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Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundst眉cksenteignung kein privates Ver盲u脽erungsgesch盲ft i.S. des 搂 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
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Leitsatz (amtlich)
Eine Anschaffung bzw. Ver盲u脽erung i.S. des 搂 23 EStG liegt nicht vor, wenn der Verlust des Eigentums am Grundst眉ck ohne ma脽geblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet. Ein Entzug des Eigentums durch Sonderungsbescheid nach dem Bodensonderungsgesetz ist danach keine Ver盲u脽erung i.S. des 搂 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
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Normenkette
EStG 2009 搂 23 Abs.听1 S. 1 Nr. 1, Abs.听3 S盲tze听1, 7-8; GG Art 3 Abs. 1
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Verfahrensgang
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Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts M眉nster vom 28.11.2018 - 1 K 71/16 E wird als unbegr眉ndet zur眉ckgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig ist, ob der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger) aufgrund einer durch Sonderungsbescheid angeordneten 脺bertragung des Eigentums an einem ihm geh枚renden Grundst眉ck auf eine 枚ffentlich-rechtliche K枚rperschaft (Stadt听X) den Tatbestand eines privaten Ver盲u脽erungsgesch盲fts i.S. des 搂听22 Nr.听2 i.V.m. 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) verwirklicht hat. Ferner ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht streitig, ob der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuerfestsetzung f眉r das Jahr 2009 noch nach 搂听174 der Abgabenordnung (AO) 盲ndern durfte.
Rz. 2
Der Kl盲ger wurde in den Streitjahren (2009, 2012) mit seiner Ehefrau, der Kl盲gerin und Revisionsbeklagten, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Anfang der 1990er Jahre erwarb der Kl盲ger einen h盲lftigen Miteigentumsanteil an einem unbebauten Grundst眉ck, das mit einem B眉rogeb盲ude bebaut und sodann vermietet werden sollte; dieses Vorhaben lie脽 sich indes nicht realisieren. Im Jahr 2005 erwarb der Kl盲ger durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung den anderen h盲lftigen Miteigentumsanteil am ma脽geblichen Grundst眉ck und war fortan Alleineigent眉mer. Das Grundst眉ck blieb weiterhin unbebaut.
Rz. 3
Im Jahr 2008 f眉hrte die Stadt听X ein Bodensonderungsverfahren durch und erlie脽 unter dem 11.09.2008 einen das ma脽gebliche Grundst眉ck betreffenden und an den Kl盲ger gerichteten Sonderungsbescheid nach dem Bodensonderungsgesetz vom 20.12.1993 (BGBl I 1993, 2215). Als Entsch盲digung f眉r den 脺bergang des Eigentums an dem Grundst眉ck setzte die Stadt听X nach den ma脽geblichen Bestimmungen der Bodensonderungsvorschrift vom 17.12.1997 (BAnz 1998, Nr. 25a) eine Entsch盲digung in H枚he von 470.000听鈧 zu Gunsten des Kl盲gers fest, die dem Kl盲ger --dies ist zwischen den Beteiligten nunmehr unstreitig-- im Streitjahr 2009 zugeflossen ist. Der Kl盲ger legte gegen den Sonderungsbescheid Widerspruch ein, mit dem er sich ausschlie脽lich gegen die H枚he der Entsch盲digungszahlung, nicht aber gegen den im Bescheid angeordneten Eigentumsverlust wandte. In dem anschlie脽enden Klageverfahren einigten sich der Kl盲ger und die Stadt听X auf eine Erh枚hung der Entsch盲digungssumme um 130.000听鈧 auf 600.000听鈧. Der Erh枚hungsbetrag wurde in zwei Raten an den Kl盲ger ausgezahlt: Im Streitjahr 2012 erhielt er einen Teilbetrag in H枚he von 87.000听鈧; der Restbetrag in H枚he von 43.000听鈧 wurde im hier nicht streitbefangenen Jahr 2014 ausgezahlt.
