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Entscheidungsstichwort (Thema)
Energiesteuerverbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten
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Leitsatz (amtlich)
1. 搂 55 Abs. 4 InsO in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes vom 09.12.2010 (BGBl I 2010, 1885, 1893) erfasste auch Energiesteuerverbindlichkeiten.
2. Verbindlichkeiten werden nach 搂 55 Abs. 4 InsO nur im Rahmen der f眉r den vorl盲ufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begr眉ndet (Fortf眉hrung BFH-Urteil vom 24.09.2014 - V R 48/13 (BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506).
3. Energiesteuerverbindlichkeiten k枚nnen nur dann Masseverbindlichkeiten nach 搂 55 Abs. 4 InsO darstellen, wenn sie aus sog. Neugesch盲ften entstehen, weshalb durch bereits bei Bestellung des schwachen vorl盲ufigen Insolvenzverwalters bestehende Liefervertr盲ge ("Altgesch盲fte") keine Masseverbindlichkeiten begr眉ndet werden k枚nnen.
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Normenkette
EnergieStG 搂 38; AO 搂 251 Abs. 3; InsO 搂搂听21-22, 38, 55 Abs. 4
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision des Kl盲gers werden das Urteil des Finanzgerichts D眉sseldorf vom 05.08.2020 - 4 K 2524/19 VE und der Energiesteuerbescheid vom 10.10.2018 in Gestalt des 脛nderungsbescheids vom 10.07.2019 und der Einspruchsentscheidung vom 12.08.2019 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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Tatbestand
I.
Rz. 1
Streitig ist, ob die w盲hrend des Insolvenzer枚ffnungsverfahrens entstandene Energiesteuer eine Masseverbindlichkeit darstellt.
Rz. 2
Gegenstand des Unternehmens der 鈥 GmbH (Schuldnerin) war die Versorgung von Kunden mit Energieerzeugnissen. Die Schuldnerin hatte sich durch langfristige Liefervertr盲ge an ihre Kunden gebunden, ohne sich durch entsprechende Deckungsgesch盲fte gegen einen Anstieg der Einkaufspreise abzusichern. Als die Einkaufspreise nennenswert anstiegen, konnte sie nicht mehr kostendeckend arbeiten; sie erwirtschaftete Verluste und geriet in Zahlungsr眉ckstand.
Rz. 3
Das zust盲ndige Amtsgericht (AG) bestellte den Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) mit Beschluss vom 09.07.2018 zum vorl盲ufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verf眉gungen der Schuldnerin 眉ber Gegenst盲nde ihres Verm枚gens nur noch mit Zustimmung des Kl盲gers wirksam sein w眉rden (搂听21 Abs.听2 Satz听1 Nr.听2 Alternative听2 der Insolvenzordnung --InsO--). Es traf die folgenden weiteren Anordnungen:
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Den Drittschuldnern wurde verboten, an die Schuldnerin zu zahlen. Der Kl盲ger wurde erm盲chtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner wurden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (搂听23 Abs.听1 Satz听3 InsO). |
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Ma脽nahmen der Zwangsvollstreckung einschlie脽lich der Vollziehung eines Arrests oder einer einstweiligen Verf眉gung gegen die Schuldnerin wurden untersagt, soweit nicht unbewegliche Gegenst盲nde betroffen waren; bereits begonnene Ma脽nahmen wurden einstweilen eingestellt (搂听21 Abs.听2 Satz听1 Nr.听3 InsO). |
Rz. 4
Der Kl盲ger bem眉hte sich zun盲chst und letztlich erfolglos, eine Auffangl枚sung zu finden. Die Schuldnerin stellte die Belieferung ihrer Kunden am 18.07.2018 ein.
Rz. 5
Das AG er枚ffnete am 01.10.2018 das Insolvenzverfahren 眉ber das Verm枚gen der Schuldnerin und bestellte den Kl盲ger zum Insolvenzverwalter.
