Britische Steuerprivilegien mit Folgewirkungen in Deutschland

Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Eine natürliche Person, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem sie mit ihrem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig ist und wesentliche wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich des AStG hat, ist bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Ende des Jahres, in dem ihre unbeschränkte Steuerpflicht geendet hat, über die beschränkte Steuerpflicht i.S.d. EStG hinaus beschränkt einkommensteuerpflichtig mit allen Einkünften, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34c Abs. 1 EStG sind (§ 2 AStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).
Sachverhalt: Erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht gem. § 2 AStG
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, war in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Ende des Jahres 2000 verzog sie nach Großbritannien.
- Im Streitjahr 2006 erzielte sie neben ausländischen Einkünften u.a. Vermietungseinkünfte und Kapitalerträge von einer im Inland geschäftsansässigen Bank. Die Kapitalerträge transferierte die Klägerin im Streitjahr nicht nach Großbritannien.
- Für die Vermietungs- und 辱ٲüԴڳٱ behandelte das Finanzamt die Klägerin als beschränkt einkommensteuerpflichtig, wobei es die 辱ٲüԴڳٱ nach Maßgabe der erweiterten beschränkten Steuerpflicht gem. § 2 AStG in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezog, da die Klägerin insoweit in Großbritannien einer Vorzugsbesteuerung unterliege.
Nachdem der Einspruch der Klägerin keinen Erfolgt hatte, wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Das britische Einkommensteuerrecht habe abweichend zum grundsätzlich geltenden Welteinkommensprinzip die Option vorgesehen, bestimmte aus dem Ausland stammende Einkünfte nur versteuern zu müssen, wenn und soweit diese Einkünfte nach Großbritannien transferiert ("remittet") wurden. Diese "remittance basis"-Besteuerung sei eine gegenüber der allgemeinen Besteuerung bestehende Vorzugsbesteuerung i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 AStG.
Entscheidung: Britische "remittance basis"-Besteuerung ist eine Vorzugsbesteuerung
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat die im Streitjahr im Inland erzielten Kapitalerträge zutreffend in die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung nach Maßgabe der beschränkten Steuerpflicht einbezogen.
Die erzielten Kapitalerträge unterliegen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG der inländischen Besteuerung. Die Klägerin erfüllt die persönlichen Voraussetzungen des § 2 AStG. Auch die sachlichen Voraussetzungen des § 2 AStG sind gegeben. Sie unterlag mit ihrem Einkommen in Großbritannien einer niedrigen Besteuerung und hatte wesentliche wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich des AStG.
Vorzugsbesteuerung
Eine niedrige Besteuerung i.S.v. § 2 AStG liegt u.a. vor, wenn die Belastung der Person durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer aufgrund einer gegenüber der allgemeinen Besteuerung Բäܳٱn Vorzugsbesteuerung erheblich gemindert sein kann, es sei denn, die Person weist nach, dass die von ihrem Einkommen insgesamt zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer betragen, die sie bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG zu entrichten hätte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG).
Die der Klägerin eröffnete Möglichkeit, für das Streitjahr in Großbritannien die "remittance basis"-Besteuerung in Anspruch zu nehmen, stellt eine gegenüber der allgemeinen Besteuerung Բäܳٱ Vorzugsbesteuerung dar, die die steuerliche Belastung in Großbritannien erheblich mindern kann. Einen diese Annahme ausschließenden konkreten Belastungsnachweis hat die Klägerin nicht geführt.
Das Gesetz definiert weder den Begriff der Vorzugsbesteuerung noch das hierzu im Gegensatz stehende Merkmal der allgemeinen Besteuerung. Die britische „remittance basis“-Besteuerung wird in Großbritannien überwiegend als Vorzugsbesteuerung eingestuft, da es sich um eine der Allgemeinheit grundsätzlich nicht zugängliche Sonderregelung für "residents", die einen schwächeren persönlichen Bezug zu Großbritannien aufwiesen als Steuerpflichtige, die dort über einen "domiciled"-Status verfügten, handelt.
Diese Form der Einkommensbesteuerung ist eine Ausnahme vom grundsätzlich in Großbritannien geltenden Welteinkommensprinzip und begründet einen steuerlichen Vorzug. Die "remittance basis"-Besteuerung zielt typischerweise auf Steuerpflichtige ab, die in Großbritannien zumindest über einen "resident"-Status verfügen, dort aber nicht beheimatet ("non-domiciled") sind. Diese Besteuerung ist daher im Kern auf nach Großbritannien zugewanderte Personen zugeschnitten.
