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Leitsatz (amtlich)
Das Vorliegen von Ausnahmetatbest盲nden, die zu einer Ausdehnung des sogenannten eingeschr盲nkten Pr眉fungszeitraums berechtigen, ist aus der Sicht derjenigen Verh盲ltnisse zu beurteilen, die dem FA im Zeitpunkt der Anordnung der Erweiterung des Betriebspr眉fungszeitraumes bekannt sind und zur Begr眉ndung dieser Anordnung dienen.
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Normenkette
BPO(St) 搂 4 Abs. 2
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Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionskl盲ger (FA) im Streitfalle den Pr眉fungszeitraum nach 搂 4 Abs. 2 BpO(St) 眉ber die letzten drei Veranlagungszeitr盲ume hinaus auszudehnen berechtigt war.
Mit Verf眉gung vom 10. September 1968 ordnete das FA eine Betriebspr眉fung bei der Kl盲gerin und Revisionsbeklagten f眉r die Veranlagungszeitr盲ume 1963 bis 1966 an. Mit ihrer Beschwerde wandte sich die Kl盲gerin - soweit es hier von Interesse ist - gegen die Einbeziehung des Veranlagungszeitraums 1963 in den Pr眉fungszeitraum.
W盲hrend das FA f眉r die Berechtigung seiner Pr眉fungsanordnung auf das Ergebnis der letzten Betriebspr眉fung verwies, die erhebliche M盲ngel in der Kassenf眉hrung (so unter anderem einen Kassenmehrbestand von 8 591 DM) aufgedeckt habe, die sich auch auf das Jahr 1963 und einen Teil des Jahres 1964 auswirkten, und zu Mehrsteuern in H枚he von 30 000 DM gef眉hrt habe, machte die Kl盲gerin geltend, da脽 es sich bei den 8 591 DM um private Spargelder ihrer Gesellschafter gehandelt habe, die mit den Gesch盲ftsgeldern im gleichen Kassenschrank aufbewahrt worden seien. Im 眉brigen seien die aufgrund des Ergebnisses der Betriebspr眉fung vom Jahre 1964 ergangenen Umsatzsteuerbescheide und einheitlichen Gewinnfeststellungen Gegenstand eines Rechtsstreits gewesen, der vor dem FG im Jahre 1967 mit einem "Vergleich" geendet habe, so da脽 R眉ckschl眉sse aus diesen Feststellungen f眉r die Zukunft nicht gegeben seien.
Die Beschwerde blieb ohne Erfolg. Auf die zu ihm erhobene Klage hob das FG die Beschwerdeentscheidung der OFD vom 23. April 1969 sowie die Pr眉fungsanordnung des FA insoweit auf, als sie den Veranlagungszeitraum 1963 betraf. Das FG f眉hrte aus:
Wenngleich die BpO(St) keine die Gerichte bindenden Rechtsnormen setze, sei ein Abweichen der F脛 von ihren Bestimmungen doch ermessensfehlsam und damit rechtswidrig. Nach 搂 4 Abs. 2 BpO(St) solle bei anderen Betrieben als Gro脽betrieben der Pr眉fungszeitraum nicht 眉ber die letzten drei Veranlagungszeitr盲ume, f眉r die Steuererkl盲rung abgegeben wurden, zur眉ckgreifen, es sei denn, da脽 die Besteuerungsgrundlagen nicht ohne Erweiterungen des Pr眉fungszeitraumes festgestellt werden k枚nnten oder mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen oder nicht unerheblichen Steuererstattungen zu rechnen sei oder der Verdacht eines Steuervergehens bestehe. Im Streitfalle gehe es um das Vorliegen des zweiten Ausnahmetatbestandes, der dann vorliegen solle, wenn "mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen ist".
Die Feststellung, ob dieser Ausnahmetatbestand gegeben sei, k枚nne vom Gericht nicht nach dem subjektiven Daf眉rhalten eines Steuerbeamten, sondern nur anhand konkreter, glaubw眉rdiger Tatsachen getroffen werden. Solche l盲gen im Streitfalle nach Ansicht des FG nicht vor.
