听
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einflu脽 bauordnungsrechtlicher Vorschriften auf den Begriff der Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne
听
Leitsatz (NV)
Die Vorschriften des Bauordnungsrechts, die die Anforderungen an die Eignung von R盲umen (Raumeinheiten) zum dauernden Aufenthalt von Menschen festlegen, sind auch f眉r den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff von Bedeutung. Die ma脽gebende Entscheidung dar眉ber, ob Wohnr盲ume den Anforderungen des Bauordnungsrechts gen眉gen, steht den Baubeh枚rden bzw. den Verwaltungsgerichten zu. Demgem盲脽 wird die Finanzbeh枚rde bzw. das FG die Entscheidung der zust盲ndigen Beh枚rde grunds盲tzlich auch dann zu beachten haben, wenn diese Beh枚rde die Baugenehmigung -- sei es auch nachtr盲glich und evtl. unter Gew盲hrung eines Dispenses von bauordnungsrechtlichen Vorschriften -- erteilt und damit ausdr眉cklich oder konkludent zum Ausdruck gebracht hat, da脽 (bauordnungsrechtliche) Bedenken in bezug auf die Eignung der betreffenden R盲ume zum dauernden Aufenthalt von Menschen und als Wohnung nicht bestehen.
Allerdings ist eine nachtr盲glich -- d. h. nach dem ma脽geblichen Feststellungszeitpunkt -- erteilte Baugenehmigung im Hinblick auf das strikte bewertungsrechtliche Stichtagsprinzip dann unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen f眉r deren Erteilung nicht schon am streitigen Stichtag vorlagen, sondern erst durch tats盲chliche Umgestaltungen nach dem Feststellungszeitpunkt geschaffen wurden oder wenn die sp盲ter erteilte Baugenehmigung erst dadurch erm枚glicht wurde, da脽 sich die bauordnungsrechtlichen Vorschriften nach dem Bewertungsstichtag zugunsten des Antragstellers ver盲ndert haben, die Baugenehmigung also nach den am Feststellungszeitpunkt ma脽gebenden bauordnungsrechtlichen Bestimmungen nicht erteilt worden w盲re.
听
Normenkette
BewG 1965 搂 75 Abs.听5-6; FGO 搂 74
听
Tatbestand
Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin) ist Eigent眉merin des Wohngrundst眉cks X-Weg in K. Neben der Hauptwohnung enth盲lt das Geb盲ude eine im Kellergescho脽 (Souterrain) gelegene "Einliegerwohnung", bestehend aus einem Wohn- und Schlafraum (19,62 qm), einem Bad mit Dusche und WC (4,07 qm) sowie einer Diele (5,57 qm). Die Gesamtfl盲che dieser -- fremdvermieteten -- Raumeinheit betr盲gt demnach 29,26 qm.
Bei einer Ortsbesichtigung im November 1987 stellt der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) fest, da脽 in dem Wohn- und Schlafraum der "Einlieger wohnung" lediglich eine mobile Kochplatte vorhanden gewesen sei. Ein Starkstrom anschlu脽 und eine sogenannte Herdanschlu脽dose seien nicht installiert gewesen.
Aufgrund dieser Feststellungen stellte das FA f眉r das Grundst眉ck mit dem angefochtenen Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1984 die Art "Einfamilienhaus" fest.
Mit der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrte die Kl盲gerin, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, weil das Grundst眉ck ein "Zweifamilienhaus" darstelle.
Bei einer im Oktober 1991 durchgef眉hrten Augenscheinseinnahme stellt der Berichterstatter des finanzgerichtlichen Verfahrens fest, da脽 der Wohn- und Schlafraum der "Einliegerwohnung" durch ein doppelfl眉geliges Thermoprenfenster belichtet werde, dessen Gesamtfl盲che 1,43 qm betrage. Der Fu脽boden der "Einliegerwohnung" liege 1,25 m tief im Erdreich. Die Unterkante des erw盲hnten Fensters befinde sich ca. 3 cm oberhalb des Erdreichs.