Rz. 4
In ihrer am 30.12.2010 beim FA eingegangenen Einkommensteuererkl盲rung f眉r das Jahr 2009 gaben die Kl盲ger bei ihren Eink眉nften aus Vermietung und Verpachtung einen das ma脽gebliche Grundst眉ck betreffenden Werbungskosten眉berschuss in H枚he von 18.887听鈧 an. Das Grundst眉ck war (auch) zu diesem Zeitpunkt weder bebaut noch vermietet. Auf schriftliche Nachfrage des FA vom 01.02.2011, wann bei dem Grundst眉ck mit der Erzielung von Mieteinnahmen gerechnet werden k枚nne, teilte der Kl盲ger mit, das Grundst眉ck sei von der Stadt听X enteignet worden, und dagegen werde zur Zeit gerichtlich vorgegangen.
Rz. 5
Mit Einkommensteuerbescheid vom 04.04.2011 setzte das FA die Einkommensteuer f眉r das Streitjahr 2009 aufgrund eines bestehenden Verlustvortrags auf 0听鈧 fest und legte dabei den von den Kl盲gern erkl盲rten Werbungskosten眉berschuss zugrunde. Die Steuerfestsetzung erfolgte hinsichtlich der Eink眉nfte des Kl盲gers aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundst眉ck in der Stadt听X nach 搂听165 Abs.听1 S盲tze听1 und 2 AO 惫辞谤濒盲耻蹿颈驳.
Rz. 6
Gegen diesen Bescheid legten die Kl盲ger wegen hier nicht streitbefangener Punkte Einspruch ein, der mehrfach zu 脛nderungen der Festsetzung f眉hrte. Noch w盲hrend des Einspruchsverfahrens gegen die Einkommensteuerfestsetzung f眉r das Jahr 2009 ordnete das FA mit Pr眉fungsanordnung vom 25.03.2013 bei den Kl盲gern eine Betriebspr眉fung f眉r Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuerzwecke f眉r die Jahre 2009 bis 2011 an. In ihrem Betriebspr眉fungsbericht vom 28.08.2013 vertrat der Pr眉fer die Auffassung, dass die Enteignung des Grundst眉cks durch die Stadt听X ein steuerpflichtiges Ver盲u脽erungsgesch盲ft i.S. des 搂听23 Abs.听1 Nr.听1 EStG darstelle, der --zwischen den Beteiligten der H枚he nach unstreitige-- Gewinn i.S. des 搂听23 Abs.听3 Satz听1 EStG 175.244,97听鈧 betrage und dieser im Jahr 2010 zu erfassen sei.
Rz. 7
Mit ge盲ndertem Einkommensteuerbescheid f眉r 2009 vom 23.12.2013 setzte das FA verschiedene, nicht die Grundst眉cksver盲u脽erung betreffende Feststellungen der Betriebspr眉fung betreffend das Streitjahr 2009 um. Mit Einspruchsentscheidung vom 07.01.2014 wies das FA den noch offenen Einspruch der Kl盲ger als unbegr眉ndet zur眉ck.
Rz. 8
Die Feststellungen der Betriebspr眉fung betreffend das Jahr 2010 setzte das FA mit ge盲ndertem Einkommensbescheid f眉r 2010 vom 12.12.2013 um und legte dabei einen Gewinn i.S. des 搂听23 Abs.听3 Satz听1 EStG in H枚he von 175.244听鈧 der Besteuerung zugrunde. Gegen diesen Bescheid legten die Kl盲ger unter dem 10.01.2014 Einspruch ein und f眉hrten zur Begr眉ndung u.a. aus, dass eine Enteignung nicht die Voraussetzungen eines steuerpflichtigen Ver盲u脽erungsgesch盲fts erf眉lle. Ferner machten die Kl盲ger geltend, dass der angefochtene Bescheid bereits deshalb aufzuheben sei, weil die f眉r das Grundst眉ck von der Stadt听X festgesetzte Entsch盲digung in H枚he von 470.000听鈧 dem Kl盲ger nicht erst im Jahr 2010, sondern bereits im Jahr 2009 zugeflossen sei. Das FA schloss sich den Rechtsausf眉hrungen der Kl盲ger zum Zeitpunkt des Zuflusses der Entsch盲digung an und erlie脽 unter dem 17.06.2015 einen ge盲nderten Einkommensteuerbescheid f眉r das Jahr 2010, in dem der Ver盲u脽erungsgewinn nicht mehr angesetzt wurde.
