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Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflichtige Vermittlungsleistungen
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Leitsatz (amtlich)
1. Ein Klarierungsagent (Schiffsmakler), der zur Klarierung eines bestimmten Seeschiffes (Schiffsabfertigung und -versorgung) einen Hafendienstleister dar眉ber informiert, dass die Schifffahrtsgesellschaft ihn mit der Erbringung von --zu diesem Zeitpunkt nur teilweise feststehenden-- Leistungen beauftragen wird, stellt den Kontakt zu einem bestimmten Kunden her, so dass nur eine Vermittlungsleistung vorliegt, nicht aber mehrere Einzelvermittlungen in Bezug auf eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen.
2. Diese Vermittlungsleistung ist nicht gem盲脽 搂 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i.V.m. 搂 4 Nr. 2 und 搂 8 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes steuerfrei, wenn es infolge der Vermittlung des gesch盲ftlichen Kontakts zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht abschlie脽end bestimmter Ums盲tze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein k枚nnen.
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Normenkette
UStG 搂听3 Abs. 9 S. 1, 搂听3a Abs. 2 S. 1, 搂听4 Nrn.听2, 5 S. 1 Buchst. a, 搂听8 Abs. 1, 搂听15 Abs.听1 S. 1 Nr. 1, Abs.听2 S. 1 Nrn.听1-2; EGRL 112/2006 Art. 153 Abs. 1
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision der Kl盲gerin wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 25.02.2022 - 6 K 134/20 aufgehoben.
Die Umsatzsteuerbescheide 2014, 2015 und 2016 vom 23.04.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.07.2020 werden dahingehend ge盲ndert, dass die Umsatzsteuer f眉r 2014 um 鈥 鈧 auf 鈥 鈧, f眉r 2015 um 鈥 鈧 auf 鈥 鈧 und f眉r 2016 um 鈥 鈧 auf 鈥 鈧 herabgesetzt wird.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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Tatbestand
I.
Rz. 1
Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin), eine GmbH, betrieb in den Jahren 2014 bis 2016 (Streitjahre) eine Seehafen-Spedition. Sie erbrachte Leistungen im Zusammenhang mit der Klarierung (Schiffsabfertigung und -versorgung) von Seeschiffen. Hierf眉r beauftragten die Reedereien oder die Schifffahrtsgesellschaften einlaufender Seeschiffe (Schifffahrtsgesellschaften) einen --auch als Schiffsmakler bezeichneten-- Klarierungsagenten. Im Namen und f眉r Rechnung der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft beauftragte der jeweilige Klarierungsagent seinerseits die Kl盲gerin, schiffs- und besatzungsbezogene Dienstleistungen zu erbringen, die der Klarierung des jeweiligen Seeschiffes dienten. Hierbei informierte er die Kl盲gerin per E-Mail 眉ber die bereits von der Schifffahrtsgesellschaft beauftragten Leistungen. Teils beauftragten die jeweilige Schifffahrtsgesellschaft oder Schiffsbesatzung w盲hrend der Liegezeit weitere Leistungen. Bei jedem Schiffseinlauf erbrachte die Kl盲gerin bis zu 70 unterschiedliche Leistungen.
Rz. 2
Die Kl盲gerin rechnete --getrennt nach steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen-- gegen眉ber der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft ab, wobei sie die Rechnungen an den Klarierungsagenten sandte. Die Rechnungen wurden Bestandteil der Hafenkostenabrechnung, mit welcher der Klarierungsagent gegen眉ber der Schifffahrtsgesellschaft s盲mtliche T盲tigkeiten im Zusammenhang mit der Klarierung abrechnete.
Rz. 3
Der Klarierungsagent erhielt von der Kl盲gerin eine Vermittlungsprovision, die sich nach einem prozentualen Anteil an dem Entgelt berechnete, das die Kl盲gerin f眉r die von ihr gegen眉ber der Schifffahrtsgesellschaft erbrachten Leistungen in Rechnung stellte. 脺ber diese Provision erteilte die Kl盲gerin dem Klarierungsagenten --getrennt nach den erbrachten steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen-- Gutschriften und wies dabei Umsatzsteuer aus, auch soweit die Provision auf die Erbringung steuerfreier Ums盲tze berechnet wurde.
