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Entscheidungsstichwort (Thema)
1 %-Regelung auf Grundlage der Bruttolistenneupreise
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Leitsatz (amtlich)
Die 1 %-Regelung begegnet insbesondere im Hinblick auf die dem Steuerpflichtigen zur Wahl gestellte M枚glichkeit, den vom Arbeitgeber zugewandten Nutzungsvorteil auch nach der so genannten Fahrtenbuchmethode zu ermitteln und zu bewerten, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
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Normenkette
EStG 搂听8 Abs. 2 S盲tze听2, 4, 搂听6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, 搂听19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig ist, ob die Bewertung der privaten Nutzung eines vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer 眉berlassenen Dienstwagens nach der 1 %-Regelung noch insoweit verfassungsgem盲脽 ist, als der Nutzungswert nach dem inl盲ndischen Bruttolistenpreis bei der Erstzulassung bemessen wird.
Rz. 2
Die Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, erzielten im Streitjahr (2009) neben anderen Eink眉nften jeweils auch Eink眉nfte aus nichtselbst盲ndiger Arbeit. Der Kl盲ger war als Gesch盲ftsf眉hrer der Firma M-GmbH t盲tig. Er hatte einen von seinem Arbeitgeber 眉berlassenen Dienstwagen zur Verf眉gung, den er auch f眉r Privatfahrten und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsst盲tte nutzen durfte. Der Arbeitgeber hatte den erstmals am 27. August 2004 zugelassenen Dienstwagen vom Typ BMW 730 D als Gebrauchtfahrzeug mit einer Fahrleistung von 58 000 km ab 5. M盲rz 2008 f眉r drei Jahre mit einer monatlichen Leasingrate von 722,57 鈧 geleast. Zu Beginn des Leasing-Zeitraums betrug der Gebrauchtwagenwert des Dienstwagens 31.990 鈧; im Zeitpunkt der Erstzulassung betrug dessen Bruttolisten-Neupreis 81.400 鈧.
Rz. 3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die private Nutzung des Dienstwagens, f眉r den der Kl盲ger kein Fahrtenbuch gef眉hrt hatte, mit der 1 %-Regelung auf Basis des Bruttolistenneupreises an (搂 8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- i.V.m. 搂 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG); auf dieser Grundlage wurde im hier streitigen Einkommensteuerbescheid dem Kl盲ger ein geldwerter zu versteuernder Vorteil in H枚he von 814 鈧 monatlich zugerechnet und bei dessen Lohneink眉nften angesetzt.
Rz. 4
Dagegen machten die Kl盲ger mit Einspruch im Ergebnis erfolglos geltend, dass bei der Berechnung des beim Kl盲ger anzusetzenden geldwerten Vorteils nicht der Listenneupreis, sondern der Gebrauchtwagenwert zu Grunde zu legen sei.
Rz. 5
Das Finanzgericht (FG) hat die dagegen erhobene Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 396 ver枚ffentlichten Gr眉nden abgewiesen und die Revision zugelassen.
Rz. 6
Die Kl盲ger r眉gen mit der Revision die Verletzung materiellen Verfassungsrechts.
Rz. 7
Sie beantragen,das angefochtene Urteil des Nieders盲chsischen FG vom 14. September 2011 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid f眉r 2009 vom 29. Juli 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Oktober 2010 dahingehend abzu盲ndern, dass der geldwerte Vorteil f眉r die 脺berlassung des dienstlichen PKW auf Grundlage eines Wertes von 31.990 鈧 angesetzt und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Rz. 8
Das FA beantragt,die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
Rz. 9
Das Bundesministerium der Finanzen hat den Beitritt zum Verfahren (搂 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) erkl盲rt.
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Rz. 10
II. Die Revision ist unbegr眉ndet und daher zur眉ckzuweisen (搂 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Vorteil des Kl盲gers aus der 脺berlassung des Dienstwagens zu auch privaten Zwecken im Streitfall nach 搂 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. 搂 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu bewerten ist. Gegen die 1 %-Regelung mit Ansatz des Bruttoneuwagenlistenpreises als Bemessungsgrundlage bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes kommt daher nicht in Betracht.
Rz. 11
Es entspricht mittlerweile st盲ndiger Senatsrechtsprechung, dass die 脺berlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer f眉r dessen Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zu Lohnzufluss f眉hrt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Oktober 2011 VI R 56/10, BFHE 235, 383, BStBl II 2012, 362). Steht der Vorteil dem Grunde nach fest, ist dieser nach 搂 8 Abs. 2 S盲tze 2 bis 5 EStG i.V.m. 搂 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder mit der 1 %-Regelung oder mit der Fahrtenbuchmethode zu bewerten. Wird ein Fahrtenbuch, wie im Streitfall, nicht gef眉hrt, ist der Vorteil mit der 1 %-Regelung zu bewerten.
