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Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreie Leistungen eines Verfahrensbeistands
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Leitsatz (amtlich)
Ein nach 搂 158 FamFG (Gesetz 眉ber das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) gerichtlich bestellter Verfahrensbeistand kann sich auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen.
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Normenkette
GG Art 6 Abs. 2; GG Art 103 Abs. 1; EUGrdRCh Art 24; UNKR脺bk Art 20; UStG 2005 搂听4 Nrn.听16, 25, 搂听19; EGRL 112/2006 Art 132 Abs. 1 Buchst. g; EGRL 112/2006 Art 133 Buchst. c; FamFG 搂搂听7, 158, 168; SGB VIII 搂听2 Abs. 3, 搂听50
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision der Kl盲gerin werden das Urteil des Finanzgerichts K枚ln vom 17.05.2017 - 9 K 3140/14 und der Umsatzsteuerbescheid 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.09.2014 aufgehoben und die Umsatzsteuer auf 0 鈧 festgesetzt.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig ist, ob die Ums盲tze der Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin) aus ihrer T盲tigkeit als Verfahrensbeistand steuerfrei sind.
Rz. 2
Die Kl盲gerin, eine Diplom-Psychologin, Heilpraktikerin f眉r Psychotherapie, Mediatorin und Systemische Beraterin, betreibt seit 2003 eine eigene Praxis. Im Streitjahr (2013) erbrachte sie u.a. Leistungen als Verfahrensbeistand nach 搂听158 des Gesetzes 眉ber das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). In ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung f眉r das II.听Quartal 2013 erkl盲rte sie zun盲chst Ausgangsums盲tze zum Regelsteuersatz von 15.966听鈧, legte gegen diese Voranmeldung aber Einspruch ein und beantragte unter Berufung auf die Steuerfreiheit nach Unionsrecht die Herabsetzung der Umsatzsteuer auf 0听鈧.
Rz. 3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch als unbegr眉ndet zur眉ck (Einspruchsentscheidung vom 29.09.2014). Im Laufe des Klageverfahrens erlie脽 das FA einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2013, in dem es hinsichtlich der streitgegenst盲ndlichen Leistungen von umsatzsteuerpflichtigen Ums盲tzen ausging. Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1556 ver枚ffentlichten Urteil sind die Leistungen der Kl盲gerin weder nach nationalem Umsatzsteuerrecht (搂听4 Nr.听25 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung --UStG--) noch nach Unionsrecht (Art.听132 Abs.听1 Buchst.听g, h und i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 眉ber das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--) steuerfrei.
Rz. 4
Mit ihrer Revision r眉gt die Kl盲gerin Verletzung materiellen Rechts.
Rz. 5
Die T盲tigkeit als Verfahrensbeistand sei nach Art.听132 Abs.听1 Buchst.听g MwStSystRL steuerfrei. Der Verfahrensbeistand werde in f眉r das Kind existenziellen Verfahren t盲tig, die den Kernbereich der staatlichen Schutzpflicht aus Art.听6 Abs.听2 Satz听2 des Grundgesetzes (GG) sowie die v枚lkerrechtliche Schutzverpflichtung aus Art.听12 des 脺bereinkommens der Vereinten Nationen 眉ber die Rechte des Kindes betr盲fen. Damit erf眉lle der Verfahrensbeistand eine staatlich und v枚lkerrechtlich begr眉ndete Schutzverpflichtung f眉r Kinder, seine T盲tigkeit sei mithin Ausfluss einer sozialen F眉rsorgeverpflichtung.
Rz. 6
Die Kl盲gerin sei auch eine vom Mitgliedstaat anerkannte Einrichtung, da der Verfahrensbeistand durch das Gericht ausgew盲hlt und bestellt werde. Der Verfahrensbeistand werde nach den in 搂听158 Abs.听7 FamFG festgelegten "Preisen" verg眉tet und unterliege daher ebenso strengen Kriterien der "枚ffentlichen Kontrolle" wie die Einrichtung des betreuten Wohnens im Urteil des Gerichtshofs der Europ盲ischen Union (EuGH) "Les Jardins de Jouvence" vom 21.01.2016听- C-335/14 (EU:C:2016:36).
