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Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht einer Abfindung aus Frankreich
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Leitsatz (NV)
Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich l盲sst - auf der Grundlage eines von Art. 15 Abs. 1 OECD-MustAbk abweichenden Wortlauts - eine Veranlassung durch die Arbeitnehmert盲tigkeit als Rechtsgrund f眉r die Zuweisung des Besteuerungsrechts f眉r eine Abfindung des ehemaligen franz枚sischen Arbeitgebers zum T盲tigkeitsstaat ausreichen.
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Normenkette
DBA FRA Art. 13 Abs. 1; EStG 2002 搂 19
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig ist, ob die Abfindungszahlung eines franz枚sischen Arbeitgebers an einen nichtselbst盲ndig in Frankreich t盲tigen Arbeitnehmer in die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer (Streitjahr 2006) einzubeziehen ist.
Rz. 2
Der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger) war im Zusammenhang mit seiner Anstellung bei der inl盲ndischen X-GmbH & Co. KG --X-- (Februar 2004) durch Vertrag vom 30. Juni 2004 ab dem 1. Juli 2004 bei der franz枚sischen Y S.A. (Y), einem Unternehmen der X-Gruppe, als Gesch盲ftsf眉hrer angestellt worden. Der Kl盲ger blieb daneben weiterhin f眉r X in zeitlich beschr盲nktem Umfang t盲tig.
Rz. 3
Mit Aufhebungsvereinbarung vom 18. Oktober 2006 beendeten Y, X und der Kl盲ger das bestehende Anstellungsverh盲ltnis zu Y und X auf Veranlassung von Y im allseitigen Einvernehmen mit Wirkung vom 7. Oktober 2006. In der Vereinbarung wird erg盲nzend auf die T盲tigkeit des Kl盲gers f眉r X verwiesen; auch dieses Arbeitsverh盲ltnis werde beendet, ohne dass hierf眉r eine eigene Aufhebungsvereinbarung erforderlich w盲re. Die Parteien seien sich dar眉ber einig, dass unterschiedliche Ansichten in der weiteren strategischen Ausrichtung des Unternehmens Anlass daf眉r gewesen seien, das Vertragsverh盲ltnis zu beenden. Als Ausgleich f眉r den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt der Kl盲ger eine Abfindung in H枚he von 125.000 鈧 brutto, die in drei Raten ausgezahlt wurde. Zus盲tzlich zu dieser Abfindungssumme durfte er seinen Laptop (Restbuchwert 300 鈧) sowie sein Handy (Vertragswert 60 鈧) behalten.
Rz. 4
Mit seiner Einkommensteuererkl盲rung deklarierte der Kl盲ger f眉r das Streitjahr Einnahmen aus nichtselbst盲ndiger Arbeit (Bruttoarbeitslohn) von 12.939 鈧 (Zahlung von X) und von 111.287 鈧 (Zahlung von Y), zudem die ersten beiden Raten der Abfindung in H枚he von jeweils 45.000 鈧 (Zahlung von Y); insoweit werde allerdings von einer Steuerpflicht in Frankreich ausgegangen.
Rz. 5
Der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) unterwarf den im Streitjahr beim Kl盲ger zugeflossenen Teil der Abfindung in H枚he von 90.360 鈧 (zwei Raten je 45.000 鈧 zzgl. 360 鈧 f眉r Sachwerte) der inl盲ndischen Besteuerung: Abfindungszahlungen seien kein zus盲tzliches Entgelt f眉r eine fr眉here T盲tigkeit und w眉rden auch nicht f眉r eine konkrete T盲tigkeit gezahlt. Diese Eink眉nfte seien als "sonstige Eink眉nfte" im Wohnsitzstaat zu erfassen. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage statt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Mai 2012听 3 K 1500/09, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1939).
Rz. 6
Das FA r眉gt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Rz. 7
Der Kl盲ger beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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Rz. 8
II. Die Revision ist unbegr眉ndet und daher zur眉ckzuweisen (搂 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--); das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Besteuerung der Abfindung in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) abkommensrechtlich ausgeschlossen ist.
Rz. 9
1. Der in Deutschland wohnende Kl盲ger ist hier unbeschr盲nkt einkommensteuerpflichtig (搂 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG 2002--); dies schlie脽t eine Besteuerung von Eink眉nften aus ausl盲ndischen Quellen (hier: Zahlungen eines ausl盲ndischen Arbeitgebers) ein (搂 2 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002, dort Nr. 4).