Rz. 4
Im Anschluss an eine Au脽enpr眉fung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --FA--) den Vorsteuerabzug aus den Vermittlungsleistungen zu etwa 25听%, da die Kl盲gerin die Vermittlungsleistungen insoweit zur Erbringung von Leistungen verwendet habe, die gem盲脽 搂听4 Nr.听5 Satz听1 Buchst.听a i.V.m. 搂听4 Nr.听2 und 搂听8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei gewesen seien, und erlie脽 f眉r die Streitjahre ge盲nderte Umsatzsteuerbescheide. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Rz. 5
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1145 ver枚ffentlichten Urteil ab. Ein Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe nicht, da die Vermittlungsleistungen gem盲脽 搂听4 Nr.听5 Satz听1 Buchst.听a UStG steuerfrei seien, soweit sie sich auf vermittelte steuerfreie Leistungen gem盲脽 搂听4 Nr.听2 i.V.m. 搂听8 UStG bez枚gen. Auch wenn der jeweilige Klarierungsagent nur jeweils einen Auftrag vermittelt habe, liege keine einheitliche Leistung vor. Entscheidend f眉r die Umsatzsteuerbefreiung nach 搂听4 Nr.听5 Satz听1 Buchst.听a UStG sei die Vermittlung von Ums盲tzen gem盲脽 搂听4 Nr.听2 UStG und damit die Abh盲ngigkeit zu den vermittelten Leistungen. Die Provision sei nur ein Annex der vermittelten Leistungen, so dass sich ihre umsatzsteuerliche Qualifizierung nach diesen Leistungen richte. Dies gelte auch, wenn nach der Vermittlung weitere Leistungen beauftragt worden seien. Der Auftrag des Maklers sei ein "Rahmenauftrag", der sich mit jeder ausgef眉hrten Leistung konkretisiere. Die vom FA vorgenommene Betrachtung f眉hre nicht zu einer k眉nstlichen Aufspaltung einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung, denn ma脽geblich sei nicht der Auftrag des Klarierungsagenten, sondern der Zusammenhang mit den an die Schifffahrtsgesellschaften erbrachten Leistungen. Diese Leistungen seien nicht so eng miteinander verbunden, dass sie eine untrennbare Einheit bildeten. Gegen eine einheitliche Leistung spr盲che zudem, dass die Steuerfreiheit der Vermittlungsleistung in diesem Fall vom weiteren Verlauf des Auftrags abh盲ngig w盲re.
Rz. 6
Hiergegen wendet sich die Kl盲gerin mit der vom FG zugelassenen Revision und r眉gt die Verletzung materiellen Rechts. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe auch f眉r den Provisionsanteil, der auf die Erbringung steuerfreier Leistungen entfalle. Die Klarierungsagenten h盲tten eine einheitliche Vermittlungsleistung erbracht, die sich auf die Vermittlung steuerpflichtiger und steuerfreier Ums盲tze bezogen habe und daher insgesamt steuerpflichtig sei. Die vom FG vorgenommene Aufteilung der Provisionen widerspreche den Grunds盲tzen zur Ermittlung der Mehr- oder Einheit von Leistungen und f眉hre zu einer k眉nstlichen Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Vorgangs. Die Annahme des FG, dass die Vermittlung nur ein Annex der vermittelten Leistungen sei, widerspreche der Feststellung des FG, dass jeweils nur ein Auftrag vermittelt worden sei, und f眉hre zu der --vom FG gerade nicht gewollten-- Aufspaltung einer einheitlichen Leistung. Aus der Feststellung, dass jeder Klarierungsagent nur einen Auftrag erteilt habe, folge zwingend, dass er nur eine einzige Leistung erbracht habe, die in der Vermittlung eines Leistungsb眉ndels best眉nde.
