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Leitsatz (amtlich)
Mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen als Voraussetzung zur Erweiterung des Pr眉fungszeitraums ist zu rechnen, wenn sie wahrscheinlich sind.
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Normenkette
AO 1977 搂 194 Abs. 1 S. 2; BpO (St) 搂 4 Abs. 2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I.
Der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger) betreibt seit dem 1. Oktober 1968 einen Gro脽handel und eine Handelsvertretung. Sein Betrieb ist als Mittelbetrieb eingeordnet.
Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt - FA -) die mit Pr眉fungsanordnung vom 22. Juni 1978 f眉r die Besteuerungszeitr盲ume 1974 bis 1976 bei dem Kl盲ger angeordnete Au脽enpr眉fung durch Pr眉fungsanordnung vom 13. Oktober 1978 auf die Besteuerungszeitr盲ume 1972 und 1973 ausdehnen durfte.
Als Begr眉ndung f眉r die Erweiterung des Pr眉fungszeitraums enthielt die Pr眉fungsanordnung vom 13. Oktober 1978 folgenden Hinweis: "Die Erweiterung erfolgt aufgrund des Vertragsverh盲ltnisses mit der Firma C."
Die Au脽enpr眉fung ist noch nicht beendet.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) M眉nchen wies die gegen die Erweiterung des Pr眉fungszeitraums erhobene Beschwerde des Kl盲gers als unbegr眉ndet zur眉ck.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit der Revision r眉gt das FA Verletzung der 搂搂 193, 194 der Abgabenordnung (AO 1977) und Versto脽 gegen die Denkgesetze.
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kl盲ger beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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II.
Die Revision ist unbegr眉ndet; das angefochtene Urteil des FG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1. Die Pr眉fungsanordnung vom 13. Oktober 1978 in der Gestalt, die sie durch die Beschwerdeentscheidung gefunden hatte, war ermessensfehlerhaft (vgl. 搂 102 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
a) Gem盲脽 搂 194 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 kann die Au脽enpr眉fung einen oder mehrere Besteuerungszeitr盲ume erfassen. In welchem Umfang im Einzelfall eine (gesetzlich zul盲ssige) Pr眉fung angeordnet wird, steht im Ermessen der Finanzverwaltung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286 ). Diese hat bei der Aus眉bung ihres Ermessens die 叠别迟谤颈别产蝉辫谤眉蹿耻苍驳蝉辞谤诲苍耻苍驳 (Steuer) - BpO(St) - vom 27. April 1978 (Bundesanzeiger - BAnz - Nr. 82 vom 29. April 1978, BStBl I 1978, 195) zu beachten, durch die sie ihrem Ermessen selbst Grenzen gesetzt hat.
Gem盲脽 搂 4 Abs. 2 BpO(St) soll bei anderen Betrieben als Gro脽betrieben der Pr眉fungszeitraum nicht 眉ber die drei letzten Besteuerungszeitr盲ume, f眉r die vor Bekanntgabe der Pr眉fungsanordnung Steuererkl盲rungen f眉r die Ertragsteuern abgegeben wurden, zur眉ckreichen. Dies gilt (nur dann) nicht, wenn die Besteuerungsgrundlagen nicht ohne Erweiterung des Pr眉fungszeitraums festgestellt werden k枚nnen oder mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen oder nicht unerheblichen Steuererstattungen oder -verg眉tungen zu rechnen ist oder der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit besteht.
b) Im vorliegenden Fall ist allein streitig, ob der Pr眉fungszeitraum erweitert werden durfte, weil mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen war.
aa) Mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen ist zu rechnen, wenn sie wahrscheinlich sind (zur Wortbedeutung des Begriffes "mit etwas rechnen" vgl. Duden, Das gro脽e W枚rterbuch der deutschen Sprache, Bd. 5, 1980, Stichwort: "rechnen", Anm. 5b - S. 2110). Es m眉ssen mehr Umst盲nde f眉r als gegen die Annahme nicht unerheblicher Steuernachforderungen sprechen; vage Vermutungen reichen nicht aus.