W盲hrend des finanzgerichtlichen Verfahrens -- am 12. November 1991 -- beantragte die Kl盲gerin bei der zust盲ndigen Bauordnungsbeh枚rde, ihr f眉r die "Einliegerwohnung" nachtr盲glich eine Baugenehmigung zu erteilen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aufgrund m眉ndlicher Verhandlung vom 19. Dezember 1991 als unbegr眉ndet ab. Es f眉hrte aus, eine Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne setze voraus, da脽 die betreffenden R盲ume zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet seien. Diese Voraussetzungen seien am streitigen Stichtag in bezug auf den Einliegerbereich nicht erf眉llt gewesen. Gem盲脽 搂 44 Abs. 5 Satz 3 der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen (LBauO NW) 1984 seien Aufenthaltsr盲ume und Wohnungen in Kellergeschossen nur zul盲ssig, wenn das Geb盲ude vor den Au脽enw盲nden mit notwendigen Fenstern in einer f眉r die Beleuchtung mit Tageslicht ausreichenden Entfernung und Breite nicht mehr als 0,80 m 眉ber dem Fu脽boden liege. Im Streitfall werde die zul盲ssige Tiefe um 0,45 m 眉berschritten.
Bei dieser Sachlage habe der Senat unber眉cksichtigt lassen k枚nnen, da脽 die Kl盲gerin am 12. November 1991 eine nachtr盲gliche Baugenehmigung f眉r die Einliegerwohnung beantragt habe. F眉r die Feststellung des Vorhandenseins einer Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne w盲re nur die Versagung einer Baugenehmigung pr盲judiziell. Eine entgegen 搂 44 LBauO NW 1984 erteilte Bau genehmigung w眉rde den Senat indes nicht binden.
Mit der Revision r眉gt die Kl盲gerin die Ver letzung materiellen Rechts. Sie beantragt (sinngem盲脽), die Vorentscheidung und den angefochtenen Artfortschreibungsbescheid aufzuheben sowie das FA zu verpflichten, die Grundst眉cksart "Zweifamilienhaus" festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
听
贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Die Revision f眉hrt zr Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zur眉ckverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (搂 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die vom FG getroffenen tats盲chlichen Feststellungen reichen zur Begr眉ndung seiner klageabweisenden Entscheidung nicht aus. Auch h盲tte das FG das Verfahren unter den gegebenen Umst盲nden gem盲脽 搂 74 FGO bis zur Entscheidung der zust盲ndigen Beh枚rde 眉ber die von der Kl盲gerin nachtr盲glich beantragte Baugenehmigung f眉r die "Einliegerwohnung" aussetzen m眉ssen.
Der Entscheidung des FG w盲re dann beizupflichten, wenn das Grundst眉ck im streitigen Stichtag nur eine Wohnung (die sog. Hauptwohnung) enthalten h盲tte, wenn also der im Souterrain gelegene Einliegerbereich nicht als zus盲tzliche -- zweite -- Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne anzuerkennen w盲re (vgl. 搂 75 Abs. 5 und 6 des Bewertungsgesetzes -- BewG --).
a) Unter einer Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne ist nach st盲ndiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Zusammenfassung einer Mehrheit von R盲umen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein m眉ssen, da脽 die F眉hrung eines selbst盲ndigen Haushalts m枚glich ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151). Die M枚glichkeit zur F眉hrung eines selbst盲ndigen Haushalts setzt naturgem盲脽 voraus, da脽 die betreffenden R盲ume zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet sind. Ob dies zutrifft und ob auch die weiteren Voraussetzungen einer Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne gegeben sind, bestimmt sich nach den -- durch Auslegung zu konkretisierenden -- einschl盲gigen Vorschriften des BewG.
