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Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerungsrecht von Abfindungszahlungen an in die Schweiz verzogene, zuvor im Inland t盲tige Arbeitnehmerin; Bindungswirkung von Verst盲ndigungsvereinbarungen
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Leitsatz (amtlich)
1. Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 erm枚glicht kein deutsches Besteuerungsrecht f眉r eine Abfindungszahlung, die eine zuvor in Deutschland wohnende Person nach ihrem Wegzug in die Schweiz von ihrem bisherigen inl盲ndischen Arbeitgeber aus Anlass der Aufl枚sung des Arbeitsverh盲ltnisses erh盲lt (Best盲tigung der st盲ndigen Rechtsprechung).
2. Eine 脺bereinkunft zwischen den deutschen und Schweizer Steuerbeh枚rden (hier: Verst盲ndigungsvereinbarung mit der Eidgen枚ssischen Steuerverwaltung zu der Frage des Besteuerungsrechts bei Abfindungen an Arbeitnehmer, bekannt gegeben durch BMF-Schreiben vom 13. Oktober 1992, RIW 1993, 82) nach Ma脽gabe von Art. 26 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971 bindet die Gerichte nicht (ebenfalls Best盲tigung der st盲ndigen Rechtsprechung; entgegen BMF-Schreiben vom 20. Mai 1997, BStBl I 1997, 560).
3. Die Besteuerung der Abfindung nach der sog. 眉berdachenden Besteuerung gem盲脽 Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 scheidet aus, wenn der Zuzug der zuvor in Deutschland wohnenden Person in die Schweiz erfolgte, um dort eine unselbst盲ndige T盲tigkeit auszu眉ben; daneben bestehende anderweitige Beweggr眉nde f眉r den Zuzug (hier: beabsichtigte Eheschlie脽ung mit einer in der Schweiz ans盲ssigen Person und Begr眉ndung eines gemeinsamen Hausstands) sind unsch盲dlich.
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Normenkette
DBA CHE 1971 Art.听4 Abs. 4 S盲tze听1, 4, Art.听15 Abs. 1, Art.听26 Abs. 3; GG Art.听20 Abs. 3, Art.听59 Abs. 2, Art.听80 Abs. 1; VtrRKonv Art.听4, 31; EStG 搂 24 Nr. 1 Buchst. A; EStG 2002 搂听39b Abs. 6, 搂搂听41a, 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d; AO 搂 167 Abs. 1 S. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Die Kl盲gerin und Revisionsbeklagte (Kl盲gerin), eine italienische Staatsangeh枚rige, war bis zum 23. Dezember 2005 in Deutschland ans盲ssig. Seit 20. November 2004 war sie Arbeitnehmerin der Beigeladenen, eines inl盲ndischen Unternehmens. Das Arbeitsverh盲ltnis sollte urspr眉nglich bis zum 16. Januar 2009 dauern. Es endete jedoch bereits am 4. November 2005, nachdem die Kl盲gerin ihren Dienstvertrag gegen Zahlung einer Abfindung durch die Beigeladene gek眉ndigt hatte.
Am 29. Juli 2006 beantragte die Kl盲gerin im Hinblick auf die zu erwartende Abfindungszahlung deren Freistellung vom Lohnsteuerabzug gem盲脽 搂 39b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) i.V.m. Art. 15 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Verm枚gen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971--. Der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) lehnte dies unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 20. Mai 1997 (BStBl I 1997, 560) i.V.m. dessen --zwischenzeitlich aufgehobenen (vgl. BMF-Schreiben vom 29. M盲rz 2007, BStBl I 2007, 369)-- Schreiben vom 13. Oktober 1992 (Recht der Internationalen Wirtschaft --RIW-- 1993, 82) und die darin bekannt gegebene Verst盲ndigungsvereinbarung gem盲脽 Art. 26 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971 mit der Eidgen枚ssischen Steuerverwaltung zu der Frage des Besteuerungsrechts bei Abfindungen an Arbeitnehmer ab; der Ablehnungsbescheid wurde bestandskr盲ftig.
Die Beigeladene zahlte die Abfindung im September 2006 (streitgegenst盲ndlicher Besteuerungszeitraum) aus, behielt darauf Lohnsteuer und Solidarit盲tszuschlag ein und meldete die Steuerbetr盲ge (am 9. Oktober 2006) beim FA an. Der --nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2007)-- dagegen gerichteten Klage der Kl盲gerin gab das Finanzgericht (FG) M眉nchen durch Urteil vom 24. Oktober 2008听 8 K 3902/07 statt; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 228 abgedruckt.