Delhey (Steuerliche Betriebspr眉fung 1967 S. 199 [201]) weise zu Recht darauf hin, da脽 mit diesem Tatbestand diejenigen F盲lle erfa脽t werden sollten, bei denen die Pr眉fung des eingeschr盲nkten Pr眉fungszeitraums zu nicht unerheblichen Steuernachforderungen gef眉hrt habe und bei denen offensichtlich im Vorjahr oder in den Vorjahren die gleichen Verh盲ltnisse vorgelegen h盲tten, so da脽 auch f眉r diesen Zeitraum in der gleichen Weise mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen sei. Dem sei zuzustimmen. Denn es sei ein anderes, ob aus den Verh盲ltnissen sp盲terer Jahre auf die Vorjahre R眉ckschl眉sse gezogen w眉rden oder ob - wie im Streitfalle - umgekehrt aus den Verh盲ltnissen der Vorjahre auf die sp盲teren Jahre geschlossen werde. Deshalb seien die Ausf眉hrungen des Pr眉fers in Tz. 41 des Betriebspr眉fungsberichts vom 29. Juli 1964 (es m眉sse angenommen werden, da脽 auch f眉r das Jahr 1963 die gleichen Beanstandungen zur Buchf眉hrung gegeben seien, wie f眉r den Pr眉fungszeitraum - 1960 bis 1962 - festgestellt, und somit die Besteuerungsgrundlagen auch f眉r das Jahr 1963 zu sch盲tzen seien) ohne Belang und ohne Aussagewert, da der Pr眉fer das Jahr 1963 nicht gepr眉ft habe. Auch der zu Anfang der letzten Betriebspr眉fung am 9. Juli 1964 vorgenommene Kassensturz besage in Richtung auf das Vorliegen des vom FA in Anspruch genommenen Ausnahmetatbestands nichts, da der Pr眉fer nicht einmal festgestellt habe, worauf der angebliche Mehrbestand zur眉ckzuf眉hren gewesen sei und ob 眉berhaupt ein Kassenmehrbestand vorgelegen habe. Der Einwand des FA, da脽 die Kl盲gerin verpflichtet gewesen sei, den seinerzeit vorgefundenen Mehrbestand aufzukl盲ren, gehe fehl, da dem FA die Pflicht zur Amtsermittlung obgelegen habe und es durchaus m枚glich sei, da脽 der Pr眉fer dem angeblichen Kassenmehrbestand vom 9. Juli 1964 nicht weiter nachgegangen sei, weil er das Jahr 1964 nicht zu pr眉fen gehabt habe.
Eine Ausdehnung des an sich eingeschr盲nkten Pr眉fungszeitraums 1964 bis 1966 auch auf das Jahr 1963 sei danach nur m枚glich gewesen, wenn bei der Pr眉fung bedeutsame Buchf眉hrungsm盲ngel oder sonstige gravierende Tatsachen festgestellt worden w盲ren und gleichzeitig h盲tte festgestellt werden k枚nnen, da脽 in dem gesch盲ftlichen Gebaren und in der Buchf眉hrung der Kl盲gerin gegen眉ber dem Vorjahr keine 脛nderung eingetreten sei. In diesem Zusammenhang h盲tten dann auch die f眉r die Jahre 1961 und 1962 festgestellten Buchf眉hrungsm盲ngel bedeutsam und zur Begr眉ndung der Ausdehnung des Pr眉fungszeitraums herangezogen werden k枚nnen. Es k枚nne indes nicht gebilligt werden, da脽 das FA, ohne das Ergebnis der Pr眉fung des eingeschr盲nkten Zeitraums 1964 bis 1966 abzuwarten, das Jahr 1963 ohne ausreichende Anhaltspunkte f眉r zu erwartende Mehrsteuern in den Pr眉fungszeitraum einbezogen habe. Auch der Umstand, da脽 die einheitliche Gewinnfeststellung f眉r das Jahr 1963 nur vorl盲ufig vorgenommen worden sei, gebe keinen Anla脽, anders zu entscheiden, da es das FA in der Hand habe, sich den insoweit ung眉nstigen Auswirkungen vorl盲ufiger Veranlagungen dadurch zu entziehen, da脽 es sie rechtzeitig pr眉fen lasse und damit den regelm盲脽ig geltenden eingeschr盲nkten Pr眉fungszeitraum wahre.
