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Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen
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Leitsatz (amtlich)
1. Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer tr盲gt die Feststellungslast daf眉r, dass der in der Rechnung einer GmbH angegebene Sitz tats盲chlich bestanden hat.
2. Es besteht eine Obliegenheit des Leistungsempf盲ngers, sich 眉ber die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu vergewissern.
3. Die Anforderungen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung sind f眉r alle Unternehmer, unabh盲ngig von der Rechtsform, dieselben.
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Normenkette
UStG 1993 搂搂听14, 15 Abs. 1; FGO 搂搂听68, 121, 127; EWGRL 560/86 Art. 1 Nr. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) betreibt in Deutschland einen Kfz-Handel und erwarb im Streitjahr (1996) unter anderem Fahrzeuge, die aus Italien reimportiert worden waren.
Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderpr眉fung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) f眉r 1996 den Vorsteuerabzug in H枚he von insgesamt 64 186,10 DM. Dabei handelt es sich um Rechnungen der Firma W in N (Deutschland) sowie um eine Rechnung vom 4. November 1996 mit einem Vorsteuerbetrag von 2 452,17 DM, die nicht an den Kl盲ger, sondern an eine Firma M in M (Deutschland) gerichtet gewesen sei.
Das FA wich von der Umsatzsteuererkl盲rung 1996 insoweit ab und erlie脽 unter dem 20. August 1998 einen Umsatzsteuerbescheid, in dem die Umsatzsteuer um 64 186,10 DM h枚her als erkl盲rt festgesetzt wurde.
Einspruch und Klage, mit der der Kl盲ger die Herabsetzung der Umsatzsteuer um 61 734,73 DM beantragte, blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) ging nach den Feststellungen der Umsatzsteuerpr眉fung von folgendem Sachverhalt aus:
Die Adresse in N stellte lediglich eine Scheinadresse dar, da der Rechnungsaussteller dort keine eigenen wirtschaftlichen Aktivit盲ten entfaltet hatte. KW war vielmehr in Italien ans盲ssig und hatte auch das bei einer Bank in Deutschland eingerichtete Gesch盲ftskonto nicht genutzt. Unter der Anschrift in N war nur ein B眉roservice der Firma D ans盲ssig.
Das FG begr眉ndete sein Urteil im Wesentlichen wie folgt:
W sei lediglich "papierm盲脽ig" in eine fingierte Lieferkette eingeschaltet gewesen und habe die in Rechnung gestellte Lieferung tats盲chlich nicht erbracht.
Nach 眉bereinstimmender Beurteilung der Beteiligten sei als Lieferant der vom Kl盲ger erworbenen Fahrzeuge der in Italien wohnhafte KW anzusehen, der offenbar die Fahrzeuge in Italien gekauft und in Deutschland an deutsche Abnehmer, u.a. den Kl盲ger, weiterver盲u脽ert habe. Hierbei habe die Verwendung der Rechnungsanschrift in N dazu gedient, gegen眉ber den Abnehmern der Fahrzeuge zu verschleiern, dass es sich bei dem leistenden Unternehmer um einen ausl盲ndischen Unternehmer gehandelt habe, der bei dem Verbringen der Fahrzeuge nach Deutschland die Besteuerung als innergemeinschaftlichen Erwerb vermeiden und gegen眉ber seinen Kunden den Eindruck eines inl盲ndischen Unternehmers habe erwecken wollen. Jedenfalls im Zeitpunkt der Rechnungserteilung sei aufgrund der Angaben in den Rechnungen nicht leicht und eindeutig festzustellen gewesen, dass leistender Unternehmer der in Italien ans盲ssige KW gewesen sei. Allein die Tatsache, dass KW unter der Anschrift in N ein Gewerbe angemeldet habe und nach Aufgabe der T盲tigkeit im Folgejahr beim zust盲ndigen FA eine Umsatzsteuervoranmeldung abgegeben habe, gen眉ge nicht zu seiner Identifizierung. Damit habe lediglich der B眉roservice der Firma D ausfindig gemacht werden k枚nnen. Der Aufwand zur Identifizierung des Unternehmers m眉sse aber wegen der den Abrechnungspapieren zugedachten Funktion eines Belegnachweises begrenzt sein. Es sei deshalb f眉r die Angabe im Abrechnungspapier zu fordern, dass diese eine eindeutige und leicht nachpr眉fbare Feststellung des Unternehmers erm枚gliche.
