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Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Verzinsung nach Unionsrecht
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Leitsatz (amtlich)
1. Ein Zinsbescheid 眉ber Prozesszinsen enth盲lt nicht zugleich eine stillschweigende Ablehnung weiterer Zinsen, insbesondere auf unionsrechtlicher Grundlage.
2. Sieht eine Richtlinie eine obligatorische Steuerbefreiung vor, die der Mitgliedstaat nicht rechtzeitig in nationales Recht umgesetzt hat, und kann sich der Steuerpflichtige deshalb unmittelbar auf die entsprechende Richtlinienbestimmung berufen, stehen ihm nach den unionsrechtlichen Grunds盲tzen Zinsen auf den Entlastungsbetrag zu, wenn der Mitgliedstaat anf盲nglich dessen Auszahlung verweigert.
3. Der Beh枚rde steht eine angemessene Frist f眉r die Bearbeitung des --vollst盲ndigen-- Entlastungsantrags zu, die bei der Zinsberechnung zu ber眉cksichtigten ist.
4. In F盲llen der Energiesteuerentlastung beginnt der Zinslauf 4 Monate und 10 Arbeitstage nach Eingang des vollst盲ndigen Entlastungsantrags.
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Normenkette
AO 搂听124 Abs. 1 S. 2, 搂搂听236, 238; EnergieStG 搂听2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, 搂搂听49, 53; EGRL 96/2003 Art 14 Abs. 1 Buchst. a
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision der Kl盲gerin werden das Urteil des Finanzgerichts D眉sseldorf vom 13.06.2018 - 4 K 1304/17 AO sowie der Bescheid vom 08.03.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2017 aufgehoben, soweit der Zeitraum vom 10.12.2011 bis zum 25.02.2015 betroffen ist.
Zugunsten der Kl盲gerin werden weitere, nach 搂 238 der Abgabenordnung zu berechnende Zinsen auf den Erstattungsbetrag von 68.834,75 鈧 f眉r den Zeitraum vom 10.12.2011 bis zum 25.02.2015 festgesetzt.
Die Berechnung der Zinsen wird dem Beklagten 眉bertragen.
Im 脺brigen wird die Revision zur眉ckgewiesen.
Von den Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kl盲gerin 30% und der Beklagte 70 % zu tragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin) betreibt Motorenpr眉fst盲nde, in denen die durch die Verbrennung von versteuertem Benzin erzeugte mechanische Energie unter Einsatz angeschlossener Generatoren in Strom umgewandelt wird.
Rz. 2
Sie beantragte am 25.07.2011 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--), ihr f眉r den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 Energiesteuer f眉r die Verwendung des nach 搂听2 Abs.听1 Nr.听1 Buchst.听b des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) versteuerten Benzins f眉r die Erzeugung von Strom nach 搂听49 EnergieStG zu verg眉ten. Zugleich beantragte sie f眉r denselben Zeitraum, ihr weitere Energiesteuer f眉r die Verwendung des nach 搂听2 Abs.听1 Nr.听1 bis 3 i.V.m. 搂听49 Abs.听2a EnergieStG versteuerten Benzins f眉r die Erzeugung von Strom nach 搂听53 EnergieStG zu verg眉ten.
Rz. 3
Diese Antr盲ge lehnte das HZA ab. Nachdem der Einspruch hiergegen erfolglos geblieben war, hatte die am 26.02.2015 erhobene Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das HZA mit Urteil vom 09.12.2015听- 4听K听625/15听VE, der Kl盲gerin Energiesteuer in H枚he von 68.834,75听鈧 f眉r den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 zu verg眉ten. Dieser Anspruch ergebe sich unmittelbar aus Art.听14 Abs.听1 Buchst.听a der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (EnergieStRL).
Rz. 4
In der Folge setzte das HZA mit Bescheid vom 22.01.2016 f眉r die Kl盲gerin eine Entlastung von Energiesteuer fest. Zugleich erlie脽 es einen "Zinsbescheid 眉ber Prozesszinsen" nach "Ma脽gabe von 搂听236 Abgabenordnung" und setzte zugunsten der Kl盲gerin Prozesszinsen f眉r den Zeitraum vom 26.02.2015 (Rechtsh盲ngigkeit der Klage) bis zum 25.01.2016 (Auszahlungstag) in H枚he von 3.784听鈧 fest.
