Nur wer sich ändert, bleibt sich treu

Es wird immer sichtbarer: Die Rolle, die Enterprise-Ressource-Planning-Systeme (ERP) innerhalb der IT der Wohnungswirtschaft spielen werden, wird sich ändern. Alle Marktneuerungen scheinen auf eine zukünftig offenere Systemlandschaft hinzudeuten. Das jedenfalls ist der Eindruck vom ersten ERP und IT-Fachkongress des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen am 9. April in Berlin.
Dort versammelten sich im Change Hub 120 Teilnehmende zu einem neuen und erfrischenden Austauschformat, das der GdW mit seinem Kompetenzzentrum DiGiWoh entwickelt hat. Wie heiß das Thema derzeit ist, zeigt auch die Tatsache, dass der Kongress innerhalb von zwei Wochen ausverkauft war – und die Telekom Deutschland als Hauptsponsor auftrat. Eine Folgeveranstaltung ist bereits angedacht.
Wind der Veränderung
Der Platzhirsch Aareon unterstrich angesichts des sich drehenden Windes auf dem deutschen Markt seine Offenheit zur Zusammenarbeit mit Kunden, Interessenten und auch Wettbewerbern. Jeder, so Carsten Wiese, Head of Strategic Relationships & Customer Transformation bei Aareon Deutschland, könne in das nunmehr Aareon Property Management (ehemals Aareon Smart World) genannte Ökosystem eintreten. Er verspricht eine "komplett offene Architektur, die auch alle Wettbewerbslösungen bis in die end-to-end Prozesse unterstützt".
Das wäre wünschenswert. Denn 80 Prozent der GdW-Mitglieder seien Aareon-Kunden, brachte dann GdW-Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser die beträchtliche ERP-Marktkonzentration auf den Punkt. "ERP-only", so stellte Esser fest, wandele sich nun allerdings stärker "hin zu einem vernetzten System". Die Themen Cloud, Diversifikation der IT und Künstliche Intelligenz prägten die Branche mehr und mehr. "Wir mögen keine zu starke Marktkonzentration. Wir mögen Wettbewerb", hob GdW Präsident Axel Gedaschko bereits in seinem Grußwort zur Eröffnung des Kongresses hervor.
ERP ist Mindset
Und es stimmt ja: ERP ist nicht bloß IT – es ist auch Mindset. Letzteres prägt, wie man im Unternehmen an die Lösung von Routineaufgaben und Sonderfälle herangeht. ERP ist auf dem Weg, sich aus einer herzstückhaften Kernfunktionalität in allernächster Zukunft mehr zum unterstützenden System wandeln. Doch, egal wo eine Aufgabe bearbeitet würde, sie laufe zurück ins ERP-System, unterstrich Wiese.
Die Entwicklung wird in der Wohnungswirtschaft ohne Zweifel immer mehr in Richtung eines neuen – nach allen Seiten hin offenen – IT-Ökosystems gehen. Das meinte jedenfalls Heiko Gsell, Professor für Wirtschaftsinformatik an der EBZ Business School, in seiner Keynote. Es würde verstärkt die gesamte IT-Landschaft in den Fokus genommen, mit dem die unternehmerischen Aufgaben adressiert und gelöst werden. ERP sei das solide Rückgrat der wohnungswirtschaftlichen IT, aber als Monolith eben auch sehr unflexibel.
"Isolierte Datenstrukturen, lange Innovationszyklen und die eingeschränkte Integration externer Systeme" seien häufig anzutreffen in der Branche und allesamt zu überwinden, referierte Gsell. Sinn einer modernen IT sei es jetzt, "nicht bloß zu verwalten, sondern die Prozesse nach den heutigen Anforderungen neu zu orchestrieren".
Entkoppelung der Systeme
Die Prozesse müssten, laut Gsell, ohne große Eingriffe einfach zu managen sein. Im Idealfall sprächen die Daten selbst miteinander. Und dabei wird Künstliche Intelligenz weder ein eigenständiges noch ein führendes System sein. Sondern die KI wird in die IT wandern und die Systeme intelligent begleiten.
Der EZB-Professor äußerte noch einen interessanten Gedanken zur Entkoppelung der unterschiedlichen Systeme voneinander: Der Austausch solle in Datenräumen stattfinden. Ob Datenräume das besser können als Schnittstellen? Wir werden es sehen!
Selbst der Administrator seiner eigenen worklflowbasierten Prozesse zu sein, sieht Patrick Schilling CSO der Dr. Klein Wowi Digtal, als einen großen Vorteil bei seiner Cloudlösung wowiport. Auf wechselwillige ERP-Kunden seien sie gut vorbreitet. "Wir schaffen mit unserer Mannschaft derzeit 110 ERP-Übernahmen pro Jahr", so Schilling.
Eigene Datenkultur und Architektur
Um die Entwicklung einer eigenen Datenkultur und -architektur kommt kein Unternehmen herum. Das ist auch für Stefan Klotz, Head of Customer Experience & Sales bei Promos Consult wichtig. Sein arbeitsteiliges SAP-gestütztes System PROMOS.GT ready2 sei genau dafür designed. Im Zusammenspiel mit Hyperscalern wie Microsoft oder Amazon könne man viel Mehrwert auch für Wohnungsunternehmen generieren. Am besten allerdings von 10.000 zu verwaltenden Einheiten aufwärts.
Christine Zimmermann, Team-Lead Real Estate der Ascavo AG hat mit Ascavo.vesta ebenfalls ein integriertes und hochindividualisierbares Immobilienmanagementsystem auf SAP-Basis für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft im Angebot. Das könne man hosten lassen, aber aber auch jederzeit in Eigenregie übernehmen.
Dr. Christian Westphal, CEO von Crem Solutions, von Gewerbeimmobilienverwaltung her kommend, bietet seit einigen Jahren auch Lösungen für die Wohnungswirtschaft an. Er nutzte den Fachkongress, um der Branche sein Produkt iX-Haus näher zu bringen. Dabei wies er noch auf den digitalen Zwilling hin: Der würde in Zukunft bedeutender. Änderung könne nur geschehen, wenn sich jedes Unternehmen zeitnah einen Überblick über den eigenen digitalen Reifegrad verschafft – nach der Bestandsaufnahme das Zielbild entwickeln, erst dann geht‘s richtig los: Neue Standards definieren, die Strategie bestimmen und mit einem Pilotprojekt vortasten.
Höhere IT-Investitionen nötig
Das alles wird nicht ohne einen finanziellen Mehraufwand im Vergleich zum Status quo vonstattengehen. Und vor allem kleinere Unternehmen hätten es noch nicht verstanden, dass sie mehr Geld für ihre IT in die Hand nehmen müssen. Darüber klagten die Anbieter weitverbreitet auf dem Fachkongress.
Und dann wurde das große politische Thema Zeitenwende bemüht: Es sei für die Wohnungsunternehmen dann wohl so ähnlich, wie mit der Erhöhung des NATO-Beitrages für die Mitgliedsländer – dieser müsse signifikant mehr werden.
Ob fünf Prozent des Unternehmensumsatzes für wirkliche und tragfähige Änderungen ausreichen werden? Man weiß es nicht, tut aber wenig bis gar nichts – also wie bisher. Eines sicher: So ist man für die immobilienwirtschaftliche Zukunft schlecht gewappnet.
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