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Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang eines Steuerbescheids
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Leitsatz (NV)
Bestreitet der Steuerpflichtige, einen durch die Post 眉bermittelten Steuerbescheid 眉berhaupt erhalten zu haben, dann obliegt dem FA der volle Beweis 眉ber den Zugang. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige zus盲tzlich darlegt, aus welchen Gr眉nden ihn der Bescheid m枚glicherweise nicht erreicht hat.
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Normenkette
AO 搂 122 Abs. 2 Nr. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) meldete zum 2. November 2001 bei der Stadt A das Gewerbe eines "Copy Shops" mit der Betriebsst盲tte in A, X-Stra脽e 10, an. Seine Wohnanschrift gab er mit B-Stadt, Z-Stra脽e 6 an.
Mit Bescheid 眉ber die gesonderte Feststellung des Gewinns 2001 f眉r den Gewerbebetrieb des Kl盲gers vom 8. Januar 2003 wurden die gewerblichen Eink眉nfte mit 10 000 DM festgestellt. Dieser Bescheid wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) an den Kl盲ger unter seiner Anschrift in A 眉bersandt. In den Erl盲uterungen zu dem Bescheid wies das FA darauf hin, dass die Besteuerungsgrundlagen gem盲脽 搂 162 der Abgabenordnung (AO) gesch盲tzt worden seien, weil trotz Aufforderung keine Steuererkl盲rung abgegeben worden sei. 脺ber die Festsetzung eines Versp盲tungszuschlags ergehe ein gesonderter Bescheid. In einem weiteren Bescheid vom 8. Januar 2003 wurde wegen Nichtabgabe der Erkl盲rung zur gesonderten Feststellung des Gewinns 2001 ein Versp盲tungszuschlag von 25 鈧 festgesetzt.
Die gewerblichen Eink眉nfte setzte das FA mit Bescheid 眉ber die gesonderte Feststellung des Gewinns 2002 f眉r den "Copy Shop" des Kl盲gers vom 2. Februar 2004 mit 15 000 鈧 fest. Dieser Bescheid wurde an die kl盲gerische Wohnadresse in B-Stadt adressiert. In den Erl盲uterungen wurde wiederum auf 搂 162 AO und darauf hingewiesen, dass 眉ber die Festsetzung eines Versp盲tungszuschlags ein gesonderter Bescheid ergehe.
Am 4. Mai 2004 reichte der Kl盲ger beim FA die Erkl盲rungen zur gesonderten Feststellung des Gewinns f眉r die Jahre 2001 und 2002 ein. F眉r 2001 erkl盲rte er einen Gewinn von 0 DM und f眉r 2002 einen Verlust von 24 136 鈧. Hierauf teilte das FA dem steuerlichen Berater mit Schreiben vom 11. Mai 2004 mit, die Feststellungsbescheide f眉r 2001 vom 8. Januar 2003 und f眉r 2002 vom 2. Februar 2004 seien bestandskr盲ftig. Die eingereichten Steuererkl盲rungen seien als 脛nderungsantr盲ge zu behandeln. Eine 脛nderung scheide wegen der Bestandskraft der Bescheide jedoch aus.
Hiergegen legte der Kl盲ger mit Schreiben vom 14. Mai 2004 Einspruch ein. Er brachte vor, die vom FA angesprochenen Bescheide seien bei ihm nicht angekommen. Den Einspruch wies das FA mit der Begr眉ndung zur眉ck, der Vortrag des Kl盲gers, er habe die Bescheide nicht erhalten, sei eine reine Schutzbehauptung. Der Feststellungsbescheid 2001 vom 8. Januar 2003 sei zusammen mit dem Bescheid 眉ber die Festsetzung eines Versp盲tungszuschlags gleichen Datums an die Adresse des Betriebs in A gesandt worden. Dagegen sei der Feststellungsbescheid 2002 vom 2. Februar 2004 zusammen mit dem ebenfalls unter diesem Datum ergangenen Bescheid 眉ber die Festsetzung eines Versp盲tungszuschlags an die kl盲gerische Wohnadresse in B-Stadt verschickt worden. Dass mehrere Briefe, die zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedliche Adressen gesandt wurden, nicht angekommen seien, sei v枚llig unwahrscheinlich. Zudem habe der Kl盲ger nicht bestritten, die jeweils zusammen mit den Feststellungsbescheiden 眉bersandten Bescheide 眉ber die Festsetzung eines Versp盲tungszuschlags erhalten zu haben. Auch habe er einer Umbuchung eines Umsatzsteuerguthabens auf den Versp盲tungszuschlag 2001 trotz Zusendung der Umbuchungsmitteilung vom 21. Oktober 2003 nicht widersprochen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kl盲ger ausweislich der vom Finanzgericht (FG) hierzu getroffenen Feststellungen geltend, ihm seien die Feststellungsbescheide f眉r 2001 und 2002 erst durch das Schreiben des FA vom 11. Mai 2004 bekannt geworden. Die Zustellung der Bescheide sei bis heute nicht nachgeholt worden. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Feststellungsbescheids 2001 vom 8. Januar 2003 sei der "Copy Shop" in A bereits geschlossen gewesen. Er habe einen Nachsendeauftrag erteilt, weshalb die an die Adresse in A gerichtete Post ebenfalls an die Adresse in B-Stadt gelangt sei.