Rz. 7
Die Kl盲gerin beantragt, das Urteil des FG und den Umsatzsteuerbescheid 2013 zuletzt ge盲ndert durch Bescheid vom 24.02.2016 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.09.2014 aufzuheben und die Umsatzsteuer auf 0听鈧 festzusetzen.
Rz. 8
Das FA beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
Rz. 9
Die Kl盲gerin erbringe mit ihrer T盲tigkeit als Verfahrensbeistand keine eng mit der Sozialf眉rsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen, da sie lediglich in Gerichtsverfahren auftrete und dort die Interessen der betroffenen Kinder zur Geltung bringe (Abschn.听4.25.2 Abs.听9 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--). Eine umfassende Personen- oder Verm枚genssorge werde hingegen nicht wahrgenommen. Bei Kindern k枚nne keine generelle Schutzbed眉rftigkeit i.S. von Art.听132 Abs.听1 Buchst.听g der MwStSystRL unterstellt werden, vielmehr sei f眉r Leistungen gegen眉ber Kindern die --im Streitfall nicht einschl盲gige-- unionsrechtliche Steuerbefreiungsvorschrift des Art.听132 Abs.听1 Buchst.听h MwStSystRL zu pr眉fen.
Rz. 10
搂听158 FamFG stelle keine "spezifische" Vorschrift i.S. der EuGH-Rechtsprechung dar, da eine gesetzliche Vorgabe hinsichtlich der fachlichen und pers枚nlichen Anforderungen an einen geeigneten Verfahrensbeistand fehle und somit spezielle Anforderungen an die Person des Verfahrensbeistands nicht geregelt seien.
Rz. 11
Auch der Gesetzgeber gehe von der Steuerpflicht der Leistungen eines Verfahrensbeistands aus. In 搂听158 Abs.听7 Satz听2 und 4 FamFG sei f眉r die F盲lle der berufsm盲脽igen T盲tigkeit als Verfahrensbeistand ausdr眉cklich eine Verg眉tung "incl. der auf die Verg眉tung entfallenden Umsatzsteuer" vorgesehen (BTDrucks 16/9733, S.听294 zur Neuregelung des 搂听158 Abs.听7 FamFG).
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II.
Rz. 12
Die Revision der Kl盲gerin ist begr眉ndet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL zu eng ausgelegt und die Leistungen der Kl盲gerin als Verfahrensbeistand daher zu Unrecht nicht als steuerfrei behandelt.
Rz. 13
1. Die Leistungen der Kl盲gerin sind allerdings --wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten ist-- nicht nach 搂 4 Nr. 25 UStG steuerfrei. Sie erbringt weder Leistungen der Jugendhilfe nach 搂 2 Abs. 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) oder nach 搂 2 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. 搂 50 SGB VIII (Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten) noch die in 搂 4 Nr. 25 Satz 3 unter a bis c im Einzelnen bezeichneten Leistungen.
Rz. 14
2. Das FG hat aber zu Unrecht eine Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen. Entgegen dem Urteil des FG erbringt die Kl盲gerin steuerbeg眉nstigte Leistungen und ist auch als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt.
Rz. 15
Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten "eng mit der Sozialf眉rsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen..., einschlie脽lich derjenigen, die durch... Einrichtungen des 枚ffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden". Die Steuerbefreiung kn眉pft an leistungs- und an personenbezogene Voraussetzungen an: Es muss sich um eng mit der Sozialf眉rsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen handeln, die von Einrichtungen des 枚ffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen erbracht werden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18.08.2005 - V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143, Rz 45 und 46, und vom 07.12.2016 - XI R 5/15, BFHE 256, 550, BFH/NV 2017, 863; EuGH-Urteil Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd. vom 26.05.2005 - C-498/03, EU:C:2005:322, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2005, 453, Rz 34).
Rz. 16
a) Die Leistungen der Kl盲gerin als Verfahrensbeistand sind "eng mit der Sozialf眉rsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen".