Rz. 5
Die Kl盲gerin beantragte mit Schreiben vom 11.03.2016, beim HZA eingegangen am 14.03.2016, die Zinsen auf den festgesetzten Steuerentlastungsbetrag bereits f眉r den Zeitraum ab dem 01.08.2011 festzusetzen. Sie habe gem盲脽 Art.听14 Abs.听1 Buchst.听a EnergieStRL einen Anspruch auf die von ihr begehrte Steuerentlastung gehabt, weil eine nationale Regelung zur Entlastung gefehlt habe. Nach dem Unionsrecht st眉nden ihr deshalb Zinsen nicht erst ab Rechtsh盲ngigkeit des Entlastungsanspruchs zu.
Rz. 6
Das HZA lehnte eine 脛nderung des Zinsbescheids vom 22.01.2016 ab, weil dieser bestandskr盲ftig geworden sei. Der Antrag auf 脛nderung sei nicht vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt worden, wie von 搂听172 Abs.听1 Satz听1 Nr.听2 Buchst.听a der Abgabenordnung (AO) gefordert. Eine 脛nderung nach 搂听173 AO komme nicht in Betracht, weil es sich bei dem mittlerweile ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.09.2015听- VII听R听32/14 (BFHE 251, 291, BStBl II 2016, 323), nach dem Abgaben, die auf der Grundlage einer f眉r ung眉ltig erkl盲rten Unionsverordnung erhoben wurden, ab dem Zeitpunkt der Zahlung der unionsrechtswidrig erhobenen Abgaben zu verzinsen seien, nicht um eine neue Tatsache handele.
Rz. 7
Nachdem ihr Einspruch erfolglos war, erhob die Kl盲gerin Klage und begehrte weiterhin Zinsen ab dem 01.08.2011. Das FG wies die Klage als unbegr眉ndet ab. Das HZA habe in dem Zinsbescheid stillschweigend eine Verzinsung f眉r einen fr眉heren Zeitraum abgelehnt. Dabei sei unerheblich, auf welcher Rechtsgrundlage (搂听236 AO oder Unionsrecht) die Zinsen festgesetzt worden seien. 脛nderungsvorschriften hielt das FG nicht f眉r einschl盲gig. Die Bestandskraft stehe einer 脛nderung entgegen; darin liege kein Versto脽 gegen den unionsrechtlichen Effektivit盲tsgrundsatz. Die Kl盲gerin habe nach einzelstaatlichem Recht die M枚glichkeit gehabt, innerhalb einer angemessenen Frist einen Rechtsbehelf gegen den Zinsbescheid einzulegen.
Rz. 8
Hiergegen richtet sich die Revision. Die Kl盲gerin tr盲gt vor, der Bescheid 眉ber Prozesszinsen habe nicht zugleich die Ablehnung einer anderweitigen Verzinsung beinhaltet. Aus dem Zinsrecht der AO ergebe sich, dass die einzelnen Zinstatbest盲nde nebeneinander best眉nden. In der Praxis k盲me es regelm盲脽ig zu verschiedenen Zinsfestsetzungen. Eine stillschweigende Ablehnung weitergehender Zinsanspr眉che widerspreche dem Bestimmtheitsgrundsatz. Der Zinsbescheid stehe somit einer weitergehenden Verzinsung nach Unionsrecht nicht entgegen. Hierzu verweist die Kl盲gerin auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europ盲ischen Union --EuGH-- (EuGH-Urteil Irimie vom 18.04.2013听- C-565/11, EU:C:2013:250, Rz听23, H枚chstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2013, 659) und des erkennenden Senats (Urteil in BFHE 251, 291, BStBl听II 2016, 323). Der Zinslauf sei durch die Stellung des Erstattungsantrags in Gang gesetzt worden.
Rz. 9
Die Kl盲gerin beantragt, das Urteil des FG vom 13.06.2018听- 4听K听1304/17听AO aufzuheben und das HZA unter Aufhebung des Bescheids vom 08.03.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2017 zu verpflichten, Zinsen von 6听% auf den Steuerentlastungsbetrag von 68.834,75听鈧 f眉r den Zeitraum vom 01.08.2011 bis zum 24.01.2016 festzusetzen.
