190 |
BB 2007, 1774 |
DB 2007, 2017 |
DStR 2007, 1436 |
DStRE 2007, 1141 |
DStZ 2007, 580 |
HFR 2007, 1001 |