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Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht vereinnahmter Leistungsentgelte auch bei Unterbleiben der Leistung
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Leitsatz (amtlich)
Vereinnahmt der Unternehmer das vereinbarte Entgelt, ohne die geschuldete Leistung zu erbringen, setzt die Berichtigung nach 搂 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG die R眉ckzahlung des Entgelts voraus. Dies gilt auch, wenn eine Fluggesellschaft bei nicht in Anspruch genommenen Fl眉gen den Flugpreis nicht erstattet.
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Normenkette
UStG 1993 搂听13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4, 搂听17 Abs. 2 Nr. 2, 搂听26 Abs. 3; EWGRL 388/77 Art. 10
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin), eine GmbH, betreibt ein Lufttransportunternehmen zur Personenbef枚rderung. Flugg盲ste konnten nach den Vertragsbedingungen der Kl盲gerin Fl眉ge zu allgemeinen Konditionen mit R眉cktritts- und Umbuchungsm枚glichkeit oder zu preislich erm盲脽igten Sonderkonditionen ohne R眉cktritts- und ohne Umbuchungsm枚glichkeit sowie ohne Erstattung des Flugpreises buchen. Bei Buchung eines Fluges zu diesen Sonderkonditionen behielt die Flugreservierung bis 30 Minuten vor dem Abflug ihre G眉ltigkeit. Trat der Fluggast den Flug bis zu diesem Zeitpunkt nicht an, konnte die Kl盲gerin den Sitzplatz anderweitig an einen ggf. vor Ort wartenden Fluggast vergeben.
Rz. 2
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging im Anschluss an eine zur Umsatzsteuer 1996 bis 2000 durchgef眉hrte Au脽enpr眉fung davon aus, dass auch bei den nicht in Anspruch genommenen Fl眉gen ein Leistungsaustausch vorliege. Die von der Kl盲gerin bis dahin als nicht steuerbarer Schadensersatz angesehenen Einnahmen (sog. unflown revenue) behandelte das FA als Entgelt f眉r steuerpflichtige Leistungen und erlie脽 entsprechend ge盲nderte Umsatzsteuerbescheide f眉r die Streitjahre 1996 bis 2004. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Rz. 3
Nach dem Urteil des Finanzgerichts (FG) erbrachte die Kl盲gerin auch im Fall der nicht in Anspruch genommenen Fl眉ge zu den von ihr angebotenen Sonderkonditionen dadurch eine Leistung, dass sie f眉r den gebuchten Flug einen Sitzplatz bereitgestellt habe. Der Leistungsinhalt sei durch die Sonderkonditionen derart modifiziert worden, dass der Kunde, dem wegen des erm盲脽igten Preises kein R眉cktrittsrecht zugestanden habe, die Zahlung letztlich daf眉r geleistet habe, dass ihm die M枚glichkeit einger盲umt worden sei, am durchgef眉hrten Flug teilzunehmen. Zwischen Inlands- und Auslandsfl眉gen sei nicht zu differenzieren, da in beiden F盲llen eine nach 搂 3a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) am Unternehmensort der Kl盲gerin steuerbare und steuerpflichtige Bereitstellungsleistung vorliege. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Kl盲gerin lehnte das FG ab.
Rz. 4
Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2009, 2053 ver枚ffentlicht.
