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Entscheidungsstichwort (Thema)
Solidarit盲tszuschlag und Gewerbesteuer
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Leitsatz (amtlich)
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Bemessungsgrundlage des Solidarit盲tszuschlags bei Fehlen gewerblicher Eink眉nfte ohne Ber眉cksichtigung der Steuererm盲脽igung nach 搂 35 EStG zu ermitteln ist.
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Normenkette
AO 搂 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; FGO 搂听68 S. 1, 搂听121 S. 1, 搂听122 Abs. 2 S. 1, 搂听127; EStG 2009 搂听2 Abs. 6, 搂听15 Abs. 1 S. 1 Nrn.听1-2, 搂听32 Abs. 6, 搂听32d Abs. 1, 搂搂听35, 51a Abs. 2 S. 3, 搂听52 Abs. 50a S. 2; SolZG 搂听1 Abs. 5 S. 1, 搂搂听3-4; GewStG 2002 搂 16 Abs. 4 S. 2; GG Art. 100 Abs. 1 S. 1; BVerfGG 搂听13 Nr. 11, 搂听80 Abs. 1
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Verfahrensgang
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Tenor
Die Revision der Kl盲ger gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-W眉rttemberg vom 28. April 2014听听13 K 1894/13 wird als unbegr眉ndet zur眉ckgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kl盲ger zu tragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) sind verheiratet und werden im Streitjahr 2011 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Bescheid vom 15.听Februar 2013 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) f眉r ein tariflich zu versteuerndes Einkommen von 51.068听鈧 u.a. Einkommensteuer in H枚he von 12.578听鈧 sowie einen Solidarit盲tszuschlag in H枚he von 571,72听鈧 fest. In das zu versteuernde Einkommen waren Eink眉nfte aus nichtselbst盲ndiger und aus selbst盲ndiger Arbeit eingegangen. Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb waren nicht darunter.
Rz. 2
Mit Einspruch und Klage machten die Kl盲ger geltend, die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach 搂听35 des Einkommensteuergesetzes in der f眉r das Streitjahr ma脽geblichen Fassung (EStG) f眉hre, da die so geminderte Einkommensteuer ihrerseits Bemessungsgrundlage des Solidarit盲tszuschlags sei, zu einer Beg眉nstigung von Gewerbetreibenden und einer entsprechenden, nicht gerechtfertigten Benachteiligung aller anderen Steuerpflichtigen beim Solidarit盲tszuschlag. Sie begehrten daher zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Solidarit盲tszuschlags eine Schatten-Anrechnung nach 搂听35 EStG. Dabei gingen sie davon aus, ihre Eink眉nfte w盲ren solche aus Gewerbebetrieb gewesen, ermittelten auf dieser Grundlage einen fiktiven Anrechnungsbetrag und daraus folgend eine Minderung des Solidarit盲tszuschlags auf der Basis des 3,8-fachen des Gewerbesteuer-Messbetrags.
Rz. 3
Das Finanzgericht wies die Klage hinsichtlich des Solidarit盲tszuschlags als unbegr眉ndet ab. Die Berechnung entspreche dem Wortlaut des Gesetzes. Nach 搂听1 Abs.听5 Satz听1 des Solidarit盲tszuschlaggesetzes (SolZG) k枚nne mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidarit盲tszuschlag weder die Bemessungsgrundlage noch die H枚he des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Der Bescheid 眉ber die Einkommensteuer sei insoweit Grundlagenbescheid. Zudem seien sowohl die Beschr盲nkung des 搂听35 EStG auf Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb als auch die Berechnung des Solidarit盲tszuschlags verfassungsgem盲脽.
Rz. 4
Mit der Revision machen die Kl盲ger geltend, der angefochtene Bescheid versto脽e gegen das Gebot der horizontalen Steuergerechtigkeit. H盲tten sie ausschlie脽lich Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb erzielt, w盲re der Solidarit盲tszuschlag niedriger ausgefallen. Das sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Ein Vergleich zwischen den Eink眉nften aus Gewerbebetrieb und den 眉brigen Eink眉nften zeige, dass erst bei einem Grenzwert-Hebesatz von 400,9听% die Gesamtsteuerbelastung gleich hoch sei. Darunter seien die Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb grunds盲tzlich privilegiert.