Rz. 6
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt --HZA--) sch盲tzte die im Zeitraum vom 09.07.2018 (12:00听Uhr) bis zum Zeitpunkt der Einstellung der Lieferungen am 18.07.2018 gelieferte Menge an Energieerzeugnissen und setzte mit Bescheid vom 10.10.2018 Energiesteuer in H枚he von 113.561,63听鈧 gegen眉ber dem Kl盲ger als Insolvenzverwalter 眉ber das Verm枚gen der Schuldnerin fest. Zur Begr眉ndung f眉hrte es aus, es handele sich um sonstige Masseverbindlichkeiten.
Rz. 7
Im Einspruchsverfahren reduzierte das HZA mit Bescheid vom 10.07.2019 die Energiesteuer auf der Grundlage einer genaueren Berechnung der in dem fraglichen Zeitraum gelieferten Menge an Energieerzeugnissen auf 32.690,81听鈧 und wies den Einspruch im 脺brigen als unbegr眉ndet zur眉ck.
Rz. 8
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Energiesteuerverbindlichkeit stelle eine sonstige Masseverbindlichkeit nach 搂听55 Abs.听4 InsO in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes vom 09.12.2010 --InsO a.F.-- (BGBl I 2010, 1885) dar. Die Vorschrift betreffe nicht nur die Umsatzsteuer, sondern alle Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverh盲ltnis. Der nach 搂听55 Abs.听4 InsO a.F. erforderliche Zusammenhang zwischen der Entstehung der Steuerverbindlichkeit und den Befugnissen des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters werde bei der Energiesteuer schon durch den vom Insolvenzgericht angeordneten allgemeinen Zustimmungsvorbehalt (搂听21 Abs.听2 Satz听1 Nr.听2 Alternative听2 InsO) begr眉ndet. Die Lieferungen an die Kunden seien mit Zustimmung des Kl盲gers erfolgt; denn dieser habe sich aktiv um eine 脺bergangs- bzw. Nachfolgel枚sung f眉r die Schuldnerin bem眉ht. Dass die Lieferungen in Erf眉llung von Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverh盲ltnissen erfolgten, die bereits vor der Bestellung des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters begr眉ndet worden waren ("Altgesch盲fte"), stehe dem nicht entgegen. Eine solche Einschr盲nkung des 搂听55 Abs.听4 InsO a.F. ergebe sich weder aus dem Wortsinn und der Entstehungsgeschichte noch aus dem Sinn und Zweck der Norm. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2021, 2078 abgedruckt.
Rz. 9
Der Kl盲ger begr眉ndet seine Revision mit einer Verletzung von 搂听55 Abs.听4 InsO a.F. Die Regelung in 搂听55 Abs.听4 InsO a.F. sei auf die Umsatzsteuer beschr盲nkt. Dies ergebe sich auch aus der Neufassung des 搂听55 Abs.听4 InsO durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts vom 22.12.2020 --InsO n.F.-- (BGBl I 2020, 3256), die Umsatzsteuerverbindlichkeiten explizit erw盲hne und Verbrauchsteuern den Umsatzsteuerverbindlichkeiten erstmals gleichstelle.
Rz. 10
Aus der Tatsache, dass er sich aktiv um eine Auffangl枚sung bem眉ht habe, k枚nne keine Zustimmung i.S. des 搂听55 Abs.听4 InsO a.F. geschlussfolgert werden. Er habe lediglich seine --sich aus 搂听1 InsO ergebende-- Aufgabe als Insolvenzverwalter wahrgenommen. Er h盲tte die Liefervertr盲ge auch nicht k眉ndigen k枚nnen, anders als der Gesch盲ftsf眉hrer der Schuldnerin. Er habe mithin keinen Einfluss auf die Einstellung der Belieferung nehmen k枚nnen. Sein Handeln stelle deshalb keine Zustimmung dar. Im 脺brigen sei 搂听55 Abs.听4 InsO a.F. nur auf nach Bestellung des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters abgeschlossene Neugesch盲fte anzuwenden.
