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Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Kindergeld im Jahr der Eheschlie脽ung des Kindes
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Leitsatz (amtlich)
1. Der Kindergeldanspruch f眉r ein vollj盲hriges Kind erlischt grunds盲tzlich ab der Eheschlie脽ung des Kindes, weil er eine typische Unterhaltssituation der Eltern voraussetzt, die nicht mehr besteht, wenn der Ehegatte des Kindes zu dessen Unterhalt verpflichtet ist.
2. Die auf den Heiratsmonat und die Folgemonate entfallenden Eink眉nfte und Bez眉ge des Kindes einschlie脽lich der Unterhaltsleistungen des Ehegatten sind nicht anzurechnen.
3. Der Kindergeldanspruch f眉r den Heiratsmonat bleibt erhalten.
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Normenkette
EStG 1997 搂听32 Abs. 4 S.听1 Nr. 2 Buchst. a, S盲tze听2, 6-7, 搂听63 Abs. 1 S盲tze听1-2, 搂听66 Abs. 2; GG Art. 3
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Die Beteiligten streiten dar眉ber, ob Unterhaltsleistungen, die das Kind nach der Heirat von seinem Ehegatten erh盲lt, zum Wegfall des Kindergeldanspruchs f眉hren k枚nnen.
Die 1973 geborene Tochter (T) des Kl盲gers und Revisionsbeklagten (Kl盲ger) befand sich im Streitjahr 1997 in Berufsausbildung. Sie heiratete im M盲rz. Der Netto-Arbeitslohn ihres Ehemannes betrug im M盲rz 3 048 DM und in den Monaten April bis Dezember des Streitjahres 27 826 DM.
Das Arbeitsamt -Familienkasse- (Beklagter und Revisionskl盲ger 鈥旴eklagter鈥) ermittelte die Eink眉nfte und Bez眉ge der T i.S. des 搂 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) f眉r das Streitjahr mit 13 890 DM. Dieser Betrag beruhte nach Ansicht des Beklagten auf Unterhaltsleistungen des Ehegatten in H枚he der H盲lfte seines monatlichen Netto-Gehalts (die H盲lfte von 3 000 DM x 9,5 Monate = 14 250 DM), vermindert um eine Unkostenpauschale in H枚he von 360 DM. Wegen 脺berschreitung des Jahresgrenzbetrags von 12 000 DM (搂 32 Abs. 4 Satz 6 EStG) setzte der Beklagte daraufhin das Kindergeld r眉ckwirkend ab Januar 1997 auf 0 DM fest und forderte das f眉r die Monate Januar bis April gezahlte Kindergeld in H枚he von 880 DM zur眉ck.
Mit der Klage focht der Kl盲ger die r眉ckwirkende 脛nderung der Kindergeldfestsetzung f眉r die Zeit von Januar bis M盲rz 1997 und die R眉ckforderung des insoweit gezahlten Kindergeldes an. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage antragsgem盲脽 statt. Zur Begr眉ndung f眉hrte es im Wesentlichen aus: Der gegen den Ehemann bestehende b眉rgerlich-rechtliche Unterhaltsanspruch (3/7 des Nettoeinkommens) stelle zwar einen Bezug i.S. des 搂 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dar. Nicht gedeckt von 搂 70 Abs. 2 EStG sei allerdings eine r眉ckwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung auch f眉r die Zeit vor der Eheschlie脽ung. Die Vorschrift lasse eine 脛nderung der Kindergeldfestsetzung nur mit Wirkung f眉r die Zukunft zu. Die vom Beklagten in Bezug genommene Vorschrift des 搂 175 der Abgabenordnung (AO 1977) sei demgegen眉ber nicht einschl盲gig, weil 搂 70 Abs. 2 EStG die speziellere Korrekturvorschrift enthalte.