Rz. 9
Mit Einkommensteuerbescheid vom 17.06.2015 盲nderte das FA die Einkommensteuerfestsetzung f眉r das Streitjahr 2009 mit der Ma脽gabe, dass der streitgegenst盲ndliche Ver盲u脽erungsgewinn in H枚he von 175.244听鈧 nunmehr diesem Veranlagungszeitraum zugeordnet wurde; als 脛nderungsnorm wurde im Bescheid nur "搂听174 AO" --ohne Angabe des einschl盲gigen Absatzes-- genannt. Der bis dahin in den Einkommensteuerbescheiden 2009 enthaltene Vorl盲ufigkeitsvermerk wurde aufrechterhalten. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kl盲ger hatte keinen Erfolg.
Rz. 10
Zwischenzeitlich hatte das FA auch die Veranlagung f眉r das Streitjahr 2012 durchgef眉hrt. Im Einkommensteuerbescheid f眉r 2012 vom 06.01.2015 legte es im Hinblick auf die weitere Entsch盲digungszahlung der Stadt听X einen --der H枚he nach unstreitigen-- Ver盲u脽erungsgewinn nach 搂听23 Abs.听1 Nr.听1 EStG in H枚he von 43.500听鈧 (1/2 von 87.000听鈧) der Besteuerung zugrunde. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kl盲ger hatte keinen Erfolg.
Rz. 11
Die gegen die ge盲nderten Einkommensteuerbescheide f眉r 2009 und f眉r 2012 gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 98 ver枚ffentlichten Urteil, dass die dem Kl盲ger in den Streitjahren f眉r die durch Sonderungsbescheid angeordnete hoheitliche 脺bertragung des Eigentums an dem ma脽geblichen Grundst眉ck in der Stadt听X zugeflossenen Entsch盲digungszahlungen keinen steuerbaren Gewinn aus einem privaten Ver盲u脽erungsgesch盲ft i.S. des 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG darstellten.
Rz. 12
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Das FA vertritt die Auffassung, dass auch Ver盲u脽erungen unter Zwang --wie beispielsweise im Fall der Enteignung-- unter 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG zu subsumieren seien. Die Beweggr眉nde f眉r ein Ver盲u脽erungsgesch盲ft seien unbeachtlich; lediglich ma脽geblich sei, dass dem Steuerpflichtigen die Werterh枚hung w盲hrend der Haltefrist wirtschaftlich zugef眉hrt werde. Von Bedeutung sei 眉berdies, dass der Kl盲ger im Widerspruchsverfahren gegen den Sonderungsbescheid, in dem ausschlie脽lich um die H枚he der Entsch盲digungssumme gestritten wurde, durchaus Eink眉nfteerzielungsabsicht entfaltet habe. Jenseits dessen sei die Eink眉nfteerzielungsabsicht bei 搂听23 EStG durch die kurzen Haltefristen objektiviert und typisiert. Auch in anderen grundst眉cksbezogenen Rechtsbereichen wie dem Grunderwerbsteuerrecht werde zur Besteuerung von Grundst眉cks眉bertragungen in Enteignungsf盲llen die Bemessungsgrundlage anhand der Entsch盲digungssumme ermittelt. Auch die historische Entwicklung und der Zweck der Regelung in 搂听23 EStG spr盲chen daf眉r, auch in Enteignungsf盲llen von einer Ver盲u脽erung i.S. der Vorschrift auszugehen. Die 脛nderung des Einkommensteuerbescheids f眉r 2009 vom 17.06.2015 sei 眉berdies nach 搂听174 Abs.听4 AO zul盲ssig gewesen.
Rz. 13
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil des FG vom 28.11.2018听- 1听K听71/16听E aufzuheben und die Klage als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
Rz. 14
Die Kl盲ger beantragen, die Revision zur眉ckzuweisen.