Rz. 10
Nach den Feststellungen des FG hat der Kl盲ger im Streitjahr im Zusammenhang mit der vorzeitigen Aufl枚sung seines Dienstvertrags mit Y bzw. X "als Ausgleich f眉r den Verlust des Arbeitsplatzes" eine (Teil-)Entsch盲digung erhalten. Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist gekl盲rt, dass eine solche Entsch盲digung zu den Eink眉nften aus nichtselbst盲ndiger Arbeit i.S. des 搂 19 EStG 2002 z盲hlt (z.B. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1978 VI R 91/77, BFHE 126, 399, BStBl II 1979, 155; s.a. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, MA Art. 15 Rz 56e, m.w.N.). Diese Regel greift --und zwar ersichtlich auch nach Einsch盲tzung des Kl盲gers-- im Streitfall ein. Die Abfindung z盲hlt daher nach deutschem Einkommensteuerrecht zu den steuerpflichtigen Eink眉nften des Kl盲gers.
Rz. 11
2. Die Abfindung ist allerdings nach Ma脽gabe des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Franz枚sischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und 眉ber gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Verm枚gen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (BGBl II 1961, 398, BStBl I 1961, 343), zuletzt ge盲ndert durch das Zusatzabkommen vom 20. Dezember 2001 (BGBl II 2002, 2372, BStBl I 2002, 892) --DBA-Frankreich--, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen. Denn die Zahlung kann nach diesem Abkommen nur in Frankreich besteuert werden (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich).
Rz. 12
a) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich k枚nnen Eink眉nfte aus nichtselbst盲ndiger Arbeit vorbehaltlich etwaiger (hier nicht einschl盲giger) Sonderregelungen nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die pers枚nliche T盲tigkeit, aus der die Eink眉nfte herr眉hren, ausge眉bt wird (Satz 1). Als Eink眉nfte aus nichtselbst盲ndiger Arbeit gelten nach Satz 2 der Regelung insbesondere Geh盲lter, Besoldungen, L枚hne, Gratifikationen oder sonstige Bez眉ge sowie alle 盲hnlichen Vorteile, die von anderen als den in Art. 14 DBA-Frankreich bezeichneten Personen (das sind bestimmte 枚ffentliche Kassen) gezahlt oder gew盲hrt werden.
Rz. 13
b) Eine Entsch盲digungszahlung f眉r den Verlust des Arbeitsplatzes wird vom objektiven Regelungsgegenstand des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBA-Frankreich erfasst. Dies hat die Vorinstanz zutreffend aus dem Umstand einer nicht abschlie脽enden Aufz盲hlung einzelner Verg眉tungsbeispiele abgeleitet (s. zu einer Verg眉tung f眉r die Unterlassung von Wettbewerb im Anschluss an eine nichtselbst盲ndige Arbeit Urteil des FG Baden-W眉rttemberg vom 22. September 1983 III 412/81, EFG 1984, 183; s.a. Kramer in Wassermeyer, a.a.O., Art. 13 DBA-Frankreich Rz 9; Wassermeyer/ Schwenke, ebenda, MA Art. 15 Rz 79; Bourseaux/Levedag in Sch枚nfeld/Ditz, DBA, Art. 15 Rz 71).
Rz. 14
c) Der Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich bietet eine ausreichende Grundlage, das Besteuerungsrecht f眉r eine solche Entsch盲digungszahlung ausschlie脽lich dem Ort der fr眉heren (Arbeitnehmer-)T盲tigkeit (hier: Frankreich) zuzuordnen.
Rz. 15
aa) Der Senat hat f眉r Abkommensregelungen, die Art. 15 Abs. 1 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) vergleichbar sind, wiederholt entschieden, dass das f眉r die Besteuerung von Arbeitsl枚hnen geltende abkommensrechtliche Arbeitsortprinzip nicht f眉r Abfindungen gilt, die anl盲sslich der Aufl枚sung eines Arbeitsverh盲ltnisses gezahlt werden (z.B. Senatsurteile vom 18. Juli 1973 I R 52/69, BFHE 110, 43, BStBl II 1973, 757; vom 10. Juli 1996 I R 83/95, BFHE 181, 155, BStBl II 1997, 341; Senatsbeschluss vom 18. Juni 2008 I B 152/07, BFH/NV 2008, 1688; Senatsurteile vom 2. September 2009 I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394 und I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387). Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem innerstaatlichen Recht Arbeitslohn (搂 19 EStG 2002) sind, nicht um ein zus盲tzliches Entgelt f眉r eine fr眉here T盲tigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-MustAbk. Sie werden nicht f眉r eine konkrete im Inland oder Ausland ausge眉bte T盲tigkeit gezahlt, sondern gerade f眉r den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein blo脽er Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und T盲tigkeit gen眉gt nach dem Abkommenswortlaut ("daf眉r") nicht. An dieser Rechtsprechung ist uneingeschr盲nkt festzuhalten. Auch die Finanzverwaltung hat sich dem prinzipiell angeschlossen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 14. September 2006, BStBl I 2006, 532, dort Tz. 6.3).
