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Leitsatz (amtlich)
Ordnet das FA die Erweiterung einer Betriebspr眉fung 眉ber den Zeitraum von drei Jahren hinaus an, so kann es zur Begr眉ndung dieser Anordnung ausreichen, wenn sich das FA auf Pr眉fungsfeststellungen bezieht, die dem Steuerpflichtigen bereits bekannt sind.
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Normenkette
AO 搂 162 Abs.听10-11; BpO (St) 搂 4; BpO (St) 搂 12; BpO (St) 搂 14; BpO (St) 搂 15
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Tatbestand
Der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger) unterh盲lt einen Gewerbebetrieb. Im August 1974 ordnete der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt - FA -) eine Betriebspr眉fung f眉r die Jahre 1970 bis 1972 an. Nach Beginn der Pr眉fung teilte die Betriebspr眉fungsstelle des FA dem Kl盲ger mit, da脽 gem盲脽 搂 4 Abs. 2 der Betriebspr眉fungsordnung (Steuer) - BpO(St) - auch der Zeitraum 1969 in die Pr眉fung einbezogen werde. Die Pr眉fung war z. Z. der Entscheidung des Finanzgerichts (FG) nicht abgeschlossen.
Gegen die Ausdehnung des Betriebspr眉fungszeitraums erhob der Kl盲ger Beschwerde, weil nur das FA, nicht die Betriebspr眉fungsstelle die Erweiterung h盲tte verf眉gen k枚nnen; au脽erdem enthalte die Anordnung keine Begr眉ndung. W盲hrend des Beschwerdeverfahrens richtete die Betriebspr眉fungsstelle des FA am 8. Oktober 1974 ein Schreiben an den Kl盲ger, in dem es u. a. hei脽t:
"Auch sachlich sehe ich keinen Grund, die Pr眉fungsausdehnung auf 1969 zur眉ckzunehmen. Nach 搂 4 Abs. 2 BpO(St) kann n盲mlich der Pr眉fungszeitraum dann erweitert werden, wenn u. a. mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen ist.
Diese Vermutung war aufgrund der Feststellungen f眉r die Jahre 1970 bis 1972 gegeben, so da脽 auch hier die gesetzlichen Vorschriften beachtet worden sind. Das Anf眉hren von Gr眉nden, die im einzelnen f眉r eine Erweiterung sprechen, ist nicht vorgesehen."
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. F眉r eine Erweiterung des Pr眉funggszeitraums sei eine schriftliche Begr眉ndung zwar w眉nschenswert, aber nicht vorgeschrieben; der Kl盲ger habe nichts daf眉r vorgetragen, da脽 die Voraussetzungen des 搂 4 Abs. 2 BpO(St) nicht vorl盲gen.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG hielt es zwar f眉r unsch盲dlich, da脽 die Erweiterung der Pr眉fungsanordnung vom Leiter der Betriebspr眉fungsstelle angeordnet worden sei. Indes habe das FA seine Anordnung nicht ausreichend begr眉ndet. Die Steuerakten erg盲ben nichts daf眉r, da脽 dem Kl盲ger die Gr眉nde f眉r die Erweiterung des Pr眉fungszeitraums er枚ffnet worden seien. Weder in der Pr眉fungsanordnung noch in der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) sei ein entsprechender Hinweis enthalten. M枚glicherweise sei der Pr眉fungszeitraum wegen zu erwartender nicht unerheblicher Steuernachforderungen ausgedehnt worden; die Steuerakten lie脽en jedoch nicht erkennen, worauf das FA seine Erwartung gest眉tzt habe. Auch der (im Verfahren vor dem FG vorgebrachte) Hinweis, da脽 gegen den Kl盲ger ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden sei, reiche nicht aus. Hierzu h盲tte es n盲herer Angaben bedurft, aus welchen Vorg盲ngen das FA den Verdacht eines Steuervergehens folgere und inwieweit diese Vorg盲nge das Jahr 1969 betr盲fen. Der Einleitungsvermerk des FA vom 17. September 1974 enthalte hierzu nur die Angabe, da脽 im Rahmen der Betriebspr眉fung strafrechtlich relevante Sachverhalte festgestellt worden seien; im 眉brigen verweise der Vermerk auf den Betriebspr眉fungsbericht und den Vermerk 眉ber die Betriebspr眉fungsfeststellungen 1969 bis 1972. Betriebspr眉fungsbericht und Vermerk seien bisher jedoch nicht fertiggestellt, sondern lediglich im Entwurf des Pr眉fers vorhanden.