Rz. 5
Die Kl盲ger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid 眉ber den Solidarit盲tszuschlag zur Einkommensteuer 2011 vom 15.听Februar 2013 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 10.听Mai 2013 dahin zu 盲ndern, dass der Solidarit盲tszuschlag auf denjenigen Betrag festzusetzen ist, der sich erg盲be, wenn die der tariflichen Einkommensteuer unterliegenden Eink眉nfte in H枚he von 58.311听鈧 (Gesamtbetrag der Eink眉nfte) insgesamt gewerbesteuerpflichtig w盲ren.
Rz. 6
Das FA beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Rz. 7
Das FA erachtet die Regelungen in 搂听35 EStG und 搂听3 SolZG als verfassungsgem盲脽. Auch 脺berkompensationen im Einzelfall seien von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt. Durch die Beschr盲nkung der Steuererm盲脽igung nach 搂听35 Abs.听1 Satz听5 EStG auf die tats盲chlich zu zahlende Gewerbesteuer k枚nne es nur noch in wenigen Fallgruppen mit niedrigen Gewerbesteuerhebes盲tzen zu betragsm盲脽ig relativ geringen 脺berkompensationen kommen.
Rz. 8
Im 脺brigen sei zu bedenken, dass der Gewerbesteuerhebesatz der Wohnsitzgemeinde der Kl盲ger 410听% betrage. Damit w盲ren die Kl盲ger hinsichtlich der Gesamtsteuerbelastung gegen眉ber denjenigen Steuerpflichtigen, die Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb erzielen, nicht benachteiligt, sondern bevorzugt.
Rz. 9
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren nach 搂听122 Abs.听2 Satz听1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten.
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Rz. 10
II. Die Revision ist unbegr眉ndet und nach 搂听126 Abs.听2 FGO zur眉ckzuweisen. Der angefochtene Bescheid ist rechtm盲脽ig und verletzt die Kl盲ger nicht i.S. von 搂听100 Abs.听1 Satz听1 FGO in ihren Rechten. Der Solidarit盲tszuschlag ist zutreffend festgesetzt worden. 搂听3 SolZG ist im Zusammenwirken mit 搂听35 EStG nicht verfassungswidrig.
Rz. 11
1. Die H枚he des festgesetzten Solidarit盲tszuschlags entspricht dem Wortlaut der ma脽gebenden Gesetze.
Rz. 12
Der Solidarit盲tszuschlag betr盲gt nach 搂听4 Satz听1 SolZG 5,5听% der Bemessungsgrundlage. Er bemisst sich nach 搂听3 Abs.听1 Nr.听1 SolZG vorbehaltlich der Abs盲tze听2 bis 5, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer oder K枚rperschaftsteuer vorzunehmen ist, nach der nach Absatz听2 berechneten Einkommensteuer oder der festgesetzten K枚rperschaftsteuer f眉r Veranlagungszeitr盲ume ab 1998, vermindert um die anzurechnende oder verg眉tete K枚rperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ist Bemessungsgrundlage f眉r den Solidarit盲tszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von 搂听2 Abs.听6 EStG unter Ber眉cksichtigung von Freibetr盲gen nach 搂听32 Abs.听6 EStG in allen F盲llen des 搂听32 EStG festzusetzen w盲re (搂听3 Abs.听2 SolZG). Der festgesetzte Solidarit盲tszuschlag in H枚he von 571,72听鈧 ist zutreffend aus der festgesetzten Einkommensteuer abgeleitet (zu versteuerndes Einkommen unter Ber眉cksichtigung von Freibetr盲gen nach 搂听32 Abs.听6 EStG = 46.396听鈧; darauf entfallende Einkommensteuer 10.395听鈧 x 5,5听% = 571,72听鈧).