Rz. 10
Das HZA beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
Rz. 11
Mit ihrem Antrag auf weitergehende Verzinsung habe die Kl盲gerin kein weiteres Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, weil es sich um denselben Verfahrensgegenstand, n盲mlich den Zinsanspruch, gehandelt habe. Sie habe nicht die Festsetzung anderer Zinsen beantragt, sondern r眉ckwirkend den Zeitraum erweitern wollen, f眉r den sie f眉r die zu Unrecht vorenthaltene Steuerverg眉tung entsch盲digt werden wolle. Sowohl 搂听236 AO als auch der unionsrechtliche Zinstatbestand dienten der Entsch盲digung f眉r die Vorenthaltung von Kapital. Deshalb habe es einer 脛nderung des Zinsbescheids bedurft, die jedoch nach Eintritt der Bestandskraft mangels einschl盲giger 脛nderungsvorschriften nicht m枚glich sei. Das Unionsrecht verpflichte eine Verwaltungsbeh枚rde selbst bei unionsrechtlich rechtswidrigen Entscheidungen nicht zu einer R眉cknahme, sofern die Bescheide nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Ersch枚pfung des Rechtswegs Bestandskraft erlangt h盲tten.
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Rz. 12
II. Die Revision ist mit der Ma脽gabe begr眉ndet, dass der Kl盲gerin auf unionsrechtlicher Grundlage weitere Zinsen f眉r den Zeitraum vom 10.12.2011 bis zum 25.02.2015 zustehen. Die Vorentscheidung verletzt insoweit Bundesrecht und ist daher aufzuheben (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. 搂 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Rz. 13
Im 脺brigen hat die Revision keinen Erfolg; es bleibt insoweit bei der Klageabweisung.
Rz. 14
Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass der Kl盲gerin keine weiteren Zinsen zustehen. Der Zinsbescheid vom 22.01.2016 enthielt nicht zugleich die konkludente Ablehnung der Verzinsung vor Rechtsh盲ngigkeit (1.). Der Kl盲gerin steht ein auf Unionsrecht gest眉tzter Zinsanspruch zu (2.).
Rz. 15
1. Der Zinsbescheid vom 22.01.2016 steht der Festsetzung weiterer Zinsen nicht entgegen. Zwar ist dieser Bescheid formell bestandskr盲ftig, weil die Kl盲gerin keinen Einspruch eingelegt hat, jedoch umfasste dieser Bescheid nicht die von der Kl盲gerin begehrten weiteren Zinsen, so dass dessen Bestandskraft dem erweiterten Zinsanspruch nicht entgegenstehen kann. Der Ansicht des FG, das HZA habe in dem Zinsbescheid stillschweigend die Gew盲hrung weiterer Zinsen --auch auf anderer Rechtsgrundlage als 搂 236 AO-- abgelehnt, folgt der Senat nicht. Das HZA hat durch den Bescheid vom 22.01.2016 ausschlie脽lich Prozesszinsen auf der Grundlage von 搂 236 AO festgesetzt.
Rz. 16
a) Ob das HZA den Willen hatte, mit diesem Bescheid auch weitergehende Zinsanspr眉che abzulehnen, ist unerheblich. Denn der Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts bestimmt sich nicht nach dem, was die Beh枚rde mit ihrer Erkl盲rung gewollt hat. Vielmehr wird ein Verwaltungsakt nur mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird (vgl. 搂 124 Abs. 1 Satz 2 AO). Ma脽gebend ist, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umst盲nden den materiellen Gehalt der Erkl盲rung unter Ber眉cksichtigung von Treu und Glauben (搂 133 des B眉rgerlichen Gesetzbuchs) verstehen konnte (BFH-Urteile vom 18.07.1994 - X R 33/91, BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4, und vom 30.11.1999 - IX R 57/98, BFH/NV 2000, 678, m.w.N.). Die Auslegung des Verwaltungsakts muss dabei einen Anhalt in der bekanntgegebenen Regelung haben (BFH-Urteil vom 27.11.1996 - X R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791).