Rz. 17
aa) Hierbei handelt es sich um einen eigenst盲ndigen Begriff des Unionsrechts, der eine unionsrechtliche Definition erfordert (vgl. EuGH-Urteil Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., EU:C:2005:322, Rz 22, m.w.N.). Gleichwohl hat der EuGH diesen Begriff in seiner bisherigen Rechtsprechung weder definiert noch n盲her umschrieben, sondern sich darauf beschr盲nkt, f眉r die jeweils streitgegenst盲ndlichen T盲tigkeiten zu entscheiden, ob diese unter die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen. Zu den nach bisheriger EuGH-Rechtsprechung befreiten Ums盲tzen geh枚ren die Kinderbetreuung einschlie脽lich der Vermittlung von Tageseltern (EuGH-Urteile Kinderopvang Enschede vom 09.02.2006 - C-415/04, EU:C:2006:95, BFH/NV 2006, Beilage 3, 256, Rz 27), der Betrieb von Heimen f眉r betreutes Wohnen (Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., EU:C:2005:322) sowie die Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung f眉r k枚rperlich oder wirtschaftlich hilfsbed眉rftige Personen (EuGH-Urteil Ambulanter Pflegedienst K眉gler GmbH vom 10.09.2002 - C-141/00, EU:C:2002:473, BFH/NV 2003, Beilage 1, 30, Rz 44).
Rz. 18
Die Kl盲gerin erbrachte zwar keine derartigen oder vergleichbaren Betreuungs- oder Pflegeleistungen. Bei der Pr眉fung der leistungsbezogenen Voraussetzung der unionsrechtlichen Steuerbefreiung ist allerdings zu ber眉cksichtigen, ob der Personenkreis der Leistungsempf盲nger im Hinblick auf deren Bed眉rftigkeit dem Personenkreis der Sachverhalte entspricht, bei denen die Rechtsprechung das Merkmal der mit der F眉rsorge oder der sozialen Sicherheit eng verbundenen Leistungen bereits bejaht hat (BFH-Urteil vom 01.12.2010 - XI R 46/08, BFHE 232, 232, Rz 30).
Rz. 19
bb) Die Aufgabe des Verfahrensbeistands besteht darin, das Interesse des Kindes festzustellen und im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zur Geltung zu bringen. Dabei hat er das Kind 眉ber Gegenstand, Ablauf und m枚glichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren (搂 158 Abs. 4 Satz 1 und 2 FamFG).
Rz. 20
(1) Kinder geh枚ren nach der o.g. EuGH-Rechtsprechung zu dem beg眉nstigten Personenkreis. Ihre Schutzbed眉rftigkeit ergibt sich nicht nur aus der staatlichen Schutzpflicht (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG), sondern auch aus der Charta der Grundrechte der Europ盲ischen Union (EuGRCh). Nach Art. 24 Abs. 1 EuGRCh haben Kinder Anspruch auf den Schutz und die F眉rsorge, die f眉r ihr Wohlergehen notwendig sind, gem盲脽 Art. 24 Abs. 2 EuGRCh muss das Wohl des Kindes bei allen Kinder betreffenden Ma脽nahmen 枚ffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen eine vorrangige Erw盲gung sein. Hinzu kommt, dass die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) in der Pflicht steht, f眉r Minderj盲hrige einen "besonderen Schutz und Beistand" sicherzustellen (Art. 20 Abs. 1 UN-KRK).
Rz. 21
(2) Der erkennende Senat kann offen lassen, ob Kinder "generell" als schutzbed眉rftig anzusehen sind und jegliche Leistungen ihnen gegen眉ber als "eng mit der Sozialf眉rsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen" qualifiziert werden k枚nnten. Denn ein Verfahrensbeistand ist nur zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes "erforderlich" ist. Hierzu z盲hlt 搂 158 Abs. 2 FamFG f眉nf Regelbeispiele auf, in denen dies grunds盲tzlich zu bejahen ist und in denen daher von einer besonderen Schutzbed眉rftigkeit des Kindes auszugehen ist. Eine Bestellung ist erforderlich, wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht, also wenn die Eltern das Verfahren zur Wahrung ihrer eigenen Interessen f眉hren und die eigenen Interessen vor die des Kindes stellen (搂 158 Abs. 2 Nr. 1 FamG), bei teilweiser oder vollst盲ndiger Entziehung der Personensorge wegen Gef盲hrdung des Kindeswohls (搂 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG), bei einer Trennung des Kindes von der Obhutsperson (搂 158 Abs. 2 Nr. 3 FamFG), bei einer Anordnung der Herausgabe oder Verbleibens des Kindes (搂 158 Abs. 2 Nr. 4 FamFG) sowie beim Ausschluss oder einer wesentlichen Beschr盲nkung des Umgangsrechts (搂 158 Abs. 2 Nr. 5 FamFG).