Rz. 13
2. Die Erhebung eines Solidarit盲tszuschlags ist dem Grunde nach auch im Streitjahr verfassungsgem盲脽. In den Urteilen vom 21.听Juli 2011 II听R听50/09 (BFH/NV 2011, 1685) sowie vom 21.听Juli 2011 II听R听52/10 (BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43) hat der Bundesfinanzhof (BFH) ausgef眉hrt, die Erhebung des Solidarit盲tszuschlags als Erg盲nzungsabgabe sei in den damaligen Streitjahren 2005 und 2007 verfassungsgem盲脽 gewesen. Er h盲lt hieran auch f眉r das vorliegende Streitjahr 2011 fest. Die dortigen Erw盲gungen haben ihre G眉ltigkeit behalten.
Rz. 14
3. Die aufgrund 搂听3 SolZG und 搂听35 EStG auftretenden Belastungsunterschiede zwischen den Steuerpflichtigen, die Gewerbesteuer zu zahlen haben, und denen, die andere tariflich zu versteuernde Eink眉nfte in derselben H枚he erzielen, f眉hren nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelungen.
Rz. 15
a) Beim Solidarit盲tszuschlag sind Steuerpflichtige, die Gewerbesteuer zu zahlen haben, beg眉nstigt. Bei der Gesamtbelastung, bestehend aus Einkommensteuer, ggf. Gewerbesteuer und Solidarit盲tszuschlag, h盲ngt die Mehr- oder Minderbelastung von dem jeweiligen Gewerbesteuerhebesatz ab. Betr盲gt dieser weniger als 400,9听%, ist der gewerbesteuerpflichtige Steuerpflichtige beg眉nstigt. Bei Hebes盲tzen 眉ber diesem Grenzwert verh盲lt es sich umgekehrt. Urs盲chlich f眉r diese Belastungsunterschiede ist auf der einen Seite die Gewerbesteuerbelastung als solche, auf der anderen Seite der Ausgleichsmechanismus des 搂听35 EStG in der Einkommensteuer und seine Fernwirkung auf den Solidarit盲tszuschlag.
Rz. 16
b) Die reine Einkommensteuerbelastung ist bei Steuerpflichtigen, die Gewerbesteuer zu zahlen haben, aufgrund der Steuererm盲脽igung nach 搂听35 EStG stets niedriger als bei denjenigen, die andere tariflich zu versteuernde Eink眉nfte derselben H枚he erzielen.
Rz. 17
aa) Nach 搂听35 Abs.听1 Satz听1 EStG erm盲脽igt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Eink眉nfte entf盲llt (Erm盲脽igungsh枚chstbetrag), bei Eink眉nften aus gewerblichen Unternehmen i.S. des 搂听15 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 EStG (Nr.听1) sowie u.a. bei Eink眉nften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer i.S. des 搂听15 Abs.听1 Satz听1 Nr.听2 EStG (Nr.听2) um das 3,8-fache des jeweils f眉r den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum f眉r das Unternehmen festgesetzten (Nr.听1) bzw. festgesetzten anteiligen (Nr.听2) Gewerbesteuer-Messbetrags. Nach der Formel in 搂听35 Abs.听1 Satz听2 EStG begrenzt der Erm盲脽igungsh枚chstbetrag die Entlastung durch anteilige Zurechnung der Einkommensteuer auf die Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb des betreffenden Steuerpflichtigen. Gem盲脽 搂听35 Abs.听1 Satz听5 EStG ist der Abzug des Steuererm盲脽igungsbetrags auf die tats盲chlich zu zahlende Gewerbesteuer beschr盲nkt. Die Vorschrift enth盲lt f眉r die Einkommensteuer eine Steuererm盲脽igung bei Eink眉nften aus Gewerbebetrieb. Sie kompensiert die Belastung durch Gewerbesteuer durch partielle Anrechnung auf die Einkommensteuer. 搂听35 EStG ist nach 搂听52 Abs.听50a Satz听1 EStG erstmals f眉r den Veranlagungszeitraum 2008 und damit f眉r das Streitjahr 2011 anzuwenden.
