„ǻ徱ä ist doch das mit den Bienen auf dem Parkplatz, oder?“


ǻ徱ä - mehr als Bienen und Blühwiesen

Es gibt Themen, die unterschätzt werden, obwohl sie von zentraler Bedeutung sind. ǻ徱ä ist eines davon. Kein Nebenschauplatz des Klimawandels, sondern ebenso brisant. Alexander Kraemer zeigt in dieser Kolumne, wie man sich dem Thema strukturiert nähern kann, auch wenn man es bisher zu wenig beachtet hat.

Ich gebe zu: Von ǻ徱ä hatte ich bislang keine Ahnung. Ich war tief drin in IT-Lieferketten, in CO₂-Fußabdrücken, in hyperlokaler Philanthropie. Aber ǻ徱ä? Das erschien mir bislang eher als Randthema mit Blühwiesenästhetik.

Und dann lag es plötzlich auf dem Tisch – als neue Anforderung, als Podcastthema, als potenzielles Reputationsrisiko.Ich bin Nachhaltigkeitsmanager aus Überzeugung. Und in diesem Job passiert genau das regelmäßig: Themen landen auf dem Schreibtisch. Themen, die man noch nicht durchdrungen hat und für die es im Unternehmen sonst kaum ein Mandat gibt. Für uns aber schon.

Also: Wie nähert man sich einem neuen Thema wie ǻ徱ä – strukturiert, fundiert, ohne sich zu verzetteln? Und: Was bleibt wirklich hängen?

1. ǻ徱ä ist ein Systembegriff

Mein erster Aha-Moment: ǻ徱ä ist weit mehr als Artenvielfalt. Sie umfasst drei Ebenen:

  • Genetische Vielfalt (zum Beispiel widerstandsfähige Nutzpflanzen),
  • Artenvielfalt (zum Beispiel Insekten, Vögel, Pilze – auch die ungeliebten),
  • Vielfalt der Ökosysteme (zum Beispiel Wälder, Feuchtgebiete, Böden, Stadtgrün).

Diese Vielfalt ist die Lebensversicherung unseres Planeten. Und unseres Wirtschaftssystems. Denn: Ohne Bestäubung keine Ernten. Ohne Bodenleben keine Landwirtschaft. Ohne intakte Küsten keine Rohstoffinfrastruktur. ǻ徱ä ist nicht das Nebenthema des Klimawandels – sie ist sein Zwilling. Und sie hat ihre eigene Krise.

2. Recherchieren – aber mit System

Ich habe mir drei Einstiegspunkte gesucht:

  • Europäische Biodiversity Strategie der EU
  • Nationale Biodiversitystrategie 2030 der Bundesregierung
  • Global Biodiversity Outlook 5

Hier wurde mir klar: Die Datenlage ist dramatisch und das Thema ist nicht neu, sondern schon seit 1992 auf der Agenda von 147 Staaten. Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Der ǻ徱äsverlust schreitet schneller voran als der Klimawandel. Und viele Geschäftsmodelle – gerade in der Konsumgüterindustrie, Agrar, Immobilien, Rohstoffe – sind direkt betroffen. Der NABU spricht von einem verlorenem Jahrzehnt.

Die Erkenntnis, die ich vorher schon hatte, wird jetzt immer mehr bestätigen. Bienen auf dem Parkplatz sind es nicht. Das ganze Business muss beleuchtet werden, um positive wie negative Wirkungen systematisch zu erfassen. Das ist dann der Startpunkt für die Transformation.

3. Austausch statt Einsamkeit

Ich habe mich bewusst mit zwei Gruppen vernetzt:

  • Menschen, die fachlich tief im Thema sind.
  • und Kolleg:innen, die – wie ich – gerade anfangen.

Was mir half: die ganz praktischen Fragen. Wer hat schon mal eine ǻ徱äsanalyse gemacht? Welche Tools sind hilfreich? Wo kann man sich blamieren? Und welche Events lohnen sich? Mein Eindruck: Niemand hat die komplette Antwort. Aber viele haben einen Teil – und sind bereit zu teilen. Das Thema lebt vom Austausch.

4. Lernen durch Erleben

Ich habe mir vorgenommen, in Workshops nicht nur zuzuhören, sondern aktiv Fragen zu stellen:

  • Was sind natur-positive Geschäftsmodelle?
  • Wie lassen sich ǻ徱äsrisiken in Lieferketten sichtbar machen?
  • Was bedeutet TNFD konkret für ein Unternehmen ohne Forstflächen?

Je mehr ich eintauche, desto klarer wird: ǻ徱ä kann man nicht nur lesen – man muss sie erleben. Ob in der interaktiven Session, auf einem Unternehmensspaziergang oder beim Besuch eines renaturierten Areals: Plötzlich macht das Thema Sinn – auch im Kopf.

5. Struktur durch Frameworks

Ich arbeite mich gerade in TNFD ein – das „Taskforce on Nature-related Financial Disclosures“-Pendant zur bekannten TCFD. Hier geht es darum, wie Unternehmen naturbezogene Risiken und Abhängigkeiten erfassen, berichten und steuern können.

So kann ich systematisch mein Unternehmen durchleuchten. Erstmal ohne Einbezug von Stakeholdern, sodass ich im nächsten Schritt genauere Fragen an unternehmensinterne Kollegen stellen kann.

Das Prinzip:

  • Locate: Wo interagieren wir mit Natur?
  • Evaluate: Welche Risiken oder Chancen ergeben sich?
  • Assess: Wie stark sind wir betroffen?
  • Prepare: Was leiten wir daraus ab?

Mein Zwischenfazit

ǻ徱ä ist nicht „das mit den Bienen“. Es ist das mit dem Bodenleben, der genetischen Vielfalt, der Trinkwasserqualität, den intakten Lieferketten. Es ist das mit den Grenzübertritten von Mensch, Tier und Virus. Es ist das große Ganze. Es ist kein Kommunikationsthema – es ist eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit.