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Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten f眉r ein Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung als Werbungskosten
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Leitsatz (amtlich)
1. 搂 12 Nr. 5 EStG bestimmt in typisierender Weise, dass bei einer erstmaligen Berufsausbildung ein hinreichend veranlasster Zusammenhang mit einer bestimmten Erwerbst盲tigkeit fehlt. Die Vorschrift enth盲lt jedoch kein Abzugsverbot f眉r erwerbsbedingte Aufwendungen.
2. In verfassungskonformer Auslegung steht 搂 12 Nr. 5 EStG einem Abzug von Aufwendungen als Werbungskosten f眉r ein Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung nicht entgegen.
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Normenkette
EStG 搂听9 Abs. 1 S. 1, 搂听10 Abs. 1 Nr. 7, 搂听12 Nr. 5; FGO 搂 127
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Die Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Der Kl盲ger ist als Lehrer t盲tig. Die 1967 geborene Kl盲gerin besitzt eine abgeschlossene Ausbildung als Buchh盲ndlerin. Nach Abschluss der Ausbildung begann sie zun盲chst ein Sonderschulp盲dagogik-Studium, welches sie allerdings aufgrund einer Schwangerschaft nicht beendete. Im Jahr 2002 begann die Kl盲gerin ein Studium zur Grund-, Haupt- und Realschullehrerin.
Bis einschlie脽lich 2004 ber眉cksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die im Zusammenhang mit dem Studium geltend gemachten Kosten der Kl盲gerin, f眉r 2002 nach Durchf眉hrung eines finanzgerichtlichen Klageverfahrens, als Werbungskosten bei den Eink眉nften der Kl盲gerin aus nichtselbst盲ndiger Arbeit.
Auch f眉r das Streitjahr (2005) machte die Kl盲gerin den Abzug der Aufwendungen f眉r das Studium geltend, und zwar in H枚he von 6 424 鈧. Das FA sah diese Ausgaben nunmehr als Berufsausbildungskosten i.S. von 搂 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und lie脽 sie nur in H枚he von 4 000 鈧 zum Abzug zu.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage unter Hinweis auf 搂 12 Nr. 5 EStG ab. Das Urteil ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2007, 951 ver枚ffentlicht.
Mit der Revision r眉gen die Kl盲ger die Verletzung materiellen Rechts. Sie machen vornehmlich die Verfassungswidrigkeit des 搂 12 Nr. 5 EStG geltend.
Die Kl盲ger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer-Veranlagung 2005, zuletzt ge盲ndert durch Bescheid vom 27. April 2009, dahingehend zu 盲ndern, dass die von der Kl盲gerin geltend gemachten Aufwendungen in H枚he von 6 214 鈧 insgesamt als vorweggenommene Werbungskosten ber眉cksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten (搂 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Am 27. April 2009 hat das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid ge盲ndert.
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II. Die Revision der Kl盲ger ist begr眉ndet; sie f眉hrt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zur眉ckverweisung der Sache an das FG (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Der Aufhebung des Urteils aus verfahrensrechtlichen Gr眉nden gem盲脽 搂 127 FGO bedarf es nicht (vgl. dazu etwa Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. M盲rz 2007 VI R 29/05, BFH/NV 2007, 1076).
Die Aufwendungen der Kl盲gerin f眉r das Studium sind als (vorweggenommene) Werbungskosten gem盲脽 搂 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei ihren Eink眉nften aus nichtselbst盲ndiger Arbeit zu ber眉cksichtigen. Sie sind keine Kosten der Berufsausbildung i.S. von 搂 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
1. Die fr眉here Rechtsprechung des BFH unterschied zwischen den als Werbungskosten abziehbaren Kosten einer Fortbildung in einem bereits ausge眉bten Beruf und den als Sonderausgaben begrenzt abziehbaren Kosten einer Ausbildung zu einem k眉nftigen Beruf. Als Fortbildungskosten erkannte der BFH nur Ausgaben an, die ein Steuerpflichtiger t盲tigt, um in dem ausge眉bten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden.
Dagegen nahm der BFH Berufsausbildungskosten bereits dann an, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage f眉r einen k眉nftigen Beruf notwendig sind oder welche die Grundlage daf眉r bilden sollen, um von einer Berufs- oder einer Erwerbst盲tigkeit zu einer anderen 眉berzugehen, die also einen Berufswechsel vorbereiten sollen. Derartige Aufwendungen st眉nden noch nicht mit einer konkreten beruflichen T盲tigkeit und hieraus flie脽enden Einnahmen im Zusammenhang. Ausgaben dieser Art erw眉chsen grunds盲tzlich jedem Steuerpflichtigen; sie geh枚rten daher zu den Kosten der Lebensf眉hrung und seien deshalb nach 搂 12 Nr. 1 EStG nicht als Werbungskosten abziehbar.