Das FA st眉tzt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kl盲gerin beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Die Beigeladene hat sich nicht ge盲u脽ert und keine Antr盲ge gestellt. Das dem Revisionsverfahren beigetretene BMF hat ebenfalls keine Antr盲ge gestellt, sich in der Sache aber dem FA angeschlossen.
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II. Die Revision ist unbegr眉ndet. Das FG hat die Klage der Kl盲gerin (als sog. Drittbetroffene) gegen die Lohnsteueranmeldung der Beigeladenen f眉r den streitgegenst盲ndlichen Zeitraum (vgl. 搂 41a EStG 2002, 搂 167 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung) zu Recht als zul盲ssig (vgl. Senatsurteil vom 12. Oktober 1995 I R 39/95, BFHE 179, 91, BStBl II 1996, 87; Bundesfinanzhof --BFH--, Urteile vom 20. Juli 2005 VI R 165/01, BFHE 209, 571, BStBl II 2005, 890, und vom 5. Oktober 2005 VI R 152/01, BFHE 211, 249, BStBl II 2006, 94) und begr眉ndet angesehen.
1. Die Kl盲gerin war mit ihren inl盲ndischen Eink眉nften aus nichtselbst盲ndiger Arbeit i.S. des 搂 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG 2002 (i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur 脛nderung steuerlicher Vorschriften --Steuer盲nderungsgesetz 2003 [St脛ndG 2003]-- vom 15. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710) beschr盲nkt steuerpflichtig. Zu diesen Eink眉nften geh枚rt gem盲脽 搂 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG 2002 i.d.F. des Steuer盲nderungsgesetzes 2003 auch die in Rede stehende Abfindung. Denn diese wurde nach den bindenden tatrichterlichen Feststellungen als Entsch盲digung i.S. des 搂 24 Nr. 1 EStG 2002 f眉r die Aufl枚sung eines Dienstverh盲ltnisses gezahlt, und die f眉r die zuvor ausge眉bte T盲tigkeit bezogenen Eink眉nfte haben der inl盲ndischen Besteuerung unterlegen. Die Voraussetzungen des 搂 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG 2002 i.d.F. des Steuer盲nderungsgesetzes 2003 sind damit erf眉llt. Das ist unter den Beteiligten auch nicht (mehr) streitig.
2. Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht f眉r die Abfindung wurde durch das DBA-Schweiz 1971 beschr盲nkt; das Besteuerungsrecht steht nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 der Schweiz als dem (nunmehrigen) Wohnsitzstaat der Kl盲gerin zu.
a) Art. 15 Abs. 1 S盲tze 1 und 2 DBA-Schweiz 1971 bestimmt, dass Geh盲lter, L枚hne und 盲hnliche Verg眉tungen, die eine in einem Vertragsstaat ans盲ssige Person aus unselbst盲ndiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden k枚nnen, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausge眉bt wird. Wird die Arbeit dort ausge眉bt, so k枚nnen die daf眉r bezogenen Verg眉tungen in dem anderen Staat besteuert werden.
Wie der Senat wiederholt entschieden hat (z.B. Urteile vom 24. Februar 1988 I R 143/84, BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819; vom 27. August 2008 I R 81/07, BFHE 222, 560, BStBl II 2009, 632; vom 10. Juli 1996 I R 83/95, BFHE 181, 155, BStBl II 1997, 341; Beschluss vom 12. September 2006 I B 27/06, BFH/NV 2007, 13, jeweils m.w.N.), folgt daraus, dass Abfindungen anl盲sslich der Beendigung eines Dienstverh盲ltnisses nicht im T盲tigkeitsstaat, sondern im Ans盲ssigkeitsstaat zu besteuern sind. Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem insoweit ma脽gebenden innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971) Arbeitslohn (搂 19 EStG 2002) sind, nicht um ein zus盲tzliches Entgelt f眉r eine fr眉here T盲tigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971. Sie werden nicht f眉r eine konkrete im Inland oder Ausland ausge眉bte T盲tigkeit gezahlt, sondern gerade f眉r den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein blo脽er Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und T盲tigkeit gen眉gt nach dem Abkommenswortlaut ("daf眉r") indes nicht. Die Finanzverwaltung hat sich dem prinzipiell angeschlossen (BMF-Schreiben vom 14. September 2006, BStBl I 2006, 532, dort Tz. 6.3).