Rz. 7
Die Kl盲gerin beantragt sinngem盲脽,
das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2014, 2015 und 2016 vom 23.04.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.07.2020 dahingehend zu 盲ndern, dass die Vorsteuerbetr盲ge f眉r 2014 um 鈥μ偓, f眉r 2015 um 鈥μ偓 und f眉r 2016 um 鈥μ偓 erh枚ht werden.
Rz. 8
Das FA h盲lt das FG-Urteil f眉r zutreffend und beantragt,
die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
Rz. 9
Es verteidigt die Vorentscheidung und weist darauf hin, dass aufgrund eines Rahmenvertrags keine einheitliche Leistung vorliege.
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II.
Rz. 10
Der Senat entscheidet in der gesch盲ftsplanm盲脽igen Besetzung ohne die gem盲脽 搂听51 Abs.听1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. 搂听41 Nr.听6 der Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossene Richterin am Bundesfinanzhof A mit der nach dem Gesch盲ftsverteilungsplan des Bundesfinanzhofs (BFH) f眉r das Jahr 2024 (BStBl II 2024, 2) f眉r deren Vertretung zust盲ndigen Richterin am Bundesfinanzhof B.
Rz. 11
Nach 搂听51 Abs.听1 FGO gelten f眉r die Ausschlie脽ung oder Ablehnung der Gerichtspersonen die 搂搂听41 bis 49 ZPO sinngem盲脽. Auf der Grundlage des 搂听41 Nr.听6 ZPO ist ein Richter unter anderem ausgeschlossen in Sachen, in denen er in einem fr眉heren Rechtszug bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die T盲tigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt. Die Regelung betrifft die Mitwirkung beim Erlass der angefochtenen Entscheidung selbst in einer fr眉heren (unteren) Instanz (BFH-Beschluss vom 20.07.2023听- V听R听13/21, BFHE 282, 40, BStBl II 2023, 1068, Rz听10). Dies trifft auf die Richterin am Bundesfinanzhof A zu, die an dem Urteil der Vorinstanz beteiligt war.
III.
Rz. 12
Die Revision der Kl盲gerin ist begr眉ndet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (搂听126 Abs.听3 Satz听1 Nr.听1 FGO). Die vom FG vorgenommene Vorsteuerk眉rzung erweist sich als unzutreffend, da die Gutschriften in vollem Umfang gesetzlich geschuldete Steuerbetr盲ge ausweisen. Entgegen dem Urteil des FG erbrachte der jeweilige Klarierungsagent bezogen auf das jeweilige Seeschiff nur eine Vermittlungsleistung, nicht aber mehrere Vermittlungsleistungen. Diese einheitliche Vermittlungsleistung ist steuerpflichtig und nicht --wie vom FG auf der Grundlage einer Leistungsmehrheit angenommen-- entsprechend den von der Kl盲gerin ausgef眉hrten Leistungen steuerfrei.
Rz. 13
1. Das FG hat seiner Entscheidung im Ausgangspunkt zwar zutreffend die h枚chstrichterliche Rechtsprechung zur Mehr- und Einheit von Leistungen zugrunde gelegt. Die danach ma脽geblichen Grunds盲tze hat es aber rechtsfehlerhaft im Streitfall angewendet, so dass sein Urteil aufzuheben ist.
Rz. 14
a) Nach st盲ndiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europ盲ischen Union (EuGH) und des BFH ist bei einem Umsatz, der ein B眉ndel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehrere getrennte Ums盲tze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Ber眉cksichtigung der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht k眉nstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelums盲tze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbst盲ndig sind. Dabei liegt zum einen eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie f眉r den Leistungsempf盲nger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen f眉r den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd w盲re (st盲ndige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14.02.2019听- V听R听22/17, BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350, Rz听15听ff., m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung und vom 16.03.2023听- V听R听17/21, BFH/NV 2023, 965, Rz听18).