Rz. 5
Mit ihrer Revision r眉gt die Kl盲gerin Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Reservierungsbest盲tigung komme ebenso wie der Leistungsbereitschaft entgegen der Auffassung des FG keine eigenst盲ndige Bedeutung zu. Das FG habe gegen seine Aufkl盲rungspflicht versto脽en, da es die Grunds盲tze zur einheitlichen Leistung unzutreffend angewendet habe. Zumindest handele es sich um blo脽e Nebenleistungen. Gegenstand der Vereinbarung sei die Bef枚rderung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem bestimmten Ort gewesen; diese Leistung habe sie nicht erbracht. Die sp盲tere Nichtinanspruchnahme des Fluges sei f眉r die Frage, was Gegenstand des vereinbarten Leistungsinhalts sei, nicht von Bedeutung. Die Zahlung sei f眉r den Fall, dass der Kunde den Flug nicht in Anspruch nehme, ein im Voraus vereinbarter pauschaler Schadensersatz, der nicht der Umsatzsteuer unterliege. Der Sachverhalt unterscheide sich entgegen der Auffassung des FG nicht von dem Fall, in dem der Gerichtshof der Europ盲ischen Union (EuGH) im Urteil vom 18. Juli 2007 C-277/05, Soci茅t茅 thermale d'Eug茅nie-les-Bains (Slg. 2007, I-6415, BFH/NV Beilage 2007, 424) ein Angeld als Schadensersatz beurteilt habe. F眉r die Vergleichbarkeit mit einem Angeld spreche, dass es sich um wirtschaftlich identische Vorg盲nge handele. Auf die nationalrechtlichen Besonderheiten der zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen komme es umsatzsteuerrechtlich nicht an.
Rz. 6
Ein gesonderter Steuerausweis liege nicht vor. Unabh盲ngig davon sei jedenfalls zwischen dem "unflown revenue" bei Inlands- und Auslandsfl眉gen zu differenzieren. Im 脺brigen komme eine Steuerpflicht von Anzahlungen nur bis zum Zeitpunkt der vorgesehenen Leistungserbringung in Betracht. Die Zahlungen der Kunden seien aber z.B. bei kurzfristigen Buchungen teilweise erst im Anschluss an den nicht angetretenen Flug erfolgt. Das FG h盲tte dies aufkl盲ren m眉ssen. Das Unionsrecht enthalte f眉r Anzahlungen nur einen Steueranspruch, nicht aber auch einen Steuertatbestand, so dass insoweit nur eine F盲lligkeitsregelung vorliege. Ein Ersatztatbestand f眉r die Entstehung der Steuer sei nicht geschaffen worden. Auf die Berichtigung nach 搂 17 UStG komme es nicht an. 搂 17 Abs. 2 UStG sei dar眉ber hinaus restriktiv auszulegen. Ein Umsatz, der nie vorgelegen habe, k枚nne bei tats盲chlicher Nichtausf眉hrung des Leistungsaustausches weder r眉ckg盲ngig gemacht noch berichtigt werden. Auch die ge盲nderte Rechtsprechung, die f眉r die Berichtigung nach Entgeltentrichtung auf eine Entgeltr眉ckzahlung abstelle, k枚nne nach 搂 176 der Abgabenordnung (AO) nicht zu ihren Lasten ber眉cksichtigt werden. Sie k枚nne auch mit zivilrechtlich nichtigen Anspr眉chen aufrechnen. Die verfallenen Flugtickets seien nicht nochmals verkauft worden. In Frankreich werde der bei Nichtantritt einer Eisenbahnfahrt von der Eisenbahngesellschaft einbehaltene Geldbetrag als nicht steuerbarer pauschaler Schadensersatz behandelt. Sie habe keine Reservierungsleistung, sondern eine einheitliche Transportleistung erbracht.
Rz. 7
Der Senat hat in der m眉ndlichen Verhandlung Beweis 眉ber die Frage erhoben, ob der Prozessbevollm盲chtigte am 24. M盲rz 2011 gegen den Gerichtsbescheid, den der Senat im Streitfall gem盲脽 搂搂 90a Abs. 1, 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erlassen hat, fristgerecht m眉ndliche Verhandlung beantragt hat.
Rz. 8
Die Kl盲gerin beantragt,das Urteil des FG aufzuheben und die 脛nderung der angefochtenen Bescheide.
Rz. 9
Das FA beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Rz. 10
Das FG habe zutreffend einen Leistungsaustausch bei den Billigfl眉gen zu Sonderkonditionen auch hinsichtlich der nicht in Anspruch genommenen Fl眉ge bejaht. Aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers sei zu ber眉cksichtigen, dass Fluggesellschaften in der Regel bei Stornierungen den Flugpreis einbehalten. Es liege auch kein Angeld vor. Ein Leistungsaustausch liege vor, wie sich auch daraus ergebe, dass die Leistungsempf盲nger den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen h盲tten.