Mit seiner Revision r眉gt das FA, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten versto脽en. Es habe das Schreiben vom 8. Oktober 1974 nicht beachtet, das zu einer anderen Beurteilung h盲tte f眉hren m眉ssen. Hilfsweise wird geltend gemacht, das FG habe 搂 4 Abs. 2 BpO(St) fehlerhaft ausgelegt. Diese Bestimmung enthalte keine Anweisungen dar眉ber, ob und in welcher Form die Anordnung einer Pr眉fungserweiterung begr眉ndet werden m眉sse. Eine ausdr眉ckliche Begr眉ndung sei nach Auffassung des FA nicht erforderlich, wenn der Betroffene aus einer Vielzahl von Einzelma脽nahmen der Verwaltung auf die Rechtm盲脽igkeit der Ermessensaus眉bung schlie脽en m眉sse. Das sei hier der Fall; denn der Betriebspr眉fer habe die Pr眉fungsfeststellungen f眉r die Jahre 1970 bis 1972 laufend mit dem Angestellten der Steuerbevollm盲chtigten besprochen. Bei den Feststellungen handele es sich zum gro脽en Teil um Vorg盲nge, die jedes Jahr wieder anfielen (z. B. Nichtversteuerung von Gewinnen aus der W盲scherei; steuerliche Nichtanerkennung von Reisekosten, nicht gebuchte Betriebseinnahmen). Die Pr眉fungsfeststellungen seien schriftlich festgelegt und den Steuerbevollm盲chtigten noch w盲hrend der Pr眉fung 眉bergeben worden. Noch vor der - daraufhin abgebrochenen - Schlu脽besprechung sei dem Steuerpflichtigen - unter Hinweis auf die bereits m眉ndlich und schriftlich bekanntgegebenen Pr眉fungsfeststellungen - die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekanntgegeben worden.
Das FA beantragt das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kl盲ger beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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Die Revision f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zur眉ckverweisung des Rechtsstreits an das FG.
1. Der Senat geht im Streitfall davon aus, da脽 die Betriebspr眉fung f眉r das Jahr 1969 bisher noch nicht beendet ist (vgl. 搂搂 14, 15 BpO [St]), der Rechtsstreit deshalb in der Hauptsache nicht erledigt ist.
2. Der Senat teilt die Auffassung des FG, da脽 die Erweiterung der Pr眉fungsanordnung nicht deshalb rechtswidrig ist, weil sie vom Leiter der Betriebspr眉fungsstelle des beklagten FA unterzeichnet ist.
Das FG hat zu Recht ausgef眉hrt, da脽 die Betriebspr眉fungsstelle Teil des FA ist, dem die Pr眉fungsma脽nahmen obliegen. Dem steht der Umstand, da脽 bei der Berichtigungsveranlagung nach 搂 222 der Reichsabgabenordnung (AO) das Wissen der Betriebspr眉fungsstelle nicht ohne weiteres als Kenntnis der Veranlagungsstelle angesehen werden kann, nicht entgegen. Wenn die Rechtsprechung f眉r die im Rahmen des 搂 222 AO erforderliche Pr眉fung der Kenntnis bestimmter Tatsachen die Betriebspr眉fungsstelle und die Veranlagungsdienststelle nicht miteinander identifiziert, so kann daraus nicht zwingend hergeleitet werden, da脽 es die Veranlagungsdienststelle sein m眉sse, die die Pr眉fungsanordnung erl盲脽t.
3. Den rechtlichen Ausf眉hrungen des FG 眉ber die Pflicht zur Begr眉ndung der Ausdehnung des Betriebspr眉fungszeitraums ist im wesentlichen zu folgen.