Rz. 15
b) Obwohl die Gesamtbetrachtung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt oder ob zwei getrennte Leistungen gegeben sind, im Wesentlichen das Ergebnis einer tats盲chlichen W眉rdigung durch das FG ist, an die der BFH grunds盲tzlich gebunden ist (搂听118 Abs.听2 FGO), kann diese Bindungswirkung im Einzelfall entfallen. Denn nach st盲ndiger Rechtsprechung hat der BFH im Rahmen der revisionsrechtlichen Nachpr眉fung der Auslegung von Vertr盲gen durch das FG auch nachzupr眉fen, ob das FG die f眉r die Auslegung bedeutsamen Begleitumst盲nde, insbesondere die Interessenlage der Beteiligten, erforscht und zutreffend gew眉rdigt hat (BFH-Urteile vom 10.02.2010听- XI听R听49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109, Rz听33 zur Garantiezusage; vom 10.01.2013听- V听R听31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz听35 zur Dinner-Show und vom 05.09.2019听- V听R听57/17, BFHE 266, 430, BStBl II 2020, 356, Rz听34 zur Ver盲u脽erung von Kapitallebensversicherungen).
Rz. 16
Im Streitfall ist danach die Bindung an die W眉rdigung durch das FG entfallen, da es die ma脽gebliche Interessenlage der Beteiligten, wie sie sich aus den der Leistungserbringung zugrunde liegenden Rechtsverh盲ltnissen ergibt, au脽er Betracht gelassen hat. Auf deren Grundlage ergibt sich die Einheitlichkeit der Vermittlungsleistung im Streitfall aus dem von allen Beteiligten verfolgten Zweck, die Klarierung innerhalb der geplanten Liegezeit eines Seeschiffes durchzuf眉hren und in dieser Zeit Schiff und Besatzung f眉r die Weiterfahrt mit allen hierf眉r erforderlichen Leistungen zu versorgen. Da ein Seeschiff einen Seehafen erst wieder verlassen kann, nachdem alle Pflichten im Zusammenhang mit dem Ein- und Auslaufen erf眉llt, notwendige Reparaturen abgeschlossen sind und sich die Besatzung verproviantiert hat, kam es dem jeweiligen Klarierungsagenten, der hierf眉r gegen眉ber der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft verantwortlich war, gerade darauf an, durch einen einzigen Vermittlungsakt daf眉r zu sorgen, dass alle erforderlichen Leistungen, f眉r deren Erbringung ein bestimmter Hafendienstleister in Betracht kommt, erledigt wurden. Welche Leistungen infolge der Vermittlung im Einzelnen zu erbringen waren, war im Zeitpunkt der Vermittlung nicht nur 眉berwiegend unklar, sondern vor dem Hintergrund des Zwecks der Vermittlungsleistung --die Gew盲hrleistung einer reibungslosen Klarierung des Seeschiffes-- f眉r den Klarierungsagenten zudem von nachrangiger Bedeutung. Die im Zeitpunkt der Vermittlung fehlende Konkretisierung der vermittelten Leistungen war --entgegen dem Urteil des FG-- geradezu typisch f眉r diese Dienstleistung.
Rz. 17
Hiergegen spricht nicht, dass die dem jeweiligen Klarierungsagenten zustehende Provision nicht pauschal berechnet wurde, sondern vom Wert der infolge der Vermittlung erbrachten Leistungen abh盲ngig war. Eine solche quotale Preisgestaltung ist nicht nur typisch f眉r Provisionen, sondern im Streitfall dem Umstand geschuldet, dass aufgrund der Unw盲gbarkeiten, mit denen die Klarierung eines Seeschiffes behaftet ist, im Zeitpunkt der Vermittlung noch nicht absehbar war, welche Leistungen die jeweilige Schifffahrtsgesellschaft tats盲chlich in Auftrag geben w眉rde. Die Provisionsabrede war somit keine gesonderte Entgeltvereinbarung f眉r verschiedene Leistungselemente, sondern eine Absprache 眉ber den variablen Preis einer (einzigen) Vermittlungsleistung.
Rz. 18
2. Auf dieser Grundlage liegt im Streitfall eine --jeweils auf die Abfertigung eines Schiffes bezogene-- steuerpflichtige Vermittlungsleistung des Klarierungsagenten vor.