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Rz. 11
II. Die zul盲ssige Revision der Kl盲gerin ist aus anderen als den geltend gemachten Gr眉nden begr眉ndet. Das Urteil des FG war aufzuheben und die Sache an das FG zur眉ckzuverweisen (搂 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Rz. 12
A) Der Senat entscheidet 眉ber die zul盲ssige Revision der Kl盲gerin durch Urteil aufgrund m眉ndlicher Verhandlung gem盲脽 搂搂 90a Abs. 4, 121 Satz 1 FGO. Zwar ist im Streitfall bereits ein Gerichtsbescheid gem盲脽 搂搂 90a Abs. 1, 121 Satz 1 FGO ergangen. Dieser gilt jedoch gem盲脽 搂搂 90a Abs. 3, 121 Satz 1 FGO als nicht ergangen. Aufgrund der vor dem Senat durchgef眉hrten Beweiserhebung steht zur 脺berzeugung des Senats fest, dass der Prozessbevollm盲chtigte der Kl盲gerin gegen den Gerichtsbescheid rechtzeitig den Antrag auf m眉ndliche Verhandlung gestellt hat. Hierf眉r spricht insbesondere, dass der Prozessbevollm盲chtigte der Kl盲gerin am vorletzten Tag vor dem Fristablauf zwei Schriftst眉cke in den Nachtbriefkasten des Bundesfinanzhofs (BFH) eingeworfen hat, von denen eines den Antrag auf m眉ndliche Verhandlung enthielt. 脺ber den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher mangels Fristvers盲umnis nicht zu entscheiden.
Rz. 13
B) Die Revision der Kl盲gerin ist aus anderen als den geltend gemachten Gr眉nden begr眉ndet und f眉hrt zur Zur眉ckverweisung an das FG. Die Kl盲gerin hat steuerpflichtige Leistungsentgelte f眉r Inlandsfl眉ge vereinnahmt, die mangels R眉ckzahlung der Besteuerung unterliegen. Ob der Auffassung der Kl盲gerin zu folgen w盲re, sie, die Kl盲gerin, habe gegen眉ber den nicht erschienenen Flugg盲sten keine Leistungen erbracht, war daher nicht zu entscheiden. Hinsichtlich der Auslandsfl眉ge sind demgegen眉ber im zweiten Rechtsgang noch weitere Feststellungen zu treffen.
Rz. 14
1. Bei den Inlandsfl眉gen hat die Kl盲gerin die von ihr vereinnahmten Leistungsentgelte auch insoweit zu versteuern, als Flugg盲ste die von ihnen gebuchten Fl眉ge nicht angetreten haben.
Rz. 15
a) Vereinnahmt der Unternehmer ein Entgelt, bevor er die Leistung ausgef眉hrt hat, entsteht die Steuer gem盲脽 搂 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG 1993/1999 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem er das Entgelt vereinnahmt. Diese Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten 眉ber die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Werden Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenst盲nden oder die Dienstleistung bewirkt ist, so entsteht der Steueranspruch nach dieser Bestimmung zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag. Bei der Anzahlung i.S. von Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG handelt es sich um den "Wert der Gegenleistung" i.S. des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG und damit um das "Entgelt" i.S. von 搂 10 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Anzahlung und Entgelt entsprechen sich somit, so dass zwischen dem nationalem und dem Unionsrecht kein Unterschied besteht.
Rz. 16
b) Die Besteuerung des Entgelts vor Leistungserbringung setzt voraus, dass "alle ma脽geblichen Elemente des Steuertatbestands, d.h. der k眉nftigen Lieferung oder der k眉nftigen Dienstleistung, bereits bekannt sind, 鈥 insbesondere die Gegenst盲nde oder die Dienstleistungen zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind" (EuGH-Urteil vom 21. Februar 2006 C-419/02, Bupa, Slg. 2006, I-1685 Rdnr. 48 zu Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor, denn die Kl盲gerin hat in den Streitjahren Entgelte f眉r konkret bezeichnete Flugreisen vereinnahmt.