Rz. 17
b) Die Auslegung eines Verwaltungsakts durch das FG ist im Revisionsverfahren 眉berpr眉fbar, wenn die tats盲chlichen Feststellungen des FG hierzu ausreichen (BFH-Urteile vom 12.06.1997 - I R 72/96, BFHE 183, 30, BStBl II 1997, 660; vom 24.08.2005 - II R 16/02, BFHE 210, 515, BStBl II 2006, 36, und vom 04.06.2008 - I R 72/07, BFH/NV 2008, 1977).
Rz. 18
c) Der streitgegenst盲ndliche Bescheid ist mit "Zinsbescheid 眉ber Prozesszinsen" 眉berschrieben und verweist ausdr眉cklich auf 搂 236 AO. Das HZA hatte von Amts wegen entschieden; ein Antrag ist auch nicht erforderlich (Heuermann in H眉bschmann/Hepp/ Spitaler, 搂 236 AO Rz 35). Die Kl盲gerin selbst hatte einen Antrag auf (unionsrechtliche) Zinsen erst mit Schreiben vom 11.03.2016 gestellt, wobei der Senat dahinstehen l盲sst, ob ein solcher Antrag nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH-Urteil Irimie, EU:C:2013:250, Rz 23, HFR 2013, 659) erforderlich ist. Jedenfalls musste die Kl盲gerin nicht davon ausgehen, dass das HZA bereits mit Bescheid vom 22.01.2016 konkret hier眉ber entschieden hatte.
Rz. 19
2. Der Kl盲gerin steht ein weitergehender Zinsanspruch zu, der sich direkt aus dem Unionsrecht ergibt. Die Rechtsprechung des EuGH zur Verzinsung ist auf den vorliegenden Fall 眉bertragbar.
Rz. 20
a) In st盲ndiger Rechtsprechung geht der EuGH davon aus, dass sich im Fall von Steuerbetr盲gen, die unter Versto脽 gegen Vorschriften des Unionsrechts erhoben worden sind, ein Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Betr盲ge, sondern auch der Betr盲ge ergibt, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer an den Mitgliedstaat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Darunter fallen auch Einbu脽en aufgrund mangelnder Verf眉gbarkeit von Geldbetr盲gen. Der Anspruch auf Erstattung der Betr盲ge einschlie脽lich der Zinsen ergibt sich unmittelbar aus dem Unionsrecht (EuGH-Urteile Zuckerfabrik J眉lich vom 27.09.2012 - C-113/10, C-147/10, und C-234/10, EU:C:2012:591, Rz 66, HFR 2012, 1210; Metallgesellschaft vom 08.03.2001 - C-397/98 und C-410/98, EU:C:2001:134, Rz 84 ff., HFR 2001, 628; Littlewoods Retail u.a. vom 19.07.2012 - C-591/10, EU:C:2012:478, Rz 24 ff., HFR 2012, 1018; Irimie, EU:C:2013:250, Rz 21, HFR 2013, 659, und Rafin膬ria Steaua Rom芒n膬 vom 24.10.2013 - C-431/12, EU:C:2013:686, HFR 2013, 1163). Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat angeschlossen (Senatsbeschluss vom 05.12.2017 - VII B 85/17, BFH/NV 2018, 321; Senatsurteil in BFHE 251, 291, BStBl II 2016, 323).
Rz. 21
b) Den bisherigen Entscheidungen des EuGH ist gemeinsam, dass ein Mitgliedstaat in Widerspruch zum Unionsrecht Abgaben erhoben hat. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall insofern, als es nicht um eine unionsrechtswidrige Erhebung einer Abgabe geht, sondern um eine unionsrechtswidrige Nichtgew盲hrung einer obligatorischen Steuerbefreiung.
Rz. 22
Der Kl盲gerin stand aufgrund einer unmittelbaren Anwendung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL ein Anspruch auf die Verg眉tung der Energiesteuer zu, weil die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) diese Regelung nicht fristgerecht in deutsches Recht umgesetzt hatte (EuGH-Urteil Flughafen K枚ln/Bonn vom 17.07.2008 - C-226/07, EU:C:2008:429, HFR 2008, 1092). Unter Anwendung dieser EuGH-Rechtsprechung hatte das FG in seinem Urteil vom 09.12.2015 - 4 K 625/15 VE der Kl盲gerin einen Verg眉tungsanspruch zugesprochen.