b) An dieser Rechtsauffassung, an welcher der Senat festh盲lt, 盲ndert sich infolge der urspr眉nglich (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1997, 560) durch BMF-Schreiben in RIW 1993, 82 bekannt gegebenen Verst盲ndigungsvereinbarung der deutschen und eidgen枚ssischen Finanzbeh枚rden zur Besteuerung von Abfindungen nichts.
aa) Das BMF und die Eidgen枚ssische Steuerverwaltung haben sich in jener Vereinbarung auf der Basis von Konsultationsverhandlungen nach Ma脽gabe des Art. 26 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 darauf verst盲ndigt, das Besteuerungsrecht der beiden Vertragsstaaten danach zuzuteilen, ob der Abfindung Versorgungscharakter beizumessen ist oder ob es sich um eine Nachzahlung von L枚hnen, Geh盲ltern oder Tantiemen aus dem fr眉heren Arbeitsverh盲ltnis handelt oder die Abfindung allgemein f眉r das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gew盲hrt wird. In dem ersten Fall kann die Abfindung danach gem盲脽 Art. 18 DBA-Schweiz 1971 nur im Wohnsitzstaat des Empf盲ngers besteuert werden, im zweiten Fall soll gem盲脽 Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 das sog. T盲tigkeitsortsprinzip gelten. Hintergrund dieser Vereinbarung ist der Umstand, dass andernfalls aufgrund der unterschiedlichen Verwaltungspraxis in Deutschland und in der Schweiz 眉ber die Besteuerungszuordnung die Gefahr sog. wei脽er Eink眉nfte, also der doppelten Nichtbesteuerung, bestand. F眉r den Streitfall ergeben sich daraus jedoch keine Konsequenzen.
bb) Die Vereinbarung betrifft die Auslegung des zwischenstaatlichen vereinbarten Abkommenstextes. Sie wird als solche nach Art. 26 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971 erm枚glicht und soll eine weitgehende Widerspruchsfreiheit bei der Abkommensanwendung sicherstellen. Die Frage nach der Bindungswirkung einer derartigen Vereinbarung ist indes umstritten.
脺berwiegend (s. z.B. Lehner in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 25 Rz 154, Rz 166; Vogel, daselbst, Einl. Rz 109, 200 f.; L眉thi in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 25 Rz 94; Gosch in L眉dicke [Hrsg.], Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 2009, S. 130 ff., 134; Schmitz in Strunk/Kaminski/ K枚hler, Au脽ensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 25 OECD-MA Rz 64; Eilers in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 25 OECD-MA Rz 61; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 209 f.; Ismer, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2009, 366; O. Schmidt in Haase, Au脽ensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 Rz 51 ff.; Becker, daselbst, Art. 25 Rz 42; Kopf in Lang/Jirousek [Hrsg.], Praxis des Internationalen Steuerrechts, Festschrift Loukota, 2005, S. 253; s. auch Brandis in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 18 Schweiz Rz 21, jeweils m.w.N.) wird angenommen, dass zwischen der (v枚lkerrechtlichen) Bindung gegen眉ber dem anderen Vertragsstaat, der Bindung innerstaatlicher Rechtsanwendungsorgane und der Selbstbindung der die Verst盲ndigungsvereinbarung abschlie脽enden und der ihnen nachgeordneten Beh枚rden zu unterscheiden ist. Innerstaatliche Wirkungen kann hiernach eine solche Vereinbarung f眉r die rechtsanwendenden Organe, also vor allem die Rechtsprechung, nur nach Ma脽gabe der verfassungsrechtlichen Vorgaben des einzelnen Vertragsstaats entfalten. Das kann ihre unmittelbare Wirksamkeit zur Folge haben. Es kann aber auch, wie im Regelfall in Deutschland, voraussetzen, dass die Vereinbarung zun盲chst nach den Grunds盲tzen des einschl盲gigen Verfassungsrechts in einfaches Gesetzesrecht transformiert werden muss (vgl. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes --GG--). Andernfalls bleibt es bei der Letztverbindlichkeit des Abkommens in seiner in diesem Sinne in nationales Recht umgesetzten Fassung. Diese Fassung allein ist vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalts (Art. 20 Abs. 3 GG) f眉r die Abkommensauslegung ma脽geblich. Denn aus innerstaatlicher Sicht handelt es sich bei der nicht transformierten Verst盲ndigungsvereinbarung der beteiligten Finanzverwaltungen lediglich um ein Verwaltungsabkommen und damit der Rechtsnatur nach um eine Verwaltungsvorschrift, die nicht auf einer ihrerseits demokratisch legitimierten Rechtsverordnung i.S. von Art. 80 Abs. 1 GG beruht und die deswegen nicht geeignet ist, positives Recht in verbindlicher Weise zu ver盲ndern. In Einklang mit diesen Vorgaben hat der Senat bereits durch seine Urteile vom 1. Februar 1989 I R 74/86 (BFHE 157, 39, BStBl II 1990, 4) sowie vom 10. Juli 1997 I R 4/96 (BFHE 181, 158, BStBl II 1997, 15) entschieden. Der Streitfall gibt keine Veranlassung, davon abzur眉cken.