Dadurch wird aber nicht ausgeschlossen, da脽 die in anderen Rechtsgebieten an den Begriff der Wohnung gestellten Anforderungen auch den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff beeinflussen k枚nnen (vgl. auch BFH-Urteil vom 24. November 1978 III R 81/76, BFHE 126, 565, BStBl II 1979, 255). So sind die Vorschriften des Bauordnungsrechts, welche die Anforderungen an die Eignung von R盲umen (Raumeinheiten) zum dauernden Aufenthalt von Menschen festlegen, auch f眉r den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff von Bedeutung. Dementsprechend hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 24. April 1991 II R 2/89 (BFHE 164, 455, BStBl II 1991, 683) ausgef眉hrt, da脽 R盲ume in der Regel auch bewertungsrechtlich nicht als Wohnung anerkannt werden k枚nnen, wenn die zust盲ndige Beh枚rde die Baugenehmigung mit der Begr眉ndung versagt habe, da脽 die betreffenden R盲ume zum dauernden Aufenthalt von Menschen nicht geeignet seien. In diesem Urteil, das -- ebenso wie der vorliegende Streitfall -- das Problem betrifft, ob R盲ume trotz ihrer Lage im Kellergescho脽 (Souterrain) als Wohnung i. S. des 搂 75 Abs. 5 und 6 BewG angesehen werden k枚nnen, hat der erkennende Senat des weiteren darauf hingewiesen, da脽 die ma脽gebende Entscheidung dar眉ber, ob derartige R盲ume den Anforderungen des Bauordnungsrechts gen眉gen, den Baubeh枚rden bzw. den Verwaltungsgerichten zusteht. Demzufolge wird die Entscheidung der zust盲ndigen Bauordnungsbeh枚rde grunds盲tzlich auch dann zu beachten sein, wenn diese Beh枚rde die Baugenehmigung -- sei es auch nachtr盲glich und evtl. unter Gew盲hrung eines Dispenses von bauordnungsrechtlichen Vorschriften (vgl. z. B. 搂 68 Abs. 3 LBauO NW 1984) -- erteilt und damit ausdr眉cklich oder konkludent zum Ausdruck gebracht hat, da脽 (bauordnungsrechtliche) Bedenken in bezug auf die Eignung der betreffenden R盲ume zum dauernden Aufenthalt von Menschen und als Wohnung nicht bestehen.
Allerdings ist eine nachtr盲glich -- d. h. nach dem ma脽geblichen Feststellungszeitpunkt -- erteilte Baugenehmigung im Hinblick auf das strikte bewertungsrechtliche Stichtagsprinzip dann unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen f眉r deren Erteilung nicht schon am streitigen Stichtag vorlagen, sondern erst durch tats盲chliche Umgestaltungen nach dem Feststellungszeitpunkt geschaffen wurden oder wenn die sp盲ter erteilte Baugenehmigung erst dadurch erm枚glicht wurde, da脽 sich die bauordnungsrechtlichen Vorschriften nach dem Bewertungsstichtag zugunsten des Antragstellers ver盲ndert haben, die Baugenehmigung also nach den am Feststellungszeitpunkt ma脽gebenden bauordnungsrechtlichen Bestimmungen nicht erteilt worden w盲re.
b) Bei Anwendung der vorstehenden Grunds盲tze auf den Streitfall mu脽 die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zur眉ckverwiesen werden. Der bisher vom FG festgestellte Sachverhalt erm枚glicht keine abschlie脽ende Beurteilung dar眉ber, ob die streitige Raumeinheit im Souterrain am ma脽gebenden Feststellungszeitpunkt eine Wohnung i. S. des 搂 75 Abs. 5 und 6 BewG darstellte.