Diese Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Wie sich aus 搂 4 Abs. 2 Satz 1 BpO(St) ergibt, sollen grunds盲tzlich nur die drei letzten Besteuerungszeitr盲ume gepr眉ft werden. Diese Vorschrift tr盲gt der begrenzten Pr眉fungskapazit盲t der Finanzverwaltung Rechnung, sch眉tzt aber auch das Interesse des Steuerpflichtigen insofern, als dieser im allgemeinen davon ausgehen kann, da脽 nur die drei letzten Besteuerungszeitr盲ume gepr眉ft werden. Nur in besonderen F盲llen darf die Finanzverwaltung die Pr眉fung auch auf weiter zur眉ckliegende Besteuerungszeitr盲ume erstrecken. W眉rde-man aber als einen solch besonderen Fall bereits die schlichte M枚glichkeit nicht unerheblicher Steuernachforderungen ausreichen lassen, w盲re dieser Tatbestand praktisch grenzenlos und verl枚re seinen Ausnahmecharakter; denn die M枚glichkeit nicht unerheblicher Steuernachforderungen kann nur in einer begrenzten Zahl von F盲llen von vornherein ausgeschlossen werden. Auch ein Vergleich mit den beiden anderen Tatbestandsgruppen des 搂 4 Abs. 2 Satz 2 BpO(St) zeigt, da脽 nur gewichtige Gr眉nde zu einer Erweiterung des Pr眉fungszeitraums berechtigen.
Das Urteil des VIII. Senats vom 24. Oktober 1979 VIII R 220/78 (BFHE 129, 114, BStBl II 1980, 143 ) steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Die entscheidende Passage dieses Urteils lautet, es gen眉ge zur Erweiterung der Betriebspr眉fung nach 搂 4 Abs. 2 BpO(St), da脽 die Feststellung neuer Tatsachen durch die Betriebspr眉fung m枚glich erscheine. Dieser Satz enth盲lt keine Aussage, unter welchen Voraussetzungen mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen ist. Aus dem Zusammenhang mit den vorgehenden 脛u脽erungen geht vielmehr hervor, da脽 der VIII. Senat nur die Frage entscheiden wollte, inwieweit die Voraussetzungen des 搂 222 der Reichsabgabenordnung (AO) vorliegen m眉ssen, um einen Pr眉fungszeitraum erweitern zu k枚nnen, wenn zuvor festgestellt worden ist, da脽 mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen gerechnet werden kann.
bb) Die Feststellung, ob mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen ist, erfordert eine Voraussage, die durch Tatsachen gest眉tzt sein mu脽 (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1978 I R 131/75, BFHE 126, 379, BStBl II 1979, 162 ). Dabei ist die Berechtigung, den Pr眉fungszeitraum zu erweitern, grunds盲tzlich aus der Sicht der Verh盲ltnisse zu beurteilen, die dem FA im Zeitpunkt der Anordnung der Erweiterung des Pr眉fungszeitraums bekannt waren und zur Begr眉ndung dieser Anordnung dienten (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1972 I R 236/70, BFHE 107, 179, BStBl II 1973, 74 ). Ergeht eine Beschwerdeentscheidung, so sind die Verh盲ltnisse ma脽gebend, wie sie zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bestanden. Gem盲脽 搂 368 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 entscheidet 眉ber die Beschwerde die n盲chsth枚here Beh枚rde. Diese hat - wie die Einspruchsbeh枚rde (搂 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977) - die Sache in vollem Umfang erneut zu pr眉fen; sie entscheidet daher nach den ihr bekannten Verh盲ltnissen und setzt auch ihr Ermessen an die Stelle des Ermessens der Ausgangsbeh枚rde.
cc) Mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen ist z. B. zu rechnen, wenn bereits die Pr眉fung des eingeschr盲nkten Pr眉fungszeitraums nicht unerhebliche Steuernachforderungen ergeben hat und nach dem Gesamtbild der Verh盲ltnisse zu erwarten ist, da脽 sich 盲hnliche Ergebnisse auch in den davor liegenden Besteuerungszeitr盲umen einstellen werden (vgl. BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286 ; ferner Schr枚der/Delhey, 叠别迟谤颈别产蝉辫谤眉蹿耻苍驳蝉辞谤诲苍耻苍驳 (Steuer), Handkommentar, 1970, S. 140, und Frotscher, Die steuerliche Au脽enpr眉fung, 2. Aufl., 1980, S. 54).
dd) Bei einer Au脽enpr眉fung, die - wie im Streitfall - ihre Rechtsgrundlage in 搂 193 Abs. 1 AO 1977 hat, k枚nnen alle Steuerarten einbezogen werden, f眉r die die betrieblichen Verh盲ltnisse Bedeutung haben k枚nnen. Im Rahmen dieser Steuerarten k枚nnen auch alle sonstigen f眉r die Besteuerung wesentlichen Umst盲nde (au脽erbetriebliche Umst盲nde) mitgepr眉ft werden (vgl. BFH-Urteil vom 5. Novembr 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208 ). Bei der Beurteilung der Frage, ob mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen ist, sind daher - entgegen der Auffassung des FG - auch diese Umst盲nde und deren steuerliche Auswirkungen zu ber眉cksichtigen.