Rz. 22
cc) Hinzu kommt, dass sich --wie das FG zu Recht festgestellt hat-- die T盲tigkeit der Kl盲gerin als Verfahrensbeistand zwar von den Aufgaben der Jugendhilfe nach 搂搂 2 Abs. 3, 50 SGB VIII unterscheidet. Zu den Aufgaben der Jugendhilfe geh枚rt die Mitwirkung in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (z.B. Kindschaftssachen, Abstammungssachen, Adoptionssachen, Gewaltschutzsachen), w盲hrend der Verfahrensbeistand das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen hat. Die T盲tigkeit des Verfahrensbeistands steht jedoch im Regelfall in unmittelbarem Zusammenhang mit der T盲tigkeit des Jugendamts in Jugendhilfesachen und ist daher als "eng" mit der Sozialf眉rsorge verbundene Leistung zu qualifizieren.
Rz. 23
Dem steht nicht entgegen, dass der Verfahrensbeistand als "Anwalt des Kindes" bezeichnet wird (vgl. Salgo, "Der Anwalt des Kindes", K枚ln 1996; Schlemm in Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, 搂 158 Rz 1) und die Bestellung eines Verfahrensbeistands unterbleiben oder aufgehoben werden soll, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt angemessen vertreten werden (搂 158 Abs. 5 FamFG). Denn der Verfahrensbeistand wird mit dem Akt der Bestellung zum "Beteiligten" (搂 158 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. 搂 7 FamFG) und hat damit die Aufgabe, die Rechte des Betroffenen wahrzunehmen, ohne an dessen Weisungen gebunden zu sein. Es handelt sich daher weder um ein rechtsanwaltliches Mandatsverh盲ltnis (Schruth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, 搂 50 SGB VIII Rz 70) noch um eine anwaltsspezifische T盲tigkeit (Schumann in M眉nchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 4, Gesetz 眉ber das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 搂 158, Rz 34).
Rz. 24
b) Entgegen der Ansicht des FG ist der Verfahrensbeistand auch als soziale Einrichtung anerkannt.
Rz. 25
aa) Einer Anerkennung als Einrichtung steht nicht entgegen, dass es sich bei der Kl盲gerin um eine nat眉rliche Person handelt. Denn der Begriff "Einrichtung" ist weit genug, um auch nat眉rliche Personen (vgl. EuGH-Urteil Gregg vom 07.09.1999 - C-216/97, EU:C:1999:390, UR 1999, 419, Rz 21) und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht (vgl. dazu EuGH-Urteile Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., EU:C:2005:322, Rz 35 und 40; MDDP vom 28.11.2013 - C- 319/12, EU:C:2013:778, H枚chstrichterliche Finanzrechtsprechung 2014, 177, Rz 28 und 31) zu erfassen.
Rz. 26
bb) Nach st盲ndiger Rechtsprechung des EuGH legt Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL die Voraussetzungen und Modalit盲ten der Anerkennung nicht fest. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gew盲hrt werden kann. Dabei haben die nationalen Beh枚rden im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die f眉r die Anerkennung ma脽geblichen Gesichtspunkte zu ber眉cksichtigen. Zu diesen geh枚ren
- das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann,
- das mit den T盲tigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse,
- die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen T盲tigkeiten bereits in den Genuss einer 盲hnlichen Anerkennung kommen, und
- die 脺bernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum gro脽en Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit (EuGH-Urteile K眉gler vom 10.09.2002 - C-141/00, EU:C:2002:473, Rz 54 und 58, und Zimmermann vom 15. November 2012 C-174/11, EU:C:2012:716, Rz 26).
Rz. 27
cc) Im Streitfall folgt die Anerkennung der Kl盲gerin als soziale Einrichtung aus dem Bestehen einer spezifischen Vorschrift f眉r Verfahrensbeist盲nde, deren T盲tigkeit im Gemeinwohlinteresse sowie dem Neutralit盲tsprinzip.
