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Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten eines nebenberuflich studierenden Kindes
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Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Pr眉fung, ob der Grenzbetrag des 搂 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. 眉berschritten ist, sind Fahrtkosten eines Kindes, die ihm aus Anlass eines nebenberuflich ausge眉bten Studiums entstehen, nicht mit der Entfernungspauschale zu ber眉cksichtigen, sondern in tats盲chlicher H枚he von den Einnahmen aus nichtselbst盲ndiger Arbeit abzuziehen.
2. Eine vom Kind als Arbeitnehmer aufgesuchte arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung stellt keine regelm盲脽ige Arbeitsst盲tte dar.
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Normenkette
EStG 搂听9 Abs. 1 S盲tze听1, 3 Nr. 4, 搂听32 Abs. 4 S. 2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin) hat einen Sohn (S), der im Juni 2008 seine Ausbildung zum Steuerfachangestellten erfolgreich abschloss und anschlie脽end im erlernten Beruf arbeitete. Ab September 2008 nahm er ein berufsbegleitendes Studium an einer Fachhochschule im Fachbereich Steuerrecht auf. Seitdem arbeitete er 28 Wochenstunden als Angestellter in einer Steuerberaterkanzlei und besuchte an zwei bis drei Terminen je Woche (abends und auch an Samstagen) die Fachhochschule in A bzw. B.
Rz. 2
Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) gew盲hrte f眉r den Streitzeitraum Februar bis Dezember 2009 kein Kindergeld, weil der Grenzbetrag ihres Erachtens 眉berschritten war. Bei ihrer Berechnung ber眉cksichtigte sie die Fahrten des S zur Fachhochschule nicht mit den tats盲chlich angefallenen Kosten, sondern setzte lediglich die Entfernungspauschale an. Auf diese Weise ermittelte sie Aufwendungen in H枚he von 1.363,50 鈧. Hieraus ergab sich eine 脺berschreitung des Grenzbetrags um 276 鈧.
Rz. 3
Die Kl盲gerin wandte sich im Einspruchs- und im Klageverfahren erfolglos gegen die Ablehnung ihres Kindergeldantrags.
Rz. 4
Mit ihrer Revision bringt die Kl盲gerin vor, dass ihrem Sohn Werbungskosten in Form von Fortbildungskosten in dem erlernten und ausge眉bten Beruf entstanden seien. Zu diesen Kosten geh枚rten auch die Fahrtkosten zur Bildungseinrichtung. Sie seien grunds盲tzlich in tats盲chlicher H枚he zu ber眉cksichtigen. Eine Einschr盲nkung sei nur bei Fahrten zu solchen Orten gerechtfertigt, an denen der Arbeitnehmer schwerpunktm盲脽ig t盲tig werde. S werde aber schwerpunktm盲脽ig in der Steuerberaterkanzlei t盲tig. Der Besuch der Fachhochschule sei demgegen眉ber hinsichtlich des zeitlichen Umfangs nachgeordnet und zudem befristet. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) beruhe noch auf der zwischenzeitlich aufgegebenen h枚chstrichterlichen Rechtsprechung zu Arbeitnehmern mit mehreren Arbeitsst盲tten. Es k枚nne daher keinen Bestand haben.
Rz. 5
Die Kl盲gerin beantragt, die Familienkasse unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz, des Ablehnungsbescheids vom 4. Februar 2010 und der Einspruchsentscheidung vom 2. M盲rz 2010 zu verpflichten, f眉r S Kindergeld f眉r die Monate Februar bis Dezember 2009 festzusetzen.
Rz. 6
Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
Rz. 7
Im vorliegenden Fall sei nicht "eine" (Gesamt-)T盲tigkeit des Steuerpflichtigen, die sich in "Untert盲tigkeiten" aufgliedere, zu beurteilen, sondern verschiedene, nebeneinander bestehende T盲tigkeiten. Der Streitfall sei daher mit der Konstellation gleichzustellen, in welcher der Steuerpflichtige zwei isolierten Besch盲ftigungen in Form von zwei verschiedenen Arbeitsverh盲ltnissen nachgehe. F眉r jede dieser Besch盲ftigungen sei dann die jeweils "eine" regelm盲脽ige Arbeitsst盲tte festzustellen. Die von der Kl盲gerin angef眉hrten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) seien daher nicht einschl盲gig, weil der Arbeitnehmer in den dort entschiedenen F盲llen im Rahmen eines Arbeitsverh盲ltnisses verschiedene T盲tigkeitsorte aufsuchte. Auch das BFH-Urteil vom 10. April 2008 VI R 66/05 (BFHE 221, 35, BStBl II 2008, 825) zwinge zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, weil das Studium des S im Streitfall mit einem unbefristeten Arbeitsverh盲ltnis verglichen werden k枚nne.