Rz. 18
bb) Die Regelung in 搂听35 EStG hat zur Folge, dass die Einkommensteuer bei Gewerbesteuerhebes盲tzen von 200听% (Mindestbetrag nach 搂听16 Abs.听4 Satz听2 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--) bis 380听% zun盲chst kontinuierlich sinkt. Mit steigenden Hebes盲tzen steigt die zu zahlende Gewerbesteuer. Wegen der Begrenzung der Anrechnung auf die tats盲chlich zu zahlende Gewerbesteuer in 搂听35 Abs.听1 Satz听5 EStG sinkt die Einkommensteuer in diesem Bereich um genau die zu zahlenden Gewerbesteuerbetr盲ge. Bei dem Hebesatz von 380听% erreicht die Einkommensteuerbelastung den niedrigsten Wert. Auf diesem Betrag verharrt sie f眉r alle h枚heren Hebes盲tze. Dies wiederum beruht auf der bereits in 搂听35 Abs.听1 Satz听1 EStG angelegten Deckelung der Einkommensteuerminderung auf das 3,8-fache des festgesetzten Gewerbesteuer-Messbetrags, der einem Gewerbesteuerhebesatz von 380听% entspricht.
Rz. 19
Das bedeutet, dass Hebes盲tze bis 380听% bei der Einkommensteuer zwar vollst盲ndig kompensiert, aber niemals 眉berkompensiert werden, w盲hrend die Kompensation h枚herer Hebes盲tze gedeckelt ist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 20.听M盲rz 2017 X听R听62/14 und X听R听12/15, BFHE 259, 238 und BFHE 258, 258; soweit dort ein Hebesatz von 400听% genannt ist, ist dabei bereits der Solidarit盲tszuschlag mit einbezogen).
Rz. 20
c) Da der Solidarit盲tszuschlag --abgesehen von den hier nicht relevanten Besonderheiten in 搂听4 Satz听2 bis 4 SolZG und 搂听3 Abs.听2 bis 5 SolZG-- lediglich einen prozentualen Aufschlag auf die Einkommensteuer darstellt, bildet er bei den Eink眉nften aus Gewerbebetrieb dieselbe hebesatzabh盲ngige Kurve wie die Einkommensteuer, zun盲chst fallend, sodann stagnierend. Es kommt daher auch hinsichtlich des Solidarit盲tszuschlags zu Belastungsdifferenzen zwischen den Eink眉nften aus Gewerbebetrieb und den anderen Eink眉nften, die zu den Belastungsdifferenzen bei der Einkommensteuer proportional sind. Dies ist eine Folgewirkung des 搂听35 EStG.
Rz. 21
d) Die in 搂听51a Abs.听2 Satz听3 EStG enthaltene Regelung zur Bemessungsgrundlage der sog. Zuschlagsteuern, namentlich der Kirchensteuer, hat im SolZG keine Entsprechung und ist deshalb auf den Solidarit盲tszuschlag nicht anwendbar.
Rz. 22
Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuern ist die Einkommensteuer, die abweichend von 搂听2 Abs.听6 EStG unter Ber眉cksichtigung von Freibetr盲gen nach 搂听32 Abs.听6 EStG in allen F盲llen des 搂听32 EStG festzusetzen w盲re (搂听51a Abs.听2 Satz听1 EStG). Gem盲脽 搂听51a Abs.听2 Satz听3 EStG ist 搂听35 EStG bei der Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer nach Satz听1 nicht anzuwenden. Das bedeutet, dass bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage die Steuererm盲脽igung nach 搂听35 EStG der festgesetzten Einkommensteuer wieder hinzuzurechnen ist und dass die durch 搂听35 EStG bewirkte Entlastung bei der Einkommensteuer in der Kirchensteuer nicht fortwirkt. Die Kirchensteuerbelastung der Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb unterscheidet sich von der Kirchensteuerbelastung der anderen Eink眉nfte nicht.
Rz. 23
Da 搂听3 SolZG eine Spezialregelung f眉r den Solidarit盲tszuschlag darstellt, kann 搂听51a Abs.听2 Satz听3 EStG auf den Solidarit盲tszuschlag nicht angewandt werden. Dies entspricht auch den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 14/3762, S.听4).