Rz. 19
a) Ein Klarierungsagent (Schiffsmakler), der zur Klarierung eines bestimmten Seeschiffes (Schiffsabfertigung und -versorgung) einen Hafendienstleister dar眉ber informiert, dass die Schifffahrtsgesellschaft ihn mit der Erbringung von --zu diesem Zeitpunkt nur teilweise feststehenden-- Leistungen beauftragen wird, stellt den Kontakt zu einem bestimmten Kunden her, so dass nur eine Vermittlungsleistung vorliegt, nicht aber mehrere Einzelvermittlungen in Bezug auf eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen.
Rz. 20
So verh盲lt es sich im Streitfall, in dem der jeweilige Klarierungsagent die Kl盲gerin informierte, dass die Schifffahrtsgesellschaft sie mit der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Klarierung eines von ihm der Kl盲gerin benannten einlaufenden Seeschiffes beauftragen werde. Die Kl盲gerin erbrachte sodann bis zu 70 einzelne steuerfreie und steuerpflichtige Leistungen, deren Bedarf teilweise bereits feststand, als sie 眉ber den Schiffseinlauf informiert wurde, und die teilweise nachtr盲glich --auch durch die Schiffsbesatzung-- in Auftrag gegeben wurden. Dass der Klarierungsagent die Kl盲gerin bei Gelegenheit der Vermittlung 眉ber einzelne, von der Schifffahrtsgesellschaft bereits angeforderte Leistungen informierte, steht der Einheitlichkeit des einen Vermittlungsvorgangs nicht entgegen.
Rz. 21
b) Diese Vermittlungsleistung ist nicht gem盲脽 搂听4 Nr.听5 Satz听1 Buchst.听a i.V.m. 搂听4 Nr.听2 und 搂听8 Abs.听1 UStG steuerfrei, wenn es infolge der Vermittlung des gesch盲ftlichen Kontakts zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht abschlie脽end bestimmter Ums盲tze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein k枚nnen.
Rz. 22
aa) Steuerfrei ist gem盲脽 搂听4 Nr.听5 Satz听1 Buchst.听a UStG die Vermittlung der Ums盲tze f眉r die Seeschifffahrt (搂听4 Nr.听2 i.V.m. 搂听8 Abs.听1 UStG). Diese Steuerbefreiung dient der Umsetzung von Art.听153 Abs.听1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 眉ber das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie --MwStSystRL--). Danach befreien die Mitgliedstaaten "Dienstleistungen von Vermittlern, die im Namen und f眉r Rechnung Dritter handeln, von der Steuer, wenn sie in den Kapiteln听6, 7 und 8 genannte Ums盲tze oder Ums盲tze au脽erhalb der Gemeinschaft betreffen", wozu insbesondere die in Art.听148 Buchst.听a bis d MwStSystRL genannten Ums盲tze im Zusammenhang mit Schiffen geh枚ren. Die Tatbestandsvoraussetzungen der in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen stellen autonome unionsrechtliche Begriffe dar (BFH-Urteil vom 09.10.2003听- V听R听5/03, BFHE 203, 395, BStBl II 2003, 958, unter II.2.) und sind als Ausnahmevorschriften eng auszulegen (EuGH-Urteile BlackRock Investment Management (UK) vom 02.07.2020听- C-231/19, EU:C:2020:513, Rz听22听f.; Finanzamt X vom 04.05.2023听- C-516/21, EU:C:2023:372, Rz听35 zu Art.听135 Abs.听1 MwStSystRL).