cc) Das schlie脽t es nicht aus, die Abkommenspraxis der Vertragsstaaten, wie sie in der Verst盲ndigungsvereinbarung zum Ausdruck kommt, bei der Abkommensauslegung zu ber眉cksichtigen; es gilt der Grundsatz der Entscheidungsharmonie. In Einklang damit stehen die Grunds盲tze zur Auslegung von Vertr盲gen nach Art. 31 des Wiener 脺bereinkommens 眉ber das Recht der Vertr盲ge vom 23. Mai 1969 --W脺RV-- (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757): Ein Vertrag ist danach nach Treu und Glauben in 脺bereinstimmung mit der gew枚hnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Au脽er dem bei der Auslegung zu ber眉cksichtigenden und in Art. 31 Abs. 2 W脺RV n盲her beschriebenen systematischen "Zusammenhang" sind nach Art. 31 Abs. 3 W脺RV in gleicher Weise zu ber眉cksichtigen: a) jede sp盲tere 脺bereinkunft zwischen den Vertragsparteien 眉ber die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie b) jede sp盲tere 脺bung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die 脺bereinstimmung der Vertragsparteien 眉ber seine Auslegung hervorgeht. So gesehen kann ein 眉bereinstimmendes Abkommensverst盲ndnis und eine gemeinsame "脺bung" der beteiligten Finanzverwaltungen f眉r eine Abkommensauslegung bedeutsam sein (s. z.B. Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, sowie I R 18/04, BFH/NV 2007, 875, beide zu leitenden Angestellten als sog. Grenzg盲nger i.S. von Art. 15 Abs. 4, Art. 15a DBA-Schweiz 1971), das aber immer nur insofern, als sie nicht dem Wortlaut des Abkommens zuwiderl盲uft (vgl. Senatsurteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97). Abgesehen davon, dass das Wiener 脺bereinkommen (nach Art. 4 W脺RV) nur auf Vertr盲ge Anwendung findet, die von Staaten geschlossen werden, nachdem das 脺bereinkommen f眉r sie in Kraft getreten ist --und damit, ohne dass dem weiter nachzugehen w盲re, nach Lage der Dinge nicht f眉r das DBA-Schweiz 1971--, erzwingen auch diese Grunds盲tze eine Regelungsauslegung also immer nur nach Ma脽gabe des Abkommenswortlauts; dieser stellt in abschlie脽ender Weise die "Grenzmarke" f眉r das "richtige" Abkommensverst盲ndnis dar.