Rz. 24
e) Eine Gesamtbetrachtung, die neben der Einkommensteuer und dem Solidarit盲tszuschlag auch die mit steigenden Hebes盲tzen steigende Gewerbesteuer einbezieht, ergibt in Abh盲ngigkeit von den Hebes盲tzen sowohl f眉r die steuerliche Gesamtbelastung als auch f眉r die Belastungsdifferenzen Kurven, allerdings mit unterschiedlichen Scheitelpunkten.
Rz. 25
aa) Bei der Gesamtbelastung entsteht f眉r die Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb eine Belastungskurve, die, beginnend bei einem Hebesatz von 200听%, zun盲chst f盲llt, bei einem Hebesatz von 380听% ihren Tiefpunkt erreicht und von diesem an mit dem Hebesatz wieder kontinuierlich steigt, und zwar theoretisch unbegrenzt.
Rz. 26
bb) Die Belastungsdifferenz zu Gunsten der Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb steigt in der Hebesatzzone von 200听% bis 380听% an und erreicht bei dem Hebesatz von 380听% ihr Maximum, um sodann bei weiter steigenden Hebes盲tzen rasch wieder zu sinken. Bei einem Grenzwert-Hebesatz von 400,9听% ist Belastungsgleichheit mit den anderen Eink眉nften und gleichzeitig der Wendepunkt erreicht (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 37.听Aufl., 搂听35 Rz听2). Bis zu diesem Punkt ist die kumulierte Entlastung aus Einkommensteuer und Solidarit盲tszuschlag h枚her als die Belastung durch die Gewerbesteuer. Weiter steigende Hebes盲tze f眉hren zu immer weiter steigenden Belastungsdifferenzen zu Lasten der Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb, weil dann der Vorteil aus dem Solidarit盲tszuschlag die Belastung aus der Gewerbesteuer nicht mehr auszugleichen vermag.
Rz. 27
f) Die durch das Zusammenspiel von 搂听3 SolZG und 搂听35 EStG in der Hebesatzzone unter 400,9听% bewirkte Beg眉nstigung der gewerbesteuerpflichtigen Steuerpflichtigen beim Solidarit盲tszuschlag ist mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar.
Rz. 28
aa) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat --im Zusammenhang mit der Tarifbegrenzung f眉r gewerbliche Eink眉nfte unter der Rechtslage vor Inkrafttreten des 搂听35 EStG-- folgende Rechtsgrunds盲tze aufgestellt:
Rz. 29
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art.听3 Abs.听1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt f眉r ungleiche Belastungen wie auch f眉r ungleiche Beg眉nstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Beg眉nstigungsausschluss, bei dem eine Beg眉nstigung einem Personenkreis gew盲hrt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen f眉r den Gesetzgeber, die vom blo脽en Willk眉rverbot bis zu einer strengen Bindung an Verh盲ltnism盲脽igkeitserfordernisse reichen.
Rz. 30
Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsf盲higkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsf盲higkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), w盲hrend (in vertikaler Richtung) die Besteuerung h枚herer Einkommen im Vergleich mit der Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet werden muss. Dabei muss eine gesetzliche Belastungsentscheidung folgerichtig i.S. von Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bed眉rfen eines besonderen sachlichen Grundes.