Mit der Revision macht der Beklagte geltend, die r眉ckwirkende 脛nderung der Kindergeldfestsetzung sei sowohl von 搂 70 Abs. 2 EStG als auch von 搂 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 gedeckt. Die danach ma脽geblichen "Verh盲ltnisse" h盲tten sich im Streitfall nicht erst zum Zeitpunkt der Eheschlie脽ung ge盲ndert, sondern bereits mit Beginn des Streitjahres. Denn der mit der Eheschlie脽ung erworbene Unterhaltsanspruch bewirke eine 脺berschreitung des Grenzbetrages auch f眉r die Monate vor der Ehe.
Der Beklagte beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kl盲ger beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Er h盲lt eine r眉ckwirkende 脛nderung der Kindergeldfestsetzung f眉r ausgeschlossen, weil T in den Monaten vor der Heirat der elterlichen Unterst眉tzung bedurft habe.
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Die Revision ist unbegr眉ndet. Unterhaltsleistungen des Ehepartners an das Kind w盲hrend bestehender Ehe lassen den Kindergeldanspruch der Eltern bis einschlie脽lich des Monats der Eheschlie脽ung unber眉hrt.
1. Der Kindergeldanspruch f眉r die Monate Januar bis M盲rz 1997 beruht auf 搂 62 Abs. 1, 搂 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. 搂 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Danach besteht ein Anspruch auf Kindergeld f眉r ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wenn es f眉r einen Beruf ausgebildet wird.
2. F眉r die Monate nach der Eheschlie脽ung haben die Eltern des Kindes grunds盲tzlich keinen Anspruch mehr auf Kindergeld. Denn mit der Heirat sind nicht mehr die Eltern vorrangig zum Unterhalt des Kindes verpflichtet, sondern der Ehegatte.
a) 搂 32 Abs. 4 Satz 1 EStG ist dahin auszulegen, dass der Kindergeldanspruch f眉r 眉ber 18 Jahre alte Kinder eine typische Unterhaltssituation seitens der Eltern voraussetzt.
Die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs im Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I, 1250, BStBl I, 438) diente der Umsetzung des sich aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebotes, eine auf Grund von Unterhaltspflichten gegen眉ber einem Kind verminderte Leistungsf盲higkeit sachgerecht zu ber眉cksichtigen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 鈥旴VerfG鈥 vom 29. Mai 1990 1 BvL 20, 26/84 und 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653). Ist aber eine wegen Unterhaltspflichten verminderte Leistungsf盲higkeit sachgerecht zu ber眉cksichtigen, bedeutet dies umgekehrt, dass das Erl枚schen von Unterhaltspflichten ebenfalls grunds盲tzlich nicht unber眉cksichtigt bleiben darf. Das Gesetz kn眉pft dementsprechend in typisierender Betrachtung an das Bestehen einer Unterhaltspflicht an und entzieht das Kindergeld, wenn diese vernachl盲ssigt wird.
So erhalten beispielsweise Pflegeeltern unter Ausschluss der leiblichen Eltern das Kindergeld, soweit sie das Kind mindestens zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ihre Kosten unterhalten (搂 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. 搂 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Kindergeldberechtigte Eltern erhalten ferner kein Kindergeld, wenn sie ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen (搂 74 Abs. 1 EStG). Au脽erdem k枚nnen Anspr眉che auf Kindergeld wegen gesetzlicher Unterhaltsanspr眉che des Kindes gepf盲ndet werden (搂 76 Abs. 1 EStG).
Auch die Gesetzesbegr眉ndung spricht daf眉r, dass der Kindergeldanspruch unter der Voraussetzung einer typischen Unterhaltssituation seitens der Eltern steht. Denn danach belasten Kinder mit monatlichen Eink眉nften und Bez眉gen von 鈥昳m Streitjahr鈥 1 000 DM ihre Eltern wirtschaftlich nicht mehr in der Weise, dass diese im Wege des Familienleistungsausgleichs entlastet werden m眉ssten (vgl. BTDrucks 13/1558, 164).