Rz. 11
Der Kl盲ger beantragt,
das auf die m眉ndliche Verhandlung vom 05.08.2020 ergangene Urteil des FG D眉sseldorf vom 05.08.2020听- 4听K听2524/19 sowie den Energiesteuerbescheid vom 10.10.2018 in Gestalt des 脛nderungsbescheids vom 10.07.2019 und der Einspruchsentscheidung vom 12.08.2019 aufzuheben.
Rz. 12
Das HZA beantragt,
die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
Rz. 13
Der Begriff der Zustimmung sei als tats盲chliches Einverst盲ndnis mit der Fortf眉hrung der Gesch盲ftsf眉hrung des Schuldners zu verstehen und weit auszulegen, sodass jede Art von aktiver oder konkludenter Billigung umfasst sei.
Rz. 14
Die Beteiligten haben 眉bereinstimmend auf m眉ndliche Verhandlung verzichtet.
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II.
Rz. 15
Die Revision ist begr眉ndet und f眉hrt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (搂听126 Abs.听3 Satz听1 Nr.听1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorentscheidung verletzt Bundesrecht (搂听118 Abs.听1 Satz听1 FGO). Der Energiesteuerbescheid vom 10.10.2018 sowie der 脛nderungsbescheid vom 10.07.2019 und die Einspruchsentscheidung vom 12.08.2019 werden ebenfalls aufgehoben.
Rz. 16
Das HZA durfte f眉r die im Zeitraum vom 09.07.2018 (12:00听Uhr) bis zum 18.07.2018 gelieferten Energieerzeugnisse keine Energiesteuer gegen den Kl盲ger festsetzen, weil es sich dabei um eine Insolvenzforderung nach 搂听38 InsO handelt.
Rz. 17
1. Die Energiesteuer ist durch die Entnahme des Erdgases zum Verbrauch durch die Kunden der Schuldnerin entstanden (搂听38 Abs.听1 Satz听1 des Energiesteuergesetzes --EnergieStG--). Die Schuldnerin schuldet als Lieferer die Energiesteuer (搂听38 Abs.听2 Nr.听1 EnergieStG).
Rz. 18
2. Die Energiesteuer kann jedoch nicht durch Verwaltungsakt gegen眉ber dem Kl盲ger als Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, wenn es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit i.S. von 搂听55 Abs.听4 InsO a.F., sondern um eine Insolvenzforderung i.S. von 搂听38 InsO handelt.
Rz. 19
a) Nach Er枚ffnung eines Insolvenzverfahrens d眉rfen Steuerbescheide, die Insolvenzforderungen betreffen, nicht mehr ergehen. Das folgt aus dem in 搂听251 Abs.听2 Satz听1 der Abgabenordnung (AO) normierten Grundsatz, nach dem Anspr眉che aus dem Steuerschuldverh盲ltnis, die Insolvenzforderungen sind, nach Insolvenzer枚ffnung nur nach den Vorschriften der InsO geltend gemacht werden d眉rfen. Derartige Anspr眉che aus dem Steuerschuldverh盲ltnis sind zur Insolvenztabelle anzumelden und --im Falle des Bestreitens-- durch Feststellungsbescheid nach 搂听251 Abs.听3 AO gegen眉ber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen. Ein f枚rmlicher Steuerbescheid 眉ber einen Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung betrifft, ist unwirksam (st盲ndige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 19.01.2021听- VII听R听38/19, BFH/NV 2021, 1057, Rz听24, m.w.N.).
Rz. 20
b) Nach 搂听55 Abs.听4 InsO a.F. gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverh盲ltnis, die von einem vorl盲ufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorl盲ufigen Insolvenzverwalters begr眉ndet worden sind, nach Er枚ffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.
Rz. 21
aa) Von der Norm waren im Streitjahr 2018 grunds盲tzlich auch Verbindlichkeiten aus Energiesteuer erfasst.