Rz. 31
Bei der Einkommensteuer liegt die konkrete Ausgestaltung eines f眉r alle Eink眉nfte geltenden Tarifs grunds盲tzlich im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, soweit auch im oberen Bereich den Steuerpflichtigen nach Abzug der Steuerbelastung ein --absolut und im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen betrachtet-- hohes, frei verf眉gbares Einkommen bleibt, das die Privatn眉tzigkeit des Einkommens sichtbar macht. W盲hlt der Gesetzgeber f眉r verschiedene Arten von Eink眉nften unterschiedliche Tarifverl盲ufe, obwohl die Eink眉nfte nach der gesetzgeberischen Ausgangsentscheidung die gleiche Leistungsf盲higkeit repr盲sentieren (sog. Schedulenbesteuerung), muss diese Ungleichbehandlung besonderen Rechtfertigungsanforderungen gen眉gen. Allein die systematische Unterscheidung zwischen verschiedenen Einkunftsarten (vgl. 搂听2 Abs.听1 EStG) gen眉gt daf眉r nicht. Vielmehr gelten f眉r Sondertarife keine geringeren Rechtfertigungsanforderungen als f眉r Durchbrechungen des objektiven Nettoprinzips, die durch besondere sachliche Gr眉nde gerechtfertigt werden m眉ssen. Im Hinblick auf die Belastungsgleichheit macht es keinen Unterschied, ob Eink眉nfte, die die gleiche Leistungsf盲higkeit repr盲sentieren, in unterschiedlicher H枚he in die Bemessungsgrundlage einflie脽en oder ob sie einem unterschiedlichen Tarif unterworfen werden.
Rz. 32
Unabh盲ngig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch F枚rderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelf盲lle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbed眉rftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grunds盲tzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen H盲rten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu versto脽en. Er darf jedoch f眉r eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild w盲hlen, sondern muss realit盲tsgerecht den typischen Fall als Ma脽stab zu Grunde legen (im Einzelnen BVerfG-Beschluss vom 21.听Juni 2006听听2听BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, BGBl I 2006, 1857, unter C.I.1. bis 3., m.w.N.).
Rz. 33
bb) Nach diesen Ma脽st盲ben ist die partielle Beg眉nstigung der Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb nicht verfassungswidrig. Die Rechtfertigung liegt in der Gesamtschau von Einkommensteuer, Solidarit盲tszuschlag und Gewerbesteuer. Sie h盲ngt --entgegen der Rechtsauffassung der Kl盲ger-- allein davon ab, ob die partielle 脺berkompensation der Gewerbesteuer, die bei dieser Gesamtbetrachtung zu verzeichnen ist, ihrerseits den Geboten der Leistungsf盲higkeit und der Folgerichtigkeit entspricht.
Rz. 34
(1) Der BFH hat bereits entschieden, dass der Solidarit盲tszuschlag auch insoweit nicht gegen den Gleichheitssatz verst枚脽t, als er zusammen mit der Entlastung bei der Einkommensteuer zu 脺berkompensationen der Gewerbesteuerbelastung f眉hrt (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1685). Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung angenommen worden (BVerfG-Beschluss vom 10.听Juni 2013听听2听BvR听1942/11).
Rz. 35
Allerdings bezog sich das BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1685 auf 搂听35 EStG i.d.F. des Jahres 2005. 搂听35 Abs.听1 Nr.听1 EStG in der durch Art.听1 Nr.听21 des Gesetzes zur Senkung der Steuers盲tze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz) vom 23.听Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433) eingef眉hrten und bis zum 17.听August 2007 geltenden Fassung enthielt eine Erm盲脽igung der tariflichen Einkommensteuer um das 1,8-fache des jeweiligen Gewerbesteuer-Messbetrags. Gleichzeitig war bis zum Jahre 2007 die Gewerbesteuer im Rahmen der Gewinnermittlung als Betriebsausgabe abziehbar. 搂听4 Abs.听5b EStG, der einen Abzug der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe ausschlie脽t, ist erst durch Art.听1 Nr.听5 des Unternehmensteuerreformgesetzes (UntStRefG) 2008 vom 14.听August 2007 (BGBl I 2007, 1912) eingef眉gt worden. Durch das Zusammenspiel von Betriebsausgabenabzug und Entlastung nach 搂听35 EStG konnte es bei niedrigeren Hebes盲tzen zu 脺berkompensationen kommen. Eine dem heutigen 搂听35 Abs.听1 Satz听5 EStG entsprechende Vorschrift gab es seinerzeit noch nicht. Diese 脺berkompensationen hat der BFH mit R眉cksicht auf die Typisierungsbefugnis f眉r verfassungsrechtlich zul盲ssig erachtet.
Rz. 36
(2) An dieser Einsch盲tzung h盲lt der Senat auch f眉r die Rechtslage nach dem UntStRefG 2008 fest.
