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Entscheidungsstichwort (Thema)
Auszahlung des Kindergeldes an das Kind in analoger Anwendung des 搂 74 Abs. 1 S盲tze 1 und 3 EStG
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Leitsatz (amtlich)
Das Kindergeld, das zugunsten des Vaters einer Tochter, die eine Zweitausbildung absolviert, festgesetzt ist, kann in analoger Anwendung des 搂 74 Abs. 1 S盲tze 1 und 3 EStG an die Tochter ausgezahlt werden, wenn der Vater tats盲chlich keinen Unterhalt leistet und zivilrechtlich auch nicht dazu verpflichtet ist.
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Normenkette
EStG 搂听74 Abs. 1 S盲tze听1, 3, 搂搂听62-63; SGB I 搂 48 Abs.听1-2; BGB 搂听1602 Abs. 1, 搂听1610 Abs. 2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Dem Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) war ab Januar 1996 f眉r seine im Jahre 1971 geborene Tochter (im Folgenden: die Beigeladene) Kindergeld bewilligt worden. Im September 1996 nahm die Beigeladene ein Studium an einer Fachhochschule auf. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) zahlte das Kindergeld weiter.
Am 30. Dezember 1996 beantragte die Beigeladene, das Kindergeld zuk眉nftig an sie zu 眉berweisen, da ihr Vater ihr keinen Unterhalt zahle. Der Kl盲ger erkl盲rte zu diesem Antrag, dass er der Beigeladenen kostenlos Unterkunft und Verpflegung nebst Bewirtschaftungskosten f眉r ihre aperiodischen Besuche an Wochenenden und w盲hrend der Woche an seinem Wohnsitz gew盲hrt habe; au脽erdem habe er ihr aperiodisch Geldbetr盲ge zugewendet, kostenlos ein Reitpferd vorgehalten und sie kostenlos in betriebswirtschaftlichen und juristischen Belangen beraten. Die Beigeladene erwiderte darauf, dass sie an einigen Wochenenden im Jahr ihre Eltern besuche und die Mutter f眉r die Familie koche und ihr auch ihr altes Bett in der Wohnung ihrer Eltern zur Verf眉gung stehe. Au脽er an Geburtstagen oder Weihnachten (200 DM) erhalte sie keine Geldzuwendungen.
Mit Bescheid vom 11. M盲rz 1997 bewilligte der Beklagte gem盲脽 搂 74 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Auszahlung des Kindergeldes von 200 DM monatlich ab Januar 1997 unmittelbar an die Beigeladene. Der Einspruch und die Klage des Kl盲gers hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) entschied, der Kl盲ger sei seiner Unterhaltspflicht gegen眉ber der Beigeladenen nicht bzw. nicht in vollem Umfang nachgekommen. Zwar bestehe gegen眉ber Kindern eine gesetzliche Unterhaltspflicht gem盲脽 搂搂 1601 ff. des B眉rgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wegen einer Zweitausbildung nicht, wenn Eltern ihrem Kind bereits eine seinen Neigungen und seiner Begabung entsprechende Berufsausbildung h盲tten zukommen lassen. Im Streitfall habe die Beigeladene eine Ausbildung als Tierarzthelferin erhalten. H盲tte der Kl盲ger damit seine Unterhaltspflicht erf眉llt, best眉nde keine Unterhaltspflicht mehr und insofern w盲re eine Abzweigung nicht m枚glich gewesen. Ein solches Ergebnis entspreche jedoch nicht dem Gesetzeszweck. Das Kindergeld diene dazu, das Existenzminimum des Kindes abzudecken. W眉rde man jedoch einerseits eine Unterhaltspflicht der Eltern verneinen und andererseits den Eltern einen Kindergeldanspruch zugestehen, w眉rde dies bedeuten, dass Eltern das Kindergeld f眉r ihren eigenen Unterhalt verwenden k枚nnten. Daher sei 搂 74 EStG dahin auszulegen, dass der Kindergeldanspruch eine Unterhaltspflicht der Eltern voraussetze. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom 2. M盲rz 2000 VI R 13/99 (BFHE 191, 69, BStBl II 2000, 522) entschieden, dass der Kindergeldanspruch f眉r 眉ber 18 Jahre alte Kinder an das Bestehen einer Unterhaltspflicht ankn眉pfe und entfalle, wenn die Unterhaltspflicht vernachl盲ssigt werde.