c) Die Anwendung der vorstehenden Grunds盲tze auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen (vgl. 搂 118 Abs. 2 FGO) ergibt, da脽 zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen war.
aa) Hinsichtlich der Zahlungen an die Firma C lagen zu diesem Zeitpunkt keine Umst盲nde vor, die es erlaubt h盲tten, die Nichtanerkennung dieser Zahlungen als Betriebsausgaben f眉r wahrscheinlich zu halten. Wie das FG zutreffend ausgef眉hrt hat, war die Gestaltung des Vertrags mit der Firma C nicht so ungew枚hnlich, als da脽 aus dieser Gestaltung mit dessen steuerlicher Unbeachtlichkeit h盲tte gerechnet werden m眉ssen.
Auch der Umstand, da脽 Zahlungen bar geleistet wurden, rechtfertigte f眉r sich allein noch nicht die Annahme, da脽 in H枚he dieser Zahlungen ein Mehrgewinn zu erwarten war. Der weitere Umstand, da脽 die Barzahlungen zum Teil ohne Belege geleistet wurden, war nach den Feststellungen des FG weder dem FA noch der OFD im Zeitpunkt ihrer Entscheidungen bekannt und kann daher nicht ber眉cksichtigt werden.
bb) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, da脽 der Pr眉fer hinsichtlich der privaten Kfz-Kosten und der Geschenkaufwendungen konkret nur eine K眉rzung der Betriebsausgaben in H枚he von je 2 000 DM f眉r 1974 und 1975 und in H枚he von 2 500 DM f眉r 1976 festgestellt hatte. Diese Feststellungen gingen zur眉ck auf eine Besprechung zwischen dem Pr眉fer und dem Berater des Kl盲gers, die am 30. November 1978, also vor Ergehen der Beschwerdeentscheidung, stattfand. Zum Zeitpunkt des Ergehens der Beschwerdeentscheidung konnte daher insoweit mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen f眉r den zu erweiternden Pr眉fungszeitraum nicht gerechnet werden.
Nach den Feststellungen des FG hatte der Pr眉fer hinsichtlich der Reisekosten des Kl盲gers vor Erla脽 der erweiterten Pr眉fungsanordnung nur Zweifel an deren Anerkennung ge盲u脽ert, hatte sich aber noch nicht konkret mit der Frage auseinandergesetzt, ob bzw. in welcher H枚he Reisekosten nicht anerkannt werden k枚nnten.
Blo脽e Zweifel an der Abziehbarkeit von Ausgaben, die im Pr眉fungszeitraum angefallen waren, rechtfertigten aber nicht - wie das FG zu Recht ausf眉hrt - den Schlu脽, da脽 mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen im zu erweiternden Pr眉fungszeitraum zu rechnen war.
cc) In bezug auf den Ansatz eines Mietwerts f眉r die Eigentumswohnung des Kl盲gers in der E-Stra脽e hatte der Pr眉fer vor Ergehen der erweiterten Pr眉fungsanordnung nach den Feststellungen des FG lediglich ermittelt, da脽 der Kl盲ger die Wohnung im Jahr 1972 f眉r 200 000 DM erworben und in den Steuererkl盲rungen insoweit keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung angegeben hatte, da die Wohnung nach Angabe des Kl盲gers nicht habe vermietet werden k枚nnen; dem Pr眉fer war nach seiner Aussage ferner bekannt, da脽 eine der Angestellten des Kl盲gers diese Wohnung als ihre Adresse angegeben hatte. Diese Erkenntnisse des Pr眉fers lie脽en f眉r sich allein - auch insoweit ist dem FG zu folgen - keine erheblichen Steuernachforderungen im zu erweiternden Pr眉fungszeitraum erwarten. Selbst nachdem dem Pr眉fer bekanntgeworden war, da脽 der Kl盲ger die Wohnung f眉r ein halbes Jahr selbst bewohnt hatte, konnte nicht ohne weiteres als wahrscheinlich angenommen werden, da脽 er die Wohnung auch im zu erweiternden Pr眉fungszeitraum selbst genutzt hatte; f眉r diese Annahme h盲tte es weiterer konkreter Anhaltspunkte bedurft.
2. Aus dem angefochtenen Urteil geht nicht hervor, da脽 das FG hinsichtlich der zu erwartenden Steuernachforderungen Gewi脽heit verlangt; die R眉ge des FA, da脽 das FG insoweit gegen Denkgesetze versto脽en habe, ist daher zur眉ckzuweisen.
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Fundstellen
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BStBl II 1985, 350 |
BFHE 1985, 198 |