Rz. 12
a) Nach der 1 %-Regelung (搂 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. 搂 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) ist dieser Nutzungsvorteil f眉r jeden Kalendermonat mit 1 % des inl盲ndischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuz眉glich der Kosten f眉r Sonderausstattungen einschlie脽lich der Umsatzsteuer anzusetzen. Die 1 %-Regelung ist insoweit eine grunds盲tzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung (st盲ndige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 13. Februar 2003 X R 23/01, BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; vom 7. November 2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; jeweils m.w.N.). Deshalb bleiben individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art und der Nutzung des Dienstwagens grunds盲tzlich ebenso unber眉cksichtigt wie nachtr盲gliche 脛nderungen des Fahrzeugwertes. Dementsprechend erh枚ht etwa der nachtr盲gliche Einbau von Zusatzausstattungen nicht die Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung (BFH-Urteil vom 13. Oktober 2010 VI R 12/09, BFHE 231, 540, BStBl II 2011, 361). Weiter bleibt im Rahmen der Anwendung der 1 %-Regelung der inl盲ndische Listenpreis auch dann Bemessungsgrundlage, wenn der Arbeitgeber das Fahrzeug gebraucht angeschafft hatte (vgl. BFH-Urteil vom 1. M盲rz 2001 IV R 27/00, BFHE 195, 200, BStBl II 2001, 403; BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2007 XI B 178/06, BFH/NV 2008, 562, m.w.N.) oder wenn schon ein Gro脽teil der Anschaffungskosten des Fahrzeugs als Betriebsausgaben (AfA) geltend gemacht worden war (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 59/98, BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273).
Rz. 13
Im Ergebnis entspricht der Ansatz des Listenpreises statt der tats盲chlichen Anschaffungskosten gerade dem Erfordernis, die Zuwendung des Arbeitgebers nach dem Nutzungsvorteil zu bemessen, der dem steuerpflichtigen Arbeitnehmer dadurch zukommt (so schon BFH-Urteil vom 25. Mai 1992 VI R 146/88, BFHE 168, 194, BStBl II 1992, 700).
Rz. 14
b) Die typisierende Erfassung des Nutzungsvorteils durch die 1 %-Regelung war im Hinblick auf ihre verfassungsrechtliche Zul盲ssigkeit schon mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des BFH; die Regelung wurde dabei im Ergebnis jeweils als verfassungsrechtlich unbedenklich beurteilt (Urteile in BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273; in BFHE 195, 200, BStBl II 2001, 403; in BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; vom 19. M盲rz 2009 IV R 59/06, BFH/NV 2009, 1617; Beschluss vom 16. September 2004 VI B 5/04, BFH/NV 2005, 336; jeweils m.w.N.). Denn nach der insoweit 眉bereinstimmenden Rechtsprechung der Senate des BFH nutzt der Gesetzgeber mit der 1 %-Regelung den ihm insbesondere im Steuerrecht f眉r Typisierungen zur Verf眉gung stehenden Gestaltungsspielraum, wenn er auf diese Weise die betriebliche und private Kfz-Nutzung typisierend und pauschalierend erfasst. Die BFH-Rechtsprechung st眉tzt sich insoweit auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Geltungsgrund und zu den Gestaltungsgrenzen der Typisierung und Pauschalierung im Steuerrecht durch den Gesetzgeber (BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997听 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6; BVerfG-Urteil vom 7. Dezember 1999听 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162, m.w.N.).
Rz. 15
c) Die Bewertung des Vorteils mittels der 1 %-Regelung ist mit dem Ansatz eines Nutzungsvorteils in H枚he von 1 % des Bruttolistenpreises je Monat zwar eine nur grob typisierende Regelung. Allerdings normiert die Regelung keine zwingende und unwiderlegbare Typisierung, sondern tritt nur alternativ zur Fahrtenbuchmethode hinzu; diese Fahrtenbuchmethode bewertet den vom Arbeitgeber zugewandten Nutzungsvorteil indessen nach Ma脽gabe der konkret entstandenen Kosten (搂 8 Abs. 2 Satz 4 EStG). Insbesondere im Hinblick auf dieses Wahlrecht ("Escape-Klausel") beurteilt die bisherige Rechtsprechung des BFH die Typisierungsregelung in 搂 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als verfassungsrechtlich unbedenklich (BFH-Urteil in BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273, m.w.N.).