Daran scheitert die vom FA und vom BMF verfochtene Auslegung im Streitfall: Der Abkommenstext ist aus Sicht des erkennenden Senats aus den beschriebenen Gr眉nden hinreichend eindeutig. Wenn eine Staatenpraxis dennoch wechselseitig von der bisherigen Abkommensauslegung abweicht, so wird dadurch nicht eine Auslegung, die insbesondere auf dem Abkommenswortlaut gr眉ndet, best盲tigt. Vielmehr l盲uft dies auf eine --f眉r den Steuerpflichtigen steuerversch盲rfende und damit belastende-- Abkommens盲nderung hinaus und ist es allein aus dem bilateralen Bem眉hen zu erkl盲ren, etwaigen Nichtbesteuerungen der betreffenden Abfindungen vorzubeugen. Die Umsetzung dieses Bem眉hens mag (unbeschadet des Abkommensprinzips der nur virtuellen Doppelbesteuerung) gerechtfertigt und vor allem in der abkommensrechtlich (in Art. 26 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971) vereinbarten Bekundung angelegt sein, Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen, in gegenseitigem Einvernehmen zu beseitigen. Sie kann vor dem Hintergrund des Abkommenstextes indes aus deutscher Sicht nur gelingen, wenn die "sp盲tere 脺bung" oder "脺bereinkunft" in positives und mit dem Abkommen gleichrangiges Recht erhoben wird. Es gilt erneut der verfassungsrechtliche Gesetzesvorbehalt. Auf der Basis einer blo脽en Verwaltungsvereinbarung gelingt das deswegen nicht (vgl. Senatsurteil in BFHE 157, 39, BStBl II 1990, 4; s. auch H. Loukota, Steuer und Wirtschaft International --SWI-- 2000, 299, 304 ff.; s. auch abgrenzend Senatsurteile vom 4. Juni 2008 I R 62/06, BFHE 222, 255, BStBl II 2008, 793; vom 20. August 2008 I R 39/07, BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234). Ob das --wie das BMF vortr盲gt-- nach den Verfassungsordnungen anderer Staaten abweichend gehandhabt werden kann und wird (vgl. dazu, insbesondere in Bezug auf die Niederlande, Prokisch in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 15 Rz 17a f.; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 15 MA Rz 144; s. auch aus 枚sterreichischer Sicht M. Lang/Schuch, DBA-脰sterreich, Art. 21 Rz 13; H. Loukota, SWI 2000, 299; Kopf in Festschrift Loukota, a.a.O., S. 253), ist insofern unbeachtlich.
dd) Ein anderes Ergebnis folgt weder aus dem vom BMF herangezogenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den Auslandseins盲tzen der Bundeswehr vom 12. Juli 1994听 2 BvE 3/92, 2 BvE 5/93, 2 BvE 7/93, 2 BvE 8/93 (BVerfGE 90, 286) noch aus dem Urteil des BVerfG vom 22. November 2001听 2 BvE 6/99 (BVerfGE 104, 151, 209) zum NATO-Strategiekonzept. Zwar hebt das BVerfG insbesondere in dem Urteil in BVerfGE 90, 286 hervor, dass in der v枚lkerrechtlichen Praxis "flie脽ende 脺berg盲nge zwischen Vertragsauslegung und Vertrags盲nderung" bestehen (unter III.3.a dd der 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别). Es liege auch in der Hand der Vertragspartner, durch eine Vertragsauslegung eine neue Praxis der Vertragsanwendung begr眉nden zu wollen, selbst dann, wenn diese Praxis --entgegen der Auffassung der Vertragsparteien-- 眉ber den Vertragsinhalt hinausgehe; eines Zustimmungsvorbehalts des Gesetzgebers (nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) bed眉rfe es in derartigen Situationen nicht (ebenda). Das BVerfG stellt aber zugleich klar, dass der Vollzug solcher Vereinbarungen dann auf jene T盲tigkeiten beschr盲nkt ist, die nicht dem Gesetzesvorbehalt unterliegen. Ist das nicht der Fall --und der Senat nimmt dies unter den Gegebenheiten des Streitfalls f眉r den steuerrechtlich belastenden Zugriff auf die in Rede stehende Abfindungszahlung aus den dargelegten Erw盲gungen an-- "besteht ein Handlungsverbot, solange nicht entweder das nationale Zustimmungsgesetz den innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl erteilt oder das Parlament eine sonstige ausreichende Erm盲chtigungsgrundlage geschaffen hat" (unter III.3.a ee der 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别), woran es vorliegend jedoch fehlt.
ee) Aus demselben Grund scheidet schlie脽lich die vom BMF angemahnte verfassungskonforme Auslegung des Abkommens (nach Ma脽gabe des Leistungsf盲higkeitsprinzips, Art. 3 Abs. 1 GG) aus, um der Gefahr einer doppelten Nichtbesteuerung der Kl盲gerin (und damit sog. wei脽er Eink眉nfte) entgegenzutreten (s. dazu erneut auch Senatsurteile in BFHE 222, 255, BStBl II 2008, 793, und in BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234).
