Mit einem Master auf die Unternehmensnachfolge vorbereiten

Ein Startup zu gründen, gilt als cool. Die Leitung eines bestehenden Unter­nehmens zu übernehmen, als altbacken. Aber gut qualifizierte Nach­folgerinnen und Nach­folger werden dringend benötigt. Wie Studiengänge im Master­bereich auf die Unter­nehmensnachfolge vorbereiten. 

Zwischen 2022 und 2026 werden in Deutschland 190.000 Unternehmen an die nächste Generation übergeben. 28 Prozent aller Unternehmerinnen und Unternehmer von KMU sind über 60 Jahre alt. In den kommenden fünf Jahren werden mindestens 22.000 Akademikerinnen und Akademiker die Nachfolge in einem Unternehmen antreten. Diese Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn und der KfW machen deutlich, wie groß der Bedarf an Hochschulangeboten ist, die für eine unternehmerische Tätigkeit qualifizieren – etwa für den Generationenwechsel in einem Familienunternehmen oder für eine externe Nachfolge bei einem Mittelständler. 

Studierende meiden Unternehmensnachfolge

Doch die Unternehmensnachfolge ist aus Sicht vieler Studierender kein erstrebenswertes Ziel. Auch seitens der Politik sowie vieler Hochschulen wird mehr Fokus auf die Befähigung zur Unternehmensgründung gelegt als zur Nachfolge in eine bestehende Organisation. Oder wie Holger Reinemann, Professor für Mittelstandsmanagement sowie Personal- und ԳٱԱ󳾱ԲüܲԲ an der Hochschule Koblenz formuliert: "Heute ist es hip zu gründen, aber es ist nicht hip Nachfolger zu werden." Dabei seien an deutschen Hochschulen rund 650.000 Studierende mit einem unternehmerischen Hintergrund eingeschrieben. Das heißt, sie kommen aus einer Familie, die einen Betrieb führt – der irgendwann eine neue Leitung benötigt. 

Für seine Hochschule kann Holger Reinemann noch genauere Zahlen nennen: Ein Drittel der Studierenden an der HS Koblenz haben einen unternehmerischen Hintergrund. Aber nur knapp zehn Prozent haben sich entschieden, die familieninterne Nachfolge anzutreten. Gleichzeitig können sich fast 20 Prozent der Studierenden die Nachfolge als berufliche Alternative vorstellen. Diese Zahlen wurden 2022 in einer Studierendenbefragung erhoben. 2022 erfolgte auch der Startschuss für das Projekt "Successor: Qualifizieren – Vernetzen – Nachfolge sichern", das Holger Reinemann leitet. 

Im Studium qualifizieren und vernetzen 

Mit "Successor" hat die Hochschule Koblenz ein Qualifizierungs- und Vernetzungsprogramm für angehende Unternehmensnachfolgerinnen und -nachfolger aus der Hochschule entwickelt. Das Programm richtet sich nicht nur an betriebswirtschaftlich Studierende, sondern auch an Studierende technischer Studiengänge und hat zwei Stränge: Qualifizierung an der Successor-Academy und Vernetzung im Successor-Club. Für die Qualifizierung wurde das Studienmodul "Grundlage der Unternehmensnachfolge" entwickelt, für das man nach erfolgreicher Teilnahme Credits sowie ein Zertifikat erhält. "Es ist auf die individuellen Bedürfnisse von Studierenden in einer Rolle als potenzielle Nachfolger ausgelegt und vermittelt Fachwissen zu Finanzierung, Steuern und Recht sowie Führungsthemen", so Holger Reinemann. "Das Modul, das als Blended-Learning-Ansatz konzipiert wurde, wird durch das Rahmenprogramm ergänzt, sodass Theorie und Praxis vermittelt werden." Zum Rahmenprogramm gehören Betriebsbesichtigungen, Expertenvorträge, Kamin- und Themenabende, Seminare und Workshops sowie Podcasts und Videoblogs. Auf besonders viel Resonanz trifft der jährlich stattfindende "Nachfolge-Beach" mit Vorträgen, Workshops und Networking am Stadtstrand Koblenz, der 2022 mit 35 Anmeldungen startete und zuletzt 164 zählte. Die anderen Veranstaltungen sind je nach Thema unterschiedlich nachgefragt. Insgesamt haben die Angebote bislang rund 500 Studierende durchlaufen. Ein guter Teil davon komme aus handwerklichen Betrieben, darunter immer häufiger auch junge Frauen, so Holger Reinemann.