Rz. 17
c) Entgegen ihrer Auffassung hat die Kl盲gerin die Entgelte vor der Leistungserbringung vereinnahmt. Unerheblich ist deshalb, ob sie das f眉r das ausgegebene Flugticket vereinbarte Entgelt in Einzelf盲llen erst nach Durchf眉hrung des Fluges erhalten hat.
Rz. 18
W盲re mit der Kl盲gerin davon auszugehen, sie habe gegen眉ber den nicht erschienenen Flugg盲sten keine Leistungen erbracht, unterlagen die vereinnahmten Entgelte in den Streitjahren jedenfalls als Anzahlung der Umsatzsteuer. Auch wenn ein Entgelt ohne Leistungserbringung vereinnahmt wird, erfolgt die Vereinnahmung notwendigerweise vor der Ausf眉hrung (搂 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG) oder vor der Bewirkung (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) der --unterbliebenen-- Leistung. Eine zeitliche Grenze, bis zu der die Vereinnahmung des Entgelts zu erfolgen hat, um eine Steuerpflicht zu begr眉nden, besteht nicht. Zwar ist die Regelung 眉ber "Anzahlungen" eng auszulegen (EuGH-Urteil Bupa in Slg. 2006, I-1685 Rdnr. 45). Dies erfordert jedoch keine den Gesetzeswortlaut einschr盲nkende Auslegung.
Rz. 19
2. Der sich aus der Vereinnahmung der Vorauszahlungen ergebende Steueranspruch ist nicht entfallen. Die Voraussetzungen f眉r eine Berichtigung nach 搂 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 UStG liegen nicht vor.
Rz. 20
a) 脛ndert sich die Bemessungsgrundlage f眉r einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgef眉hrt hat, nach 搂 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den daf眉r geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese Vorschrift gilt gem盲脽 搂 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG sinngem盲脽, wenn f眉r eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung aber nicht ausgef眉hrt wird.
Rz. 21
b) Eine Berichtigung nach 搂 17 UStG setzt f眉r den Fall, dass der Leistungsempf盲nger das Entgelt bereits ganz oder teilweise entrichtet hat, voraus, dass das vereinnahmte Entgelt zur眉ckbezahlt wird.
Rz. 22
aa) Vereinbaren der leistende Unternehmer und der Leistungsempf盲nger die vollst盲ndige oder teilweise R眉ckzahlung des bereits entrichteten Entgelts, mindert sich die Bemessungsgrundlage i.S. des 搂 17 Abs. 1 Satz 1 UStG nur, soweit das Entgelt tats盲chlich zur眉ckgezahlt wird, und zwar in dem Besteuerungszeitraum, in dem die R眉ckgew盲hr erfolgt (BFH-Urteil vom 18. September 2008 V R 56/06, BFHE 222, 162, BStBl II 2009, 250, Leitsatz).
Rz. 23
bb) Dies gilt auch, soweit gem盲脽 搂 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG die sinngem盲脽e Anwendung des 搂 17 Abs. 1 UStG angeordnet ist. Vereinnahmt der leistende Unternehmer ein Entgelt, ohne die hierf眉r geschuldete Leistung zu erbringen, berechtigt daher erst die R眉ckgew盲hr des Entgelts zur Minderung der Bemessungsgrundlage nach 搂 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG (BFH-Urteil vom 2. September 2010 V R 34/09, BFH/NV 2011, 383, Leitsatz).
Rz. 24
c) Selbst wenn danach --entgegen dem FG-Urteil-- zugunsten der Kl盲gerin davon auszugehen w盲re, dass sie gegen眉ber den nicht erschienenen Flugg盲sten keine Leistung erbracht hat, ist sie im Streitfall aufgrund der Entgeltvereinnahmung Steuerschuldner nach 搂 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG bis zur R眉ckzahlung des Entgelts.
Rz. 25
aa) Im Streitfall hat die Kl盲gerin die von ihr vereinnahmten Entgelte f眉r die von ihr zu erbringenden Leistungen nicht an die Flugg盲ste zur眉ckgezahlt. Eine derartige R眉ckzahlung war nach den Bef枚rderungsbedingungen der Kl盲gerin sogar ausdr眉cklich ausgeschlossen.
