Unwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung durch Mietnachzahlung

Die Rechtsprechung des BGH zur Nachzahlung von Mietschulden innerhalb der sogenannten Schonfrist ist eindeutig: Die Nachzahlung von Mietschulden beseitigt nur die Wirkungen einer zuvor erklärten außerordentlichen Kündigung, nicht aber die Wirkungen einer gleichzeitig erklärten ordentlichen Kündigung.
LG Hamburg macht Ausnahme von BGH-Regel
Das LG Hamburg machte nun eine Ausnahme von dieser Regel für den Fall, dass die Nachzahlung von Mietschulden so unverzüglich nach der Kündigungserklärung erfolgt, dass die Pflichtverletzung des Mieters hierdurch weniger schwer erscheint.
Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen Mietrückständen
Der vom LG entschiedene Fall entsprach der häufig anzutreffenden Standardkonstellation: Die Mieter einer Wohnung waren mit mehr als 2 Monatsmieten in Rückstand. Darauf erhielten sie vom Vermieter die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung wegen der aufgelaufenen Mietrückstände. Die Mieter glichen nach Erhalt der Kündigung die Rückstände umgehend aus. Der Vermieter hielt dennoch an der Beendigung des Mietverhältnisses durch die ordentliche Kündigung fest und verklagte die Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Streit über die Wirkungen einer Mietnachzahlung
Für diese Fälle bestimmt § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB, dass die fristlose Kündigung unwirksam wird, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs (Schonfrist) befriedigt wird. U.a. das LG Berlin bezieht die Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Kündigung - in hartnäckiger Abweichung von der BGH-Rechtsprechung - nicht nur auf die außerordentliche, sondern auch auf die ordentliche Kündigung (zuletzt: LG Berlin II, Urteil v. 23.10.2024, VIII ZR 106/23). Die Rechtsprechung des BGH hierzu ist eindeutig. Die Schonfristregelung sei vom Gesetzgeber bewusst in der Vorschrift zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund platziert und beseitige daher auch nur deren Wirkung. Eine gleichzeitig erklärte ordentliche Kündigung bleibt laut BGH wirksam (BGH, Urteil v. 5.10.2022, VIII ZR 307/21).
Räumungsklage über 2 Instanzen abgewiesen
Trotz dieser Rechtsprechung des höchsten deutschen Zivilgerichts wiesen im konkreten Fall sowohl das erstinstanzlich zuständige AG als auch in 2. Instanz das LG die Räumungsklage ab. Das LG gestand dem Kläger zwar zu, dass die Zahlung innerhalb der Schonfrist gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB – wie vom BGH vorgegeben - unmittelbare Auswirkungen ausschließlich auf die außerordentliche Kündigung hat. Allerdings müsse eine gleichzeitig erklärte ordentliche Kündigung darüber hinaus den Voraussetzungen des § 573 BGB genügen. Gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB habe der Vermieter nur dann ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.
Keine erhebliche Pflichtverletzung der Mieter
Diese von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorausgesetzte Erheblichkeitsschwelle war nach Auffassung des LG im konkreten Fall nicht erreicht. Die nach Erhalt der Kündigung unverzügliche und vollständige Nachzahlung der rückständigen Miete, habe gezeigt, dass die Mieter ihr vertragswidriges Verhalten bedauern, dass sie bereit sind, sich in Zukunft vertragsgemäß zu verhalten und das Mietverhältnis nicht weiter durch säumiges Verhalten zu gefährden. Die sofortige Rückkehr der Mieter zur Vertragstreue lasse ihre Säumnis in einem milderen Licht erscheinen, sodass die Verletzung ihrer Vertragspflichten insgesamt nicht so erheblich sei, dass dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne.
Räumungsklage abgewiesen
Im Ergebnis bewertete das Gericht das Festhalten des Vermieters an der ordentlichen Kündigung angesichts der unverzüglichen Nachentrichtung des vollständigen Mietrückstandes auch als treuwidrig. Damit blieb der Räumungsklage der Erfolg versagt.
(LG Hamburg, Urteil v. 13.12.2024, 307 S 40/24)
Hintergrund:
Die Rechtsauslegung des LG Hamburg steht nicht in diametralem Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH. In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH zwar seinen Standpunkt zur Auslegung des § 569 Abs. 3 BGB bekräftigt, gleichzeitig aber - wie jetzt auch das LG Hamburg - betont, dass hinsichtlich der Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung immer auch die Erheblichkeit der Pflichtverletzung durch die Mieter gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB geprüft werden muss. Nur wenn Mieter ihre vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hätten, sei ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses zu bejahen.
Gesamtumstände des Einzelfalls sind zu berücksichtigen
Im Rahmen der Prüfung der Erheblichkeit der Pflichtverletzung müssen laut BGH sämtliche Umstände des Einzelfalls Berücksichtigung finden. Dazu gehörten u.a. die Dauer und die Höhe des Zahlungsverzugs. Daneben seien Feststellungen dazu zu treffen, ob die ordentliche Kündigung aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise im Sinne von § 242 BGB als treuwidrig angesehen werden kann. Einschränkend hat der BGH allerdings auch klargestellt, dass der Umstand, dass die Mietrückstände bereits vor Ablauf der Schonfrist vollständig beglichen werden, allein nicht geeignet ist, die Pflichtverletzung zu heilen (BGH, Urteil v. 23.10.2024, VIII ZR 106/23)
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