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Leitsatz (amtlich)
Die wirksame Bekanntgabe eines Steuerbescheids ist von dem Revisionsgericht von Amts wegen zu pr眉fen. Dieses kann insoweit selbst Feststellungen treffen; es ist an die Feststellungen des FG nicht gebunden.
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Orientierungssatz
1. Die Begrenzung des 搂 96 Abs. 1 Satz 2 FGO, wonach das Gericht nicht mehr zusprechen darf, als der Kl盲ger mit der Klage begehrt, gilt dann nicht, wenn der Kl盲ger nur die Herabsetzung der Steuer begehrt hat, der Bescheid aber insgesamt rechtswidrig ist (vgl. BFH-Urteil vom 20.10.1970 II 167/64). Etwas anderes gilt auch nicht f眉r den Fall, da脽 ein wirksamer Bescheid mangels Bekanntgabe nicht vorliegt.
2. In der Revisionsschrift mu脽 das angefochtene Urteil so genau bezeichnet werden, da脽 ein Irrtum ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 23.5.1973 I R 187-188/71).
3. Ist eine gemeinsame Einkommensteuererkl盲rung nur von einem Ehegatten unterschrieben worden und hat das FA nur eine Ausfertigung des zusammengefa脽ten Steuerbescheids an die Ehegatten gemeinsam 眉bersandt, so ist der Bescheid nicht wirksam bekanntgegeben (vgl. BFH-Rechtsprechung).
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Normenkette
AO 1977 搂听122 Abs. 1, 搂听124 Abs. 1, 搂听155 Abs. 1; FGO 搂 118 Abs. 2; AO 1977 搂 155 Abs. 3; FGO 搂听96 Abs. 1 S. 2, 搂听120 Abs. 2 S. 1
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Tatbestand
I. Die Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) sind verheiratet und wurden in den Streitjahren (1977 und 1978) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Ihr damals 20j盲hriger Sohn war in dem Betrieb seines Vaters als kaufm盲nnischer Lehrling besch盲ftigt. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag sollte es sich bei der Lehre "weitgehend um einen formellen Akt" handeln, da der Sohn schon seit seinem 14.Lebensjahr laufend in den Ferien und zu anderen Zeiten im Betrieb t盲tig gewesen sei. Der Sohn sei "als volle Arbeitskraft" besch盲ftigt und erhalte auch einen h枚heren Lohn. F眉r seine T盲tigkeit erhielt der Sohn 1977 einen Arbeitslohn von 15 000 DM und 1978 von 20 000 DM. Dar眉ber hinaus erhielt er aufgrund des Arbeitsvertrags Tantiemen (1977: 20 644 DM; 1978: 25 727 DM). Diese waren vereinbarungsgem盲脽 ebenso wie ein 1977 geschenkter Betrag von 30 000 DM "im Betrieb als Darlehen stehengelassen" und mit 7 % j盲hrlich verzinst worden. Die Darlehensbetr盲ge sollten dem Arbeitsvertrag entsprechend zum Erwerb einer k眉nftigen Beteiligung des Sohnes am Betrieb dienen.
Im Anschlu脽 an eine Au脽enpr眉fung erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Tantiemen und die f眉r das entsprechende Darlehen bezahlten Schuldzinsen nicht als Betriebsausgaben an und behandelte den geschenkten Betrag von 30 000 DM als Privatentnahme.
Einspruch und Klage gegen den 脛nderungssammelbescheid blieben erfolglos.
Mit ihrer Revision r眉gen die Kl盲ger die Verletzung materiellen Rechts.
Aus den Einkommensteuerakten, auf deren Inhalt das FG in seinem Urteil u.a. verwiesen hat, ergibt sich, da脽 die Einkommensteuererkl盲rungen f眉r die Streitjahre nur vom Kl盲ger und nicht von der Kl盲gerin unterschrieben worden sind. Die an die Kl盲ger gemeinsam adressierten Einkommensteuerbescheide wurden in einfacher Ausfertigung versandt; ebenso der aufgrund der Au脽enpr眉fung ergangene 脛nderungssammelbescheid f眉r die Streitjahre.