3. Weitere Rechtsgrundlagen, welche ein deutsches Besteuerungsrecht an der gezahlten Abfindung zu begr眉nden verm枚chten, sind nicht ersichtlich. Eine solche ergibt sich namentlich nicht aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1971. Danach kann die Bundesrepublik Deutschland bei einer in der Schweiz ans盲ssigen nat眉rlichen Person, die nicht die schweizerische Staatsangeh枚rigkeit besitzt und die in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt mindestens f眉nf Jahre unbeschr盲nkt steuerpflichtig gewesen ist, in dem Jahr, in dem die unbeschr盲nkte Steuerpflicht zuletzt geendet hat und in den folgenden f眉nf Jahren die aus der Bundesrepublik Deutschland stammenden Eink眉nfte besteuern. Die Bestimmungen des Satzes 1 gelten jedoch ausnahmsweise nicht, wenn die nat眉rliche Person in der Schweiz ans盲ssig geworden ist, um dort eine echte unselbst盲ndige T盲tigkeit f眉r einen Arbeitgeber auszu眉ben, an dem sie 眉ber das Arbeitsverh盲ltnis hinaus weder unmittelbar noch mittelbar durch Beteiligung oder in anderer Weise wirtschaftlich wesentlich interessiert sei (Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz 1971). In diesen F盲llen verzichtet Deutschland auf den erg盲nzenden Besteuerungsanspruch, da der Zuzug in die Schweiz auf Gr眉nden beruht, die eine "Steuerflucht" aus dem Inland nicht vermuten lasse.
Die Ausnahmevorschrift des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz 1971 erfordert, dass das Ans盲ssigwerden in der Schweiz in der Absicht erfolgt, um dort eine unselbst盲ndige T盲tigkeit auszu眉ben. Dabei muss diese Absicht nicht der alleinige Beweggrund f眉r den Zuzug in die Schweiz sein. Es ist denkbar, dass andere Beweggr眉nde (u.U. sogar vorrangiges) Motiv f眉r den Umzug in die Schweiz waren, z.B. eine Heirat, wenn nur die Absicht hinzu kommt, dort einer unselbst盲ndigen Arbeit nachzugehen. Es ist auch nicht erforderlich, dass die beabsichtigte Arbeitsaufnahme schon konkrete Formen angenommen hat. Insbesondere m眉ssen weder der Arbeitgeber noch der Arbeitsplatz noch die Art der auszu眉benden T盲tigkeit beim Zuzug in der Schweiz feststehen. Schlie脽lich gen眉gt es, wenn beim Zuzug in die Schweiz die Absicht der Arbeitsaufnahme vorhanden gewesen ist, selbst wenn diese Absicht dann sp盲ter endg眉ltig und auf Dauer aufgegeben wird.
Im Streitfall hat das FG dazu festgestellt, dass die Kl盲gerin bereits im Dezember 2005 ihren Wohnsitz in die Schweiz verlagert hat und der Zuzug in die Schweiz nicht erfolgt ist, um der deutschen Steuer zu entgehen. Der Umzug habe vielmehr der Aufnahme einer unselbst盲ndigen T盲tigkeit in der Schweiz und zugleich auch der Begr眉ndung eines gemeinsamen Hausstandes mit ihrem Schweizer Ehemann gedient, den sie im Dezember 2005 geheiratet habe. Die Kl盲gerin habe glaubw眉rdig dargestellt, dass sie bereits ab Juli 2005 mit namentlich benannten Zust盲ndigen eines Schweizer Unternehmens 眉ber die Aufnahme einer unselbst盲ndigen T盲tigkeit verhandelt habe. Sie habe dann auch nach dem Scheitern dieser Vertragsverhandlungen, die sie zun盲chst vereinbarungsgem盲脽 exklusiv mit dem Unternehmen gef眉hrt habe, tats盲chlich eine nichtselbst盲ndige T盲tigkeit in der Schweiz im Dezember 2006 aufgenommen. Das gen眉ge, um einen "nachwirkenden" Besteuerungszugriff Deutschlands auszuschlie脽en.
Dieser tatrichterlich gest眉tzten Subsumtion ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts entgegenzusetzen; sie sind damit f眉r den erkennenden Senat bindend (vgl. 搂 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), so dass das FG-Urteil auch insofern zu best盲tigen ist.
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Fundstellen
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BFH/NV 2009, 2044 |
BFH/PR 2010, 36 |
BStBl II 2010, 387 |
BFHE 2009, 276 |
BFHE 226, 276 |
BB 2009, 2739 |
DB 2009, 2410 |
DStR 2009, 2235 |
DStRE 2009, 1411 |
HFR 2009, 1179 |