Rz. 15
Die Kl盲ger vertreten die Ansicht, dass sich weder aus der Gesetzeshistorie noch aus den Gesetzesmaterialien zu 搂听23 EStG herleiten lasse, dass jeder entgeltliche Rechtstr盲gerwechsel eine Ver盲u脽erung i.S. von 搂听23 EStG darstellen m眉sse. Schon der Wortlaut der Norm, der die Begriffe "privat", "Gesch盲ft" und "Ver盲u脽erung" enthalte, weise darauf hin, dass die Norm nur die Rechtsfolgen einer wirtschaftlichen Bet盲tigung des Steuerpflichtigen zum Regelungsgegenstand habe. Dies sei im Streitfall indes nicht geschehen. 脺berdies sei 搂听23 EStG eine Ausnahmevorschrift, die realisierte Wertver盲nderungen im Zusammenhang mit Wirtschaftsg眉tern des Privatverm枚gens besteuere; dies schlie脽e eine extensive Auslegung des Ver盲u脽erungsbegriffs innerhalb der Norm aus. Entgegen der Auffassung des FA folge das angefochtene Urteil des FG auch den Grundlinien der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in diesem Bereich, auch wenn die hier streitgegenst盲ndliche Rechtsfrage noch nicht explizit Gegenstand einer h枚chstrichterlichen Entscheidung gewesen sei. Zu Unrecht wolle das FA zudem in dem rechtlichen Vorgehen des Kl盲gers gegen den Sonderungsbescheid eine rechtsgesch盲ftliche Bet盲tigung erkennen. Auch der vom FA gezogene Vergleich mit Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes gehe fehl, da dieses Gesetz als Rechtsverkehrssteuer eine vollst盲ndig andere Zielsetzung als 搂听23 EStG zum Gegenstand habe. Schlie脽lich habe der Einkommensteuerbescheid f眉r 2009 nicht mehr ge盲ndert werden k枚nnen, da der Tatbestand der vom FA urspr眉nglich auf Nachfrage benannten 脛nderungsnorm (搂听174 Abs.听3 AO) nicht erf眉llt gewesen sei.
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Rz. 16
II. Die Revision ist unbegr眉ndet und nach 搂听126 Abs.听2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur眉ckzuweisen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kl盲ger aufgrund der durch Sonderungsbescheid angeordneten 脺bertragung des Eigentums an dem ma脽geblichen Grundst眉ck auf die Stadt听X den Tatbestand eines privaten Ver盲u脽erungsgesch盲fts i.S. der 搂搂听22 Nr.听2, 23 Abs.听1 Satz听1 EStG nicht erf眉llt hat.
Rz. 17
1. Nach 搂听22 Nr.听2 EStG z盲hlen zu den sonstigen Eink眉nften (搂听2 Abs.听1 Satz听1 Nr.听7 EStG) auch solche aus privaten Ver盲u脽erungsgesch盲ften i.S. des 搂听23 EStG. Diese umfassen gem盲脽 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG u.a. Ver盲u脽erungsgesch盲fte bei Grundst眉cken, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Ver盲u脽erung nicht mehr als zehn Jahre betr盲gt.
Rz. 18
Die in 搂听23 EStG verwendeten Begriffe "Anschaffung" und "Ver盲u脽erung" erschlie脽en sich aus den Bestimmungen des 搂听6 EStG, des 搂听255 Abs.听1 des Handelsgesetzbuches und der 搂搂听135, 136 des B眉rgerlichen Gesetzbuchs. Unter Anschaffung bzw. Ver盲u脽erung i.S. des 搂听23 EStG ist danach der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche 脺bertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person zu verstehen (st盲ndige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteil vom 08.11.2017听- IX听R听25/15, BFHE 260, 202, BStBl II 2018, 518, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Rz. 19
Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des 搂听23 EStG sollen innerhalb der Ver盲u脽erungsfrist realisierte Wert盲nderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatverm枚gen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden, soweit sie auf der entgeltlichen "Anschaffung" und der entgeltlichen "Ver盲u脽erung" des n盲mlichen Wirtschaftsguts innerhalb der ma脽geblichen Haltefrist beruhen (s. BFH-Urteile vom 12.06.2013听- IX听R听31/12, BFHE 241, 557, BStBl II 2013, 1011, und in BFHE 260, 202, BStBl II 2018, 518, zur "N盲mlichkeit").