Die Grunds盲tze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach der in Rechnungen einer GmbH angegebene Sitz bei Ausf眉hrung der Leistung und Rechnungsausstellung tats盲chlich bestehen m眉sse und ein Scheinsitz anzunehmen sei, wenn am angegebenen Firmensitz keinerlei Gesch盲ftsleitungs- und Arbeitgeberfunktionen, Beh枚rdenkontakte und Zahlungsverkehr stattgefunden h盲tten, m眉ssten bei nat眉rlichen Personen entsprechend Anwendung finden. Die T盲tigkeit des B眉roservice der Firma D habe sich im Wesentlichen darauf beschr盲nkt, eingehende Telefonanrufe und Postsendungen weiterzuleiten, ohne dass dort eine sonstige unternehmerische T盲tigkeit in Form von Gesch盲ftsleitung, Beh枚rdenkontakten oder Zahlungsverkehr entfaltet worden w盲re.
Bei dem Umfang der von KW unter der Anschrift in N betriebenen Gesch盲ftst盲tigkeiten (erkl盲rte Ums盲tze von September bis Dezember 1996 mehr als 鈥 Mio. DM) h盲tten allein schon in gro脽em Umfang Gesch盲ftsunterlagen (Einkaufs- und Verkaufsbelege, Buchf眉hrungsunterlagen, Zahlungsbelege usw.) am angeblichen Gesch盲ftssitz aufbewahrt werden m眉ssen, was aber nicht der Fall gewesen sei. Auch seien keinerlei Gelder 眉ber das betriebliche Konto bei der Bank in Deutschland geflossen.
Im Zeitpunkt der Rechnungserteilung sei nicht bekannt gewesen, dass Leistender der in Italien ans盲ssige KW gewesen sei. Vielmehr sei dieser Umstand der Finanzverwaltung erst im Zuge der sp盲teren Ermittlungen der Steuerfahndungsstellen bekannt geworden.
Hiergegen richtet sich die --vom FG zugelassene-- Revision.
Im Revisionsverfahren (am 10. November 2005) ist der Umsatzsteuerbescheid f眉r 1996 ge盲ndert worden, indem die im Rahmen einer tats盲chlichen Verst盲ndigung vor dem FG vorzunehmenden 脛nderungen ber眉cksichtigt wurden.
Mit der Revision macht der Kl盲ger Verletzung materiellen und formellen Rechts geltend.
Er tr盲gt vor, das FG habe seine Sachaufkl盲rungspflicht verletzt, indem es davon ausgegangen sei, dass die Anschrift des KW unbekannt gewesen sei. Das sei unzutreffend. Richtig sei vielmehr, dass jederzeit bekannt gewesen sei, dass KW in Italien ans盲ssig gewesen sei.
Au脽erdem k枚nnten die vom BFH entwickelten Anforderungen an die Rechnung einer GmbH nicht auf die Rechnung eines Einzelunternehmers 眉bertragen werden. Dies gebiete die Sitz- und Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU.
Selbst bei einer GmbH aber k枚nne die Adresse eines B眉roservice als Sitz in Deutschland ausreichend sein, sofern gesch盲ftliche Aktivit盲ten von diesem Standpunkt aus entwickelt w眉rden.
Ob KW seinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei, sei unerheblich, weil es f眉r den Vorsteuerabzug unsch盲dlich sei, wenn sich der leistende Unternehmer dem Zugriff der Finanzbeh枚rden entziehe.
