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Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Gutglaubenschutz bei unzutreffender Rechnungsanschrift des Leistenden; Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren
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Leitsatz (NV)
1. 搂 15 UStG 1993 sch眉tzt nicht den guten Glauben an die Erf眉llung der Voraussetzungen f眉r den Vorsteuerabzug.
2. Liegen die materiellen Voraussetzungen f眉r den Vorsteuerabzug wegen unzutreffender Rechnungsangaben nicht vor, kommt unter Ber眉cksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ein Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren (搂搂 163, 227 AO) in Betracht.
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Normenkette
UStG 1993 搂搂听14, 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; AO 搂搂听163, 227
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Streitig ist die Berechtigung des Kl盲gers und Revisionsbeklagten (Kl盲ger) zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Herrn X (Firma X-Automobile).
Der Kl盲ger betrieb im Streitjahr (1998) als Einzelunternehmer einen Gebrauchtwagenhandel. Zwischen dem 13. Januar und dem 13. M盲rz 1998 erwarb er von der Firma X-Automobile verschiedene hochwertige Kraftfahrzeuge. Die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer von 39.456,52 DM machte er in der --zu einer Vorbehaltsfestsetzung f眉hrenden-- Umsatzsteuererkl盲rung f眉r 1998 als Vorsteuer geltend.
Im Anschluss an Ermittlungen der Steuerfahndung und von Umsatzsteuer-Sonderpr眉fungen versagte der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) mit 脛nderungsbescheid vom 24. August 2001 den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma X-Automobile. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA als unbegr眉ndet zur眉ck, die Klage hatte jedoch Erfolg.
Der in den Rechnungen angegebene Sitz des Unternehmens "X-Automobile" habe zwar nur bis zu einem nicht n盲her ermittelbaren Zeitpunkt vor dem 15. Dezember 1997 bestanden, der Vorsteuerabzug sei jedoch aus Gr眉nden des Vertrauensschutzes zu gew盲hren. Das Urteil ist ver枚ffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 631.
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Revision r眉gt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Ansicht, der vom Finanzgericht (FG) festgestellte Rechnungsmangel k枚nne nicht durch einen Gutglaubensschutz in die Richtigkeit der Rechnungsangaben "geheilt" werden. Ein Schutz des guten Glaubens ergebe sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europ盲ischen Gemeinschaften (EuGH) vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und C-440/04 --Kittel und Recolta Recycling-- (Slg. 2006, I-6161). Darin habe der EuGH einen zus盲tzlichen Vorsteuerversagungsgesichtspunkt bei B枚sgl盲ubigkeit geschaffen, nicht aber eine zus盲tzliche Einschr盲nkung bei der Vorsteuerversagung.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kl盲ger beantragt sinngem盲脽, die Revision zur眉ckzuweisen.
Es sei aus Sicht des Gemeinschaftsrechts zweifelhaft, ob das Recht auf Vorsteuerabzug von der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers abh盲ngig gemacht werden k枚nne, wenn ihm eine ansonsten ordnungsgem盲脽e Rechnung vorliege und die Identit盲t des leistenden Unternehmers auch auf andere Art und Weise nachgewiesen sei. Abgesehen davon ergebe sich der Vorsteuerabzug jedenfalls aus der Rechtsprechung des EuGH zum Vertrauensschutz.
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II. Die Revision des FA ist begr眉ndet. Das Urteil des FG war aufzuheben und die Klage abzuweisen (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Voraussetzungen f眉r den Vorsteuerabzug nach 搂 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 搂 14 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) lagen hinsichtlich der aus den streitigen Rechnungen geltend gemachten Vorsteuerbetr盲ge nicht vor. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes k枚nnen im Festsetzungsverfahren nicht ber眉cksichtigt werden.
1. Nach 搂 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des 搂 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer f眉r Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern f眉r sein Unternehmen ausgef眉hrt worden sind, als Vorsteuerbetr盲ge abziehen.
a) Eine ordnungsgem盲脽e Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis geh枚rt nach st盲ndiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen f眉r den Vorsteuerabzug (vgl. Beschluss vom 31. Juli 2007 V B 156/06, BFH/NV 2008, 416, m.w.N.; Urteil vom 1. Juli 2004 V R 33/01, BFHE 206, 463, BStBl II 2004, 861, unter II.2.).
b) Dabei m眉ssen die Angaben im Abrechnungspapier eine eindeutige und leicht nachpr眉fbare Feststellung des leistenden Unternehmers erm枚glichen. Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer m眉ssen grunds盲tzlich identisch sein (vgl. BFH-Urteil vom 17. September 1992 V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205, unter II.2.b; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, m.w.N.). Hierf眉r ist die Angabe der zutreffenden Anschrift in der Rechnung erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, unter II.3.). Denn diese erm枚glicht der Finanzverwaltung zu 眉berpr眉fen, ob tats盲chlich der abrechnende Unternehmer den in der Rechnung ausgewiesenen Umsatz ausgef眉hrt hat.
