Karriere in der Steuerberatung: So wird man Partnerin

Sophia Fischer ist mit 33 Jahren Partnerin der Steuerkanzlei 900Grad in Kiel geworden. Ihr Werdegang zeigt, was es braucht, damit junge Fachkräfte in der Steuerbranche Karriere machen können.

Ein Post auf LinkedIn sorgt für Gesprächsstoff

„Sind Sie nicht etwas zu jung, um Steuerberaterin und Partnerin zu sein?“ – diese Frage bekommt Sophia Fischer oft gestellt, „sehr oft sogar“, sagt sie. Deshalb hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, offen über ihren beruflichen Werdegang und ihre Ambitionen zu sprechen. Auf LinkedIn teilt sie ihre Erfahrungen und schreibt dort unter anderem: „Ein Mindestalter für das Ablegen des Steuerberaterexamens gibt es nun einmal nicht und das ist absolut gut so!
Es gibt auch kein Mindestalter für den Eintritt als PartnerIn. JA - ich bin 33 Jahre alt und bin Teil einer Geschäftsführung, die ein mittlerweile 8 Mio. Euro schweres Unternehmen mit noch 80 Kollegen und Kolleginnen führt - Tendenz steigend. Unsere ganze Kanzlei durchlebt einen Wandel, und der macht natürlich vor der obersten Ebene nicht Halt.“

Dass sie mit diesen ehrlichen Worten, besonders beim Thema Finanzen, nicht nur auf offene Ohren stößt, damit hat die Steuerberaterin kein Problem. „Unsere Branche ist so eingestaubt. Das können wir nur ändern, wenn wir offener kommunizieren.“

Die Steuerberatung wird weiblicher

Laut der Berufsstatistik der Bundessteuerberaterkammer lag der Anteil der weiblichen Steuerberaterinnen Anfang 2024 bei 38 Prozent. Zwei Prozent der Mitglieder der Steuerberaterkammern waren jünger als 30 Jahre, 18,2 Prozent sind zwischen 30 und 40 Jahre alt. In dieser Altersgruppe lag der Frauenanteil bei fast 50 Prozent. Wie viele dieser Frauen Partnerinnen sind, gibt die Statistik nicht wieder. Dass der Weg an die Spitze für Frauen aber schwer sein kann, das hat Sophia Fischer zu Beginn ihrer Karriere gleich zu spüren bekommen.

Werdegang: Von der klassischen Kanzlei zur Veränderung

Sophia Fischers beruflicher Werdegang begann mit einem ungewöhnlichen Schritt: Sie studierte zunächst Pferdewirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Während des Studiums entdeckte sie durch erste Einblicke in BWL und landwirtschaftliche Buchführung ihre Leidenschaft für Steuerberatung. Diese neue Perspektive brachte sie dazu, ein zweites Studium in Steuern und Prüfungswesen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg zu absolvieren.

Nach ihrem Abschluss arbeitete sie in einer traditionellen Kanzlei, die jedoch sehr hierarchisch war und Frauen in Führungspositionen skeptisch gegenüberstand. „Ich wusste, dass ich die Prüfung zur Steuerberaterin machen wollte – aber nicht in so einem Arbeitsumfeld.“ Die Leidenschaft für die Nordseeküste führte sie schließlich nach Kiel. „Ich wollte in eine Kanzlei, die fördert, nicht nur fordert.“ 2020 begann sie bei der Kanzlei 900Grad, zwei Jahre später bestand sie die Steuerberaterprüfung. Anfang 2024 wurde sie im Alter von 33 Jahren Partnerin.

Wie das so schnell gehen konnte? „Eigentlich war es für mich auch überraschend, wie schnell das alles ging“, sagt Sophia Fischer. Sie habe schon vor der Steuerberaterprüfung signalisiert, dass sie sich eine Partnerschaft vorstellen könnte, „und die damaligen vier Partner haben mir gleich signalisiert, dass sie dafür offen wären.“ Dazu kam viel Rückendeckung vonseiten der Kolleginnen und Kollegen und eines Unternehmensberaters, mit dem die Kanzlei zusammenarbeitet. Geholfen habe es ihr außerdem, dass sie gemeinsam mit einem anderen Kollegen in die Partnerschaft eingestiegen ist.