Im Streitfall gehe der Senat vom Bestehen einer Unterhaltspflicht des Kl盲gers 鈥晍umindest in H枚he des Kindergeldanspruchs鈥 aus. Dieser Unterhaltspflicht sei der Kl盲ger nicht nachgekommen, da es sich bei seinen Zuwendungen an die Beigeladene nur um sog. Anstandsschenkungen i.S. von 搂 534 BGB oder um sonstige unentgeltliche Zuwendungen gehandelt habe. Eine Verletzung des in 搂 74 Abs. 1 EStG einger盲umten Ermessens hinsichtlich der Auszahlung des Kindergeldes an die Beigeladene sei nicht erkennbar. Das Urteil der Vorinstanz ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 224 ver枚ffentlicht.
Der Kl盲ger r眉gt mit seiner Revision eine Verletzung des 搂 74 Abs. 1 Satz 1 EStG. Er macht geltend, er sei zur Finanzierung einer Zweitausbildung der Beigeladenen nicht verpflichtet gewesen. Daher habe auch keine Unterhaltspflichtverletzung vorgelegen, die es gerechtfertigt h盲tte, das Kindergeld an die Beigeladene auszuzahlen. Es komme hinzu, dass er 鈥昦uch ohne Verpflichtung鈥 seiner Unterhaltspflicht nachgekommen sei. Die Beigeladene h盲tte zu Hause wohnen und dort verpflegt werden k枚nnen; das FG habe auch v枚llig 眉bersehen, dass er noch s盲mtliche im Zusammenhang mit dem Pferd der Beigeladenen anfallenden Kosten beglichen habe. Au脽erdem sei die r眉ckwirkende Kindergeldauszahlung an die Beigeladene unwirksam gewesen, da eine solche Entscheidung nicht habe r眉ckwirkend ergehen k枚nnen. Es habe keinen Grund gegeben, dass der Beklagte erst ein Vierteljahr sp盲ter 眉ber den Antrag vom Dezember 1996 entschieden habe.
Der Kl盲ger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. M盲rz 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 1997 zu verpflichten, das Kindergeld an ihn auszuzahlen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Die Beigeladene hat sich nicht ge盲u脽ert.
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Die Revision des Kl盲gers ist unbegr眉ndet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass das Kindergeld an die Beigeladene auszuzahlen ist. Der Senat folgt zwar nicht die Auffassung des FG, dass der Kl盲ger gegen眉ber der Beigeladenen in H枚he des Kindergeldes unterhaltspflichtig gewesen sei. Der Beklagte war aber in analoger Anwendung des 搂 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG berechtigt, das festgesetzte Kindergeld an die Beigeladene auszuzahlen.
1. Die Auszahlung des Kindergeldes an die Beigeladene kann entgegen der Ansicht des FG nicht auf eine unmittelbare Anwendung des 搂 74 Abs. 1 Satz 1 EStG gest眉tzt werden. Danach kann Kindergeld in angemessener H枚he u.a. an Kinder des Kindergeldberechtigten ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihnen gegen眉ber seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten nicht nachkommt. Dieser Tatbestand setzt das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht voraus. Ob eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, richtet sich nach den Vorschriften des b眉rgerlichen Rechts. Dies ist f眉r 搂 48 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Allgemeiner Teil (SGB I) anerkannt (Urteil des Bundessozialgerichts 鈥旴SG鈥 vom 20. Juni 1984 7 RAr 18/83, BSGE 57, 59, 61). F眉r 搂 74 Abs. 1 EStG, der dieser Vorschrift nachgebildet ist, gilt angesichts des insoweit gleichlautenden Tatbestandes nichts anderes.
Im Streitfall bestand auf der Grundlage der tats盲chlichen Feststellungen des FG keine zivilrechtliche Verpflichtung des Kl盲gers zur Gew盲hrung von Unterhalt wegen der Zweitausbildung der Beigeladenen.
a) Der gesetzliche Unterhaltsanspruch eines leiblichen Kindes (搂 1601 BGB) umfasst nach 搂 1610 Abs. 2 BGB den gesamten Lebensbedarf einschlie脽lich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind Eltern dann, wenn sie ihre Pflicht, ihrem Kind eine angemessene 鈥昫.h. seinen Neigungen und F盲higkeiten entsprechende鈥 Berufsausbildung zu gew盲hren, erf眉llt haben, im Allgemeinen nicht verpflichtet, die Kosten f眉r eine weitere Ausbildung zu tragen (vgl. z.B. Urteile vom 29. Juni 1977 IV ZR 48/76, BGHZ 69, 190; vom 14. Juli 1999 XII ZR 230/97, Zeitschrift f眉r das gesamte Familienrecht 鈥旻amRZ鈥 2000, 420; vgl. zur Unterhaltspflicht bei einer Zweitausbildung auch das BFH-Urteil vom 4. Dezember 2001 III R 47/00, BFHE 197, 233, BStBl II 2002, 195, unter II. 4. der Gr眉nde).