b) Eine solche Unterhaltssituation besteht nach der Eheschlie脽ung grunds盲tzlich nicht mehr. Denn ab diesem Zeitpunkt ist dem Kind in erster Linie der Ehegatte zum Unterhalt verpflichtet (搂 1608 Satz 1 des B眉rgerlichen Gesetzbuches 鈥旴GB鈥). Es besteht nur noch eine nachrangige Unterhaltspflicht der Eltern. Auf Grund der Status盲nderung durch Heirat und der dadurch wechselnden Pflichtenstellung zum Kind besteht nach der Heirat grunds盲tzlich kein Bedarf mehr f眉r eine Entlastung der Eltern im Wege des Familienleistungsausgleichs. Anders liegt der Fall, wenn das Einkommen des Ehegatten so gering ist, dass dieser zum Unterhalt des Kindes nicht in der Lage ist (z.B. Studentenehe) und die Eltern deshalb weiterhin f眉r das Kind aufkommen m眉ssen.
3. Der Kindergeldanspruch f眉r den Monat der Eheschlie脽ung und die vorhergehenden Monate wird durch die Heirat demgegen眉ber nicht ber眉hrt; er ist insbesondere nicht wegen Unterhaltsleistungen des Ehegatten an das Kind r眉ckwirkend zu versagen.
a) Nach 搂 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird ein Kind in Berufsausbildung nur ber眉cksichtigt, wenn es Eink眉nfte und Bez眉ge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12 000 DM im Kalenderjahr hat (Jahresgrenzbetrag). Dieser Betrag erm盲脽igt sich nach 搂 32 Abs. 4 Satz 6 EStG f眉r jeden Kalendermonat um ein Zw枚lftel, in dem die Voraussetzungen f眉r eine Ber眉cksichtigung nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 nicht vorliegen (K眉rzungsmonate). Bei der Pr眉fung, ob der sich danach ergebende anteilige Jahresgrenzbetrag 眉berschritten ist, bleiben nach 搂 32 Abs. 4 Satz 7 EStG diejenigen Eink眉nfte und Bez眉ge des Kindes au脽er Ansatz, die auf die K眉rzungsmonate entfallen.
b) Danach geh枚ren zun盲chst die Monate nach der Eheschlie脽ung (im Streitfall die Monate April bis Dezember) zu den K眉rzungsmonaten i.S. des 搂 32 Abs. 4 Satz 6 EStG, weil die Eltern in diesen Monaten mangels typischer Unterhaltssituation regelm盲脽ig nicht mehr kindergeldberechtigt sind.
c) Auch der Monat der Eheschlie脽ung (im Streitfall der Monat M盲rz) geh枚rt zu den K眉rzungsmonaten i.S. des 搂 32 Abs. 4 Satz 6 EStG, obwohl die Eltern in diesem Monat zeitweise noch unterhaltspflichtig sind. Denn die Formulierung des 搂 32 Abs. 4 Satz 6 EStG, "in dem die Voraussetzungen f眉r eine Ber眉cksichtigung nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 nicht vorliegen", ist auslegungsbed眉rftig f眉r solche Monate, in denen die Voraussetzungen nur zeitweise vorgelegen haben. Nach dem zur Ver枚ffentlichung bestimmten Senatsurteil vom 1. M盲rz 2000 VI R 19/99 geh枚rt der Monat, in dem das Kind von der Ausbildung in den Beruf wechselt, zu den K眉rzungsmonaten i.S. des 搂 32 Abs. 4 Satz 6 EStG, weil die Voraussetzungen f眉r eine Ber眉cksichtigung nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 nicht an allen Tagen des Monats vorgelegen haben. Dies gilt entsprechend, wenn die Voraussetzungen f眉r eine Ber眉cksichtigung nach 搂 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG wegen Heirat nicht an allen Tagen des Monats vorgelegen haben.
d) Geh枚rt der Monat der Eheschlie脽ung ebenso wie die folgenden Monate demnach im Regelfall zu den K眉rzungsmonaten i.S. des 搂 32 Abs. 4 Satz 6 EStG, sind die auf diese Monate entfallenden Eink眉nfte/Bez眉ge und damit Unterhaltsleistungen des Ehegatten an das Kind folglich nicht einzubeziehen (搂 32 Abs. 4 Satz 7 EStG).