Rz. 22
(1) Durch die Verwendung des Wortes "Steuerschuldverh盲ltnis" verweist die Norm auf 搂听37 Abs.听1 AO und gilt deshalb f眉r s盲mtliche Steuerarten (Graf-Schlicker/Bremen, InsO, 6.听Aufl., 搂听55 Rz听70; Pape/Schaltke in: K眉bler/Pr眉tting/Bork/Jacoby, KPB听- Kommentar zur Insolvenzordnung, 搂听55 Sonstige Masseverbindlichkeiten, Rz听233a; M眉KoInsO/Hefermehl, 4.听Aufl., 搂听55 Rz听240; Karsten Schmidt/Thole, InsO, 20.听Aufl., 搂听55 Rz听46; gl.A. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 20.05.2015, BStBl I 2015, 476; a.A. Nawroth, Zeitschrift f眉r das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht --ZInsO-- 2011, 107, 108). Denn 搂听37 Abs.听1 AO, nach dem Anspr眉che aus dem Steuerschuldverh盲ltnis der Steueranspruch, der Steuerverg眉tungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach 搂听37 Abs.听2 AO sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsanspr眉che sind, ist keine Einschr盲nkung auf bestimmte Steuerarten zu entnehmen.
Rz. 23
(2) Auch vor dem Hintergrund der 脛nderung des 搂听55 Abs.听4 InsO durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (BGBl I 2020, 3256) ist keine andere Sichtweise geboten (a.A. Eisolt, ZInsO 2021, 1521, 1524).
Rz. 24
Der 搂听55 Abs.听4 InsO n.F. erw盲hnt zwar ausdr眉cklich Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorl盲ufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorl盲ufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorl盲ufigen Sachwalters begr眉ndet worden sind, und stellt diesen Umsatzsteuerverbindlichkeiten sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben, bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern, die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und die Lohnsteuer gleich. Dies l盲sst jedoch dennoch nicht den Schluss zu, dass bis zu dieser Gesetzes盲nderung allein die Umsatzsteuer von dieser Vorschrift erfasst gewesen sein sollte. Hintergrund dieser 脛nderung war die Auffassung des Gesetzgebers, dass es sich bei der Umsatzsteuer um die praktisch bedeutsamste Steuer handele. Dementsprechend war urspr眉nglich im Referentenentwurf eine Beschr盲nkung auf die Umsatzsteuer vorgesehen, wobei man davon ausging, dass auch nach der bisherigen Gesetzesfassung alle Steuerarten erfasst worden waren (S.听213 des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz und f眉r Verbraucherschutz "Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts", https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.html). Hieraus ergibt sich gerade nicht, dass bis zu dieser Gesetzes盲nderung allein die Umsatzsteuer erfasst gewesen sein sollte.
Rz. 25
Im 脺brigen wird aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Haushaltsbegleitgesetz 2011 (BRDrucks 532/10, S.听53) deutlich, dass der Gesetzgeber zwar "insbesondere" die Umsatzsteuer im Blick hatte, der nach seiner Ansicht praktisch die gr枚脽te Bedeutung zukam. Die Materialien belegen jedoch nicht, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolge des 搂听55 Abs.听4 InsO auf die Umsatzsteuer beschr盲nken wollte. Im Gegenteil kam es dem Gesetzgeber im Hinblick auf das Ziel der Haushaltskonsolidierung darauf an, mit den 脛nderungen die Position der 枚ffentlichen Hand als "Zwangsgl盲ubiger" im Insolvenzverfahren gegen眉ber abgesicherten Insolvenzgl盲ubigern zu verbessern (BRDrucks 532/10, S.听51).
Rz. 26
(3) Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24.09.2014听- V听R听48/13 (BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz听19) l盲sst sich nichts anderes herleiten (so aber Eisolt, ZInsO 2021, 1521, 1523). Denn der V.听Senat des BFH hat zwar ausgef眉hrt, dass die Umsatzsteuer von 搂听55 Abs.听4 InsO a.F. erfasst werde, er hat jedoch keine Aussage dazu getroffen und auch nicht treffen m眉ssen, ob der Anwendungsbereich der Norm auf diese Steuer beschr盲nkt gewesen ist.