Die Bestimmung des 搂 4 Abs. 2 BpO(St) enth盲lt eine Selbstbeschr盲nkung der Verwaltung, die sie bei der Aus眉bung ihres Ermessens im Zusammenhang mit der Durchf眉hrung der Betriebspr眉fung (搂 162 Abs. 10, 11 AO) zu beachten hat. Danach soll bei anderen Betrieben als Gro脽betrieben der Pr眉fungszeitraum nicht 眉ber die letzten drei Veranlagungszeitr盲ume, f眉r die Steuererkl盲rungen abgegeben wurden, zur眉ckreichen, es sei denn, da脽 die Besteuerungsgrundlagen nicht ohne Erweiterung des Pr眉fungszeitraums festgestellt werden k枚nnen oder mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen oder nicht unerheblichen Steuererstattungen zu rechnen ist oder der Verdacht eines Steuervergehens besteht. Das FG hat im Rahmen seiner gerichtlichen Ermessenskontrolle (搂 102 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zu pr眉fen, ob das FA ermessensfehlerfrei gehandelt hat. Will das FA den Pr眉fungszeitraum 眉ber die grunds盲tzlich vorgesehene Zeitgrenze hinaus verl盲ngern, so mu脽 es diese Anordnung so begr眉nden, da脽 das FG in der Lage ist, seiner gerichtlichen Ermessenskontrolle nachzukommen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. April 1970 IV R 259/69, BFHE 99, 365, BStBl II 1970, 714). St眉tzt das FA die Ausdehnung des Pr眉fungszeitraums auf die Erwartung nicht unerheblicher Nachforderungen, so handelt es sich um eine Zukunftsprognose (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1972 I R 236/70, BFHE 107, 179, BStBl II 1973, 74), die aber durch Tatsachen gest眉tzt sein mu脽. Diese Gesichtspunkte bestimmen und begrenzen naturgem盲脽 die Anforderungen an den Begr眉ndungszwang des FA.
4. Der vom FA ger眉gte Verfahrensmangel liegt vor.
a) Die in den Einwand des Versto脽es gegen den klaren Inhalt der Akten gekleidete R眉ge des FA ist als R眉ge der Verletzung des 搂 96 Abs. 1 Satz 1 FGO zu werten (BFH-Urteil vom 17. Februar 1966 V 220/63, BFHE 85, 60, BStBl III 1966, 233). Danach entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen 脺berzeugung. Diese Vorschrift verpflichtet das FG, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollst盲ndig und einwandfrei zu ber眉cksichtigen (Gr盲ber, Finanzgerichtsordnung, 搂 96 Anm. 2).
b) Das FG hat den Schriftsatz des FA vom 8. Oktober 1974 nicht ausreichend ber眉cksichtigt. Das folgt daraus, da脽 das FG ausgef眉hrt hat, dem Kl盲ger seien die Gr眉nde f眉r die Erweiterung des Pr眉fungszeitraums nicht er枚ffnet worden, w盲hrend das Schreiben vom 8. Oktober 1974 jedenfalls den Hinweis auf die Pr眉fungsfeststellungen f眉r die Jahre 1970 bis 1972 enth盲lt. Auf diesem Versto脽 kann das finanzgerichtliche Urteil auch beruhen. Zwar erfordert die Begr眉ndung f眉r die Ausdehnung des Pr眉fungszeitraums, da脽 das FA Tatsachen bezeichnet, auf die es seine Erwartungen von nicht unerheblichen Steuernachforderungen st眉tzt. Im Einzelfall kann es aber ausreichen, wenn ein Steuerpflichtiger aus den Umst盲nden, z. B. aus dem Ergebnis der mit ihm besprochenen Pr眉fungsfeststellungen, erkennen kann, da脽 das FA mit nicht unerheblichen Nachforderungen f眉r das bisher nicht in den Pr眉fungszeitraum einbezogene Jahr rechnen darf. Es trifft zu, da脽 den Akten, die dem FG vorgelegen haben, nicht unmittelbar entnommen werden kann, dem Kl盲ger seien solche Umst盲nde er枚ffnet worden. Die Betriebspr眉fungsakten enthalten nur handschriftliche Vermerke des Pr眉fers. Da jedoch aus den Unterlagen ersichtlich ist, da脽 das FA schon ins einzelne gehende Pr眉fungsfeststellungen f眉r die Jahre 1970 bis 1972 getroffen hatte und erfahrungsgem盲脽 die Pr眉fungsfeststellungen w盲hrend der Pr眉fung mit dem Steuerpflichtigen laufend besprochen werden (vgl. 搂 12 BpO [St]), h盲tte sich dem FG eine Pr眉fung der Frage aufdr盲ngen m眉ssen, ob dem Kl盲ger nicht Pr眉fungsfeststellungen f眉r die Jahre 1970 bis 1972 bekanntgewesen sind, die eine nicht unerhebliche Nachforderung von Steuern auch f眉r das Jahr 1969 erwarten lie脽en.
5. Wegen dieses Verfahrensmangels geht die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zur眉ck (搂 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1) Es handelt sich um die BpO (St) a. F.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 73008 |
BStBl II 1979, 162 |
BFHE 1979, 379 |