Rz. 20
2. Der entgeltliche Erwerb --die Anschaffung-- und die entgeltliche 脺bertragung des n盲mlichen Wirtschaftsguts auf eine andere Person --die Ver盲u脽erung-- m眉ssen wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abh盲ngen (BFH-Urteile vom 13.04.2010听- IX听R听36/09, BFHE 229, 193, BStBl II 2010, 792; vom 29.03.1995听- X听R听3/92, BFHE 177, 418; vom 19.04.1977听- VIII听R听23/75, BFHE 122, 453, BStBl II 1977, 712, jeweils zur Frage ob ein "Anschaffungsgesch盲ft" vorliegt) und mithin Ausdruck einer "wirtschaftlichen Bet盲tigung" sein (so ausdr眉cklich BFH-Urteil vom 07.12.1976听- VIII听R听134/71, BFHE 120, 531, BStBl II 1977, 209; s.a. BFH-Urteile vom 16.01.1973听- VIII听R听96/70, BFHE 108, 502, BStBl II 1973, 445, zum Fall der "Ver盲u脽erung"; vom 05.05.1961听- VI听107/60听U, BFHE 73, 326, BStBl III 1961, 385, und vom 15.01.1974听- VIII听R听63/68, BFHE 112, 31, BStBl II 1974, 606, jeweils zum Fall der "Anschaffung").
Rz. 21
a) Eine dahin gehende willentliche wirtschaftliche Bet盲tigung als Merkmal eines Anschaffungs鈥 und Ver盲u脽erungsgesch盲fts i.S. des 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG misst die h枚chstrichterliche Rechtsprechung beispielsweise auch der Abgabe des Meistgebots in der Zwangsversteigerung eines Grundst眉cks bei. Denn die Abgabe des Meistgebots entspricht in ihrer Wirkung dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrages 眉ber ein Grundst眉ck, erwirbt doch der Meistbietende damit nach 搂搂听81 Abs.听1, 90 Abs.听1 des Gesetzes 眉ber die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung den Anspruch, dass ihm das Eigentum an dem versteigerten Grundst眉ck durch Zuschlagsbeschluss des Versteigerungsgerichts 眉bertragen wird (BFH-Urteile vom 28.06.1977听- VIII听R听30/74, BFHE 123, 27, BStBl II 1977, 827; vom 29.03.1989听- X听R听4/84, BFHE 156, 465, BStBl II 1989, 652; vom 27.08.1997听- X听R听26/95, BFHE 184, 385, BStBl II 1998, 135).
Rz. 22
Demgegen眉ber fehlt es nach der h枚chstrichterlichen Rechtsprechung am willentlichen Erwerb bzw. an einer willentlichen 脺bertragung auf eine andere Person, wenn --wie im Falle einer Enteignung oder Umlegung-- die Begr眉ndung oder der Verlust des Eigentums am Grundst眉ck "ohne ma脽geblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet" (BFH-Urteile in BFHE 73, 326, BStBl III 1961, 385, und in BFHE 177, 418). In gleicher Weise kann es am willentlichen Erwerb bei Rechtsgesch盲ften zur Vermeidung einer Enteignung oder Umlegung fehlen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 193, BStBl II 2010, 792).
Rz. 23
b) Dieses Ergebnis folgt bereits aus dem Wortlaut der ma脽geblichen Norm in 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG. Denn das Gesetz spricht von einem Ver盲u脽erungs"gesch盲ft", d.h. von einem schuldrechtlichen, dem rechtsgesch盲ftlichen Willen des Steuerpflichtigen unterworfenen Vertrag. Ein solcher liegt im Falle einer Enteignung --d.h. der Entziehung von Eigentum an einem Wirtschaftsgut durch staatlichen Hoheitsakt-- nicht vor; vielmehr f眉hrt die Enteignung zu einem Eigentums眉bergang, der sich gegen oder ohne den Willen des Rechtsinhabers (Eigent眉mers) vollzieht. Ein derartiger, nicht vom Willen des Ver盲u脽ernden getragener Eigentums眉bergang f眉hrt --ebenso wie eine (rechtsgesch盲ftliche) Anschaffung oder Ver盲u脽erung unter Zwang wegen drohender und unmittelbar bevorstehender Enteignung-- nach der h枚chstrichterlichen Rechtsprechung nicht zur Verwirklichung des Tatbestands eines privaten Ver盲u脽erungsgesch盲fts; denn eine zwangsweise vorgenommene "Anschaffung" und "Ver盲u脽erung" reicht nicht aus, um eine f眉r die Tatbestandsverwirklichung des 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG zu fordernde wirtschaftliche Bet盲tigung anzunehmen (s. BFH-Urteile in BFHE 120, 531, BStBl II 1977, 209; in BFHE 108, 502, BStBl II 1973, 445; in BFHE 73, 326, BStBl III 1961, 385; in BFHE 112, 31, BStBl II 1974, 606; ebenso Musil in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, 搂听23 EStG Rz听73; Wernsmann, in: Kirchhof/S枚hn/Mellinghoff, EStG, 搂听23 Rz听B听111听f., B听202 "Enteignung gegen Entsch盲digung"; T.听Carl茅 in Korn, 搂听23 EStG Rz听28; Hoheisel in Littmann/ Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, 搂听23 Rz听150; Spiegelberger/ Schallmoser, Immobilien im Zivil-und Steuerrecht, 3.听Aufl. 2018, Rz听12.16; a.A. Bl眉mich/ Ratschow, 搂听23 EStG Rz听146; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 38.听Aufl., 搂听23 Rz听55; Kube in Kirchhof, EStG, 18.听Aufl., 搂听23 Rz听14; KKB/B盲uml 搂听23 EStG, 4.听Aufl., Rz听253听f.).