Rz. 16
bb) Der Vorinstanz ist allerdings darin zu folgen, dass der Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich eine davon abweichende Handhabung rechtfertigt.
Rz. 17
aaa) Indem diese Regelung zur Abgrenzung ihres sachlichen Gegenstandes ausdr眉cklich auf die zahlende Person abstellt (Satz 2) und f眉r die Zuordnung auf den Ort der pers枚nlichen T盲tigkeit verweist, "aus der die Eink眉nfte herr眉hren", l盲sst sie einen lediglich kausalen Zusammenhang ("Anlasszusammenhang") zwischen einem Arbeitsverh盲ltnis und der Zahlung durch einen Arbeitgeber ausreichen.
Rz. 18
bbb) Die damit 眉bereinstimmende Auslegung der Vorinstanz kann auch auf die Ausf眉hrungen des Senats in seinem Urteil vom 12. Januar 2011 I R 49/10 (BFHE 232, 436, BStBl II 2011, 446) gest眉tzt werden (gl.A. Helde, EFG 2012, 1941 f.). Diese Entscheidung betraf das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht f眉r Betr盲ge, die ein in Frankreich wohnender Arbeitnehmer eines deutschen Arbeitgebers im Rahmen der sog. Freistellungsphase (d.h. nach dem Ende seiner "aktiven" T盲tigkeit) nach Ma脽gabe der aufgrund des Altersteilzeitgesetzes in Anspruch genommenen Altersteilzeit im Streitjahr vereinnahmt hatte (dem Altersteilzeitarbeitnehmer wird zeitversetzt in der Freistellungsphase das ausgezahlt, was er in der Arbeitsphase erarbeitet hat bzw. was er an Arbeitsbez眉gen aufgrund seiner erbrachten Vollzeitt盲tigkeit h盲tte beanspruchen k枚nnen, s. insoweit zur Zuordnung der Eink眉nfte zu laufenden Eink眉nften aus nichtselbst盲ndiger Arbeit nach nationalem Recht zuletzt BFH-Urteil vom 21. M盲rz 2013 VI R 5/12, BFHE 240, 563, BStBl II 2013, 611). In diesem Zusammenhang hat der Senat ausgef眉hrt, die dem Arbeitnehmer zugeflossenen Verg眉tungen im Rahmen der vereinbarten Altersteilzeit w眉rden insgesamt aus dieser T盲tigkeit herr眉hren; dass sie zeitversetzt zu einem Zeitpunkt ausbezahlt worden seien, in dem die pers枚nlich ausge眉bte T盲tigkeit als solche beendet gewesen sei, 盲ndere daran nichts. Auch bei nachtr盲glich ausbezahltem Arbeitslohn handele es sich um entsprechende Eink眉nfte; dies alles betreffe das Regelarbeitsentgelt ebenso wie den vom Arbeitgeber zus盲tzlich gezahlten sog. Aufstockungsbetrag. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass jene Verg眉tungen der Freistellungsphase nicht "f眉r" die erbrachte T盲tigkeit geleistet w眉rden, sondern daf眉r, dass der Arbeitnehmer sich mit der Altersteilzeit im sog. Blockmodell einverstanden erkl盲rt habe. Allerdings sei die Frage der Kausalit盲t zwischen Leistung und Gegenleistung innerhalb des Arbeitsverh盲ltnisses f眉r das DBA-Frankreich nicht ma脽gebend, weil hiernach --abweichend von Art. 15 Abs. 1 OECD-MustAbk und insofern weiter gehend-- alle Eink眉nfte dem Besteuerungsrecht des T盲tigkeitsstaats zugewiesen w眉rden, welche aus der betreffenden T盲tigkeit herr眉hren w眉rden. Die besagte Kausalit盲tsfrage stelle sich also nicht; eine Veranlassung durch die T盲tigkeit im weiteren Sinne gen眉ge. Diesem Normverst盲ndnis entspricht die Besteuerungszuweisung auch f眉r Arbeitnehmerabfindungen.
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Fundstellen
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BFH/NV 2014, 1455 |
BFH/NV 2014, 149 |
BFH/PR 2014, 363 |
BStBl II 2014, 929 |
BFHE 2014, 291 |
BB 2014, 1942 |
BB 2014, 2343 |
DB 2014, 6 |
DStR 2014, 1588 |
DStRE 2014, 1083 |
HFR 2014, 94 |