Rz. 27
bb) Die Steuerverbindlichkeit muss nach Bestellung des vorl盲ufigen Verwalters "begr眉ndet" worden sein. In diesem Zusammenhang ist es geboten, f眉r die Abgrenzung die gleichen Ma脽st盲be wie bei 搂听38 InsO anzuwenden, weil beide Vorschriften dieselbe Formulierung, n盲mlich "begr眉ndet", verwenden. Nach 搂听38 InsO sind Insolvenzgl盲ubiger diejenigen Gl盲ubiger, die einen zur Zeit der Er枚ffnung des Insolvenzverfahrens begr眉ndeten Verm枚gensanspruch gegen den Schuldner haben. Entscheidend ist, wann der Rechtsgrund f眉r den Anspruch gelegt worden ist (BFH-Urteil vom 16.05.2013听- IV听R听23/11, BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759; BFH-Beschluss vom 01.04.2008听- X听B听201/07, BFH/NV 2008, 925). Der Rechtsgrund f眉r einen Steueranspruch ist gelegt, wenn der gesetzliche (Besteuerungs-)Tatbestand verwirklicht wird (BFH-Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, und Senatsurteil vom 12.06.2018听- VII听R听2/17, BFH/NV 2019, 6, Rz听19).
Rz. 28
F眉r den Energiesteueranspruch kommt es mithin nicht darauf an, wann der Energieliefervertrag abgeschlossen oder die Energiesteuer festgesetzt wurde, sondern allein darauf, wann der Versorger oder die Kunden die Energieerzeugnisse zum Verbrauch aus dem Leitungsnetz entnommen haben. Durch den Realakt der Entnahme, der nach 搂听38 Abs.听1 EnergieStG zur Steuerentstehung f眉hrt, wird der Energiesteueranspruch insolvenzrechtlich begr眉ndet (Jatzke in H眉bschmann/Hepp/Spitaler, 搂听251 AO Rz听409).
Rz. 29
cc) Die Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverh盲ltnis m眉ssen von einem vorl盲ufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorl盲ufigen Insolvenzverwalters begr眉ndet worden sein. Der Begriff der Zustimmung ist gesetzlich nicht definiert.
Rz. 30
(1) Nach der h枚chstrichterlichen Rechtsprechung der Umsatzsteuersenate des BFH werden Verbindlichkeiten vom vorl盲ufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters nur im Rahmen der f眉r den vorl盲ufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begr眉ndet (BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz听15). Eine lediglich zeitliche Verbindlichkeitenbegr眉ndung nach der Bestellung eines schwachen vorl盲ufigen Insolvenzverwalters reicht nicht aus (so noch BMF-Schreiben vom 17.01.2012, BStBl I 2012, 120 Rz听11). Auf die Leistungserbringung oder auf eine "tats盲chliche" Zustimmung des vorl盲ufigen Verwalters zu einer "faktischen" Unternehmensfortf眉hrung kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 28.05.2020听- V听R听2/20, BFHE 268, 519, Rz听16).
Rz. 31
Der V.听Senat des BFH hat f眉r die insolvenzrechtliche Einordnung der Umsatzsteuerverbindlichkeiten ma脽geblich darauf abgestellt, dass der Forderungseinzug durch den vorl盲ufigen Insolvenzverwalter im Rahmen seiner rechtlichen Befugnisse erfolgt und dazu f眉hrt, dass umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverh盲ltnis, die mit dem Forderungseinzug im Zusammenhang stehen, gem盲脽 搂听55 Abs.听4 InsO als Masseverbindlichkeiten gelten (BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz听14).
Rz. 32
(2) Der Einzug offener Forderungen der Schuldnerin gegen ihre Kunden hat --worauf das FG zutreffend hinweist-- jedoch keinen Bezug zur Entstehung der Energiesteuerverbindlichkeit nach 搂听38 Abs.听1 EnergieStG. Denn, wie bereits ausgef眉hrt, entsteht die Energiesteuer bereits mit dem Realakt der Entnahme des Erdgases aus dem Leitungsnetz. Aus dem Forderungseinzug kann daher nicht auf eine Zustimmung des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters zur Begr眉ndung der Energiesteuer geschlossen werden.