Dass trotz einer fehlerhaften Anschrift der leistende Unternehmer auf andere Weise ermittelt werden kann, ist entgegen der Ansicht des Kl盲gers f眉r die Frage, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen f眉r den Vorsteuerabzug vorliegen, ohne Bedeutung. Denn die Angabe der richtigen Anschrift in der Rechnung dient gerade dazu, die Voraussetzungen f眉r den Sofortabzug der Vorsteuer 眉berpr眉fen zu k枚nnen. Der Vorsteuerabzug steht dem Unternehmer deshalb erst bei Vorlage einer Rechnung mit der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers zu.
c) Dem Kl盲ger steht der Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen der Firma X-Automobile mangels zutreffender Rechnungsanschrift nicht zu. Denn nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden W眉rdigung des FG hat der in den Rechnungen angegebene Sitz im Zeitpunkt der Erstellung der Rechnungen des X zwischen dem 13. Januar und dem 13. M盲rz 1998 nicht mehr bestanden. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stand f眉r das FG fest, dass W nur bis zu einem nicht n盲her ermittelbaren Zeitpunkt vor dem 15. Dezember 1997 an der Rechnungsadresse nachweisbar gesch盲ftlich aktiv gewesen sei. Das FG st眉tzt sich insoweit im Wesentlichen auf die Feststellungen, dass weder der Verwalter der Immobilie (Herr D) noch der Pr眉fer des Finanzamts Y zu verschiedenen Zeitpunkten W in den Gesch盲ftsr盲umen angetroffen haben. Zwar habe der Kl盲ger den W am 13. Februar 1998 vor den Gesch盲ftsr盲umen getroffen, um ein Fahrzeug abzuholen. Dies schlie脽e aber nicht aus, dass die Gesch盲ftsr盲ume selbst nicht mehr genutzt worden seien. Auch der Zusammenhang mit der angek眉ndigten Sonderpr眉fung durch das Finanzamt Y lege den Schluss nahe, dass W die Gesch盲ftsr盲ume ger盲umt habe, um der Pr眉fung zu entgehen. Diese W眉rdigung ist m枚glich, verst枚脽t nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungss盲tze und bindet den Senat daher (搂 118 Abs. 2 FGO).
Die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung keinerlei gesch盲ftliche Aktivit盲ten stattfinden, reicht als zutreffende Anschrift nicht aus (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, unter II.C.1.a; in BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, unter II.3.c).
2. Die vom Kl盲ger geltend gemachten Vorsteuerbetr盲ge sind im Festsetzungsverfahren auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes abziehbar. Nach st盲ndiger Rechtsprechung des BFH sieht 搂 15 UStG den Schutz des guten Glaubens an die Erf眉llung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vor. Dem steht auch die Entscheidung des EuGH in der Rs. Kittel und Recolta Recycling (Slg. 2006, I-6161) nicht entgegen. Hinsichtlich der Begr眉ndung verweist der Senat auf das in einem Parallelfall ergangene Grundsatzurteil des V. Senats des BFH vom 30. April 2009 V R 15/07 (BFHE 225, 254, BStBl II 2008, 744).
3. Allerdings haben die Mitgliedstaaten bei der Aus眉bung der Befugnisse, die ihnen die Gemeinschaftsrichtlinien 眉bertragen, die allgemeinen Rechtsgrunds盲tze, die Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind, zu beachten. Hierzu z盲hlen insbesondere die Grunds盲tze der Rechtssicherheit, der Verh盲ltnism盲脽igkeit und des Vertrauensschutzes (vgl. EuGH-Urteile vom 21. Februar 2008 Rs. C-271/06 --Netto-Supermarkt--, Slg. 2008, I-771, Randnr. 18; vom 14. September 2006 Rs. C-181/04 bis C-183/04 --Elmeka--, Slg. 2006, I-8167, Randnr. 31; vom 11. Mai 2006 Rs. C-384/04 --Federation of Technological Industries--, Slg. 2006, I-4191, Randnr. 29; vom 18. Dezember 1997 Rs. C-286/94, C-340/95, C-401/95, C-47/96 --Molenheide--, Slg. 1997, I-7281, Randnrn. 45 ff.).
Der Senat schlie脽t sich dem BFH-Urteil in BFHE 225, 254, BStBl II 2008, 744 auch insoweit an, als Vertrauensschutz aufgrund besonderer Verh盲ltnisse des Einzelfalls nach nationalem Recht nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung nach 搂搂 16, 18 UStG, sondern nur im Rahmen einer Billigkeitsma脽nahme gem盲脽 搂搂 163, 227 der Abgabenordnung zu gew盲hren ist.
Da das FG von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Fundstellen
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BFH/NV 2010, 256 |
HFR 2010, 399 |