Soweit die inzwischen abgeschlossene Betriebspr眉fung f眉r die Jahre 1964 bis 1966 Anhaltspunkte f眉r eine berechtigte Ausdehnung der Betriebspr眉fung auf das Jahr 1963 erbracht habe, k枚nne dies f眉r die Entscheidung nicht ber眉cksichtigt werden, da die Entscheidung auf die Verh盲ltnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Beschwerdeentscheidung abzustellen habe (Urteil des BFH II 46/64 vom 25. Juli 1967, BFH 89, 374, BStBl III 1967, 661, mit weiterer Rechtsprechung).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Zur Begr眉ndung tr盲gt das FA vor:
Nach allgemeiner Ansicht enthalte die Bestimmung des 搂 4 Abs. 2 BpO(St) eine Richtlinie f眉r die Aus眉bung des Ermessens im Rahmen der Vorschrift des 搂 162 Abs. 10 AO, soweit diese den zeitlichen Umfang des Pr眉fungsrechts des FA regele. Zu dem Kreis der bei der Aus眉bung des Ermessens anzustellenden Erw盲gungen geh枚re auch die Beurteilung der Frage, ob der bekannt gewordene Sachverhalt die Annahme rechtfertige, da脽 bei Nachpr眉fung mit erheblichen Mehrsteuern zu rechnen sei sowie die Entscheidung der Frage, in welchem Stadium des Ablaufes der Betriebspr眉fung diese Frage zu pr眉fen und zu entscheiden sei. Das FA handele deshalb ermessensgerecht, wenn es seine Entscheidung, die Pr眉fung auszudehnen, sofort dann treffe, wenn die sie begr眉ndenden Umst盲nde erstmals bekannt w眉rden. Nur so k枚nne die Betriebspr眉fung in einem Zuge abgeschlossen werden. Da diese Umst盲nde bereits vor dem Beginn der neuen Betriebspr眉fung im Jahre 1966 bekannt gewesen seien, sei das FA auch berechtigt gewesen, 眉ber die Ausdehnung des Pr眉fungszeitraums unabh盲ngig von weiteren Ermittlungen durch die neue Betriebspr眉fung zu entscheiden.
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Aus den Gr眉nden:
Die Revision f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Ausgangspunkt der Beurteilung ist - wie das FA zu Recht betont - die Vorschrift des 搂 162 Abs. 10 AO, deren einheitlicher Auslegung durch die F脛 hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung des Betriebspr眉fungszeitraums die Bestimmung des 搂 4 Abs. 2 BpO(St) dient. Sie schr盲nkt zugleich das bisher hinsichtlich der zeitlichen Ausdehnung des Pr眉fungszeitraums unbegrenzte Ermessen des FA (s. Urteil des RFH VI A 161/35 vom 25. November 1936, RStBl 1936, 1193) ein (vgl. Kalb, 叠别迟谤颈别产蝉辫谤眉蹿耻苍驳蝉辞谤诲苍耻苍驳 (Steuer), 2. Aufl., S. 8; Reichel, 叠别迟谤颈别产蝉辫谤眉蹿耻苍驳蝉辞谤诲苍耻苍驳 (Steuer), Buchreihe "Finanz und Steuern" Bd. 36 S. 23; Schr枚der-Delhey, Handkommentar zur 叠别迟谤颈别产蝉辫谤眉蹿耻苍驳蝉辞谤诲苍耻苍驳 (Steuer), Anm. 8 letzter Absatz zu 搂 4). Gleichwohl erwachsen den Steuerpflichtigen aus den Bestimmungen der BpO(St) - als einer Verwaltungsanordnung - keine im Klagewege verfolgbaren subjektiven Rechte im materiellen Sinne (vgl. BFH-Urteil III 74/60 U vom 20. November 1964, BFH 81, 205, BStBl III 1965, 73). Eine vom Steuerpflichtigen ger眉gte Verletzung ihrer Bestimmungen durch das FA ist deshalb nur auf einen etwaigen Ermessensfehlgebrauch des FA hin nachpr眉fbar.
2. In welcher Weise nun das FA vorzugehen hat, um das Vorliegen der tats盲chlichen Voraussetzungen f眉r die Ausdehnung des Betriebspr眉fungszeitraums auf einen fr眉heren, vom sogenannten eingeschr盲nkten Pr眉fungszeitraum von drei Jahren nicht erfa脽ten Veranlagungszeitraum festzustellen und dem Steuerpflichtigen gegen眉ber zu begr眉nden (vgl. BFH-Urteil IV R 259/69 vom 29. April 1970, BFH 99, 365, BStBl III 1970, 714), sagt die Bestimmung nicht.