Rz. 26
bb) Im Hinblick auf diese Bef枚rderungsbedingungen scheidet auch die Annahme einer R眉ckzahlung durch Aufrechnung mit einem --wie die Kl盲gerin meint-- pauschal vereinbarten Schadensersatzanspruch gegen den Kunden wegen Nichtinanspruchnahme der angebotenen Leistung aus. Nach den vom FG in Bezug genommenen Vertragsbedingungen "verlieren die Flugg盲ste ihre Flugberechtigung und haben keinerlei Anspruch auf R眉ckverg眉tung oder kostenlose Umbuchung". Danach bestehen f眉r die Vereinbarung eines Schadensersatzanspruchs zugunsten der Kl盲gerin keine Anhaltspunkte. Ob die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzanspruchs in Allgemeinen Gesch盲ftsbedingungen zivilrechtlich wirksam gewesen w盲re (vgl. z.B. 搂 11 Nr. 5 des in den Streitjahren geltenden Gesetzes zur Regelung allgemeiner Gesch盲ftsbedingungen; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 1984 VII ZR 11/84, Neue Juristische Wochenschrift 1985, 633) und ob im Hinblick auf die unionsrechtliche Harmonisierung 眉berhaupt die zivilrechtliche Wirksamkeit ma脽gebend sein kann, war daher nicht zu entscheiden.
Rz. 27
d) Entgegen der Auffassung der Kl盲gerin verst枚脽t die Besteuerung der vereinnahmten Entgelte bis zu ihrer R眉ckzahlung nicht gegen die Systematik der Richtlinie 77/388/EWG, die in Art. 10 Abs. 1 zwischen Steuertatbestand und Steueranspruch unterscheidet und in Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG f眉r sog. "Anzahlungen" nur eine Regelung zur Entstehung des Steueranspruchs, nicht aber auch zur Entstehung des Steuertatbestands enth盲lt.
Rz. 28
Die Unterscheidung zwischen Steueranspruch und Steuertatbestand beruht darauf, dass die Leistungserbringung, nicht aber die Entgeltentrichtung der Besteuerung unterliegt (vgl. EuGH-Urteil Bupa in Slg. 2006, 1685 Rdnr. 50). Deshalb ist --wie die Kl盲gerin unter Hinweis auf die Systematik insoweit zu Recht ausf眉hrt-- die Besteuerung r眉ckg盲ngig zu machen, wenn das Entgelt zwar vereinnahmt, die Leistung aber nicht erbracht wird.
Rz. 29
Die R眉ckg盲ngigmachung erfolgt aber nur unter den Voraussetzungen des 搂 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Diese Vorschrift beruht auf Art. 11 Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach wird im "Falle der Annullierung, der R眉ckg盲ngigmachung, der Aufl枚sung, der vollst盲ndigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes 鈥 die Besteuerungsgrundlage unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert". Im Hinblick auf die den Mitgliedstaaten danach einger盲umte Befugnis zur Festlegung von Bedingungen ist --wie die Rechtsprechung des EuGH belegt-- (EuGH-Urteil vom 29. Mai 2001 C-86/99, Freemans, Slg. 2001, I-4167) es unionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die R眉ckg盲ngigmachung der Besteuerung von der R眉ckgew盲hr des Entgelts abh盲ngt (BFH-Urteil in BFHE 222, 162, BStBl II 2009, 250). F眉r die von der Kl盲gerin vertretene "restriktive" Auslegung des 搂 17 Abs. 2 UStG besteht keine Veranlassung. Ebenso kommt es im Hinblick auf die den Mitgliedstaaten einger盲umten Befugnisse nicht darauf an, wie "in Frankreich" der "Nichtantritt einer Eisenbahnfahrt von der Eisenbahngesellschaft" behandelt wird.
Rz. 30
e) Dass die Voraussetzungen f眉r eine Berichtigung nach 搂 17 UStG nicht vorliegen, rechtfertigt entgegen der Ansicht der Kl盲gerin nicht das Entstehen eines R眉ckforderungsanspruchs nach 搂搂 812 ff. des B眉rgerlichen Gesetzbuchs, da diese Vorschriften aufgrund der abschlie脽enden Spezialregelung durch das UStG im Streitfall nicht anwendbar sind.