Zertifikat für Unternehmensnachfolger im Masterstudium

Auch an der Hochschule München ist die Unternehmensnachfolge ein Thema. An der HM Business School kann seit dem Wintersemester 2023/24 das Zertifikat "Management der Unternehmensnachfolge" erworben werden. "Im berufsbegleitenden Studiengang 'Bachelor BWL und ԳٱԱ󳾱ԲüܲԲ' haben wir jährlich eine Beiratssitzung, unter anderem mit dem Geschäftsführer und dem Präsidenten der Handwerkskammer von München und Oberbayern. Hier wurde der große Bedarf an uns adressiert, weil in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein drastischer Generationswechsel in den Handwerksbetrieben, aber auch generell in KMU entsteht", berichtet Steffen Steinicke, Studiendekan der HM Business School. "Diese Beiratssitzung fand im Sommersemester 2023 statt und im Wintersemester gab es bereits das Angebot", fährt der Professor für Industrial Service Management und für Innovation in der Lehre fort.

Der Zertifikatskurs richtet sich an Meister, Fachwirte und einschlägig Berufstätige mit mehr als drei Jahren Berufserfahrung ohne Hochschulstudium, die mit dem Gedanken spielen, ein kleines Unternehmen oder einen Handwerksbetrieb zu übernehmen. Auch (Fach-)Abiturienten und -Abiturientinnen, die in den elterlichen Betrieb einsteigen wollen, zählen zur Zielgruppe. "Beide Zielgruppen haben die Gemeinsamkeit, dass sie auch mit dem Gedanken spielen, ein komplettes Hochschulstudium zu absolvieren. Das geht nahtlos, da wir das Zertifikat in unseren berufsbegleitenden BWL-Studiengang integriert haben", so Steffen Steinicke. 

Das Zertifikat besteht aus den folgenden Modulen: Unternehmensgründung und -nachfolge, Führen durch Überzeugen, monetäre ԳٱԱ󳾱ԲüܲԲ II (Finanz- und Risikomanagement, Controlling, Unternehmensbewertung, -besteuerung, Rating), monetäre ԳٱԱ󳾱ԲüܲԲ II (Vertiefung Unternehmenssteuern, Urheberrecht, Insolvenz, externe und interne Rechnungslegung). Insbesondere in den ersten beiden Modulen beschäftigen sich die Studierenden mit Fragen, die über die finanziellen, steuerlichen und vertragsrechtlichen Themen hinausgehen. "Im Modul "Führen durch Überzeugen" lernen sie zum Beispiel Methoden kennen, wie sie im Übernahmefall ihre Mitarbeitenden und Kunden zum Bleiben bewegen können", erklärt Steinicke. Denn oftmals mangelt es bei Unternehmensnachfolgen nicht an fehlendem Wissen rund um steuerliche und rechtliche Hintergründe, sondern an Führungs-Know-how. Steht ein Führungswechsel in einem Unternehmen an, führt das sehr häufig zu einem Rückgang des Mitarbeiterengagements, einem Vertrauensverlust sowie zu einem nachlassenden Glauben der Belegschaft an den künftigen Unternehmenserfolg, hat kürzlich eine Studie von Culture Amp ermittelt. 

Ein Masterstudium, das sich auf Familienunternehmen konzentriert

Auch die Zeppelin Universität bereitet ihre Studierenden gezielt darauf vor, die negativen Effekte eines Führungswechsels abzumildern. "Dies geschieht durch die Vermittlung von Strategien für transparente Kommunikation, Change Management und Vertrauensaufbau sowie durch die praxisnahe Anwendung dieser Inhalte im Unternehmenskontext. Besonderer Fokus liegt auf Soft Skills, effektiver Führung und der Verbindung von Tradition und Innovation, um den Übergang reibungslos zu gestalten und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern", sagt Clemens Krüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen. 

Die Besonderheit in Friedrichshafen: Der Executive Master for Family Entrepreneurship (EMA FESH) fokussiert sich auf die Besonderheit von Familienunternehmen. "Dies beinhaltet Themen wie die Dynamik von Familienstrukturen im Unternehmenskontext, Nachfolgeprozesse, familieninterne Governance, die Balance zwischen Tradition und Innovation sowie die langfristige strategische Ausrichtung unter Berücksichtigung familiärer Werte", erläutert Clemens Krüger. "Solche spezifischen Inhalte werden in allgemeinen Management- oder MBA-Programmen selten in dieser Tiefe behandelt." 