Rz. 23
bb) Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art.听13 Teil听B Buchst.听d Nr.听1 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten 眉ber die Umsatzsteuern --nunmehr Art.听135 Abs.听1 Buchst.听b und f MwStSystRL-- liegt eine Vermittlung vor, wenn eine Mittelsperson, die nicht den Platz einer der Parteien des zu vermittelnden Vertrags einnimmt und deren T盲tigkeit sich von den vertraglichen Leistungen, die von den Parteien dieses Vertrags erbracht werden, unterscheidet, das Erforderliche tut, damit zwei Parteien einen Vertrag schlie脽en. Die Mittlert盲tigkeit kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrags nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln (EuGH-Urteile CSC Financial Services vom 13.12.2001听- C-235/00, EU:C:2001:696, Rz听39; Ludwig vom 21.06.2007听- C-453/05, EU:C:2007:369, Rz听23, 28; BFH-Urteile vom 30.10.2008听- V听R听44/07, BFHE 223, 507, BStBl II 2009, 554, unter II.1.; vom 08.09.2011听- V听R听42/10, BFHE 235, 492, BStBl II 2012, 248, Rz 19; vom 12.12.2012听- XI听R听30/10, BFHE 239, 526, BStBl II 2013, 348, Rz听28; vgl. auch BFH-Urteil vom 28.05.2009听- V听R听7/08, BFHE 226, 172, BStBl II 2010, 80, unter II.1.b听aa; EuGH-Urteil Arthur Anderson vom 03.03.2005听- C-472/03, EU:C:2005:135, Rz听36). Eine Vermittlungsleistung kann auch darin bestehen, die Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags zu vermitteln, ohne dass der Inhalt dieses Vertrags bereits feststehen muss (zum "Tippgeber" Pr盲tzler in Birkenfeld/W盲ger, Umsatzsteuer-Handbuch, 搂听4 Nr.听8 Rz听47; vgl. BFH-Urteil vom 28.05.2009听- V听R听7/08, BFHE 226, 172, BStBl II 2010, 80, unter II.1.b听aa).
Rz. 24
cc) Dies ist auch dem Begriff des Vermittlers in Art.听153 Abs.听1 MwStSystRL zugrunde zu legen, da f眉r das Erfordernis einer hiervon abweichenden Begriffsbildung in diesem Bereich keine sachlichen Gr眉nde vorliegen. Daher muss die steuerfreie Vermittlungsleistung im Sinne von 搂听4 Nr.听5 Satz听1 Buchst.听a UStG im Streitfall einen eindeutigen Bezug zu konkreten Ums盲tzen im Sinne von 搂听4 Nr.听2 und 搂听8 Abs.听1 UStG aufweisen. Es gen眉gt nicht, dass lediglich ein gesch盲ftlicher Kontakt --zu einem Kunden-- vermittelt wird, in dessen Folge es zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht konkretisierter Ums盲tze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein k枚nnen.
Rz. 25
Die demgegen眉ber vom FG --auf der unzutreffenden Grundlage einer Mehrzahl von Vermittlungsleistungen-- vorgenommene Annexbetrachtung wie auch die Annahme eines blo脽en Rahmenvertrags stehen damit nicht in Einklang. Aus dem Umstand, dass zeitlich nach einer Vermittlungst盲tigkeit auch steuerfreie Ums盲tze ausgef眉hrt wurden, kann nicht geschlossen werden, dass insoweit eigenst盲ndige Vermittlungsleistungen vorliegen, die gesondert auf die Vermittlung dieser steuerfreien Leistungen gerichtet sind. Dies l盲sst unber眉cksichtigt, dass es die Vermittlungsleistung gerade ausmacht, nicht mit der vermittelten Leistung identisch zu sein, da die Vermittlung eine eigenst盲ndige Leistung ist, die sich hinsichtlich der Vertragsparteien und der wesentlichen Vertragsinhalte von der vermittelten Leistung unterscheidet (vgl. auch BFH-Urteil vom 15.03.2022听- V听R听35/20, BFHE 276, 377, BStBl II 2023, 150, Rz听18), was sich im Streitfall daraus ergibt, dass es vorrangig um die Vermittlung eines gesch盲ftlichen Kontakts zur Erbringung nicht abschlie脽end bestimmter Leistungen ging.