Rz. 24
c) Diese am Wortlaut orientierte Gesetzesauslegung entspricht auch dem historischen Willen des Gesetzgebers.
Rz. 25
Die Regelungen in 搂搂听22 Nr.听2, 23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG gehen auf 搂搂听41, 42 EStG i.d.F. vom 10.08.1925 (RGBl I 1925, 189) zur眉ck. 搂听41 Abs.听1 EStG 1925 unterwarf "sonstige Leistungsgewinne" der Besteuerung; hierzu z盲hlten nach Nr.听1 der Vorschrift auch "Eink眉nfte aus Ver盲u脽erungsgesch盲ften in den Grenzen des 搂听42". Nach 搂听42 Abs.听1 EStG 1925 unterlagen Eink眉nfte aus Ver盲u脽erungsgesch盲ften (nur) dann der Besteuerung, wenn sie als "Spekulationsgesch盲fte" anzusehen waren. 搂听42 Abs.听1 Satz 2 EStG 1925 bestimmte, dass Spekulationsgesch盲fte solche Ver盲u脽erungsgesch盲fte seien, die innerhalb der in Nr.听1 und Nr.听2 der Vorschrift genannten Haltefristen get盲tigt werden. Der Gesetzgeber hatte die Regelungen der 搂搂听41, 42 EStG 1925 geschaffen, nachdem sich die Vorg盲ngerregelung (搂搂听5, 11 Nr.听5 EStG i.d.F. vom 29.03.1920, RGBl I 1920, 359) als in der Praxis nicht handhabbar erwiesen hatte (vgl. die Begr眉ndung zum Entwurf eines Einkommensteuergesetzes vom 23.04.1925, in: Reichstag听III.听1924/25 Drucksache Nr.听794/802, S.听59听f.; s. ferner Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Berlin 1929, 搂听42 EStG Anm.听1). Im Gesetzgebungsverfahren hat die Regelung des 搂听42 EStG 1925 erhebliche 脛nderungen in Richtung einer Einschr盲nkung der Steuerpflicht erfahren (Strutz, a.a.O., Anm.听2; zur Entwurfsfassung s. Reichstag听III. 1924/25 Drucksache Nr.听794/802, S.听10; zur ge盲nderten Fassung nach erster Lesung im Reichstag s. Reichstag听III. 1924/25 Drucksache Nr. 795, unter II. Zusammenstellung des Entwurfs eines Einkommensteuergesetzes --Nr.听795 der Drucksachen-- mit den Beschl眉ssen des 6.听Ausschusses in erster Lesung, dort S.听19听f.). Anl盲sslich der Beratungen im Reichstag wurde dabei von einem Reichstagsabgeordneten auch die Frage aufgeworfen, ob "搂听42 auch bei Zwangsenteignungen in Frage kommen solle". Der Bericht des Reichstagsausschusses f眉r Steuerfragen erl盲utert hierzu, dass der Staatssekret盲r im Reichsfinanzministerium Prof. Dr.听P. als Mitglied der Reichsregierung auf die Frage des Abgeordneten wie folgt erwiderte: (鈥) "bei Zwangsenteignungen solle eine Steuerpflicht weder nach 搂听42 Nr.听1 noch nach 搂听42 Nr.听2 in Frage kommen" (Bericht des 6.听Ausschusses --Steuerfragen-- 眉ber den Entwurf eines Einkommensteuergesetzes --Nr.听795 der Drucksachen--, Reichstag听III. 1924/25 Drucksache Nr.听1229, S.听17; s. hierzu ferner Strutz, a.a.O., Anm.听2).