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II. A. Die Revision ist zul盲ssig.
Nach 搂 120 Abs.2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mu脽 die Revision das angefochtene Urteil angeben. Das Urteil mu脽 so genau bezeichnet werden, da脽 ein Irrtum ausgeschlossen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Mai 1973 I R 187-188/71, BFHE 109, 422, BStBl II 1973, 684). Dieser Anforderung gen眉gt die Revisionsschrift der Kl盲ger. Zwar geht aus dieser das Datum des angefochtenen Urteils des FG nicht hervor. Auch ist statt des (richtigen) Aktenzeichens des finanzgerichtlichen Hauptsacheverfahrens das des Aussetzungsverfahrens angegeben. Dieses Aussetzungsverfahren wurde jedoch durch einen Beschlu脽 abgeschlossen. Da sich die Revision ausdr眉cklich "gegen das Urteil" des FG wendet, ist ausreichend erkennbar, welche Entscheidung mit dem Rechtsmittel angefochten werden sollte.
Die Revisionsbegr眉ndung gen眉gt auch den Anforderungen des 搂 120 Abs.2 Satz 2 FGO. Nach dieser Vorschrift mu脽 die Revisionsbegr眉ndung oder die Revision u.a. die verletzte Rechtsnorm angeben. Zwar wurde diese von den Kl盲gern nicht ausdr眉cklich durch Benennung einzelner Paragraphen des Gesetzes bezeichnet. Nach st盲ndiger Rechtsprechung des BFH gen眉gt jedoch, da脽 --wie im Streitfall-- eindeutig erkennbar ist, welche Norm der Kl盲ger f眉r verletzt h盲lt (vgl. BFH-Urteil vom 5.November 1968 II R 118/67, BFHE 94, 116, BStBl II 1969, 84). Die Revisionsbegr眉ndung setzt sich auch in ausreichender Weise mit den Gr眉nden des FG-Urteils auseinander.
B. Die Revision ist auch begr眉ndet.
Sie f眉hrt --aus anderen als den von den Kl盲gern vorgebrachten Gr眉nden-- zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des 脛nderungssammelbescheids 眉ber Einkommensteuer f眉r 1977 und 1978.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das FG zu Recht die Tantiemezahlungen sowie die Schenkung und die f眉r die entsprechenden Darlehen geleisteten Zinsen nicht als betrieblich veranla脽t angesehen und deren Abzug als Betriebsausgaben versagt hat. Im Streitfall fehlt es bereits an einer wirksamen Steuerfestsetzung. Die Bescheide 眉ber Einkommensteuer 1977 und 1978 sowie der 脛nderungssammelbescheid 眉ber Einkommensteuer f眉r 1977 und 1978 vom 27.November 1981 sind mangels ordnungsm盲脽iger Bekanntgabe nicht wirksam geworden.
Ein nach dem 31.Dezember 1976 erlassener Steuerbescheid wird dadurch wirksam, da脽 er demjenigen, f眉r den er bestimmt ist, bekanntgegeben wird (搂 122 Abs.1, 搂 124 Abs.1, 搂 155 Abs.1 der Abgabenordnung --AO 1977--). Nach 搂 155 Abs.3 AO 1977 k枚nnen gegen mehrere Steuerpflichtige zusammengefa脽te Steuerbescheide ergehen, wenn sie eine Steuer als Gesamtschuldner schulden. Dies gilt auch f眉r zusammenveranlagte Ehegatten, weil diese Gesamtschuldner sind (搂 44 Abs.1 AO 1977 i.V.m. 搂搂 26, 26b des Einkommensteuergesetzes --EStG--; vgl. BFH-Urteil vom 24.Mai 1985 VI R 204/82, BFHE 144, 121, BStBl II 1985, 583). Zusammengefa脽te Steuerbescheide sind eine in einem Bescheid zusammengefa脽te Mehrheit inhaltsgleicher Steuerfestsetzungen gegen眉ber mehreren Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 24.November 1967 III 2/63, BFHE 91, 1, 8, BStBl II 1968, 163). Solche Steuerbescheide sind jedem Betroffenen schriftlich bekanntzugeben (搂 157 Abs.1, 搂 122 Abs.1 AO 1977), um ihm gegen眉ber wirksam zu werden (搂 124 Abs.1 AO 1977). Nach 搂 122 Abs.1 Satz 3 AO 1977 ist die Bekanntgabe auch gegen眉ber einem Bevollm盲chtigten m枚glich.