Der Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer gebiete es, den guten Glauben des Leistungsempf盲ngers an die vermeintliche Unternehmereigenschaft des Leistenden zu sch眉tzen. Er, der Kl盲ger, sei gutgl盲ubig gewesen. Sowohl der Firmenkopf als auch die Rechnungen h盲tten die Firma W mit der Adresse in N (Deutschland) ausgewiesen. Bei Anrufen habe sich entweder eine Frau D oder KW selbst gemeldet. Bei an die Adresse in N gesendeten Mitteilungen und R眉ckfragen habe er, der Kl盲ger, immer innerhalb von ein bis drei Tagen eine Antwort oder einen R眉ckruf erhalten.
Der Vorsteuerabzug sei ihm daher wenigstens im Wege einer Billigkeitsma脽nahme zuzusprechen.
Der Kl盲ger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer um 鈥 DM herabzusetzen;
hilfsweise den Rechtsstreit unter Aufhebung des FG-Urteils zur眉ckzuverweisen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegr眉ndet. Sie f眉hrt zwar aus verfahrensrechtlichen Gr眉nden zur Aufhebung der Vorentscheidung, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Urteil des FG hat 眉ber die Rechtm盲脽igkeit des Umsatzsteuerbescheides 1996 vom 13. M盲rz 2000 entschieden. An die Stelle dieses Bescheides trat w盲hrend des Revisionsverfahrens gem盲脽 搂 68 Satz 1, 搂 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der 脛nderungsbescheid vom 10. November 2005.
Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand mehr haben kann (vgl. BFH-Urteile vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10; vom 10. November 2004 XI R 30/04, BFHE 208, 194, BStBl II 2005, 274; vom 23. August 2007 V R 10/05, BFH/NV 2007, 2217).
2. Einer Zur眉ckverweisung an das FG nach 搂 127 FGO bedarf es nicht, weil sich durch den 脛nderungsbescheid der bisherige Streitstoff nicht ver盲ndert hat. Der erkennende Senat entscheidet deshalb gem盲脽 搂 126 Abs. 2 FGO in der Sache selbst und weist die Klage gegen den Umsatzsteuer-脛nderungsbescheid vom 10. November 2005 ab.
3. Das FG hat zu Recht den Vorsteuerabzug versagt, weil die Adresse in den Rechnungen nicht die Adresse des leistenden Unternehmers gewesen ist.
a) Ein Unternehmer kann nach 搂 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG 1993) die in Rechnungen i.S. des 搂 14 UStG 1993 gesondert ausgewiesene Steuer f眉r Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern f眉r sein Unternehmen ausgef眉hrt worden sind, als Vorsteuerbetr盲ge abziehen. Gem盲脽 搂 14 Abs. 1 UStG 1993 muss die Rechnung u.a. den Namen und die vollst盲ndige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Dabei muss die Rechnung grunds盲tzlich den richtigen Namen (Firma) und die richtige Adresse des leistenden Unternehmers angeben.
b) Der BFH hat bisher nur in F盲llen von Gesellschaften mit beschr盲nkter Haftung (GmbH) entschieden, dass der Abzug der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer nur m枚glich ist, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausf眉hrung der Leistung und bei Rechnungstellung tats盲chlich bestanden hat. Der sog. Sofortabzug der Vorsteuer gebietet es, dass der Finanzverwaltung eine eindeutige und leicht nachpr眉fbare Feststellung des leistenden Unternehmers erm枚glicht wird (st盲ndige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 29. April 1993 V R 118/89, BFH/NV 1994, 584; vom 17. September 1992 V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, jeweils mit Nachweisen). Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer tr盲gt die Feststellungslast daf眉r, dass der in der Rechnung einer GmbH angegebene Sitz tats盲chlich bestanden hat (BFH-Urteil vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620). Denn es besteht eine Obliegenheit des Leistungsempf盲ngers, sich 眉ber die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu vergewissern.