Rz. 31
f) Ohne Erfolg beruft sich die Kl盲gerin schlie脽lich auf Vertrauensschutz nach 搂 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO. Danach ist bei der Aufhebung oder 脛nderung eines Steuerbescheides nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen zu ber眉cksichtigen, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichts des Bundes ge盲ndert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbeh枚rde angewandt worden ist. Die Rechtsprechungs盲nderung muss f眉r den Erlass des 脛nderungsbescheides kausal gewesen sein. Insoweit wird widerlegbar vermutet, dass bei einer 脺bereinstimmung des Erstbescheides mit der seinerzeit geltenden h枚chstrichterlichen Rechtsprechung im Zweifel auch von deren Anwendung auszugehen ist (BFH-Urteil vom 10. Juni 2008 VIII R 79/05, BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863, unter II.3.c aa). Im Streitfall beruhten demgegen眉ber weder die urspr眉ngliche Nichtbesteuerung der f眉r nicht in Anspruch genommene Fl眉ge vereinnahmten Entgelte bis zur Au脽enpr眉fung noch die aufgrund der Au脽enpr眉fung ergangenen Steuerbescheide auf der fr眉heren, zwischenzeitlich aufgegebenen Senatsrechtsprechung zu 搂 17 UStG, weil das FA bei der Steuerfestsetzung vom Vorliegen einer Leistung der Kl盲gerin an die nicht erschienenen Flugg盲ste ausgegangen ist.
Rz. 32
3. Die Kl盲gerin kann sich f眉r die beanspruchte Nichtbesteuerung der von ihr vereinnahmten Vorauszahlungen nicht auf die Rechtsprechung des EuGH zum sog. "Angeld" berufen.
Rz. 33
Das sog. Angeld wird im Rahmen von Vertr盲gen geleistet, die der Mehrwertsteuer unterliegende Beherbergungsdienstleistungen zum Gegenstand haben. In F盲llen, in denen der Gast von der ihm er枚ffneten M枚glichkeit des R眉cktritts Gebrauch macht und der Hotelbetreiber das Angeld einbeh盲lt, ist nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil Soci茅t茅 thermale d'Eug茅nie-les-Bains in Slg. 2007, I-6415, BFH/NV Beilage 2007, 424) das Angeld eine pauschalierte Entsch盲digung zum Ausgleich des infolge des Vertragsr眉cktritts des Gastes entstandenen Schadens. Es ist mangels eines direkten Bezugs zu einer entgeltlichen Dienstleistung kein Entgelt f眉r diese.
Rz. 34
Der Schadensersatzcharakter hat das "Angeld" danach aufgrund des Vorliegens der Vereinbarung einer besonderen Zahlung ("Angeld"), die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Leistung steht, und erfasst daher nicht den Fall, dass der Unternehmer das Entgelt f眉r die vereinbarte Leistung vereinnahmt und dieses Entgelt bei Nichtinanspruchnahme der Leistung in vollem Umfang beh盲lt. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Angeld f眉r den Fall der tats盲chlichen Inanspruchnahme der Leistung auf das Entgelt f眉r diese Leistung angerechnet wird. Denn diese Anrechnung beruht nicht auf der blo脽en Zahlung des Angelds, sondern auf der im Rahmen des sp盲teren Leistungsaustausches erfolgenden Verrechnung von Angeld und Leistungsentgelt. Unerheblich ist auch, ob eine von den Verh盲ltnissen des Streitfalls abweichende Vertragsgestaltung zu einer teilweisen Nichtbesteuerung der von Kunden geleisteten Zahlung gef眉hrt h盲tte. Denn der Besteuerung ist der jeweils verwirklichte Umsatz zugrunde zu legen.
Rz. 35
4. Obwohl das FG die Steuerpflicht hinsichtlich der Inlandsfl眉ge somit im Ergebnis zu Recht bejaht hat, ist die Sache gleichwohl nicht spruchreif. Der Senat kann nach den vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob entsprechend dem FG-Urteil auch eine Steuerpflicht hinsichtlich der Auslandsfl眉ge besteht.