Rz. 37
Der Gesetzgeber des UntStRefG 2008 bezweckte bei einem bundesweit durchschnittlichen Hebesatz von 400听% mit der tats盲chlich zu zahlenden Gewerbesteuer des Unternehmens als H枚chstbetrag eine vollst盲ndige Entlastung von der Gewerbesteuer (BTDrucks 16/4841, S.听65). Mit 搂听35 Abs.听1 Satz听5 EStG hat er eine Vorschrift geschaffen, die zielgenau jegliche 脺berkompensation im Rahmen der Einkommensteuer gesetzlich ausschlie脽t. 脺ber die Wirkung des 搂听35 EStG auf den Solidarit盲tszuschlag kommt es zwar in einer bestimmten Hebesatzzone per Saldo zu einer Beg眉nstigung der Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb, die 眉ber die Belastung aus der Gewerbesteuer hinausgeht, und somit zu einer 脺berkompensation.
Rz. 38
Die 脺berkompensation ist jedoch auf Hebes盲tze unter 400,9听% beschr盲nkt. Der (geringf眉gigen) Gesamtentlastung der Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb in dieser Hebesatzzone steht eine bei h枚heren Hebes盲tzen ganz erhebliche Mehrbelastung dieser Eink眉nfte gegen眉ber.
Rz. 39
Gerade im Hinblick darauf, dass die Belastungsungleichheit nicht einseitig ist, sondern sich bei dem Grenzwert-Hebesatz von 400,9听% umkehrt, ist das Regelwerk mit dem Gebot der Folgerichtigkeit noch zu vereinbaren. Der Gesetzgeber war, wie bereits die Beurteilung der Rechtslage vor 2008 als verfassungskonform zeigt, nicht ausnahmslos verpflichtet, 脺berkompensationen der Gewerbesteuer zu vermeiden. Er war deshalb befugt, dies zwar im Rahmen der Einkommensteuer vorzusehen, aber bei Einbeziehung der Erg盲nzungsabgabe geringf眉gige Belastungsdifferenzen durch Vereinfachung und Typisierung hinzunehmen. Der Verzicht darauf, bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Solidarit盲tszuschlags den Erm盲脽igungsbetrag nach 搂听35 EStG wieder hinzuzurechnen, ist eine in diesem Sinne gerechtfertigte Vereinfachung. Der Gesetzgeber hat mit der Annahme, dass der bundesweit durchschnittliche Hebesatz bei 400听% liegt, keinen von vornherein atypischen Fall gew盲hlt, und sich so im Rahmen des Zul盲ssigen gehalten. Die abweichenden 脺berlegungen der Kl盲ger zu einem bundesweit deutlich niedrigeren durchschnittlichen Hebesatz erschlie脽en sich schon rechnerisch dem Senat nicht.
Rz. 40
g) Aus diesen Gr眉nden kann dahingestellt bleiben, was daraus folgt, dass der Hebesatz der Wohnsitzgemeinde der Kl盲ger 眉ber dem f眉r die Gesamtsteuerbelastung ma脽gebenden Wendepunkt von 400,9听% liegt. Zwar w盲re die Gesamtsteuerbelastung der Kl盲ger h枚her, h盲tten sie statt der Eink眉nfte aus selbst盲ndiger und nichtselbst盲ndiger Arbeit solche aus Gewerbebetrieb erzielt. Dies 盲ndert jedoch nichts daran, dass der Solidarit盲tszuschlag, der Gegenstand des vorliegenden Streits ist, niedriger ausgefallen w盲re.
Rz. 41
4. Die Kostenentscheidung folgt aus 搂听135 Abs.听2 FGO.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 12950702 |
BFH/NV 2019, 340 |
BFH/PR 2019, 118 |
BStBl II 2019, 289 |
BFHE 2019, 35 |
BB 2019, 534 |
BB 2019, 677 |
DB 2019, 523 |
DB 2019, 6 |
DStR 2019, 10 |
DStRE 2019, 483 |
DStZ 2019, 214 |
HFR 2019, 580 |