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Rz. 8
II. Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils, des Ablehnungsbescheids vom 4. Februar 2010 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. M盲rz 2010 (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Kl盲gerin hat f眉r den Streitzeitraum einen Anspruch auf die Festsetzung von Kindergeld f眉r S.
Rz. 9
1. a) F眉r ein Kind, das --wie S im Streitzeitraum-- das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und sich in Ausbildung befindet, besteht nach 搂 62 Abs. 1, 搂 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 搂 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes听 in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) ein Anspruch auf Kindergeld nur, wenn das Kind Eink眉nfte und Bez眉ge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 鈧 im Kalenderjahr hat. Der Begriff der Eink眉nfte entspricht dem in 搂 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als 脺berschuss der Einnahmen 眉ber die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Eink眉nfte aus nichtselbst盲ndiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen (st盲ndige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 29. Mai 2008 III R 33/06, BFH/NV 2008, 1664; vom 22. Oktober 2009 III R 101/07, BFH/NV 2010, 200).
Rz. 10
b) Nach 搂 32 Abs. 4 Satz 5 EStG bleiben bei der Ermittlung der sch盲dlichen Grenze von 7.680 鈧 Bez眉ge au脽er Ansatz, die f眉r besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind bzw. Eink眉nfte, die f眉r solche Zwecke verwendet werden. Solche besonderen Ausbildungskosten sind alle 眉ber die Lebensf眉hrung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen. Ausbildungsbedingte Mehraufwendungen, die nicht bereits als Werbungskosten (搂 9 EStG) im Rahmen einer Einkunftsart des Kindes ber眉cksichtigt werden, sind gem盲脽 搂 32 Abs. 4 Satz 5 EStG von der Summe der Eink眉nfte und Bez眉ge abzuziehen. Dabei erfolgt die Abgrenzung zwischen Kosten der Lebensf眉hrung und dem ausbildungsbedingten Mehrbedarf in der Weise, wie dies im Rahmen eines Ausbildungsdienstverh盲ltnisses zwischen den Kosten der Lebensf眉hrung und den durch den Beruf veranlassten Kosten (Werbungskosten) geschieht. Es sind die den Abzug der jeweiligen Aufwendung betreffenden steuerlichen Vorschriften dem Grunde und der H枚he nach zu beachten (BFH-Urteil vom 22. September 2011 III R 38/08, BFHE 235, 331, BStBl II 2012, 338, m.w.N.).
Rz. 11
c) Die in 搂 9 Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Voraussetzungen f眉r den Abzug von Werbungskosten bei den Eink眉nften aus nichtselbst盲ndiger Arbeit k枚nnen auch bei berufsbezogenen Bildungsma脽nahmen erf眉llt sein (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2011 VI R 52/10, BFHE 235, 444, BStBl II 2012, 825). Als Werbungskosten abziehbar sind s盲mtliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Bildungsma脽nahme stehen. Hierzu geh枚ren auch Fahrt- bzw. Mobilit盲tskosten. Sie sind grunds盲tzlich gem盲脽 搂 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in tats盲chlicher H枚he zu ber眉cksichtigen. Eine Einschr盲nkung f眉r den Abzug von Fahrtkosten sieht das Gesetz in 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur f眉r die Aufwendungen f眉r die Wege zwischen Wohnung und regelm盲脽iger Arbeitsst盲tte vor. Eine vom Arbeitnehmer besuchte arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung stellt --unabh盲ngig davon, ob die Bildungsma脽nahme die volle Arbeitszeit des Steuerpflichtigen in Anspruch nimmt oder neben einer Voll- oder Teilzeitbesch盲ftigung ausge眉bt wird-- nach der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH keine regelm盲脽ige Arbeitsst盲tte in diesem Sinne dar (BFH-Urteile vom 9. Februar 2012 VI R 44/10, BFHE 236, 431; vom 9. Februar 2012 VI R 42/11, BFHE 236, 439). Der erkennende Senat schlie脽t sich dieser Auffassung an.