Er sieht die Stärke des Masterstudiengangs nicht nur in der inhaltlichen Fokussierung, sondern auch im Netzwerk aus Mitstudierenden und Alumni. Aktuell besteht das Netzwerk aus 100 Alumni aus Familienunternehmen diverser Branchen, Größen und Alters. "Das regt zu einem vertrauensvollen Austausch an und schafft Inspiration. Obwohl es wichtig ist, selbstständig die Erfahrungen als Unternehmerin oder Unternehmer zu sammeln, profitieren unsere Studierenden stark von dem Austausch mit Gleichgesinnten", so Krüger. 

Der berufsbegleitende EMA FESH, der 2010 ins Leben gerufen wurde, zählt pro Jahrgang im Durchschnitt zehn bis 20 Studierende. Das ermöglicht eine individuelle Betreuung sowie eine regelmäßig stattfindende Länderexpedition: Gemeinsam mit dem Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen reisen die Studierenden zwei Wochen in zwei Länder ihrer Wahl und lernen die verschiedenen Aspekte von Unternehmertum kennen. Die jüngsten beiden Lernexpeditionen führten nach Kalifornien (USA) und Mexiko sowie nach Japan und Südkorea. In Japan beispielsweise erlebten die Studierenden die stark wertorientierte Ausrichtung von Familienunternehmen, die sich durch langjährige Traditionen und langfristige Planung auszeichnen. In Südkorea lag der Fokus auf der Dynamik und Innovationskraft großer Familienkonzerne wie Samsung oder Hyundai. 

Die Unternehmen der Studierenden sind so heterogen wie die Familienunternehmenslandschaft in Deutschland. In den bisherigen neun Jahrgängen waren nahezu alle Branchen sowie Firmen von vier bis 50.000 Mitarbeitende vertreten, mit unterschiedlichen Herausforderungen und Herangehensweisen. 81 Prozent der bisherigen Teilnehmenden haben nach ihrem Abschluss eine Führungsposition übernommen, sei es im eigenen Familienunternehmen oder einem anderen Betrieb. "Die Karrierewege der Absolventinnen und Absolventen sind dabei ebenso vielfältig wie ihre Hintergründe", sagt Clemens Krüger. "Einige steigen nach dem Studium direkt in die Geschäftsführung ihres Familienunternehmens ein, während andere zunächst eine Referentenposition übernehmen oder im Bereich Business Development Erfahrung sammeln, bevor sie strategische Verantwortung übernehmen. Zudem entscheiden sich immer mehr für die Gründung eines eigenen Unternehmens." Für welchen Weg sich die Absolventinnen und Absolventen auch entscheiden – die Hochschule begleitet sie mit ihrem Alumni-Netzwerk, regelmäßigen Alumni-Veranstaltungen und einem Mentoring-Programm. 

Weitere Hochschulstudiengänge zur Unternehmensnachfolge

"Unternehmensgründung und -nachfolge" ist auch der Titel eines Bachelorstudiums an der HWR Berlin. In dem Studiengang, der gezielt auf eine selbstständige Tätigkeit vorbereitet, erwerben die Studierenden Fachwissen im Bereich Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, Sozialwissenschaften, Recht, Statistik, Mathematik sowie Datenverarbeitung und lernen, mögliche Risiken und Chancen zu bewerten. Darüber hinaus tragen Kurse in Strategieführung, Verhandlungsgeschick, Kommunikations- und Produktionstechniken dazu bei, Managementaufgaben zu übernehmen. Das Studium ist als Teilzeitstudium konzipiert und schließt mit dem Bachelor of Arts ab. 
Der MBA-Studiengang Unternehmensnachfolge, der von der Technischen Hochschule Deggendorf viele Jahre durchgeführt wurde und in fünf Semestern berufsbegleitend zu einem spezialisierten MBA-Abschluss führte, kam in den vergangenen Jahren aufgrund mangelnder Nachfrage nicht zustande. "Wir stellen fest, dass vielen Unternehmensnachfolgern mehr als früher die Zeit fehlt, sich in einem berufsbegleitenden, fordernden Studiengang weiterzubilden. Darüber hinaus finden viele Betriebe keine Nachfolger mehr", meint dazu Julia Dullinger, Weiterbildungsreferentin am Zentrum für Akademische Weiterbildung an der THD. 