Rz. 36
a) Entgegen dem Urteil des FG hat die Kl盲gerin unabh盲ngig von der vereinbarten Bef枚rderungsleistung bei Flugteilnahme keine gesonderte Reservierungsleistung erbracht, die nach 搂 3a Abs. 1 UStG an ihrem Unternehmensort zu besteuern ist. Die blo脽e Bereitschaft zur Leistungserbringung ist entgegen der Rechtsauffassung des FG nicht wegen der sp盲ter unterbliebenen Inanspruchnahme des Fluges eine eigenst盲ndige Leistung. Denn die vom FG als steuerbare Leistung beurteilte "Leistungsbereitschaft" ergibt sich bereits aus dem gegenseitigen Bef枚rderungsvertrag zwischen der Kl盲gerin und dem Fluggast, der die Verpflichtung und Bereitschaft zur Bef枚rderung durch die Kl盲gerin beinhaltet (vgl. EuGH-Urteil Soci茅te thermale d'Eug茅nie-les-Bains in Slg. 2007, I-6415, BFH/NV Beilage 2007, 424 Leitsatz 2). Etwas anderes l盲sst sich entgegen der Auffassung des FG auch nicht daraus ableiten, dass wegen der Sonderkonditionen ein erm盲脽igter Flugpreis vereinbart ist, denn das 盲ndert nichts daran, dass Vertragsinhalt die vereinbarte Bef枚rderung ist und sich die "Leistungsbereitschaft" unmittelbar aus dem Bef枚rderungsvertrag ergibt.
Rz. 37
b) Anhand der vom FG getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht entscheiden, ob im Streitfall zugunsten der Kl盲gerin ein Besteuerungsverzicht auf der Grundlage von 搂 26 Abs. 3 UStG besteht. Feststellungen hierzu sind nachzuholen. Insoweit wird auch zu ber眉cksichtigen sein, dass es auf den Besteuerungsverzicht nicht ankommt, wenn die Kl盲gerin f眉r die Auslandsfl眉ge Rechnungen mit Steuerausweis erteilt haben sollte.
Rz. 38
aa) Nach 搂 26 Abs. 3 UStG kann das "Bundesministerium der Finanzen unbeschadet der Vorschriften der 搂搂 163 und 227 der Abgabenordnung anordnen, dass die Steuer f眉r grenz眉berschreitende Bef枚rderungen von Personen im Luftverkehr niedriger festgesetzt oder ganz oder zum Teil erlassen wird, soweit der Unternehmer keine Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Steuer (搂 14 Abs. 1) erteilt hat". Nach Abschn. 281 Nr. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) "kann die Umsatzsteuer f眉r grenz眉berschreitende Bef枚rderungen im Luftverkehr niedriger festgesetzt oder erlassen werden".
Rz. 39
bb) Liegt f眉r die von der Kl盲gerin erbrachten grenz眉berschreitenden Bef枚rderungsleistungen ein Besteuerungsverzicht auf der Grundlage von 搂 26 Abs. 3 UStG vor, erstreckt sich dieser auch auf die Steuer, die aufgrund der Entgeltvereinnahmung vor Leistungserbringung entsteht (ebenso zur Anwendung von Steuerbefreiungen auf Anzahlungen Abschn. 181 Abs. 4 UStR 1996/2000/ 2004).
Rz. 40
5. Die Verfahrensr眉gen waren aufgrund der sich aus der Entgeltvereinnahmung ergebenden Steuerpflicht nicht entscheidungserheblich (搂 126 Abs. 4 FGO), so dass 眉ber sie nicht zu entscheiden war.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 2838356 |
BFH/NV 2012, 349 |
BFH/PR 2012, 96 |
BStBl II 2012, 365 |
BFHE 2012, 507 |
BFHE 235, 507 |
BB 2012, 21 |
DB 2012, 149 |
DStR 2011, 2392 |
DStRE 2012, 126 |
HFR 2012, 191 |
UR 2012, 264 |