Im Streitfall hat die Beigeladene bereits eine Berufsausbildung als Tierarzthelferin erhalten. Sie hat selbst nicht geltend gemacht, dass ihre Eltern damit nicht ihre Verpflichtung zur Gew盲hrung einer angemessenen Berufsausbildung erf眉llt h盲tten und dass diese Ausbildung nicht ihren Neigungen und F盲higkeiten entsprochen habe.
b) Auch das FG hat keine uneingeschr盲nkte Verpflichtung des Kl盲gers zur Gew盲hrung von Unterhalt wegen der Zweitausbildung der Beigeladenen angenommen. Es hat lediglich eine zivilrechtliche Unterhaltspflicht des Kl盲gers in H枚he des Kindergeldanspruchs bejaht. F眉r diese Rechtsauffassung findet sich jedoch im BGB keine Rechtsgrundlage. Denn wenn der Kl盲ger seine Unterhaltspflicht durch Gew盲hrung einer angemessenen Ausbildung erf眉llt hat, kann die Beigeladene ihm gegen眉ber bereits dem Grunde nach keinen Unterhaltsanspruch aufgrund einer Bed眉rftigkeit (搂 1602 Abs. 1 BGB) wegen einer Zweitausbildung geltend machen.
c) Bei dem Anspruch eines Kindes gegen seine Eltern auf Zahlung eines Betrages in H枚he des Kindergeldes k枚nnte es sich um einen eigenst盲ndigen, von einer Unterhaltspflicht losgel枚sten Anspruch handeln. Der BGH hat jedoch mit Urteil vom 24. Februar 1988 IVb ZR 3/87 (FamRZ 1988, 604) entschieden, dass ein Kind keinen von der Leistungsf盲higkeit seines Vaters unabh盲ngigen Anspruch auf "Auskehrung" der Kinderzulage zu der Verletztenrente hat, die der Vater mit R眉cksicht auf eine Ausbildung des Kindes bezieht. Er hat dazu ausgef眉hrt, dass ein derartiger Anspruch kein Unterhaltsanspruch, sondern ein eigenst盲ndiger Anspruch auf "Auskehrung" des Kindergeldes, des Kinderzuschusses oder der Kinderzulage w盲re, den das BGB jedoch nicht kenne und f眉r dessen Begr眉ndung auch keine Notwendigkeit bestehe. Das Kind k枚nne vielmehr auf dem Weg des 枚ffentlichen Rechts das Ziel einer Auskehrung des Kindergeldes erreichen. Es k枚nne nach der Rechtsprechung des BSG unter den Voraussetzungen des 搂 48 SGB I begehren, dass "laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt seien", ihm selbst ausgezahlt w眉rden, wenn der (bisherige) Leistungsempf盲nger seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht ihm gegen眉ber nicht nachkomme (搂 48 Abs. 1 SGB I) oder wenn er ihm gegen眉ber nicht kraft Gesetzes unterhaltspflichtig sei und ihm keinen Unterhalt leiste (搂 48 Abs. 2 SGB I).
Nach dem BSG-Urteil vom 29. August 1984 1 RJ 82/83 (BSGE 57, 127) sind dann, wenn ein Rentenempf盲nger einen Kinderzuschuss f眉r ein Kind erh盲lt, f眉r das er nicht aufkommt, Feststellungen zur Unterhaltsbed眉rftigkeit des Kindes und zur Unterhaltsf盲higkeit des Rentenempf盲ngers entbehrlich, wenn der Kinderzuschuss an das Kind selbst (搂 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I) ausgezahlt werden soll. Denn wenn feststeht, dass der Rentenempf盲nger das Kind tats盲chlich nicht unterh盲lt, sind jedenfalls die tatbestandsm盲脽igen Voraussetzungen der Abzweigung einer f眉r das Kind erbrachten Geldleistung nach 搂 48 Abs. 2 SGB I erf眉llt. Nach dieser Vorschrift gilt ihr Abs. 1 entsprechend, wenn unter Ber眉cksichtigung von Kindern, denen gegen眉ber der Leistungsberechtigte nicht kraft Gesetzes unterhaltspflichtig ist, Geldleistungen erbracht werden und der Leistungsberechtigte diese Kinder nicht unterh盲lt.