Diese Grunds盲tze werden durch das Urteil des Gerichtshofs der Europ盲ischen Gemeinschaften (EuGH) vom 28. Juni 2007 C-73/06, Planzer Luxembourg Sarl (BFH/NV Beilage 2007, 418, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 654 Randnr. 62) best盲tigt. Danach l盲sst sich eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie f眉r eine "Briefkastenfirma" oder f眉r eine "Strohfirma" charakteristisch ist, nicht als Sitz einer wirtschaftlichen T盲tigkeit i.S. von Art. 1 Nr. 1 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten 眉ber die Umsatzsteuern 鈥 Verfahren der Erstattung der Mehrwerststeuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ans盲ssige Steuerpflichtige (Richtlinie 86/560/EWG) ansehen. Au脽erdem ist die Ber眉cksichtigung der wirtschaftlichen Realit盲t ein grundlegendes Kriterium f眉r die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (EuGH-Urteil Planzer Luxembourg Sarl in BFH/NV Beilage 2007, 418, UR 2007, 654 Randnr. 43).
c) Die Rechtsformneutralit盲t der Umsatzsteuer gebietet es, diese Anforderungen an alle Unternehmer gleicherma脽en zu stellen.
Ob ein "Briefkasten-Sitz" mit postalischer Erreichbarkeit des Unternehmers nach den Umst盲nden des Einzelfalles als hinreichende Adresse des leistenden Unternehmers 眉berhaupt in Betracht kommen kann, hat der Senat nicht zu entscheiden. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn besondere, detaillierte Feststellungen die Annahme eines "Scheinsitzes" rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620; BFH-Beschl眉sse vom 4. Februar 2003 V B 81/02, BFH/NV 2003, 670; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFH/NV 2007, 2035).
Das FG hat derartige Feststellungen getroffen. Es hat festgestellt, dass die Verwendung der Anschrift in N nur dazu gedient habe, gegen眉ber den Abnehmern der Fahrzeuge zu verschleiern, dass es sich bei dem leistenden Unternehmer um einen ausl盲ndischen Unternehmer gehandelt habe, der bei dem Verbringen der Fahrzeuge nach Deutschland eine Besteuerung durch die Abnehmer als innergemeinschaftlichen Erwerb habe vermeiden wollen. Die T盲tigkeit des B眉roservice der Firma D habe sich darauf beschr盲nkt, eingehende Telefonanrufe und Postsendungen weiterzuleiten, ohne dass eine sonstige unternehmerische T盲tigkeit in Form von Gesch盲ftsleitung, Beh枚rdenkontakten oder Zahlungsverkehr stattgefunden habe. Obwohl die angeblich von N aus betriebene Gesch盲ftst盲tigkeit mit einem Umsatz von mehr als 鈥 Mio. DM innerhalb von vier Monaten einen erheblichen Umfang gehabt habe, seien in N keinerlei Gesch盲ftsunterlagen aufbewahrt worden und es sei 眉ber das Konto bei der Bank in Deutschland auch kein Zahlungsverkehr abgewickelt worden.
4. Die Gew盲hrung des Vorsteuerabzugs aus Billigkeitsgr眉nden kommt nicht in Betracht. Ob die Angaben in der Rechnung 眉berhaupt einem Gutglaubensschutz zug盲nglich sind, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Wie bereits unter II. 3. b) dargelegt, besteht eine Obliegenheit des Leistungsempf盲ngers, sich 眉ber die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu vergewissern. Das gilt hier in verst盲rktem Ma脽e, weil der Kl盲ger seinem eigenen Vorbringen zufolge wusste, dass KW einen Wohnsitz in Italien hatte und seine Handy-Nummer eine italienische Vorwahl hatte. Angesichts der unterschiedlichen Besteuerung des Erwerbs im Inland und des innergemeinschaftlichen Erwerbs sind dies Anhaltspunkte, die dem Kl盲ger Anlass zu einer erh枚hten Sorgfalt bei der Pr眉fung der Richtigkeit der Rechnungsdaten gegeben haben.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 1964208 |
BFH/NV 2008, 907 |
BStBl II 2008, 695 |
BFHE 2009, 55 |
BFHE 221, 55 |
BB 2008, 807 |
DB 2008, 853 |
DStR 2008, 821 |
DStRE 2008, 655 |
DStZ 2008, 301 |
HFR 2008, 742 |
UR 2008, 436 |