Rz. 33
(3) Das Ankn眉pfen an die rechtlichen Befugnisse der in 搂听55 Abs.听1 und Abs.听4 InsO genannten Verwalter f眉hrt nicht dazu, dass jegliche Handlungen nach deren Bestellung Masseverbindlichkeiten begr眉nden. Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverh盲ltnis, die allein vom Schuldner begr眉ndet werden und nicht im Zusammenhang mit einer T盲tigkeit des vorl盲ufigen Verwalters stehen, werden nicht erfasst (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 22.11.2018听- IX听ZR听167/16, BGHZ 220, 243, Rz听22). Ma脽geblich ist vielmehr, wie der vorl盲ufige Insolvenzverwalter seine Befugnisse aus眉bt (BFH-Urteil in BFHE 268, 519, Rz听18). Liegt keine ausdr眉ckliche Zustimmung vor, kann auf einen fehlenden Widerspruch nur in dem Umfang abgestellt werden, als ein Recht zum Widerspruch besteht (BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz听17; so auch FG D眉sseldorf, Urteil vom 19.11.2020听- 14听K听303/18听E, EFG 2021, 306).
Rz. 34
Der Zustimmungsvorbehalt (搂听21 Abs.听2 Satz听1 Nr.听2 Alternative听2 InsO) bewirkt (nur), dass der vorl盲ufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgesch盲ftliche Verf眉gungen des Schuldners zu verhindern vermag. Dagegen ist der vorl盲ufige Insolvenzverwalter rechtlich nicht in der Lage, den Schuldner gegen dessen Willen zu Handlungen anzuhalten (vgl. BGH-Urteil vom 18.07.2002听- IX听ZR听195/01, BGHZ 151, 353, unter III.2.c听bb).
Rz. 35
Verf眉gungen in diesem Sinne sind alle Rechtshandlungen, die auf das Verm枚gen des Schuldners unmittelbar einwirken, z.B. Zahlungen des Schuldners (BGH-Urteil vom 25.10.2007听- IX听ZR听217/06, BGHZ 174, 84, unter II.1.e听bb) und die Abtretung von Forderungen (BGH-Urteil vom 10.12.2009听- IX听ZR听1/09, Zeitschrift f眉r Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2010, 138, unter II.2.a). Es werden also solche Rechtsgesch盲fte erfasst, durch die unmittelbar ein Recht begr眉ndet, 眉bertragen, belastet, aufgehoben oder sonst wie in seinem Inhalt ver盲ndert wird (BGH-Urteil in ZIP 2010, 138, unter II.2.b).
Rz. 36
Ein Unterlassen des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters kann vor diesem Hintergrund somit nur dann zur Begr眉ndung einer Masseverbindlichkeit nach 搂听55 Abs.听4 InsO f眉hren, wenn der vorl盲ufige Insolvenzverwalter die Entstehung der Verbindlichkeit durch seinen Widerspruch h盲tte verhindern k枚nnen.
Rz. 37
Soweit vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Intention vertreten wird, dass der Begriff der Zustimmung in einem weiten Sinne zu verstehen sei und dass die Zustimmung des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters deshalb aktiv oder auch durch konkludentes Handeln (z.B. Tun, Dulden, Unterlassen) erfolgen k枚nne (vgl. Oberlandesgericht K枚ln, Beschluss vom 29.01.2014听- 2听W听4/14, Neue Zeitschrift f眉r Insolvenz- und Sanierungsrecht 2014, 332, Rz听13), h盲lt der erkennende Senat eine derart weite Auslegung des 搂听55 Abs.听4 InsO nicht f眉r 眉berzeugend. Denn dies f眉hrte zu einer zu weitgehenden Besserstellung des Fiskus gegen眉ber anderen Gl盲ubigern und widerspr盲che daher dem Grundsatz der Gl盲ubigergleichbehandlung (vgl. M眉KoInsO/Ehricke/Behme, 4.听Aufl., 搂听38 Rz听5).