Folgt man den Ausf眉hrungen von Schr枚der-Delhey (a. a. O., Anm. 13 zu 搂 4), so ist das Vorliegen der Voraussetzungen f眉r die Annahme eines der in 搂 4 Abs. 2 Halbsatz 2 BpO(St) genannten Ausnahmetatbest盲nde "aus der Sicht zu beurteilen, die sich f眉r das FA im Zeitpunkt ergibt, in dem eine erweiterte Bp.-Anordnung ergeht". Das schlie脽t nicht aus, da脽 sich auch bei Durchf眉hrung der (zun盲chst) auf den Dreijahreszeitraum dieser Bestimmung eingeschr盲nkten Pr眉fung Umst盲nde ergeben k枚nnen, die zur Ausdehnung des Pr眉fungszeitraums f眉hren. In diesen F盲llen ist die urspr眉ngliche Pr眉fungsanordnung durch das FA entsprechend zu erweitern. Anders aber als nach der Auffassung des FG ist es auch nach Ansicht des erkennenden Senats nicht erforderlich, da脽 die Voraussetzungen f眉r die Ausdehnung des sogenannten eingeschr盲nkten Pr眉fungszeitraums auf ein oder mehrere fr眉here Jahre ausschlie脽lich im Zuge der Betriebspr眉fung festgestellt werden (m眉ssen). Ergeben sich - wie im Streitfalle - bereits im Zeitpunkt der Pr眉fungsanordnung aus den Akten des FA Anhaltspunkte daf眉r, da脽 "mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen ist", bestehen gegen eine Ausdehnung der Pr眉fungsanordnung keine Bedenken.
Gegen diese Auffassung kann auch nicht geltend gemacht werden, da脽 das FA diese Anhaltspunkte bereits bei Durchf眉hrung der Veranlagung zum Anla脽 einer eingehenderen Pr眉fung nehmen m眉sse. Es kann nicht bestritten werden, da脽 das Veranlagungsverfahren angesichts der Masse der j盲hrlich anfallenden Steuererkl盲rungen nicht mit letzter Gr眉ndlichkeit betrieben werden kann. Deshalb ist es Aufgabe der Betriebspr眉fung, im Nachhinein jene gr眉ndlichere 脺berpr眉fung vorzunehmen.
Schlie脽lich kann auch nicht eingewendet werden, da脽 es im Belieben des FA stehe, in solchen F盲llen den Pr眉fungsturnus so einzurichten, da脽 sich ein eingeschr盲nkter Pr眉fungszeitraum nahtlos an den vorangegangenen anschlie脽e. Einer solchen Forderung steht das faktische Fehlen der dazu erforderlichen Kr盲fte bei den F脛 gegen眉ber.
3. Pr眉ft man die im Betriebspr眉fungsbericht vom 29. Juli 1964 enthaltenen Beanstandungen auf ihre Eignung, die Ausdehnung des Betriebspr眉fungszeitraums auch auf das Jahr 1963 zu begr眉nden, so bestehen nach Ansicht des erkennenden Senats an ihrer Eignung dieserhalb keine Bedenken.
Abgesehen von dem am 9. Juli 1964 festgestellten Kassenmehrbestand von 8 591 DM lagen Aufzeichnungen f眉r den am 1. Januar 1964 angeblich gez盲hlten Kassenbestand nicht vor. Die buchm盲脽igen Kassenbest盲nde am 31. Dezember 1960 und am 31. Dezember 1961 waren, da sie der Kl盲gerin in einem Falle zu gering, im anderen zu hoch erschienen, durch Einnahme- bzw. Ausgabebuchungen an die tats盲chlichen Kassen-Istbest盲nde angeglichen worden, die indes ebenfalls nicht belegt werden konnten. Zweifel an der Richtigkeit der verbuchten Privatentnahmen, an der zutreffenden H枚he der Entlohnung des als Angestellter der Kl盲gerin gef眉hrten Sohnes der Teilhaberin W. sowie Fehler bei der Inventur zum 31. Dezember 1962 lie脽en die Buchf眉hrung f眉r die seinerzeit gepr眉ften Jahre als formell und sachlich nicht ordnungsm盲脽ig erscheinen. Da diese Umst盲nde die Anfangsbilanz der Kl盲gerin zum 1. Januar 1963 und damit auch das Ergebnis dieses Veranlagungszeitraums nicht unber眉hrt lassen k枚nnen, erscheint es dem Senat fraglich, ob die Besteuerungsgrundlagen f眉r die Jahre 1964 bis 1966 ohne Einbeziehung des Jahres 1963 in den Pr眉fungszeitraum ordnungsgem盲脽 h盲tten festgestellt werden k枚nnen (erster Ausnahmetatbestand des 搂 4 Abs. 2 Halbsatz 2 BpO[St]).
Die Vorentscheidung konnte danach nicht aufrechterhalten bleiben.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 70244 |
BStBl II 1973, 74 |
BFHE 1973, 179 |