Diese Bescheide h盲tten ihn nicht erreicht. Die gem盲脽 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zugunsten des Zugangs sprechende Vermutung sei widerlegt. F眉r die Wohnungen im Haus Z-Stra脽e 6 in B-Stadt sei bis weit nach der Zustellung des Feststellungsbescheids 2002 nur ein Briefkasten vorhanden gewesen. Der im Haus wohnende 盲ltere Vermieter habe immer wieder die kl盲gerische Post mit der eigenen verwechselt. Eine Verwechslung der Post sei m枚glich und wahrscheinlich. Die auf gesch盲tzter Grundlage ergangenen Feststellungsbescheide seien zudem nichtig. Das FA sei gehalten gewesen, sie unter dem Vorbehalt der Nachpr眉fung zu erlassen. Zudem habe das FA die Eink眉nfte des Kl盲gers bewusst willk眉rlich zum Nachteil des Kl盲gers gesch盲tzt.
Demgegen眉ber sah das FA die Versuche des Kl盲gers, durch den Hinweis auf einen gemeinschaftlichen Briefkasten trotz mehrmaliger Verwechslung seitens des Vermieters einen atypischen Geschehensablauf bei der Post眉bermittlung darzustellen, nicht als glaubhaft an. In der Sache seien die in Frage stehenden Bescheide auch nicht nichtig. Willk眉rliche Sch盲tzungen h盲tten nicht vorgelegen.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Das Vorbringen des Kl盲gers, es habe nur einen gemeinsamen Briefkasten gegeben und es sei denkbar, dass der Vermieter die Post des Kl盲gers mit der eigenen verwechselt habe, sei unsubstantiiert. Der Kl盲ger habe es 眉ber Jahre hinweg hingenommen, dass die ihn betreffende Post in einen (mit dem Vermieter gemeinsamen) Briefkasten eingelegt werde. In einem solchen Fall k枚nne er unter Ber眉cksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht geltend machen, die dort eingeworfene Post m眉sse verloren gegangen sein. Die Feststellungsbescheide 2001 und 2002 seien nicht nichtig. Insbesondere habe das FA die Eink眉nfte des Kl盲gers nicht bewusst und willk眉rlich zum Nachteil des Kl盲gers gesch盲tzt.
Mit der Revision macht der Kl盲ger geltend, das FG habe zu Unrecht angenommen, die in Frage stehenden Feststellungsbescheide seien dem Kl盲ger bekannt gegeben worden. 脺bersende die Finanzbeh枚rde einem Steuerpflichtigen Steuerbescheide mit einfachem Brief und bestreite dieser den Zugang, dann m眉sse die Beh枚rde gem盲脽 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 AO den Zugang der Bescheide beweisen. Ein Anscheinsbeweis, wonach der Zugang vermutet werde, bestehe nicht. Dies gelte auch dann, wenn mehrere zu unterschiedlichen Zeiten versandte Schriftst眉cke nicht angekommen sein sollten. Der Steuerpflichtige m眉sse daher auch keine substantiierten Angaben 眉ber einen atypischen Geschehensablauf machen. Entgegen der Annahme des FG sei es im Streitfall unerheblich, dass ein gemeinsamer Hausbriefkasten vorhanden gewesen sei. Es sei nicht nachgewiesen, dass die in Frage stehenden Bescheide dorthin gelangt seien. Unerheblich sei auch, dass sich der Kl盲ger gegen die Festsetzung von Versp盲tungszuschl盲gen nicht zur Wehr gesetzt habe.