Rz. 12
2. Die Vorentscheidung entspricht diesen Grunds盲tzen nicht. Sie ist daher aufzuheben.
Rz. 13
a) Die Kosten des S f眉r das Fachhochschulstudium sind als (vorweggenommene) Werbungskosten gem盲脽 搂 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei seinen Eink眉nften aus nichtselbst盲ndiger Arbeit zu ber眉cksichtigen. Den erforderlichen Veranlassungszusammenhang hat das FG zu Recht bejaht. Um Kosten der Berufsausbildung i.S. von 搂 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG handelt es sich nicht (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 2009 VI R 14/07, BFHE 225, 393, BStBl II 2010, 816).
Rz. 14
搂 4 Abs. 9, 搂 9 Abs. 6 und 搂 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BeitrRLUmsG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592), die nach 搂 52 Abs. 12, 23d und 30a EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG r眉ckwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2004 gelten sollen, stehen dem Werbungskostenabzug im Streitfall schon deshalb nicht entgegen, weil S vor Beginn seines berufsbegleitenden Studiums an der Fachhochschule bereits eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten durchlaufen und damit eine erste Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschriften absolviert hat (BFH-Urteile in BFHE 236, 431 und in BFHE 236, 439).
Rz. 15
Da es sich bei den streitigen Aufwendungen folglich um Werbungskosten handelt, die unmittelbar bei der Ermittlung der Eink眉nfte des S i.S. des 搂 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu ber眉cksichtigten sind, bedarf es keiner --systematisch nachrangigen-- Korrektur der Eink眉nfte und Bez眉ge gem盲脽 搂 32 Abs. 4 Satz 5 EStG (sog. ausbildungsbedingter Mehrbedarf).
Rz. 16
b) Das FG ist --in 脺bereinstimmung mit der fr眉heren h枚chstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. April 2003 VI R 86/99, BFHE 202, 299, BStBl II 2003, 749)-- davon ausgegangen, dass eine arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung grunds盲tzlich eine regelm盲脽ige Arbeitsst盲tte i.S. des 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG mit der Folge der Anwendung der Entfernungspauschale darstellen kann. Dies ist jedoch nicht zutreffend. Zur Begr眉ndung ist auf die BFH-Urteile in BFHE 236, 431 und in BFHE 236, 439 zu verweisen.
Rz. 17
3. Die Sache ist spruchreif. Der Senat kann durcherkennen. Die Anzahl der Fahrten und die Entfernung zwischen der Wohnung des S und der in A bzw. B gelegenen Fachhochschule sind, wie die 眉brigen Positionen der Berechnung (Bruttolohn, Sozialversicherungsbeitr盲ge u.a.), zwischen den Beteiligten unstreitig. Die tats盲chlichen Aufwendungen hat die Kl盲gerin zul盲ssigerweise mit den in H 9.5 des Lohnsteuerhandbuchs 2009 vorgesehenen Pauschalen von 0,30 鈧 je Fahrtkilometer, mithin mit insgesamt 2.727 鈧 berechnet. Die Familienkasse hat die Fahrtaufwendungen bislang lediglich in H枚he der Entfernungspauschale, also mit der H盲lfte des genannten Betrags ber眉cksichtigt. Werden im Rahmen der Grenzbetragspr眉fung weitere Kosten des S in H枚he von 1.363,50 鈧 ber眉cksichtigt, dann ist der Grenzbetrag unterschritten.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 3560716 |
BFH/NV 2013, 460 |
BFH/PR 2013, 111 |
BStBl II 2013, 914 |
BFHE 2013, 355 |
BFHE 239, 355 |
DB 2013, 6 |
DStR 2013, 10 |
DStRE 2013, 331 |
DStZ 2013, 134 |
HFR 2013, 231 |