Rz. 28
(1) Die Anerkennung der Kl盲gerin ergibt sich insbesondere aus 搂 158 Abs. 1 FamFG als einer spezifischen Vorschrift i.S. der EuGH-Rechtsprechung. Danach hat das Gericht dem minderj盲hrigen Kind einen "geeigneten" Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Eine besondere fachliche Qualifikation ist zwar nicht gesetzlich geregelt, nach der Gesetzesbegr眉ndung zu 搂 158 FamFG soll aber eine Person bestellt werden, die "pers枚nlich und fachlich geeignet ist, das Interesse des Kindes festzustellen und sachgerecht in das Verfahren einzubringen" (BTDrucks 16/6308, S. 238). Durch den Hinweis auf die "Geeignetheit" des Verfahrensbeistands wird klargestellt, dass bestimmte Mindestanforderungen im Hinblick auf Aus- und Vorbildung des Verfahrensbeistands und die von ihm bei der Arbeit zu beachtenden Standards einzuhalten sind (vgl. Kammergericht Berlin, Senat f眉r Familiensachen, Beschluss vom 19.02.2014 - 17 UF 5/14, Zeitschrift f眉r Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2014, 285, Rz 24, m.w.N.). Diese Anforderungen umfassen Kenntnisse auf den Gebieten des Familien- und Kindschaftsrechts, des SGB VIII, des Familienverfahrensrechts und der Entwicklungspsychologie. Die Person soll 眉ber Techniken und Kompetenzen verf眉gen, um Minderj盲hrige zu verstehen und mit ihnen kommunizieren zu k枚nnen; sie muss ferner 眉ber Vermittlungskompetenzen verf眉gen (Ahlert, Der Verfahrensbeistand nach 搂 158 FamFG, Marburg, 2010). Dem entspricht, dass der Verfahrensbeistand gem盲脽 搂 158 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 FamFG entlassen werden kann, wenn er nachtr盲glich als nicht mehr geeignet erscheint (Hammer in Pr眉tting/Helms, Kommentar zum FamFG, 4. Aufl. 2018, 搂 158 Rz 54; Oberlandesgericht --OLG-- Karlsruhe, Beschluss vom 01.08.2013 - 5 UF 62/13, Zeitschrift f眉r das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 2014, 1136, Rz 7; OLG Hamburg vom 14.04.2016 - 12 UF 140/15, FamRZ 2016, 1694; OLG Hamm vom 16.07.2007 - 4 UF 9/07, FamRZ 2007, 2002).
Rz. 29
Entgegen der Ansicht des FA steht einer Qualifikation als "spezifische" Vorschrift i.S. der EuGH-Rechtsprechung nicht entgegen, dass die Anforderungen an die Person des Verfahrensbeistands i.S. beruflicher Qualifikation nicht im Einzelnen gesetzlich geregelt sind (vgl. BFH-Urteil vom 25.04.2013 - V R 7/11, BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976, unter II.2.c bb (1), Rz 23 zur "Eignung" des Berufsbetreuers nach 搂 1897 Abs. 1 des B眉rgerlichen Gesetzbuchs). Es gen眉gt insoweit die gerichtliche Bestellung und 脺berwachung der Qualifikation eines "geeigneten" Verfahrensbeistands.
Rz. 30
(2) An der T盲tigkeit eines Verfahrensbeistands in Kindschaftssachen besteht ein besonderes Gemeinwohlinteresse. Die Pflege und Erziehung der Kinder und Jugendlichen obliegt zwar prim盲r den Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Verfolgen diese jedoch gegens盲tzliche Interessen, die mit denen ihrer Kinder in Konflikt geraten, muss den Kindern die M枚glichkeit einger盲umt werden, ihr eigenes Interesse in einer den Anforderungen des rechtlichen Geh枚rs (Art. 103 Abs. 1 GG) entsprechenden Eigenst盲ndigkeit im Verfahren geltend zu machen. Wird ein solcher Beistand nicht bestellt, verletzt dies die Grundrechte der betreffenden Kinder aus Art. 6 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.10.1998 - 2 BvR 1206/98, BVerfGE 99, 145, Rz 78, zum Verfahrenspfleger nach 搂 50 des Gesetzes 眉ber die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Vorg盲nger des Verfahrensbeistands). Denn aus der verfassungsrechtlichen Verankerung des Kindeswohls in Art. 6 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Anspruch auf rechtliches Geh枚r (Art. 103 Abs. 1 GG) ergibt sich die Pflicht, das Kindeswohl verfahrensrechtlich dadurch zu sichern, dass den Kindern bereits im familiengerichtlichen Verfahren ein Pfleger zur Wahrung ihrer Interessen zur Seite gestellt wird.