Zu den Berufsausbildungskosten geh枚rten stets die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen f眉r ein Erststudium an einer Hochschule (Universit盲t oder Fachhochschule), weil es dem Steuerpflichtigen eine andere (h枚herrangige) berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung er枚ffne (BFH-Urteil vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, m.w.N.).
Der Senat hat, beginnend mit der Entscheidung in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, diese Rechtsprechung aufgegeben und von der strikten Unterscheidung zwischen Aus- und Fortbildung Abstand genommen. Nach der ge盲nderten Rechtsprechung k枚nnen auch Aufwendungen f眉r ein erstmaliges Hochschulstudium Werbungskosten i.S. von 搂 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sein. Ob das Studium eine Basis f眉r andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet, ist unerheblich (vgl. etwa BFH-Urteile vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407; vom 22. Juli 2003 VI R 50/02, BFHE 202, 563, BStBl II 2004, 889; vom 4. November 2003 VI R 96/01, BFHE 203, 500, BStBl II 2004, 891; vom 20. Juli 2006 VI R 26/05, BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764). Ma脽geblich ist das Veranlassungsprinzip. Dieses Prinzip ist auch im Streitfall anzuwenden.
2. Der Sonderausgabenabzug nach 搂 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG steht dem ebenso wenig entgegen wie das Abzugsverbot in 搂 12 Nr. 5 EStG.
a) Nach dem Einleitungssatz des 搂 10 Abs. 1 i.V.m. 搂 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen f眉r seine eigene Berufsausbildung nur dann Sonderausgaben, "wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind". Danach hat der Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug Vorrang vor dem Abzug von Aufwendungen f眉r die eigene Berufsausbildung als Sonderausgaben, so dass 搂 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine Sperrwirkung f眉r erwerbsbedingte Aufwendungen entfalten kann (vgl. im Einzelnen BFH-Urteile vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BFHE 202, 314, BStBl II 2004, 884; in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; in BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407; vom 13. Februar 2003 IV R 44/01, BFHE 201, 495, BStBl II 2003, 698).
b) Nach Auffassung des Senats steht aber auch 搂 12 Nr. 1 EStG einem Abzug von Bildungsaufwendungen im Allgemeinen und Kosten f眉r ein Studium im Besonderen nicht entgegen (s. etwa BFH-Urteil in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403). Die aus beruflichen Gr眉nden entstandenen Kosten sind nicht zugleich Aufwendungen f眉r die private Lebensf眉hrung, welche die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt (搂 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Das die Aufwendungen ausl枚sende, ma脽gebliche Moment entstammt in diesen F盲llen der beruflichen und nicht der privaten Sph盲re (s. etwa BFH-Urteile in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; in BFHE 202, 314, BStBl II 2004, 884; zur Veranlassung von Bildung s. Pfab, Die Behandlung von Bildungsaufwendungen im deutschen Einkommensteuerrecht, Frankfurt/Main, 2008, 191 ff., 205 ff.).
c) Die durch das Gesetz zur 脛nderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1753, BStBl I 2005, 343) r眉ckwirkend in Kraft getretene (s. Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes) Bestimmung des 搂 12 Nr. 5 EStG hindert die Abziehbarkeit von beruflich veranlassten Kosten f眉r ein sog. Erststudium zumindest dann nicht, wenn diesem --wie im Streitfall-- eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgegangen ist.
Nach 搂 12 Nr. 5 EStG d眉rfen Aufwendungen des Steuerpflichtigen f眉r seine erstmalige Berufsausbildung und f眉r ein Erststudium weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Eink眉nfte abgezogen werden. Die Vorschrift bestimmt in typisierender Weise, dass Aufwendungen f眉r eine erstmalige Berufsausbildung (und ein Erststudium) --von dem in Halbsatz 2 der Vorschrift genannten Fall abgesehen-- noch nicht mit einer konkreten beruflichen T盲tigkeit und hieraus flie脽enden Einnahmen im Zusammenhang stehen.