Rz. 26
Vor diesem Hintergrund gibt die h枚chstrichterliche Rechtsprechung, die f眉r die Verwirklichung des Tatbestandes des 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG eine wirtschaftliche, vom Willen des Steuerpflichtigen getragene Bet盲tigung verlangt, den Willen des Gesetzgebers bei der Schaffung der (Vorl盲ufer-)Vorschrift zutreffend wieder. Die zwischenzeitlichen 脛nderungen der ma脽geblichen Norm einschlie脽lich ihrer Neunummerierung durch das Einkommensteuergesetz 1934 vom 16.10.1934 (RGBl I 1934, 1005) und Umbenennung durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) k枚nnen an diesem historischen Befund nichts 盲ndern, da diese 脛nderungen die Tatbestandsmerkmale der "Anschaffung" und "Ver盲u脽erung" nicht betrafen.
Rz. 27
d) Diese, den Wortlaut der Norm und den historischen Kontext ber眉cksichtigende Auslegung ist auch vor dem Hintergrund eines systematischen Auslegungsansatzes folgerichtig.
Rz. 28
aa) Im Bereich der steuerlichen Erfassung betrieblicher Eink眉nfte kann die 脺bertragung oder Belastung des Eigentums von Wirtschaftsg眉tern des Betriebsverm枚gens aufgrund beh枚rdlichen oder gesetzlichen Zwangs --etwa durch Enteignung-- zur Annahme einer Ver盲u脽erung und mithin zur steuerlichen Ber眉cksichtigung einer Enteignungsentsch盲digung als Betriebseinnahme f眉hren (so schon Urteil des Reichsfinanzhofs vom 09.02.1938 VI听29/38, Steuer und Wirtschaft 1938, Nr.听139 --S.听287--, zu Entsch盲digungsleistungen f眉r die Enteignung eines Betriebs als gewerbliche Eink眉nfte nach 搂听16 EStG 1934; s. auch BFH-Urteil vom 21.11.2018听- VI听R听54/16, BFHE 263, 191, BStBl II 2019, 311, zu Entsch盲digungszahlungen f眉r die Eintragung einer beschr盲nkt pers枚nlichen Dienstbarkeit zur Vermeidung einer sonst zul盲ssigen f枚rmlichen Enteignung als Betriebseinnahme; s. ferner Bl眉mich/Nacke, 搂听14 EStG Rz听16, zu Eink眉nften aus Land- und Forstwirtschaft). F眉r die Besteuerung derartiger Entsch盲digungsleistungen ist allein ma脽geblich, dass es durch die beh枚rdliche oder gesetzliche Zwangsma脽nahme zur Gewinnverwirklichung kommt; ein in diesem Zusammenhang entstehender Verlust des Steuerpflichtigen ist gewinnwirksam und im Rahmen der Ermittlung der Summe der Eink眉nfte in voller H枚he ausgleichsf盲hig.