Rz. 31
(3) Dar眉ber hinaus w盲re ein Ausschluss der Kl盲gerin von der Steuerfreiheit im Hinblick auf die f眉r Betreuungsvereine bestehende Steuerfreiheit nicht mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralit盲t zu vereinbaren.
Rz. 32
Neben freiberuflich t盲tigen Rechtsanw盲lten, P盲dagogen sowie Kinder- und Jugendpsychologen werden auch Mitarbeiter von Betreuungsvereinen vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand in Kindschaftssachen bestellt (Hammer in Pr眉tting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, 搂 158 Rz 27; Schumann in M眉nchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 搂 158 FamFG Rz 18). In diesem Fall steht der Verg眉tungsanspruch in entsprechender Anwendung des 搂 277 Abs. 4 FamFG dem Betreuungsverein zu (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 27.11.2013 - XII ZB 682/12, FamRZ 2014, 373). Soweit der Betreuungsverein --wie im Regelfall-- einem anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege (z.B. Caritasverband) angeschlossen ist, sind die von ihm erbrachten Leistungen steuerfrei (vgl. hierzu FG Niedersachsen, Urteil vom 14.01.2010 - 5 K 162/09, Betreuungsrechtliche Praxis 2010, 141; FamRZ 2010, 1477, Leitsatz).
Rz. 33
(4) Das FG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass keine 脺bernahme der Kosten durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit erfolgt, da die Kosten des Verfahrensbeistands lediglich Auslagen des Gerichts darstellen, die dem Kostenschuldner nach Ma脽gabe von 搂搂 81, 83 FamFG aufzuerlegen sind; soweit 搂 158 Abs. 7 Satz 5 FamFG regelt, dass der Aufwendungsersatz und die Verg眉tung stets aus der Staatskasse zu zahlen sind, folgt daraus nur, dass die Beteiligten keine Vorsch眉sse zu leisten haben.
Rz. 34
Die fehlende Kosten眉bernahme steht --entgegen der Auffassung des FG-- einer Steuerfreiheit aber nicht entgegen, da die Anerkennung als soziale Einrichtung im Rahmen einer Gesamtw眉rdigung aus 搂 158 Abs. 1 FamFG als einer spezifischen Vorschrift f眉r Verfahrensbeist盲nde, deren T盲tigkeit im Gemeinwohlinteresse sowie dem Neutralit盲tsprinzip folgt. Es entspricht st盲ndiger Rechtsprechung, dass bei der Pr眉fung der Anerkennung mehrere Gesichtspunkte zu ber眉cksichtigen sind und die Anerkennung nicht voraussetzt, dass alle f眉r die Anerkennung in Betracht kommenden Kriterien kumulativ vorliegen m眉ssen (EuGH-Urteil Zimmermann, EU:C:2012:716, Rz 31; BFH-Urteile in BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976, Rz 28, sowie vom 08.06.2011- XI R 22/09, BFHE 234, 448, BFH/NV 2011, 1804).
Rz. 35
dd) Unerheblich ist insoweit auch, dass der EuGH im Urteil Ordre des barreaux francophones et germanophone u.a. vom 28.07.2016 - C-543/14 (EU:C:2016:605) die Berufsgruppe der Rechtsanw盲lte von der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen hat, weil sie im Hinblick auf ihr Gesamtziel und die fehlende Dauerhaftigkeit eines etwaigen sozialen Engagements nicht als gemeinn眉tzig angesehen werden kann (EuGH-Urteil Ordre des barreaux francophones et germanophone u.a., EU:C:2016:605, Leitsatz 3 Satz 3 sowie Rz 62 bis 65). Dieses Urteil betrifft die fehlende Anerkennung von Anw盲lten f眉r ihre T盲tigkeit in Prozesskostenhilfeverfahren. Die Kl盲gerin ist jedoch weder als Anw盲ltin t盲tig noch 眉bt sie eine anwaltsspezifische T盲tigkeit aus (vgl. Ausf眉hrungen unter II.2.a bb (3)). Im 脺brigen ist zu ber眉cksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Rechtsfigur des Verfahrensbeistands kein neues Berufsbild schaffen wollte (Schumann in M眉nchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 搂 158 FamFG Rz 18, m.w.N.). Gegen die Anerkennung eines Verfahrenspflegers als soziale Einrichtung kann daher nicht geltend gemacht werden, dass diese T盲tigkeit nur eines der Ziele einer weitergehenden freiberuflichen T盲tigkeit darstellt.