Aus den Feststellungen des FG ergibt sich, da脽 die erforderliche Baugenehmigung f眉r die in Rede stehende Raumeinheit weder am streitigen Stichtag vorlag noch zu einem sp盲teren Zeitpunkt bis zum Erla脽 der angefochtenen Vorentscheidung erteilt wurde. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich ferner, da脽 die Kl盲gerin bereits vor der letzten m眉ndlichen Verhandlung vor dem FG bei dem zust盲ndigen Bauaufsichtsamt (am 12. November 1991) um eine nachtr盲gliche Genehmigung des Ausbaus der Souterrain-Einliegerwohnung nachgesucht hatte. Wie unter II.1. a dargelegt, oblag die ma脽gebliche Entscheidung dar眉ber, ob die betreffenden Souterrain- R盲ume den bauordnungsrechtlichen Anforderungen (vgl. insbesondere 搂 44 LBauO NW 1984 und vorher 搂 61 LBauO NW 1970) entsprachen und damit zum dauernden Aufenthalt von Bewohnern tauglich waren, der zust盲ndigen Baubeh枚rde bzw. den Verwaltungsgerichten. Daraus folgt, da脽 das FG, sofern es -- wie geschehen -- seine Entscheidung auf die tragende Erw盲gung st眉tzen wollte, den betreffenden R盲ume fehle infolge eines Versto脽es gegen 搂 44 LBauO NW 1984 die Eignung zum dauernden Aufenthalt von Menschen, das Verfahren gem盲脽 搂 74 FGO bis zur (bestandskr盲ftigen) Erteilung oder Versagung der Baugenehmigung h盲tte aussetzen m眉ssen. Eine solche Aussetzung w盲re nicht zuletzt auch im Interesse der Vermeidung widerstreitender Entscheidungen verschiedener staatliche Stellen geboten gewesen. Das Unterlassen einer gem盲脽 搂 74 FGO gebotenen Aussetzung des Verfahrens stellt nach st盲ndiger Rechtsprechung des BFH einen Versto脽 gegen die Grundordnung des Verfahrens dar, der vom Revisionsgericht auch ohne R眉ge der Beteiligten von Amts wegen zu beachten ist (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Gr盲ber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 搂 118 Rdnr. 50, am Ende).
Die Kl盲gerin hat im Revisionsverfahren mitgeteilt, da脽 ihr die Baugenehmigung erteilt worden ist, und hat die entsprechenden Unterlagen vorgelegt. Dem Senat ist es verwehrt, diese neue Tatsache bei seiner Entscheidung zu ber眉cksichtigen. Das FG wird im zweiten Rechtsgang unter Beachtung der unter II.1. a dargelegten Grunds盲tze pr眉fen m眉ssen, ob sich aus der Entscheidung der Baubeh枚rde f眉r die bewertungsrechtliche Beurteilung ergibt, da脽 die betreffenden R盲ume zu Wohnzwecken geeignet sind. Dabei wird es ggf. auch zu ermitteln haben, ob die Baugenehmigung auch unter der Geltung der am streitigen Stichtag (1. Januar 1984) ma脽geblichen LBauO NW 1970 erteilt worden w盲re.
Sollte die von der Baugenehmigungsbeh枚rde getroffene Entscheidung f眉r das Bewertungsrecht zu 眉bernehmen sein, so kommt es ferner darauf an, ob auch die 眉brigen, von der zust盲ndigen Rechtsprechung des BFH geforderten Voraussetzungen einer Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne (bauliche Abgeschlossenheit; vgl. dazu inbesondere BFH-Urteile in BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151; vom 8. Februar 1985 III R 62/84, BFHE 142, 567, BStBl II 1985, 319; vom 26. M盲rz 1985 III R 124/84, BFHE 144, 72, BStBl II 1985, 496; vom 16. September 1987 II R 43/85, BFH/NV 1988, 770, und vom 24. April 1991 II R 106/89, BFH/NV 1992, 370; Vorhandensein der notwendigen Anschl眉sse usw.) am streitigen Stichtag vorlagen. Auch diese Pr眉fung wird das FG daher erforderlichenfalls nachzuholen haben.
听
Fundstellen
亿兆体育-Index 420685 |
BFH/NV 1995, 956 |
BFH/NV 1995, 957 |