Tax Tech und Steuerberatung: Von der Drohkulisse zum Miteinander

Sie traten selbstbewusst auf, und manche Tax-Tech-Anbieter gifteten offen in Richtung klassischer Steuerberatung. Ihr Werbe-Mantra: Statt sich an einen Steuerberater zu wenden, sollten Steuerpflichtige zur App greifen. Das hat nur bedingt funktioniert. Heute ist aus dem Bedrohungsszenario ein partnerschaftliches Miteinander geworden.

Digitalisierung und Automatisierung haben die Prozesse und die gesamte Arbeit in der Steuerbranche in den vergangenen Jahren gravierend verändert. Tax-Tech-Start-ups waren auf den Digitalisierungszug der Branche aufgesprungen, boten im großen Stil Belegerfassung, Buchhaltung und Steuererklärungen per App an. Eine Zeit lang war unklar, wie weit diese Entwicklung gehen wird und ob die jungen Technologie-Firmen mit ihren digitalen Lösungen wirklich eine ernsthafte Bedrohung für die klassische Steuerberatung werden könnten.

Nach Einschätzung von Eugen Müller, Steuerberater und Geschäftsführer bei neo Kanzlei, wurde dieses Bedrohungsszenario einst mehr von außen kreiert, als dass dies tatsächlich in der Branche vorherrschte. „Natürlich hat man diese Entwicklungen ernst genommen und auch kritisch beäugt, welche Veränderungen sich dadurch gegebenenfalls ergeben würden. Immerhin sind auch erhebliche Summen an Kapital in diese Start-ups investiert worden. Aber letztlich können wir ganz klar sagen, dass es zu keiner Verdrängung gekommen ist“, sagt Müller. Digitale Tools würden zwar einfache Steuerfälle erleichtern, doch sie stoßen schnell an ihre Grenzen, sobald komplexere Sachverhalte ins Spiel kommen. „SteuerberaterInnen bringen nicht nur Fachwissen, sondern auch individuelle Beratung und strategische Gestaltungsmöglichkeiten ein. Das kann durch diese Tools nicht ersetzt werden“, sagt Müller.

Beide Seiten profitieren

Beim Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg schätzt man die aktuelle Lage ähnlich ein. „Wir sehen die Lösungen von Tax-Tech-Anbietern als eine nützliche Ergänzung für die klassische Steuerberatung“, sagt Vizepräsident Jens Henke. Nützlich vor allem auch deshalb, da die Tools einfache Steuerfälle abdecken, im gesamten Beratungsaufkommen einer Steuerkanzlei kaum ins Gewicht fallen. So können Apps heutzutage beispielsweise sehr gut eine Einkommensteuererklärungen für Arbeitnehmer übernehmen. Doch in einer klassisch aufgestellten Steuerberatung gehören die Arbeitnehmersteuerfälle in der Regel nicht zum Kerngeschäft.

Ähnliches lässt sich im Bereich digitale Buchhaltung beobachten: Wer mit vergleichsweisen niedrigen Summen und einfachen Rahmenbedingungen hantiert, für den ist eine digitales Buchhaltungstool eine Erleichterung. Und für die Steuerberatung auch, da für sie die kleinteilige und aufwendige Routinearbeit entfällt. „In solchen Fällen beobachten wir immer öfter, dass die klassische Steuerkanzlei zum Buchhaltungscoach wird“, erläutert Henke. Der Mandant erledigt seine Buchhaltung in der Cloud-Software, hält aber regelmäßig Kontakt zu seinem Steuerberater, um Fragen zu klären oder sich in bestimmten Punkten beraten zu lassen. „Von dieser Zusammenarbeit profitieren beide Seiten“, sagt Henke. „Der Mandant ist dichter an seinen Zahlen und verbessert damit seine Kenntnisse. So wird die Mandantenbetreuung für die Steuerberatung einfacher, die sich nun auf komplexere Beratungsthemen konzentrieren kann“.