Rz. 36
ee) Die Steuerfreiheit der Leistungen als Verfahrensbeistand scheitert nicht an Art. 133 Buchst. c MwStSystRL.
Rz. 37
Danach k枚nnen die Mitgliedstaaten die Steuerbefreiung davon abh盲ngig machen, dass die von den Einrichtungen verlangten Preise von den zust盲ndigen Beh枚rden genehmigt sein m眉ssen oder die genehmigten Preise nicht 眉bersteigen; bei Ums盲tzen, f眉r die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, m眉ssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen f眉r entsprechende Ums盲tze fordern. Unabh盲ngig von der Frage, ob das UStG die durch Art. 133 MwStSystRL einger盲umte Erm盲chtigung wirksam ausge眉bt hat (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976, Rz 33) liegen im Streitfall beh枚rdlich genehmigte Preise vor. Die Festsetzung der Verg眉tung (sog. Fallpauschalen) richtet sich aufgrund der Verweisung in 搂 158 Abs. 7 Satz 6 nach 搂 168 Abs. 1, Abs. 4 FamFG und erfolgt durch Anweisung der Zahlung durch den Kostenbeamten oder nach 搂 168 Abs. 1 Satz 1 durch f枚rmliche Festsetzung durch den Rechtspfleger (Hammer in Pr眉tting/Helms, FamFG, 搂 158 Rz 63, m.w.N.). In beiden Varianten handelt das die Verg眉tung festsetzende Familiengericht damit funktional als zust盲ndige Beh枚rde.
Rz. 38
c) Einer Steuerfreiheit nach Unionsrecht kann nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber in 搂 158 Abs. 7 Satz 4 FamFG von der Umsatzsteuerpflicht der Verg眉tung des Verfahrensbeistands ausgeht. Die Gesetzesformulierung ("鈥 die auf die Verg眉tung anfallende Umsatzsteuer 鈥") ist dahingehend auslegbar, dass die Umsatzsteuer nur dann als Bestandteil der Verg眉tung anzusehen ist, wenn sie nach geltendem Umsatzsteuerrecht geschuldet wird.
Rz. 39
3. Das von anderen Grunds盲tzen ausgehende Urteil des FG verletzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL und ist daher aufzuheben.
Rz. 40
a) Die Kl盲gerin 眉bt als Verfahrensbeistand eine eng mit der sozialen F眉rsorge verbundene T盲tigkeit aus und ist aufgrund einer Gesamtw眉rdigung der ma脽geblichen Kriterien auch als soziale Einrichtung anerkannt. F眉r die Steuerfreiheit ihrer Leistungen kann sich die Kl盲gerin mangels hinreichender Umsetzung in nationales Recht auf die f眉r sie g眉nstige Befreiungsnorm des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL unmittelbar berufen (BFH-Urteile vom 18.08.2015 - V R 13/14, BFHE 251, 282, Rz 15, und in BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 796, Rz 19 ff.).
Rz. 41
b) Soweit sich aus Abschn. 4.25.2 UStAE ergeben sollte, dass f眉r gerichtlich bestellte Verfahrensbeist盲nde auch die Berufung auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen wird, folgt der Senat dem nicht.
Rz. 42
4. Die Sache ist i.S. einer Klagestattgabe spruchreif. Sind die Leistungen der Kl盲gerin als Verfahrensbeistand steuerfrei, bleiben diese bei der Berechnung der Umsatzgrenze des 搂 19 Abs. 1 UStG au脽er Betracht. Der Gesamtumsatz des Vorjahres 眉bersteigt dann nicht 17.500 鈧 und der des Streitjahres nicht 50.000 鈧. Die Umsatzsteuer ist daher antragsgem盲脽 auf 0 鈧 herabzusetzen.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 13415985 |
BFH/NV 2019, 1478 |
BFH/PR 2020, 26 |
BStBl II 2023, 591 |
BB 2019, 2517 |
DB 2019, 7 |
DStR 2019, 10 |
DStRE 2019, 1462 |
HFR 2019, 1085 |
UR 2019, 820 |