Besonderheiten der Kanzlei: Offene Strukturen und Förderung

Und, das betont sie, es sei die Kanzleiorganisation selbst, die es jungen Menschen möglich mache, eine für sie sinnvolle Karriere anzustreben. „Wir sind anders als das, was ich so bislang kennengelernt habe. Wir haben sehr flache Hierarchien und den direkten Draht von unten nach oben.“ Eine zweite Führungsebene unterhalb der Geschäftsführungsebene stelle sicher, dass Themen wie Personalführung und Fort- und Weiterbildung bearbeitet werden können. „Unser größter Vorteil ist, dass wir wirklich offen gegenüber allem Neuen sind und junge Menschen fördern.“ Das habe zur Folge, dass viele Angestellte nach der Ausbildung, dem Studium oder der Steuerberaterprüfung in der Kanzlei bleiben wollen.

Finanzierung der Partnerschaft

Doch was bedeutete es finanziell, diesen Schritt in die Führungsebene zu machen? Der Einkauf in die Partnerschaft stellte für Sophia Fischer tatsächlich keine große Hürde dar: „Manche Kanzleien bieten Käuferdarlehen an. Man bringt zum Beispiel 300.000 Euro direkt ein, der restliche Kaufpreis wird über die Gewinnanteile abgestottert.“ Sie selbst hat allerdings einen anderen Weg gewählt: „Ich wollte unabhängig bleiben und habe mich für eine Vollfinanzierung entschieden. Das Geld habe ich mir bei der Bank geliehen. So konnte die Kanzlei liquide bleiben und direkt in wichtige Projekte investieren, wie unseren neuen Standort in Rendsburg.“

Andere Modelle sehen vor, dass der Kaufpreis in mehreren Stufen über zehn oder 20 Jahre gezahlt wird. Sophia Fischer betont jedoch, dass solche Entscheidungen gut durchdacht sein sollten. Angebote, bei denen eine Partnerschaft „geschenkt“ wird, sieht sie kritisch: „Wenn eine Kanzlei den Wert einer Partnerschaft so lapidar behandelt, macht das keinen seriösen Eindruck.“ Für sie war klar: „Ich wollte mit einer klaren Struktur und Verantwortung starten – und nicht mit fragwürdigen Versprechen.“

Austausch mit anderen jungen Steuerberaterinnen und Steuerberatern

Aber wie trifft man solche Entscheidungen? Wer hilft jungen Steuerberaterinnen und Steuerberatern, die richtigen Weichen zu stellen? Sophia Fischer schwört auf den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. „Der Junge Steuerberaterverband Schleswig-Holstein ist eine großartige Plattform. Hier tauschen wir uns über Themen wie Partnerschaft und Kanzleientwicklung aus.“

Auch über LinkedIn habe sie wertvolle Kontakte geknüpft. „Ich habe dort eine Steuerberaterin aus Regensburg kennengelernt, die ebenfalls Partnerin wird. Wir haben festgestellt, wie ähnlich unsere Modelle sind. Der Austausch hat uns beiden Sicherheit gegeben. Inzwischen arbeiten wir sogar an gemeinsamen Projekten.“

Die junge Steuerberaterin ist überzeugt: „Man sollte nicht zögern, sich ein Netzwerk aufzubauen. Egal ob über Verbände, soziale Medien oder innerhalb der eigenen Kanzlei – der Dialog mit anderen ist Gold wert.“

Tipps für Kanzleien und junge Steuerberaterinnen und Steuerberater

Was braucht es, damit mehr junge Menschen ihren Weg in der Steuerbranche finden – und dort auch die Karriere machen können, die sie wollen? „Kanzleien müssen mutiger werden“, sagt Sophia Fischer. „Sie sollten aufhören, an veralteten Strukturen festzuhalten. Veränderung braucht Zeit, aber sie ist dringend nötig.“

Und was rät sie jungen Steuerberaterinnen und Steuerberatern? „Habt keine Angst vor Konflikten. Es ist wichtig, Themen offen anzusprechen und für seine Ideen einzustehen.“ Sie weiß, dass das nicht immer leicht ist. „Manchmal bedeutet das auch, Gegenwind auszuhalten. Aber wer dranbleibt, wird belohnt.“

Ihr Appell an beide Seiten: „Seid offen. Kanzleien sollten jungen Menschen Raum geben, sich zu entfalten. Und die jungen Kolleginnen und Kollegen sollten sich trauen, diesen Raum einzunehmen. Nur so kann sich die Branche weiterentwickeln.“


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