Im Streitfall hat das FA die Bescheide jeweils nur in einer Ausfertigung an beide Ehegatten gemeinsam 眉bersandt. Die Bescheide wurden damit nicht wirksam bekanntgegeben (BFH-Urteil vom 16.August 1978 I R 26/78, BFHE 126, 5, BStBl II 1979, 58). Zwar l盲脽t die Rechtsprechung die Zusendung nur einer Ausfertigung an beide Ehegatten dann gen眉gen, wenn eine stillschweigende gegenseitige Bevollm盲chtigung der Ehegatten angenommen werden kann, weil die gemeinsame Einkommensteuererkl盲rung von beiden unterschrieben wurde (BFH-Urteil vom 13.August 1970 IV 48/65, BFHE 100, 171, BStBl II 1970, 839). Dies ist im Streitfall jedoch nicht geschehen. Die 脺bersendung nur einer Ausfertigung eines zusammengefa脽ten Steuerbescheids an die Ehegatten gemeinsam gen眉gt auch nicht zur (wirksamen) Bekanntgabe einem der Betroffenen gegen眉ber (BFH-Beschlu脽 vom 22.Oktober 1975 I B 38/75, BFHE 117, 205, BStBl II 1976, 136).
Der BFH kann seine Entscheidung im Revisionsverfahren grunds盲tzlich nur auf solche Tatsachen st眉tzen, die in dem angefochtenen Urteil festgestellt wurden (搂 118 Abs.2 FGO). Zwar hat das FG in seinem Urteil die Tatsache, da脽 nur von einem Ehegatten unterschriebene Steuererkl盲rungen vorliegen, nicht ausdr眉cklich erw盲hnt. Dies ergibt sich --aufgrund entsprechender Feststellungen des Senats-- vielmehr aus den Einkommensteuererkl盲rungen f眉r 1977 und 1978 in den vorliegenden Einkommensteuerakten. Diese Feststellungen hatte der Senat selbst zu treffen. Bei dem Erfordernis der wirksamen Bekanntgabe eines Bescheids handelt es sich um Sachurteilsvoraussetzungen, die von dem Revisionsgericht von Amts wegen zu pr眉fen sind. Der Senat ist insoweit nicht an Feststellungen des FG gebunden.
Mit der Aufhebung des 脛nderungssammelbescheids werden auch nicht 搂 121 i.V.m. 搂 96 Abs.1 Satz 2 FGO verletzt, wonach das Gericht nicht mehr zusprechen darf, als der Kl盲ger mit der Klage begehrt hat. Diese Begrenzung gilt dann nicht, wenn der Kl盲ger --wie hier-- nur die Herabsetzung der Steuer begehrt hat, der Bescheid aber insgesamt rechtswidrig ist (BFH-Urteil vom 20.Oktober 1970 II 167/64, BFHE 100, 56, 65, 66, BStBl II 1970, 826). Etwas anderes gilt auch nicht f眉r den Fall, da脽 ein wirksamer Bescheid mangels Bekanntgabe nicht vorliegt.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 60755 |
BStBl II 1986, 474 |
BFHE 146, 196 |
BFHE 1986, 196 |
BB 1986, 1077-1077 (S) |
DB 1986, 2007-2008 (ST) |
HFR 1986, 526-527 (ST) |