4. Die Eltern haben f眉r den Monat der Eheschlie脽ung gem盲脽 搂 32 Abs. 4 Satz 1 EStG i.V.m. 搂 66 Abs. 2 EStG gleichwohl Anspruch auf Kindergeld. Auch wenn der Monat der Eheschlie脽ung ein K眉rzungsmonat ist, 盲ndert das nichts daran, dass die Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs im Heiratsmonat 鈥晈ie auch in den Vormonaten鈥 wegen der Unterhaltspflicht der Eltern bis zur Eheschlie脽ung zeitweise vorgelegen haben. Die Gew盲hrung von Kindergeld f眉r den Monat der Eheschlie脽ung steht mit dem Zweck des Gesetzes im Einklang, das Existenzminimum eines unverheirateten Kindes w盲hrend der Ausbildung bei den Eltern unter der Bedingung freizustellen, dass der anteilige Jahresgrenzbetrag vom Kind bis zum Heiratsmonat nicht 眉berschritten wird.
5. F眉r die L枚sung des Senats sprechen auch Gr眉nde der Praktikabilit盲t und der Verwaltungsvereinfachung. Es er眉brigt sich in den meisten F盲llen eine im Einzelfall schwierige Ermittlung der Unterhaltsleistungen des Ehegatten des Kindes, die mit einem tiefen Eindringen in die Privatsph盲re der Eheleute verbunden ist. Insbesondere entf盲llt eine aufw盲ndige Berechnung des "verbleibenden Nettoeinkommens" und damit die Pr眉fung, welche Aufwendungen im Einzelnen vom Bruttoverdienst des Ehegatten abzuziehen sind (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs 鈥旴FH鈥 vom 7. M盲rz 1986 III R 177/80, BFHE 146, 386, BStBl II 1986, 554). Die zahlreichen, rechtlich schwierigen Abgrenzungsfragen k枚nnten von der gro脽en Masse der Kindergeldberechtigten nicht nachvollzogen werden.
Diese Rechtsprechung tr盲gt auch dem Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91, 1226/91 und 980/91 (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182 unter C. III.) Rechnung. Die dort an den Gesetzgeber gerichtete Forderung nach einer einfachen und verst盲ndlichen Regelung des Familienleistungsausgleichs gilt auch f眉r die Auslegung von Gesetzen durch die Rechtsprechung.
6. Im Ergebnis zu Recht hat das FG danach den Kindergeldanspruch f眉r die Monate Januar bis M盲rz 1997 bejaht. Angesichts der Nettobez眉ge des Ehemannes der T von 30 874 DM f眉r die Monate M盲rz bis Dezember 1997 bestehen von vornherein keine Zweifel daran, dass er T unterhalten konnte. Die Unterhaltspflicht des Kl盲gers endete demgem盲脽 im Zeitpunkt der Eheschlie脽ung. Damit rechnen die Monate M盲rz bis Dezember des Streitjahres zu den K眉rzungsmonaten i.S. des 搂 32 Abs. 4 Satz 6 EStG; der anteilige Jahresgrenzbetrag betr盲gt mithin 2 000 DM. Die auf die Monate Januar und Februar entfallenden Eink眉nfte und Bez眉ge der T 眉berschreiten den Betrag von 2 000 DM nicht. Das Kindergeld f眉r M盲rz 1997 steht dem Kl盲ger ebenfalls zu.
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Fundstellen
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BFH/NV 2000, 921 |
BStBl II 2000, 522 |
BFHE 191, 69 |
BFHE 2001, 69 |
BB 2000, 1121 |
DB 2000, 1261 |
DStR 2000, 921 |
DStRE 2000, 634 |
HFR 2000, 581 |
StE 2000, 319 |