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Hintergrund: Betriebsst盲ttenverluste in einem EU-Mitgliedstaat

Es handelt sich um die Nachfolgeentscheidung zu dem EuGH-Urteil "W" v. 22.9.2022, C-538/20 (EU:C:2022:717, BFH/NV 2022, 1279).

Die in Deutschland ans盲ssige X-AG betreibt eine Bank. In 2004 er枚ffnete sie eine Zweigniederlassung in Gro脽britannien (damals noch EU-Mitgliedstaat). Da sie daraus durchgehend Verluste erwirtschaftete, wurde die Zweigniederlassung in 2007 wieder geschlossen. Wegen Schlie脽ung der Zweigniederlassung konnten die Verluste in GB nicht vorgetragen werden (sog. "finale Verluste").

X war der Auffassung, die Verluste aus der Zweigniederlassung seien (trotz der Freistellung der Eink眉nfte der Zweigniederlassung nach dem DBA-GB von der inl盲ndischen Besteuerung) aus unionsrechtlichen Gr眉nden bei der Einkommensermittlung der AG f眉r 2007 (Streitjahr) zu ber眉cksichtigen.

Das FA lehnte dies ab. Das FG gab jedoch der Klage statt und setzte das Einkommen der X entsprechend herab. Das FG ging davon aus, nach dem EuGH-Urteil "Bevola und Jens W. Trock" v. 12.6.2018, C-650/16, EU:C:2018:24, sei die Nichtber眉cksichtigung von Verlusten aus ausl盲ndischen Betriebsst盲tten unverh盲ltnism盲脽ig, wenn diese Verluste (als finale Verluste) nicht mehr mit k眉nftigen Gewinnen verrechnet werden k枚nnten.

In dem anschlie脽end vom FA angestrengten Revisionsverfahren legte der BFH die Problematik der Ber眉cksichtigung finaler Verluste aus ausl盲ndischen Betriebsst盲tten dem EuGH vor.

Im Nachgang zu dem EuGH-Urteil 眉ber diese BFH-Vorlage (EuGH-Urteil "W" v. 22.9.2022, C-538/20 (EU:C:2022:717, BFH/NV 2022, S. 1279) konnte der BFH nunmehr 眉ber die vorliegende Revision entscheiden.

Entscheidung: Finalen Auslandsverluste mindern nicht die Inlands-Bemessungsgrundlage

Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Der Ausschluss der Verlustber眉cksichtigung verst枚脽t nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit.

Das DBA-GB schlie脽t die Verlustber眉cksichtigung aus

Nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-GB werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Eink眉nfte aus Quellen innerhalb von GB ausgenommen, die in GB besteuert werden k枚nnen. Obwohl Art. III Abs. 1 Satz 1 DBA-GB nur gewerbliche Gewinne erw盲hnt, sind nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-GB auch negative Eink眉nfte (Verluste) von der Bemessungsgrundlage im Ans盲ssigkeitsstaat ausgenommen. Denn es entspricht st盲ndiger Rechtsprechung, dass聽 auch dann, wenn sich der in einer abkommensrechtlichen Verteilungsnorm verwendete Eink眉nftebegriff auf einen Nettobetrag bezieht, Verluste ebenfalls aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind (sog. Symmetriethese; z.B. v. 11.3.2008, I R 116/04, BFH/NV 2008, S. 1161).

Kein Versto脽 gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit

Der EuGH hat mit dem im vorherigen Vorlageverfahren ergangenen Urteil "W" (EU:C:2022:717) entschieden: Die Niederlassungsfreiheit ist nicht dadurch verletzt, dass eine inl盲ndische Gesellschaft (hier: X) die endg眉ltigen ("finalen") Verluste ihrer in einem anderen Mitgliedstaat (hier: GB) belegenen Betriebsst盲tte nicht abziehen kann, wenn der Ans盲ssigkeitsstaat aufgrund eines DBA auf sein Recht zur Besteuerung dieser Betriebsst盲tte verzichtet hat. Nach Auffassung des EuGH liegt bei der auf einem DBA beruhenden Freistellung der ausl盲ndischen Eink眉nfte im Sitzstaat wegen der fehlenden Besteuerungsbefugnis schon tatbestandlich keine Vergleichbarkeit mit der Behandlung reiner Inlandsf盲lle vor.

Best盲tigung der Rechtsprechung

Damit hat der EuGH sein Urteil "Timac Agro Deutschland" v. 17.12.2015, C-388/14 (EU:C:2015:829, BStBl II 2016, S. 362) 鈥� und im Ergebnis auch das darauf basierende BFH-Urteil v. 22.2.2017, I R 2/15 (BStBl II 2017, S. 709) 鈥� best盲tigt. Entgegen der Auffassung des FG hat der EuGH die Grunds盲tze des Urteils "Timac Agro Deutschland" (EU:C:2015:829, BStBl II 2016, S. 362) mit dem sp盲ter ergangenen Urteil "Bevola und Jens W. Trock" vom 12.6.2018, C-650/16 (EU:C:2018:424 nicht aufgegeben. Der EuGH sieht f眉r die Frage der Vergleichbarkeit einen ma脽geblichen Unterschied darin, ob der "symmetrische" Ausschluss der Ber眉cksichtigung der gebietsfremden Betriebsst盲ttengewinne und -verluste (wie im Streitfall und im Fall "Timac Agro Deutschland") auf einer bilateralen Vereinbarung (DBA) beruht oder ob der Ausschluss seine Grundlage (wie im Fall "Bevola und Jens W. Trock") in einer (unilateralen) Entscheidung des nationalen Steuerrechts hat.

Hinweis: Symmetriethese

Der von X erlittene Auslandsverlust ist in Deutschland nicht nutzbar. Denn nach dem DBA-GB unterliegen Betriebsst盲tteneink眉nfte aus GB nicht der deutschen Besteuerung. Entscheidend ist dabei die sog. Symmetriethese, nach der die abkommensrechtliche Steuerfreistellung ausl盲ndischer Eink眉nfte sowohl positive als auch negative Eink眉nfte umfasst.

Urspr眉nglich gingen der EuGH und der BFH davon aus, dass wegen der Niederlassungsfreiheit ein Verlustabzug m枚glich ist, wenn und soweit die Verluste im ausl盲ndischen Betriebsst盲ttenstaat endg眉ltig ("final") sind (EuGH-Urteil "Lidl Belgium" v. 15.5.2008, C-414/06, BStBl II 2009, S. 692; BFH v. 5.2.2014, I R 48/11, BFH/NV 2014, S. 963). Das EuGH-Urteil "Timac Agro Deutschland" v. 17.12.2015, C-388/14 war sodann vom BFH als Aufgabe dieser Rechtsprechung verstanden worden (BFH v. 22.2.2017, I R 2/15, BStBl II 2017, S. 209). Mit dem Urteil "W" v. 22.9.2022, C-538/20 hat der EuGH nachfolgend sein Urteil "Timac Agro Deutschland" (und damit im Ergebnis die Aufgabe der fr眉heren Rechtsprechung) best盲tigt.

BFH Urteil vom 22.02.2023 - I R 35/22 (I R 32/18), I R 35/22, I R 32/18 (ver枚ffentlicht am 27.04.2023)

Alle am 27.04.2023 ver枚ffentlichten BFH-Entscheidungen