Umso wichtiger ist es der Deggendorfer Weiterbildungseinrichtung, den Weg in die Unternehmen verschiedener Art offenzuhalten. Denn vielleicht treffen Mitarbeitende erst später im Berufsleben die Entscheidung, ihr Angestelltenverhältnis zu verlassen und selbst unternehmerisch tätig zu werden, etwa in Form einer Unternehmensnachfolge. Das berufsbegleitende MBA-Programm der THD wurde deshalb zu einem flexiblen Baukastensystem umgebaut: Nach einem einheitlichen Basisstudium wechseln die Teilnehmenden in ihren Wunschschwerpunkt wie zum Beispiel General Management, Business Development & Entrepreneurship oder Medical Management & Leadership.

Es gab noch weitere Masterstudiengänge zur Unternehmensnachfolge an anderen Hochschulen, die ebenfalls nicht fortgeführt wurden. Hier bestätigt sich die eingangs formulierte Feststellung: Heute ist das Gründen eines Startups hip, aber nicht die Unternehmensnachfolge.

Wenig Frauen an der Spitze von Familienunternehmen

Ein spezielles Thema in der Unternehmensnachfolge, insbesondere bei Familienunternehmen, ist der Frauenanteil. Einer Studie der gemeinnützigen Allbright-Stiftung zufolge lag der Anteil weiblicher Führungskräfte in den 100 umsatzstärksten Familienfirmen im März 2024 bei unter 13 Prozent. Zwar ist der Frauenanteil seit der vorherigen Erhebung 2022 um vier Prozentpunkte gestiegen, aber er bleibt deutlich unter dem der Dax-Unternehmen. 

Wie sieht es bei den Hochschulstudiengängen aus? Im Zertifikatsstudium an der HM Business School beträgt der Frauenanteil bislang null Prozent. Am Engagement der Hochschule liegt es nicht: "Wir adressieren Frauen zwar nicht speziell, gehen aber in unseren diversen Infoveranstaltungen und Einzelgesprächen auf die jeweiligen, speziellen Fragestellungen ein. Denn jede Lebenssituation ist anders und unser Ziel ist es, ein familiäres Umfeld zu schaffen", so Steffen Steinicke. Dass bislang keine Frauen am Zertifikatsstudium in München teilnehmen, liegt vermutlich an der Zielgruppe. Der Frauenanteil an den Betriebsspitzen im Handwerk ist gering, wie die Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) bestätigen: Über alle Handwerksgruppen hinweg wird zwar jeder vierte Betrieb von einer Frau (mit-)geführt. Aber abgesehen von der Gruppe "personenbezogene Dienstleistungen" liegt der Frauenanteil meist unter 20 Prozent, oft sogar im einstelligen Bereich. 

Anders ist die Situation an der Hochschule Koblenz. Beim Blick in die Teilnehmerlisten offenbart Holger Reinemann, dass die Zahl der Frauen nahezu gleichauf mit den Männern liegt. Beim EMA FESH an der Zeppelin Universität liegt der Frauenanteil über alle bisherigen Kohorten hinweg bei 35 Prozent – also deutlich über den Zahlen der Allbright-Stiftung. Im aktuellen Jahrgang waren sogar 45 Prozent der Studierenden weiblich. Clemens Krüger führt das auf die Berücksichtigung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im berufsbegleitenden Studiengang zurück, auf gezielte Stipendienprogramme, Netzwerke und Vorbilder. Weibliche Führungspersönlichkeiten als Dozentinnen oder Gastrednerinnen sollen die Studentinnen (und auch die Studenten) inspirieren und ermutigen. Langfristig will man damit auch mehr Frauen für die Führung oder Nachfolge in Familienunternehmen motivieren.


Der Beitrag ist erschienen in neues lernen, Ausgabe 1/2025, das Fachmagazin für Personalentwicklung. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der  In der App finden Sie auch die aktuellen News rund um "neues lernen" und den Podcast für die betriebliche Lernszene. Kristina Enderle da Silva und Julia Senner hinterfragen im Podcast "neues lernen" aktuelle Lerntrends, liefern Fakten und geben Einblicke in die Unternehmenspraxis.


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Schlagworte zum Thema:  Studium, ԳٱԱ󳾱ԲüܲԲ, Weiterbildung, Leadership