Nach der zitierten Rechtsprechung des Senats sind Aufwendungen f眉r Bildungsma脽nahmen Werbungskosten i.S. von 搂 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, wenn ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang besteht, d.h. wenn der erforderliche Veranlassungszusammenhang mit der sp盲teren beruflichen T盲tigkeit gegeben ist. Diese Rechtsprechung soll grunds盲tzlich auch nach der durch die Einf眉gung des 搂 12 Nr. 5 EStG beabsichtigten "Neuordnung" der Ausbildungskosten ma脽gebend sein (BTDrucks 15/3339, 10). Insoweit konsequent sind von der Neuregelung grunds盲tzlich die Steuerpflichtigen nicht betroffen, denen im Anschluss an eine erstmalige Berufsausbildung Kosten f眉r eine weitere Berufsausbildung oder sonstige Bildungsma脽nahmen entstehen. Es soll dabei bleiben, dass jede berufliche Umschulung --d.h. auch eine berufliche Neuorientierung-- zum Abzug der hierf眉r geleisteten Aufwendungen als Werbungskosten f眉hren kann. Auch soweit Aufwendungen des Steuerpflichtigen f眉r seine erstmalige Berufsausbildung im Rahmen eines Dienstverh盲ltnisses stattfinden, wird der Werbungskostenabzug zugelassen. In diesen F盲llen geht das Gesetz offenkundig von einem erwerbsbezogenen Veranlassungszusammenhang aus; Aufwendungen f眉r eine erstmalige Berufsausbildung sind hingegen im Regelfall nicht ausreichend beruflich veranlasst. Insoweit fehlt es, wie beim Besuch von allgemeinbildenden Schulen, an der konkreten Berufsbezogenheit (s. dazu BFH-Urteil vom 22. Juni 2006 VI R 5/04, BFHE 214, 250, BStBl II 2006, 717). Diese Sicht gibt die typisierende Regelung des 搂 12 Nr. 5 EStG wieder.
d) Diese Typisierung erfasst auch Aufwendungen f眉r ein Studium, sofern es sich dabei um eine Erstausbildung handelt. Nach Auffassung des Senats erstreckt sie sich jedoch nicht auf Steuerpflichtige, die ein Studium im sp盲teren Berufsleben berufsbegleitend oder in sonstiger Weise als Zweitausbildung aufnehmen.
Zwar erfasst 搂 12 Nr. 5 EStG im ersten Halbsatz dem Wortlaut nach unterschiedslos alle Steuerpflichtigen, die ein Erststudium absolvieren, unabh盲ngig davon, ob sie zuvor bereits eine nichtakademische Berufsausbildung durchlaufen haben oder nicht. Dies w眉rde jedoch in gleichheitswidriger Weise Steuerpflichtige, die nach abgeschlossener Berufsausbildung erstmalig ein Studium aufnehmen, gegen眉ber den Steuerpflichtigen benachteiligen, die eine zweite nichtakademische Ausbildung, ein Zweitstudium oder ein Erststudium im Rahmen eines Dienstverh盲ltnisses absolvieren.
Bei der hiernach gebotenen verfassungskonformen Auslegung der 搂搂 10 Abs. 1 Nr. 7 und 12 Nr. 5 EStG erfasst das Abzugsverbot des 搂 12 Nr. 5 EStG allenfalls die F盲lle des Erststudiums, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt und nicht im Rahmen eines Dienstverh盲ltnisses stattfindet.
3. Unter Ber眉cksichtigung dieser Grunds盲tze ergibt sich aus den tats盲chlichen Feststellungen des FG, dass die Aufwendungen der Kl盲gerin f眉r das Lehramtsstudium dem Grunde nach beruflich veranlasst sind. Es besteht ein hinreichend konkreter Zusammenhang dieser Ausgaben mit sp盲teren Einnahmen aus der angestrebten T盲tigkeit als Lehrerin. Mit dem Studium wollte sie die erforderlichen Fachkenntnisse und F盲higkeiten f眉r den angestrebten Beruf erwerben. Da das Lehramtsstudium auch konkret und berufsbezogen auf die sp盲tere Berufst盲tigkeit vorbereitet, nicht "ins Blaue hinein" betrieben oder aus anderen privaten Gr眉nden aufgenommen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 2007 VI R 62/03, BFH/NV 2007, 1291, m.w.N.) und damit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist, sind die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen dem Grunde nach als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar.
搂 12 Nr. 5 EStG steht einem Werbungskostenabzug nicht entgegen, weil die Kl盲gerin vor Aufnahme ihres Studiums bereits eine abgeschlossene Ausbildung als Buchh盲ndlerin absolviert hatte. Auf die Frage, ob das im Jahr 2002 aufgenommene Studium im Hinblick auf das bereits vorher durchgef眉hrte, aber nicht abgeschlossene Studium der Sonderp盲dagogik 眉berhaupt die Voraussetzungen eines "Erststudiums" erf眉llte, kommt es nicht an. Ebenso wenig sind die von den Kl盲gern ge盲u脽erten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit des 搂 12 Nr. 5 EStG entscheidungserheblich.
4. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Da das FG --aus seiner Sicht zu Recht-- zu den einzelnen von der Kl盲gerin geltend gemachten Aufwendungen keine Feststellungen getroffen hat, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zur眉ckzuverweisen.
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Fundstellen
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BFH/NV 2009, 1875 |
BFH/PR 2009, 405 |
BStBl II 2010, 816 |
BFHE 2010, 393 |
BFHE 225, 393 |
DB 2009, 2073 |
DStR 2009, 1952 |
DStRE 2009, 1219 |
HFR 2009, 1070 |