Digitalisierung ermöglicht bessere Zusammenarbeit

Die moderne Brücke zwischen Mandant und Steuerkanzlei bildet heute die digitale Zusammenarbeit. Mandanten können die Daten den Steuerberatern digital zur Verfügung stellen, im besten Fall arbeiten sogar beide im gleichen System. Tax-Tech-Anbieter haben diese Entwicklung erkannt und fördern diese Zusammenarbeit, indem sie beispielswiese Schulungen auf ihren Lösungen anbieten. „Während es in der Vergangenheit eher an der Zurückhaltung, dem Respekt gegenüber diesen Tools, aber auch dem teilweise etwas zu forschen Auftreten der Anbieter lag, dass die Annäherung etwas holprig verlaufen ist, können wir heute von einem eher partnerschaftlichen Miteinander sprechen“, betont Müller. Seiner Einschätzung nach gibt es seitens der Berater heute eine deutliche Offenheit gegenüber solchen Lösungen, da sich herausgestellt hat, dass der Prozess und die Zusammenarbeit mit den Mandanten dadurch verbessert werden kann.

Anbieter-Markt gefestigt

Parallel zu diesem Zusammenrücken hat sich der einst aufstrebende Markt der Tax-Tech-Start-ups konsolidiert. Einige Anbieter wurden übernommen oder sind vom Markt verschwunden, während andere Akteure ihre Marktposition ausbauen konnten. Gleichzeitig haben die Tax-Tech-Firmen Wettbewerb von ungewohnter Seite bekommen: Auch das große Online-Vergleichsportal Check24 bietet mittlerweile seinen Nutzern an, die Steuererklärung mit wenigen Klicks online zu erledigen.

Doch auch wenn es noch kleine Geplänkel gibt – die Verhältnisse sind geklärt. Jeder Anbieter und Dienstleister scheint seinen Platz gefunden zu haben. Und die digitalen Lösungen, mit denen Privatpersonen und Unternehmer vorgelagerte Prozesse optimieren und proaktiv mitwirken, haben sich als Ergänzung für die Steuerberatung bestens etabliert.

Tax Tech gehört dazu, aber wie geht es weiter?

Die Tax-Tech-Firmen sind in der Steuerbranche angekommen, was jedoch neue Fragen aufwirft. „Wenn Tax-Tech-Unternehmen Marktteilnehmer unserer Branche sind, braucht es dafür auch eine Form der Regulierung“, betont Henke. Bisher sind die Tax-Tech-Firmen hier völlig frei und können theoretisch Dienstleistungen offerieren, die über eine reine Steuerberatung weit hinausgehen – beispielsweise könnten sie ihren Mandanten anbieten, die Steuerrückerstattung direkt in die Altersvorsorge oder andere Geldanlage-Instrumente zu investieren, um als Vermittler dafür Provisionen zu erhalten. Während Steuerberatern hier enge Grenzen gesetzt sind, können Tech-Anbieter frei agieren. „Es ist fraglich, ob ein Tax-Tech mit seiner Software dann noch genauso unabhängig bei der Lösung eines Steuerfalls unterstützt, wie Angehörige der steuerberatenden Berufe.“

Ebenso müsse Henke zufolge sichergestellt sein, dass die Steuererklärungen, die App-Nutzer selbst erstellen, vom Technologie-Anbieter korrekt programmiert worden sind. So war in der Vergangenheit ein Fall publik geworden, bei der eine App ihren Nutzern Pauschalen angesetzt hatte, die es im Steuerrecht nicht gibt. „Wir benötigen Mindeststandards, wie sie auch für Steuerberater existieren“, fordert Henke. Dazu gehöre auch, drüber nachzudenken wie man Regeln konkret ausgestalten kann und ob es nicht eine Haftpflicht-Versicherungspflicht für Tax-Tech-Anbieter geben müsse. „Wir heißen Tax Tech als Player in unserer Branche willkommen. Aber bitte zu den gleichen Rahmenbedingungen“, sagt Henke.

Wird dieser Gedanke der gleichen Bedingungen konsequent zu Ende gedacht, müssten die Tax-Tech-Firmen ebenfalls einer Aufsicht unterstellt werden. Für die Überwachung der Steuerberater sind die Steuerberater-Kammern zuständig. Ob eine ähnliche Aufsicht auch für Tax-Tech-Anbieter möglich und sinnvoll ist, wird die weitere Entwicklung im Markt zeigen.


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