Der Kl盲ger beantragt sinngem盲脽,
das angefochtene Urteil sowie den Ablehnungsbescheid des FA vom 11. Mai 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2004 aufzuheben und das FA zu verpflichten, in erstmaligen Feststellungsbescheiden f眉r 2001 und 2002 die gewerblichen Eink眉nfte des Kl盲gers entsprechend den eingereichten Feststellungserkl盲rungen festzustellen.
Das FA beantragt,
die Revision zur眉ckzuweisen.
Werde der Zugang von Steuerbescheiden bestritten, k枚nne der Nachweis, dass sie gleichwohl zugegangen seien, mittels eines Indizienbeweises gef眉hrt werden. Ein solcher sei gef眉hrt worden. Das FG sei bei der Gesamtw眉rdigung der im Streitfall gegebenen Umst盲nde zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bescheide in den Hausbriefkasten des Kl盲gers gelangt seien. Hierbei habe es ber眉cksichtigt, dass zwei Postsendungen des FA zu unterschiedlichen Zeiten versandt worden seien, was gegen ein Verschwinden beider Sendungen spreche. Zu Recht habe das FG auch gew眉rdigt, dass der Kl盲ger den Zugang der jeweils mit眉bersandten Bescheide 眉ber die Festsetzung eines Versp盲tungszuschlags nicht bestritten und der Umbuchung eines Umsatzsteuerguthabens auf den wegen der Nichtabgabe der Feststellungserkl盲rung 2001 festgesetzten Versp盲tungszuschlag nicht widersprochen habe.
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II. Die Revision ist begr眉ndet. Das angefochtene Urteil des FG wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zur眉ckverwiesen (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der erkennende Senat vermag aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht zu beurteilen, ob das FA die Feststellungsbescheide f眉r 2001 vom 8. Januar 2003 und f眉r 2002 vom 2. Februar 2004 dem Kl盲ger wirksam bekannt gegeben hat.
1. Der erkennende Senat legt den kl盲gerischen Antrag in dem Sinne aus, dass dieser den Erlass erstmaliger Feststellungsbescheide f眉r 2001 und 2002 begehrt. Zwar hat er --ebenso wie im Verfahren vor dem FG-- beantragt, die Feststellungsbescheide f眉r 2001 vom 8. Januar 2003 und f眉r 2002 vom 2. Februar 2004 abzu盲ndern. Er macht indessen geltend, ihm gegen眉ber seien die vorstehend genannten Bescheide nicht bekannt gegeben worden und damit nicht wirksam geworden. Bei dieser Sachlage kommt eine Ab盲nderung der Feststellungsbescheide nicht in Betracht. Der Klageantrag ist daher entsprechend dem Klagebegehren auszulegen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. September 1996 VI R 43/93, BFH/NV 1997, 249). Hierbei ist zu ber眉cksichtigen, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Ma脽st盲ben der Rechtsordnung vern眉nftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. M盲rz 1994 IX ZR 152/93, Neue Juristische Wochenschrift 1994, 1537).
2. Der erkennende Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob die Feststellungsbescheide f眉r 2001 vom 8. Januar 2003 und f眉r 2002 vom 2. Februar 2004 dem Kl盲ger bekannt gegeben und bestandskr盲ftig geworden sind und daher --wie vom FG angenommen-- das kl盲gerische Begehren, Feststellungsbescheide entsprechend den eingereichten Erkl盲rungen zu erlassen, unbegr眉ndet ist.
a) Gem盲脽 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post 眉bermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, au脽er wenn er nicht oder zu einem sp盲teren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Beh枚rde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs zu beweisen.