Rz. 29
bb) Im Bereich der Besteuerung privater Ver盲u脽erungsgesch盲fte i.S. des 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG kommt es demgegen眉ber nicht zur Gewinnverwirklichung; die Besteuerung kn眉pft allein daran an, dass das ma脽gebliche Wirtschaftsgut mit Willen des Steuerpflichtigen entgeltlich auf einen Dritten 眉bertragen wird. Vor diesem Hintergrund w眉rde die Subsumtion einer Enteignung gegen oder ohne den Willen des Steuerpflichtigen unter die Tatbestandsmerkmale der "Anschaffung" und "Ver盲u脽erung" in 搂听23 EStG nach Auffassung des Senats nur dann dem Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands entsprechen, wenn ein in diesem Zusammenhang entstehender Verlust des Steuerpflichtigen in den nach 搂听23 Abs.听3 Satz听1 EStG zu ermittelnden "Gewinn" einflie脽en w眉rde und im 脺brigen bei der Summe der Eink眉nfte ausgeglichen werden k枚nnte (ebenso HHR/Musil, 搂听23 EStG Rz听73). Gerade dies ist nach 搂听23 Abs.听3 Satz听7 und听8 EStG indes nicht der Fall. Der Senat ber眉cksichtigt hierbei, dass die Beschr盲nkung des Verlustausgleichs bei privaten Ver盲u脽erungsgesch盲ften durch 搂听23 Abs.听3 Satz听7 und听8 EStG dem Grunde nach nicht zu beanstanden ist (s. etwa Senatsurteile vom 18.10.2006听- IX听R听28/05, BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259; vom 12.07.2016听- IX听R听11/14, BFH/NV 2016, 1691); als ma脽geblich hierf眉r hat es der Senat indes angesehen, dass die ma脽geblichen Regelungen nur die innerhalb der Haltefristen durch Ver盲u脽erung realisierten Wertver盲nderungen der Einkommensteuer unterwerfen und der Steuerpflichtige die M枚glichkeit hat, durch die Wahl des Ver盲u脽erungszeitpunkts 眉ber den Eintritt des Steuertatbestandes zu entscheiden und damit sein Recht auf wirtschaftliche Bet盲tigungsfreiheit in Anspruch zu nehmen. Diese Entscheidungsfreiheit ist dem Steuerpflichtigen jedoch genommen, sobald man --眉ber den Wortlaut der Vorschrift hinaus-- die hoheitlich angeordnete 脺bertragung eines Grundst眉cks mit einer der freien Willensentschlie脽ung unterliegenden rechtsgesch盲ftlichen Ver盲u脽erung gleichsetzen wollte.
Rz. 30
cc) Hiernach erscheint die von der langj盲hrigen Rechtsprechung getragene Auslegung der ma脽geblichen Norm des 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG auch unter systematischen Gesichtspunkten folgerichtig. Eine in systematischer Hinsicht hiervon abweichende rechtliche Handhabung m眉sste sich 眉berdies mit der Frage befassen, ob eine mit der tatbestandlichen Erfassung einer Enteignungsentsch盲digung im Bereich des 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG verbundene Steuerlast im Einzelfall als "Schaden" des von der Enteignungsma脽nahme betroffenen Eigent眉mers anzusehen und daher ggf. zus盲tzlich bei der Bemessung der Entsch盲digungsleistung zu ber眉cksichtigen w盲re.
Rz. 31
3. Die Sache ist spruchreif. Die durch Sonderungsbescheid angeordnete 脺bertragung des Eigentums auf die Stadt听X stellt keine "Ver盲u脽erung" des vom Kl盲ger im Jahr 2005 (anteilig) durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung angeschafften Grundst眉cks i.S. des 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG dar; vor diesem Hintergrund ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass der Tatbestand der genannten Norm im Streitfall nicht vollst盲ndig erf眉llt ist. Auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Zufluss einer zus盲tzlichen finanziellen Gegenleistung --vorliegend der im Streitjahr 2012 sowie im Kalenderjahr 2014 gezahlten weiteren Entsch盲digungsbetr盲ge-- im Rahmen des 搂听23 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG zu Steuerfolgen f眉hrt, kommt es danach nicht mehr an. Nicht mehr entscheidungserheblich ist ferner, ob der angefochtene, vom FG schon aus materiellen Gr眉nden zu Recht aufgehobene Einkommensteuerbescheid f眉r das Streitjahr 2009 verfahrensrechtlich noch ge盲ndert werden durfte.
Rz. 32
4. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂听135 Abs.听2 FGO.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 13396413 |
BFH/NV 2019, 1285 |
BFH/PR 2019, 322 |
BStBl II 2019, 701 |
BB 2019, 2261 |
DB 2019, 14 |
DB 2019, 2723 |
DB 2019, 6 |
DStR 2019, 2023 |
DStR 2019, 6 |
DStRE 2019, 1298 |
DStZ 2019, 783 |
HFR 2019, 957 |