2. Der Gesetzgeber hat den Kindergeldanspruch durch das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) im X. Abschnitt des EStG geregelt. Er hat in 搂 74 Abs. 1 EStG f眉r das Kindergeld eine dem 搂 48 Abs. 1 SGB I entsprechende Regelung getroffen. Dagegen enth盲lt 搂 74 Abs. 1 EStG keine dem 搂 48 Abs. 2 SGB I entsprechende Vorschrift und auch keine Erm盲chtigung zu einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift. Dadurch, dass die in 搂 48 Abs. 2 SGB I getroffene Regelung f眉r die Auszahlung staatlicher Leistungen an das Kind bei fehlender Unterhaltspflichtverletzung des Leistungsberechtigten nicht in das EStG 眉bernommen worden ist, ist im Gesetz eine L眉cke entstanden. Diese L眉cke f眉hrt zu sachlich nicht einleuchtenden, sinnwidrigen Ergebnissen, ist planwidrig und durch eine analoge Gesetzesanwendung zu schlie脽en.
a) In 搂 74 Abs. 1 Satz 3 EStG ist 鈥晈ie auch bereits in 搂 48 Abs. 1 Satz 3 SGB I鈥 ausdr眉cklich geregelt, dass das Kindergeld an das Kind selbst ausgezahlt werden kann, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsf盲higkeit nicht oder nur in einer H枚he unterhaltspflichtig ist, die niedriger ist als das Kindergeld. Damit soll sichergestellt werden, dass auch ohne eine Verletzung der Unterhaltspflicht durch den Kindergeldberechtigten, wie sie in 搂 74 Abs. 1 Satz 1 EStG gefordert wird, das Kindergeld nicht dem Unterhalt der Eltern dient, sondern dem Kind zugute kommt. Es gibt aber keinen sachlich einleuchtenden Grund daf眉r, das Kindergeld dann an das Kind selbst auszuzahlen, wenn eine Verletzung der Unterhaltspflicht nur wegen fehlender Leistungsf盲higkeit der Eltern (vgl. 搂 1603 BGB) verneint wird, einen derartigen Anspruch des Kindes aber zu verneinen, wenn die 鈥昹eistungsf盲higen鈥 Eltern bereits dem Grunde nach nicht mehr unterhaltspflichtig, aber gleichwohl kindergeldberechtigt (搂搂 32, 62, 63 EStG) sind. Wenn das Kindergeld nach dem Wortlaut und Zweck des 搂 74 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht zum eigenen Lebensunterhalt von nicht leistungsf盲higen Eltern verwendet werden soll, dann ist kein Grund ersichtlich, dies anders zu beurteilen, wenn die Eltern sogar leistungsf盲hig sind.
b) Dadurch, dass in 搂 74 EStG eine dem 搂 48 Abs. 2 SGB I entsprechende Regelung fehlt, ist eine L眉cke entstanden. Zwar l盲ge eine Gesetzesl眉cke dann nicht vor, wenn ausnahmslose Voraussetzung des Anspruchs auf Kindergeld gem盲脽 搂搂 62 ff. EStG das Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung w盲re. Das ist aber nicht der Fall. Da sich dem Gesetzeswortlaut eine derartige Einschr盲nkung nicht entnehmen l盲sst, k枚nnte es sich dabei nur um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Kindergeldanspruchs handeln. F眉r ein derartiges Gesetzesverst盲ndnis ist jedoch keine Grundlage zu erkennen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des VI. Senats des BFH in BFHE 191, 69, BStBl II 2000, 522, wonach der Kindergeldanspruch f眉r ein vollj盲hriges Kind grunds盲tzlich ab der Eheschlie脽ung erlischt. Denn diesem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass der Kindergeldanspruch nach dem EStG stets und in jedem Einzelfall das Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht voraussetzt.