Rz. 16
Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung. Denn wenn der Steuerpflichtige statt der Anwendung einer typisierenden Regelung auch den Nachweis des tats盲chlichen Sachverhalts und eine daran ankn眉pfende Besteuerung w盲hlen kann, ist er durch eine ihm lediglich zus盲tzlich zur Wahl gestellte Typisierung in einer verfassungsrechtlich erheblichen Position auch dann nicht betroffen, wenn sie im Vergleich zur anderen Besteuerungsform im konkreten Fall nachteilig wirkt. Angesichts dessen k枚nnen sich die Kl盲ger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kraftfahrzeughandel beim Neuwagenverkauf mittlerweile regelm盲脽ig Rabatte einr盲ume, also der Bruttolistenneupreis nicht einmal mehr typisierend den Verkaufspreis f眉r Neufahrzeuge darstelle. Denn der Gesetzgeber unterliegt entgegen der Auffassung der Kl盲ger gegenw盲rtig diesbez眉glich keinem Anpassungszwang.
Rz. 17
aa) Die Kl盲ger verkennen insoweit die Funktion, die der Gesetzgeber der Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung, dem Bruttolistenneupreis, einr盲umt. Die Anwendung der 1 %-Regelung i.V.m. 搂 8 Abs. 2 Satz 2 EStG bezweckt, den beim Arbeitnehmer entstandenen Vorteil der Nutzungs眉berlassung eines betriebsbereiten Kraftfahrzeugs zu bewerten. Dieser Vorteil umfasst mithin nicht nur das Zurverf眉gungstellen des Fahrzeugs selbst, sondern auch die 脺bernahme s盲mtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungspr盲mien, Reparatur鈥 und Wartungskosten sowie insbesondere der Treibstoffkosten; das alles sind Aufwendungen, die sich weder im Bruttolistenneupreis noch in den tats盲chlichen Neuanschaffungskosten mit einem festen Prozentsatz unmittelbar abbilden. Die vom Gesetzgeber zu Grunde gelegte Bemessungsgrundlage des Bruttolistenneupreises bezweckt also nicht, die tats盲chlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs und erst recht nicht dessen gegenw盲rtigen Wert im Zeitpunkt der 脺berlassung m枚glichst realit盲tsgerecht abzubilden. Der Bruttolistenneupreis erweist sich vielmehr als generalisierende Bemessungsgrundlage, die aus typisierten Neuanschaffungskosten den Nutzungsvorteil insgesamt zu gewinnen sucht, der indessen ungleich mehr umfasst als die 脺berlassung des genutzten Fahrzeugs selbst. Denn der tats盲chliche geldwerte Vorteil entspricht dem Betrag, der von einem Arbeitnehmer f眉r eine vergleichbare Nutzung aufgewandt werden m眉sste und den er durch die 脺berlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (so schon Senatsurteile vom 10. Februar 1961 VI 89/60 U, BFHE 72, 376, BStBl III 1961, 139; vom 21. Juni 1963 VI 306/61 U, BFHE 77, 191, BStBl III 1963, 387).
Rz. 18
Angesichts dieser alternativen und nur grob typisierenden Bemessungsgrundlage ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber dem Zweck, den Nutzungsvorteil insgesamt zu erfassen, verfassungskonform nur dadurch entspricht, dass er als Bemessungsgrundlage die tats盲chlichen Neuanschaffungskosten statt des Bruttolistenneupreises w盲hlt. Die Einsch盲tzung der Kl盲ger, dass der tats盲chliche Kaufpreis aus der Buchf眉hrung jedenfalls genauso leicht zu ermitteln sei wie die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers, 盲ndert daran nichts.
Rz. 19
bb) Schlie脽lich k枚nnen sich die Kl盲ger f眉r ihre Auffassung auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats berufen, nach der die unverbindliche Preisempfehlung keine geeignete Grundlage zur Bemessung des lohnsteuerrechtlichen Vorteils eines Mitarbeiterrabatts im Rahmen von Jahreswagenk盲ufen darstellt (Senatsurteil vom 17. Juni 2009 VI R 18/07, BFHE 225, 388, BStBl II 2010, 67). Denn in diesen F盲llen war der aus dem Mitarbeiterrabatt zuflie脽ende Vorteil nicht auf Grundlage einer grob typisierenden Regelung, sondern nach Ma脽gabe des tats盲chlich verwirklichten Sachverhalts konkret zu ermitteln und zu besteuern. Diese M枚glichkeit hat der Arbeitnehmer, wie dargelegt, auch im Rahmen der Nutzungs眉berlassung eines Dienstwagens, wenn er den Vorteil nach der Fahrtenbuchmethode ermittelt. In diesem Fall gehen dann in die Bemessungsgrundlage neben s盲mtlichen 眉brigen Kraftfahrzeugkosten auch die konkreten Anschaffungskosten statt eines typisierenden Bruttolistenneupreises ein.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 3612795 |
BFH/NV 2013, 641 |
BFH/PR 2013, 142 |
BStBl II 2013, 385 |
BFHE 2013, 69 |
BFHE 240, 69 |
BB 2013, 597 |
DB 2013, 494 |
DB 2013, 6 |
DStR 2013, 456 |
DStRE 2013, 443 |
DStZ 2013, 254 |
HFR 2013, 301 |