Rz. 23
Nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL haben die Mitgliedstaaten Energieerzeugnisse, die bei der Stromerzeugung verwendet werden, von der Energiesteuer zu befreien. Wie diese Steuerbefreiung von den Mitgliedstaaten umgesetzt wird --ob als Ausnahme von der Besteuerung oder durch Gew盲hrung von Entlastungsanspr眉chen-- ist diesen 眉berlassen. Mit Blick auf den Effektivit盲tsgrundsatz darf sich jedenfalls kein Nachteil f眉r den Steuerpflichtigen daraus ergeben, dass die obligatorische Steuerbefreiung in einem Mitgliedstaat im Wege der Steuerentlastung realisiert wird, wie es in Deutschland durch 搂搂 49 und 53 EnergieStG geschehen ist. Wie der EuGH entschieden hat, entfaltet Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL unmittelbare Wirkung, so dass ein Wirtschaftsbeteiligter unter Berufung auf diese Vorschrift die Erstattung einer unter Versto脽 gegen diese Bestimmung erhobene Steuer erwirken kann (EuGH-Urteil Flughafen K枚ln/Bonn, EU:C:2008:429, HFR 2008, 1092). Hinsichtlich der fehlenden Verf眉gbarkeit des Erstattungsbetrags darf ihm nach den Grunds盲tzen der 脛quivalenz und Effektivit盲t eine angemessene Entsch盲digung nicht vorenthalten werden (EuGH-Urteile Irimie, EU:C:2013:250, HFR 2013, 659, und Rafin膬ria Steaua Rom芒n膬, EU:C:2013:686, HFR 2013, 1163). Insoweit ist die dargestellte EuGH-Rechtsprechung auf den Streitfall 眉bertragbar.
Rz. 24
c) Dem steht nicht entgegen, dass der Senat grunds盲tzlich nicht von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz auf (angemessene) Verzinsung r眉ckst盲ndiger Staatsleistungen ausgeht, sondern das geltende Recht nur die Verzinsung nach Ma脽gabe genau umschriebener Tatbest盲nde kennt (vgl. Senatsurteile vom 29.04.1997 - VII R 91/96, BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476; vom 06.05.2008 - VII R 10/07, BFH/NV 2008, 1714). Die genannten Entscheidungen befassten sich nicht mit der Verzinsung unionsrechtswidrig erhobener oder nicht erstatteter Abgaben, f眉r die vorrangig die oben dargestellte EuGH-Rechtsprechung zu beachten ist.
Rz. 25
3. Der Kl盲gerin stehen unionsrechtliche Zinsen allerdings erst ab dem 10.12.2011 und --begrenzt durch die bereits festgesetzten Prozesszinsen-- nur bis zum 25.02.2015 zu.
Rz. 26
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH zum Mehrwertsteuer眉berschuss und zur Durchsetzung des Neutralit盲tsprinzips steht der Steuerbeh枚rde eine angemessene Frist f眉r die Bearbeitung zu (vgl. EuGH-Urteile Enel Maritsa Iztok vom 12.05.2011 - C-107/10, EU:C:2011:298, Slg. 2011, I-3873, und Rafin膬ria Steaua Rom芒n膬, EU:C:2013:686, HFR 2013, 1163). Ma脽geblich ist danach, in welchem angemessenen Zeitraum eine Bearbeitung des Erstattungsantrags erwartet werden kann. Dieser Zeitraum ist bei der Berechnung des Zinsanspruchs, der dem Ausgleich des infolge des vor眉bergehenden Kapitalentzugs entstandenen wirtschaftlichen Nachteils dient, zu ber眉cksichtigen. Insoweit begrenzen die Erfordernisse eines ordnungsgem盲脽en Vollzugs steuerrechtlicher Entlastungsregelungen den auf Unionsrecht beruhenden Zinsanspruch.