c) Die somit bestehende Gesetzesl眉cke ist planwidrig und beruht nicht auf einer gesetzgeberische Absicht. Denn in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 13/1558, S. 162) ist ausgef眉hrt: "搂 74 Abs. 1 EStG regelt die Auszahlung des Kindergeldes bei Verletzung der Unterhaltspflicht. Die Regelung entspricht 搂 48 SGB I." Die Verweisung auf "搂 48 SGB I" und nicht nur auf den Abs. 1 dieser Vorschrift deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber insoweit an der bisherigen Rechtslage wegen des Anspruchs eines Kindes auf Auszahlung des Kindergeldes hatte festhalten und keine 脛nderungen hatte vornehmen wollen. H盲tten sich insoweit gegen眉ber der bisherigen Rechtslage 脛nderungen ergeben, z.B. weil nunmehr das Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung unerl盲ssliches Merkmal f眉r den Kindergeldanspruch h盲tte sein sollen, h盲tte es nahe gelegen, auf diese Ver盲nderung und die deswegen entbehrliche 脺bernahme des 搂 48 Abs. 2 SGB I hinzuweisen. Gegen dieses Verst盲ndnis spricht auch nicht, dass 搂 74 Abs. 1 EStG "die Auszahlung des Kindergeldes bei Verletzung der Unterhaltspflicht" regelt. Denn 搂 48 SGB I enth盲lt die 脺berschrift "Auszahlung bei Verletzung der Unterhaltspflicht", obwohl im Abs. 2 der Vorschrift der Sachverhalt geregelt ist, dass eine Unterhaltspflicht nicht besteht und mithin auch nicht verletzt sein kann.
d) Diese planwidrige Gesetzesl眉cke ist durch eine analoge Anwendung von 搂 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG zu schlie脽en. Es geh枚rt zu den anerkannten Regeln der Gesetzesanwendung auch im Steuerrecht, unbewusste und planwidrige Gesetzesl眉cken durch Gesetzes- oder Rechtsanalogie zu schlie脽en (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226, unter III. 6. b; vom 8. August 1995 III R 41/89, BFH/NV 1996, 360, unter III. 2. e bb; vom 19. Mai 1998 I R 86/97, BFHE 186, 515, BStBl II 1998, 715, unter II. 2. d; vom 2. Juli 1997 I R 32/95, BFHE 183, 496, BStBl II 1998, 176, unter II. 2. b; vom 15. Dezember 1999 I R 114/98, BFH/NV 2000, 1243, unter II. B. 4. b cc). Der in 搂 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG geregelte Sachverhalt, dass das Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden kann, wenn die Eltern tats盲chlich keinen Unterhalt zahlen und dies zu keiner Unterhaltspflichtverletzung f眉hrt, weil sie nicht leistungsf盲hig (搂 1603 BGB) sind, ist dem Sachverhalt, dass die Eltern deshalb ihre Unterhaltspflicht nicht verletzen, weil sie bereits dem Grunde nach nicht zur Leistung von Unterhalt verpflichtet sind, so 盲hnlich, dass eine analoge Gesetzesanwendung gerechtfertigt ist.
3. Danach sind im Streitfall die Voraussetzungen f眉r die Auszahlung des Kindergeldes an die Beigeladene aufgrund einer analogen Anwendung des 搂 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG erf眉llt. Der Kl盲ger hat seine Unterhaltspflicht nicht verletzt, weil die Beigeladene bereits eine Berufsausbildung hatte und er nicht f眉r die Kosten einer Zweitausbildung aufzukommen hatte. Er hat der Beigeladenen auch tats盲chlich keinen Unterhalt gew盲hrt. Die Auffassung des FG, dass die gelegentliche Beherbergung und Verpflegung der ausw盲rts studierenden Beigeladenen nebst Geschenken zum Geburtstag und zu Weihnachten nicht als Unterhaltgew盲hrung zu beurteilen sei, ist frei von Rechtsfehlern.
Entgegen der R眉ge der Revision ist der angefochtene Bescheid vom 11. M盲rz 1997 auch nicht insoweit unwirksam, als das Kindergeld mit Wirkung ab Januar 1997 an die Beigeladene zu zahlen ist. Darin liegt keine unzul盲ssige R眉ckwirkung, weil die Beigeladene die Auszahlung des Kindergeldes an sich vorher, n盲mlich am 30. Dezember 1996, beim Beklagten beantragt hatte. Der Umstand, dass der Beklagte den Sachverhalt aufkl盲ren und insbesondere dem Kl盲ger rechtliches Geh枚r gew盲hren musste, steht der Bewilligung des Antrags f眉r den auf die Antragstellung folgenden Monat nicht entgegen.
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Fundstellen
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BFH/NV 2002, 1215 |
BStBl II 2002, 575 |
BFHE 199, 105 |
BFHE 2002, 105 |
BB 2002, 1527 |
DB 2002, 1537 |
DStRE 2002, 1008 |
HFR 2002, 806 |