Das britische Einkommenbesteuerungssystem gestattet jedem, der die persönlichen - die Ansässigkeit betreffenden – Voraussetzungen erfüllt, abweichend vom (allgemeinen) Welteinkommensprinzip das Wahlrecht, nur das nach Großbritannien transferierte Einkommen versteuern zu müssen. Dieses Privileg ist Teil des Systems.
Steuerbelastung erheblich gemindert
Die der Klägerin Բäܳٱ Möglichkeit, ihr Einkommen in Großbritannien auf "remittance basis" zu versteuern, hat zur Folge, dass die dortige Steuerbelastung gegenüber der allgemeinen Besteuerung erheblich gemindert sein kann (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 AStG).
Bei einer Vorzugsbesteuerung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG verzichtet das Gesetz auf einen abstrakten Vergleich zwischen der in- und ausländischen Steuerlast. Vielmehr nimmt es eine den Tatbestand des § 2 AStG auslösende Niedrigbesteuerung bereits an, wenn der Steuerpflichtige eine gegenüber der allgemeinen Besteuerung Բäܳٱ Vorzugsbesteuerung genießen kann. Unerheblich ist, ob diese Art der Besteuerung tatsächlich in Anspruch genommen wird.
Eine Minderung der Steuerlast i.S.d. Gesetzes ist dann "erheblich", wenn die Vorzugsbesteuerung eine vollständige Freistellung bestimmter Teile des nach dem allgemeinen Besteuerungssystem grundsätzlich voll zu versteuernden Einkommens auslösen kann.
Danach liegt im Streitfall eine niedrige Besteuerung gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 AStG vor.
Die Klägerin erfüllte nach den Feststellungen des FG im Streitjahr die Voraussetzungen für eine "remittance basis"-Besteuerung der streitigen Einkünfte aus Kapitalvermögen, wonach diese abweichend zum allgemein geltenden Welteinkommensprinzip in Großbritannien steuerfrei gestellt werden, wenn sie nicht nach Großbritannien überführt werden.
Nachweismöglichkeit der zu entrichtenden Steuern nicht genutzt
Von der Möglichkeit nachzuweisen, dass die vom Einkommen insgesamt zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer betrugen, die bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG zu entrichten gewesen wären (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 AStG), hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht.
Wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich des AStG
Unstreitig ist, dass die Klägerin trotz ihrer Ansässigkeit in Großbritannien auch im Streitjahr wesentliche wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich des AStG gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AStG hatte. Dies ist u.a. nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG der Fall, wenn die Einkünfte, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nichtausländische Einkünfte i.S.d. § 34c Abs. 1 EStG a.F. sind, im Veranlagungszeitraum mehr als 30% ihrer sämtlichen Einkünfte betragen oder 62.000 EUR übersteigen. Diesen absoluten Grenzbetrag überstiegen die insoweit maßgeblichen Einkünfte der Klägerin. Ebenso überschritten auch die insgesamt beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte der Klägerin die Freigrenze für die Anwendung des § 2 AStG von 16.500 EUR (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AStG i.d.F. des Streitjahres).
Die im Streitjahr bezogenen Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 30.979 EUR, die nicht dem Katalog des § 49 EStG unterfielen, waren als nicht ausländische Einkünfte i.S.v. § 34c Abs. 1 EStG a.F. i.V.m. § 34d Nr. 6 EStG a.F. in die Inlandsbesteuerung der Klägerin einzubeziehen.
Keine Zweifel an der Verfassungs- und Unionsrechtskonformität von § 2 AStG
Zudem führte der BFH aus, dass keine durchgreifenden Zweifel bestehen, wonach die tatbestandlichen Anforderungen an eine niedrige Besteuerung gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 AStG den Vorgaben an das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot genügen.
Unter Bezugnahme auf bereits ergangene BVerfG-Rechtsprechung führt der BFH aus, dass § 2 AStG auch nicht das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) herrührende Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verletzt.
Eine Unvereinbarkeit von § 2 AStG mit dem Freizügigkeitsgrundrecht gem. Art. 45 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union besteht ebenfalls nicht.
; veröffentlicht am 20.3.2025
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