Rz. 38
dd) Energiesteuerverbindlichkeiten k枚nnen nur dann Masseverbindlichkeiten nach 搂听55 Abs.听4 InsO sein, wenn sie aus sog. Neugesch盲ften entstehen, nicht jedoch aus bereits bei Bestellung des schwachen vorl盲ufigen Insolvenzverwalters bestehenden Liefervertr盲gen. Das ergibt sich insbesondere aus 搂听103 InsO. Danach steht nur dem endg眉ltig bestellten Insolvenzverwalter ein Erf眉llungswahlrecht zu (vgl. Uhlenbruck/Sinz, Insolvenzordnung, 15.听Aufl., 搂听55 Rz听117; M眉KoInsO/Hefermehl, 4.听Aufl., 搂听55 Rz听245; Eisolt, ZInsO 2021, 1521, 1530; Harder/Dannemann, Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht 2021, 311, 312). Soweit das FG hiergegen einwendet, es k盲me zu einer Verkomplizierung der Rechtsanwendung und zu kaum verst盲ndlichen Unterschieden bei verschiedenen Steuerarten, so 眉berzeugt dieser Einwand nicht.
Rz. 39
Nach der Rechtsprechung des BGH vermag der schwache vorl盲ufige Insolvenzverwalter den Abschluss rechtswirksamer Verpflichtungsvertr盲ge nicht zu verhindern (BGH-Urteile in BGHZ 151, 353, unter III.2.c听bb, und in ZIP 2010, 138, unter II.2.b). Der "schwache" vorl盲ufige Insolvenzverwalter ist ferner nicht befugt, den Schuldner daran zu hindern, w盲hrend des Er枚ffnungsverfahrens die Gegenleistung aus Dauerschuldverh盲ltnissen i.S. von 搂听55 Abs.听2 Satz听2 InsO in Anspruch zu nehmen, soweit damit keine rechtsgesch盲ftliche Verf眉gung verbunden ist.
Rz. 40
Dem steht nicht entgegen, dass der V.听Senat des BFH in seinen Entscheidungen (vgl. in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, und in BFHE 268, 519) allein auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorl盲ufigen Insolvenzverwalter abgestellt hat, ohne eine Unterscheidung danach zu treffen, wann der zugrundeliegende Vertrag abgeschlossen worden ist. Denn im Fall der Energiesteuer kommt es --wie auch das FG zutreffend ausgef眉hrt hat-- f眉r die Steuerentstehung nicht auf die Entgeltvereinnahmung an.
Rz. 41
3. Das FG ist von anderen Rechtsgrunds盲tzen ausgegangen.
Rz. 42
Es hat zur Begr眉ndung von sonstigen Masseverbindlichkeiten gem盲脽 搂听55 Abs.听4 InsO f眉r die Annahme einer Zustimmung des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters lediglich auf das Vorliegen eines Zustimmungsvorbehalts nach 搂听21 Abs.听2 Satz听1 Nr.听2 Alternative听2 InsO abgestellt (FG-Urteil, Rz听30). In diesem Zusammenhang hat es die rechtlichen Befugnisse des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters verkannt, indem es angenommen hat, die Weiterbelieferung der Kunden durch die Schuldnerin habe seiner Zustimmung bedurft. Schlie脽lich hat das FG keine Unterscheidung zwischen Alt- und Neugesch盲ften vorgenommen.
Rz. 43
a) Nach den Feststellungen des FG ist die streitige Energiesteuer vor der Er枚ffnung des Insolvenzverfahrens entstanden (搂听38 Abs.听1 Satz听1 EnergieStG), sodass kein Zweifel daran besteht, dass es sich grunds盲tzlich um Insolvenzforderungen nach 搂听38 InsO handelt.
Rz. 44
b) Die streitgegenst盲ndlichen Energiesteuerverbindlichkeiten gelten nach den oben dargestellten Grunds盲tzen nicht als Masseverbindlichkeiten gem盲脽 搂听55 Abs.听4 InsO, weil keine Zustimmung des Kl盲gers vorliegt.