b) Bestreitet ein Steuerpflichtiger, den Verwaltungsakt 眉berhaupt bekommen zu haben, obliegt dem FA der volle Beweis 眉ber den Zugang. Ein Anscheinsbeweis kommt ihm hierbei nicht zugute (BFH-Urteil vom 14. M盲rz 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534). Eine Beweiserleichterung zugunsten des FA besteht auch nicht f眉r den Fall, dass Verh盲ltnisse gegeben sind, die den Zugang von Postsendungen bei normalem Postablauf nicht gew盲hrleisten (BFH-Urteil vom 15. September 1994 XI R 31/94, BFHE 175, 327, BStBl II 1995, 41). Anders als im Falle der Behauptung eines versp盲teten Zugangs des Verwaltungsakts kann von dem Adressaten des Verwaltungsakts, wenn dieser dessen Zugang bestreitet, auch nicht verlangt werden, er m眉sse dies substantiiert darlegen, weil er hierzu nicht in der Lage ist (BFH-Urteil vom 5. Dezember 1974 V R 111/74, BFHE 114, 176, BStBl II 1975, 286). Infolgedessen sind erg盲nzende Ausf眉hrungen des Steuerpflichtigen unbeachtlich, in denen er, nachdem er den Zugang eines Steuerbescheids bestritten hat, darlegt, aus welchen Gr眉nden ihn der Bescheid m枚glicherweise nicht erreicht hat. Auch in diesem Fall kann sich die tatrichterliche Beurteilung der Frage, ob der Bescheid 眉berhaupt zugegangen ist, nicht auf eine rechtliche W眉rdigung dieses m枚glichen, erg盲nzend vorgetragenen Geschehensablaufs beschr盲nken. Es ist vielmehr notwendig, den Zugang des Verwaltungsakts mittels allgemeiner Beweisregeln, insbesondere durch einen Indizienbeweis nachzuweisen.
c) Ein solcher Beweis ist nicht gef眉hrt worden. In seiner Klagebegr眉ndung hat der Kl盲ger bestritten, dass er die in Frage stehenden Gewinnfeststellungsbescheide 2001 und 2002 erhalten habe. Erg盲nzend hat er ausgef眉hrt, es sei auch im Fall der Zusendung der Bescheide im Januar 2003 und im Februar 2004 m枚glich und wahrscheinlich, dass der 盲ltere Vermieter die Postsendungen aus dem gemeinsamen Hausbriefkasten in der Annahme genommen habe, es handle sich um an ihn gerichtete Sendungen. Mit diesem Vorbringen hat der Kl盲ger nicht einger盲umt, die Steuerbescheide seien in den Briefkasten gelangt, sondern lediglich einen denkbaren Geschehensablauf f眉r den Fall aufgezeigt, dass die Postsendungen in den Briefkasten gelangt sein sollten. Daraus darf das FG nicht --wie im angefochtenen Urteil-- die Schlussfolgerung ziehen, die f眉r den Kl盲ger bestimmten Postsendungen seien ihm i.S. des 搂 122 AO entgegen seiner Behauptung zugegangen und damit bekannt gegeben worden.
Das FG hat lediglich begr眉ndet, dass der Einwurf von Postsendungen in einen gemeinsamen Hausbriefkasten f眉r einen Zugang gen眉ge, l盲sst dabei aber au脽er Acht, dass der Zugang vom Kl盲ger gerade bestritten wird. Nicht ausreichend ist es, wenn --wie im Streitfall-- lediglich im Tatbestand des Urteils Umst盲nde dargestellt werden, die f眉r einen erforderlichen Indizienbeweis von Bedeutung sein k枚nnten. Diese Tatsachen wird das FG daher im zweiten Rechtsgang zu w眉rdigen haben. Dabei kann z.B. von Bedeutung sein, dass der Kl盲ger den Zugang von zwei zu unterschiedlichen Zeitpunkten an ihn versendete Postsendungen bestritten und er einer Umbuchung eines Umsatzsteuerguthabens auf den Versp盲tungszuschlag 2001 nicht widersprochen hat.
d) Aus Gr眉nden der Klarstellung weist der angerufene Senat darauf hin, dass --sofern der Zugang nachgewiesen werden kann-- die Bescheide aus den vom FG aufgezeigten Gr眉nden nicht unwirksam sind. Insbesondere ist nach den vom FG getroffenen Feststellungen nicht davon auszugehen, dass das FA die Eink眉nfte bewusst und willk眉rlich zum Nachteil des Kl盲gers gesch盲tzt hat (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BFHE 169, 503, BStBl II 1993, 259).
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Fundstellen
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BFH/NV 2009, 1777 |
HFR 2009, 1165 |