Rz. 27
Nach diesen Grunds盲tzen ist auch bei der Pr眉fung von Antr盲gen auf Entlastung von der Energiesteuer der Beh枚rde eine angemessene Bearbeitungszeit zuzubilligen. Mangels ausdr眉cklicher gesetzlicher Regelung orientiert sich der Senat zur Bestimmung der Bearbeitungsfrist an den unionsrechtlichen Regelungen in der Richtlinie 2008/9/EG (RL 2008/9/EG) des Rates vom 12.02.2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gem盲脽 der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ans盲ssige Steuerpflichtige (RL 2008/9/EG), weil darin die Wertung des Unionsgesetzgebers Ausdruck gefunden hat, welche Bearbeitungsfrist er f眉r angemessen erachtet.
Rz. 28
Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 RL 2008/9/EG muss der Erstattungsantrag dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ans盲ssig ist, sp盲testens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Sodann stehen der Beh枚rde gem盲脽 Art. 19 Abs. 2 und Art. 22 Abs. 1 RL 2008/9/EG insgesamt 4 Monate und 10 Arbeitstage zur Verf眉gung, um den Erstattungsantrag zu bearbeiten und den Erstattungsbetrag auszuzahlen. Muss die Beh枚rde weitere Informationen beim Antragsteller anfordern, verl盲ngert sich die Bearbeitungsfrist (vgl. Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 RL 2008/9/EG). Arbeitstage sind nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 03.06.1971 zur Festlegung der Regeln f眉r die Fristen, Daten und Termine alle Tage au脽er Feiertage, Sonntage und Sonnabende.
Rz. 29
Eine 脺bernahme dieser Fristen f眉r die vorliegende Konstellation erscheint dem Senat sachgerecht, weil auch bei der Energiesteuer wegen der f眉r alle Antragsteller gleichen Abgabefristen f眉r Entlastungsantr盲ge mit einem erh枚hten Antragsaufkommen zu bestimmten Zeiten zu rechnen ist.
Rz. 30
Ma脽gebend f眉r den Zinsbeginn ist die Abgabe des vollst盲ndigen Antrags auf Entlastung. Nur bei Vorlage eines ordnungsgem盲脽en und vollst盲ndigen Antrags wird die Beh枚rde in die Lage versetzt, den Antrag zu bearbeiten und das Vorliegen der Voraussetzungen f眉r die beantragte Steuerentlastung festzustellen. Im Streitfall hat das FG nicht festgestellt, dass ein unvollst盲ndiger Antrag vorliegt, so dass der Senat von der Abgabe eines vollst盲ndigen Antrags am 25.07.2011 ausgeht.
Rz. 31
Der Zinslauf beginnt mithin 4 Monate (25.11.2011) und 10 Arbeitstage (28.11.2011 bis 02.12.2011 und 05.12.2011 bis 09.12.2011) nach Abgabe dieses Antrags, also am 10.12.2011.
Rz. 32
b) Schlie脽lich ist der Anspruch der Kl盲gerin begrenzt, weil bereits Zinsen nach 搂 236 AO festgesetzt wurden. Soweit der Kl盲gerin bereits Zinsen zugesprochen wurden (ab Rechtsh盲ngigkeit 26.02.2015), steht einem weitergehenden Zinsanspruch der Zinsbescheid vom 22.01.2016 entgegen.
Rz. 33
4. In Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung obliegt es den Mitgliedstaaten, die Bedingungen f眉r die Zahlung der Zinsen, insbesondere den Zinssatz und die Berechnungsmethode, festzulegen. Die Bedingungen m眉ssen den Grunds盲tzen der 脛quivalenz und Effektivit盲t entsprechen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2018, 321, m.w.N.).
Rz. 34
Nach 搂 238 Abs. 1 AO betragen die Zinsen f眉r jeden Monat 0,5 %. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur f眉r volle Monate zu zahlen (搂 238 Abs. 1 Satz 2 AO).
Rz. 35
Die Berechnung der Zinsen wird dem HZA 眉bertragen (搂搂 121 Satz 1, 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Rz. 36
5. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂搂 143 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 13859183 |
BFH/NV 2020, 844 |
BFH/PR 2020, 249 |
DStR 2020, 12 |
DStRE 2020, 678 |
HFR 2020, 661 |