Rz. 45
aa) Die Energiesteuer entsteht nach 搂听38 Abs.听1 Satz听1 EnergieStG durch den Realakt der Entnahme. Diese erfolgte im Streitfall durch die Kunden der Schuldnerin, ohne dass es hierzu der Zustimmung des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters bedurft h盲tte.
Rz. 46
Der Begriff der "Zustimmung" in 搂听55 Abs.听4 InsO kann sich im Streitfall deshalb nur auf die den Steuertatbestand ausl枚sende Handlung des Schuldners beziehen. Auch die Lieferung des Energieerzeugnisses durch die Schuldnerin an ihre Kunden weist nicht auf eine Zustimmung des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters hin. Abgesehen davon, dass der Begriff der Lieferung ("geliefertes") der Konkretisierung des Steuerschuldners dient (搂听38 Abs.听2 Nr.听1 EnergieStG), hat das FG eine ausdr眉ckliche Zustimmung des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters zur Lieferung nicht festgestellt.
Rz. 47
bb) Soweit das FG eine Zustimmung zur Lieferung angenommen hat, weil der Kl盲ger sich nach den Feststellungen des FG (搂听118 Abs.听2 FGO) um eine 脺bergangs- bzw. Nachfolgel枚sung f眉r die Schuldnerin bem眉ht hat, widerspricht dies den Grunds盲tzen, welche der V.听Senat des BFH in seinem Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506 aufgestellt hat (s. oben).
Rz. 48
Der V.听Senat des BFH hat in dieser Entscheidung geurteilt, dass der InsO eine von der Rechtsstellung des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters nach den 搂搂听21听ff. InsO abweichende "tats盲chliche" Zustimmung oder eine "faktische" Unternehmensfortf眉hrung neben einer Unternehmensfortf眉hrung i.S. des 搂听22 Abs.听1 Satz听2 Nr.听2 InsO fremd sei. Das entspricht auch der Rechtsprechung des BGH, wonach es unerheblich ist, dass der vorl盲ufige Insolvenzverwalter den Schuldner zur Fortf眉hrung des Gesch盲ftsbetriebs "veranlasst" hat, wenn eine derartige Einflussnahme von Rechts wegen unverbindlich war (BGH-Urteil in BGHZ 151, 353, unter III.2.c听bb).
Rz. 49
Im Streitfall handelt es sich beim Kl盲ger um einen sog. schwachen vorl盲ufigen Insolvenzverwalter, weil dem Schuldner kein allgemeines Verf眉gungsverbot auferlegt worden ist (搂搂听21 Abs.听2 Satz听1 Nr.听2 Alternative听1, 22 Abs.听1 InsO). Das bedeutet, dass der Kl盲ger rechtlich gar nicht befugt war, die Weiterbelieferung zu unterbinden oder gar die bestehenden Liefervertr盲ge (Dauerschuldverh盲ltnisse) zu k眉ndigen. Denn allein in der Erf眉llung eines bestehenden Energieliefervertrages liegt keine Verf眉gung des Schuldners, welche der Zustimmung des vorl盲ufigen Insolvenzverwalters bedarf.
Rz. 50
cc) Im 脺brigen handelt es sich bei den langfristigen Liefervertr盲gen um sog. Altvertr盲ge, welche bereits vor der Bestellung des Kl盲gers als vorl盲ufiger Insolvenzverwalter abgeschlossen worden waren. Auch deshalb konnten nach den dargestellten Grunds盲tzen keine sonstigen Masseverbindlichkeiten nach 搂听55 Abs.听4 InsO begr眉ndet werden.
Rz. 51
4. Der Senat entscheidet gem盲脽 搂搂听121 Satz听1, 90 Abs.听2 FGO mit Zustimmung der Beteiligten ohne m眉ndliche Verhandlung.
Rz. 52
5. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂听135 Abs.听1 FGO.
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Fundstellen
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BFH/NV 2023, 901 |
BFH/PR 2023, 296 |
BB 2023, 1236 |
DStR 2023, 10 |
DStR 2023, 1198 |
DStRE 2023, 758 |