Rz. 26
dd) Die jeweils einheitliche Vermittlungsleistung ist auch nicht anteilig steuerfrei. Ebenso wie eine einheitliche Leistung zum Beispiel einem einzigen Steuersatz unterliegen muss (EuGH-Urteile Stadion Amsterdam vom 18.01.2018听- C-463/16, EU:C:2018:22, Rz听26; BlackRock Investment Management (UK) vom 02.07.2020听- C-231/19, EU:C:2020:513, Rz听35; Finanzamt X vom 04.05.2023听- C-516/21, EU:C:2023:372, Rz听36), kommt eine Aufteilung der Vermittlungsleistung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil grunds盲tzlich nicht in Betracht. F眉r die Annahme einer ausnahmsweise gegebenenfalls m枚glichen Aufteilung ergeben sich insbesondere aus dem Einleitungssatz von 搂听4 UStG, dem Wortlaut von 搂听4 Nr.听5 Satz听1 Buchst.听a UStG oder dem Normzusammenhang dieser Vorschrift keine Anhaltspunkte. Es war im Zeitpunkt der Erbringung der Vermittlungsleistungen weitgehend unklar, in welchem Umfang die Kl盲gerin aufgrund der Vermittlung steuerfreie und steuerpflichtige Leistungen erbringen w眉rde. Hierf眉r spricht im Streitfall auch, dass die von der Kl盲gerin erbrachten Leistungen zu etwa 75听% und damit zu einem weit 眉berwiegenden Anteil steuerpflichtig waren.
Rz. 27
3. Die Sache ist spruchreif, so dass der Senat in der Sache selbst entscheiden kann.
Rz. 28
a) Der Kl盲gerin steht der betragsm盲脽ig zwischen den Beteiligten unstreitige Vorsteuerabzug aus den Gutschriften f眉r Provisionen auf die Vermittlung steuerfreier Ums盲tze zu, da der Klarierungsagent f眉r jeden Schiffseinlauf jeweils eine einzige --gem盲脽 搂听3a Abs.听2 Satz听1 UStG im Inland steuerbare-- Vermittlungsleistung erbrachte. Da diese Vermittlungsleistung nicht konkret auf die Vermittlung einzelner steuerfreier Leistungen gerichtet war, ist sie nicht gem盲脽 搂听4 Nr.听5 Satz听1 Buchst.听a UStG steuerfrei und unterliegt damit dem Regelsteuersatz (搂听12 Abs.听1 UStG). Damit weisen die Gutschriften im Sinne von 搂听15 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 UStG gesetzlich geschuldete Steuerbetr盲ge aus.
Rz. 29
b) Soweit die Kl盲gerin die Vermittlungsleistung nicht nur zur Ausf眉hrung steuerpflichtiger, sondern auch f眉r steuerfreie Ausgangsleistungen gegen眉ber den Schifffahrtsgesellschaften verwendete, kommt es nicht zu einem Ausschluss vom Vorsteuerabzug gem盲脽 搂听15 Abs.听2 Satz听1 Nr.听1 UStG, da insoweit nach 搂听4 Nr.听2 i.V.m. 搂听8 Abs.听1 UStG steuerfreie Ausgangsleistungen vorliegen, die gem盲脽 搂听15 Abs.听3 Nr.听1 Buchst.听a UStG zum Vorsteuerabzug berechtigen. Sollte die Kl盲gerin einzelne sonstige Leistungen nach Ma脽gabe von 搂听3a Abs.听2 Satz听1 UStG im Ausland erbracht haben, ergibt sich dasselbe im Hinblick auf den dann anzuwendenden 搂听15 Abs.听2 Satz听1 Nr.听2 UStG aus 搂听15 Abs.听3 Nr.听2 Buchst.听a UStG.
Rz. 30
4. Ein Vorabentscheidungsersuchen gem盲脽 Art.听267 des Vertrags 眉ber die Arbeitsweise der Europ盲ischen Union ist nicht veranlasst (vgl. zu den Voraussetzungen EuGH-Urteile CILFIT听u.a. vom 06.10.1982听- 283/81, EU:C:1982:335, Rz听21 und Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi vom 06.10.2021听- C-561/19, EU:C:2021:799, Rz 66). F眉r den Senat bestehen keine Zweifel an der Auslegung des Vermittlungsbegriffs, wie er Art.听153 Abs.听1 MwStSystRL zugrunde liegt.
Rz. 31
5. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂听135 Abs.听1 FGO.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 16338466 |
BFH/NV 2024, 1033 |
BFH/PR 2024, 254 |
BB 2024, 1494 |
DB 2024, 2066 |
DStR 2024, 1411 |
DStRE 2024, 825 |