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Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung Handelsrecht Gesellschaftsrecht
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Leitsatz (amtlich)
Die Berichtigung eines unrichtigen Bilanzansatzes in einer Anfangsbilanz ist nicht zul盲ssig, wenn diese Bilanz als Schlu脽bilanz der Veranlagung eines fr眉heren Jahres zugrunde gelegen hat, die nach den Vorschriften der AO nicht mehr berichtigt werden kann, oder wenn der sich bei einer Berichtigung dieser Veranlagung ergebende h枚here Steueranspruch wegen Verj盲hrung erloschen w盲re.
Der Gro脽e Senat tritt damit der Entscheidung des I. Senats des Bundesfinanzhofs I 136/60 S vom 27. M盲rz 1962 (BStBl 1962 III S. 273, Slg. Bd. 75 S. 10) und den dort ausgesprochenen Grunds盲tzen in vollem Umfang bei.
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Normenkette
EStG 搂听4 Abs.听1-2, 搂听5; AO 搂听94 Abs. 1, 搂听222/1, 搂搂听223, 148 S. 1
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Tatbestand
Der Bf. ist ein Handelsvertreter und ermittelt seinen gewerblichen Gewinn durch Verm枚gensvergleich (搂搂 4 Abs. 1, 5 EStG). Im Rahmen seines Gewerbebetriebs war er sehr h盲ufig mit seinem PKW auf Reisen; der PKW diente zu mehr als 80 v. H. betrieblichen Zwecken. Zur Sicherung gegen das durch die h盲ufigen Reisen mit dem PKW bedingte Unfallrisiko schlo脽 er eine Insassen- Unfallversicherung und eine allgemeine Unfallversicherung ab. Die Pr盲mienzahlungen f眉r diese Versicherungen behandelte er im Unfalljahr und im Vorjahr als Betriebsausgaben. Im September 1955 erlitt er auf einer Gesch盲ftsfahrt einen schweren Autounfall. Aus den beiden Versicherungsvertr盲gen erhielt er wegen dieses Unfalls an Tagegeldern und als Invalidit盲tsentsch盲digung insgesamt 35 399 DM. Der zur Entscheidung 眉ber die Rb. zust盲ndige IV. Senat sieht in diesen Einnahmen in 眉bereinstimmung mit dem Urteil des Finanzgerichts und dem Urteil des VI. Senats des Bundesfinanzhofs VI 343/62 S vom 8. April 1964 (BStBl 1964 III S. 271, Slg. Bd. 79 S. 107) Betriebseinnahmen. Der Bf. stand wegen des Unfalls bis Dezember 1955 in 盲rztlicher Behandlung. An Tagegeldern wurden im Jahre 1955 1 200 DM, im Jahre 1956 6 429 DM und im Jahre 1957 270 DM, insgesamt 7 899 DM, gezahlt. Die Invalidit盲tsentsch盲digungen aus den beiden Versicherungsvertr盲gen mit insgesamt 27 500 DM erhielt der Bf. erst im Jahre 1957. Die Tagegeldanspr眉che des Bf. waren nach den Feststellungen des Finanzgerichts am 31. Dezember 1955 in vollem Umfang anerkannt. Die Anspr眉che auf Invalidit盲tsentsch盲digung waren zu diesem Zeitpunkt lediglich dem Grunde nach anerkannt; ihre H枚he sollte erst auf Grund eines Gutachtens der Universit盲tsnervenklinik festgestellt werden. Die Untersuchung des Bf. durch die Klinik fand im Juli 1957 statt und begutachtete eine Erwerbsunf盲higkeit von 40 v. H. Am 2. November 1957 einigte sich der Bf. mit der Versicherungsgesellschaft auf Zahlung einer Invalidit盲tsentsch盲digung f眉r einen Dauerschaden aus einer 27,5 - prozentigen Erwerbsminderung. Hinsichtlich der Invalidit盲tsentsch盲digung von 27 500 DM war das Finanzgericht der Auffassung, da脽 am Bilanzstichtag des Streitjahres, am 31. Dezember 1956, noch nicht festgestanden habe, in welchem Umfang der Bf. eine solche erhalten werde. Er h盲tte seine Forderung auf diese Entsch盲digung bei vorsichtiger Bewertung mit einem Teilbetrag von 15 000 DM aktivieren m眉ssen. Hinsichtlich der Tagegeldentsch盲digung war das Finanzgericht der Auffassung, da脽 die Anspr眉che hierauf bereits im Jahre 1955 entstanden waren. Der Bf. h盲tte seine 眉ber die bereits im Jahre 1955 erhaltenen 1 200 DM hinausgehenden Anspr眉che zum 31. Dezember 1955 aktivieren m眉ssen. Da die Veranlagung 1955 bereits rechtskr盲ftig abgeschlossen und eine Aktivierung dieser Forderung unterblieben war, k枚nne die Anfangsbilanz zum 1. Januar 1956 nach den Grunds盲tzen des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 185/58 U vom 25. August 1960 (BStBl 1960 III S. 444, Slg. Bd. 71 S. 523) aus Gr眉nden der Wahrung des Bilanzenzusammenhangs nicht mehr ge盲ndert werden, so da脽 ein weiterer das Jahr 1955 betreffender Gewinn aus den Versicherungsvertr盲gen im Streitjahr 1956 zu erfassen sei.
Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs ist der Auffassung, da脽 bei Aufstellung der Schlu脽bilanz 1955 der Grad der durch den Unfall verursachten Invalidit盲t des Steuerpflichtigen festgestanden habe und mithin die sich danach bemessenden Tagegeldanspr眉che des Bf. am Bilanzstichtag vom 31. Dezember 1955 mindestens sch盲tzungsweise h盲tten ermittelt werden k枚nnen. In H枚he des sich danach ergebenden Betrages geh枚rten sie zum Betriebsverm枚gen des Veranlagungsjahres 1955. Der IV. Senat ist im Gegensatz zum Finanzgericht der Auffassung, da脽 die im Jahre 1956 an den Bf. gezahlten Tagegelder f眉r das Streitjahr 1956 als erfolgsneutral zu behandeln seien, soweit sie zum 31. Dezember 1955 zu aktivieren gewesen w盲ren. Ein fehlerhafter Bilanzansatz m眉sse stets bis zur Quelle zur眉ckberichtigt werden. Der Umstand, da脽 infolge Rechtskraft einer fr眉heren Veranlagung oder infolge eingetretener Verj盲hrung ein Teil der Einkommensteuer unerhoben bleiben mu脽, k枚nne einer solchen R眉ckw盲rtsberichtigung nicht entgegenstehen.
Der IV. Senat, der au脽er dem angef眉hrten noch 眉ber einen weiteren Streitpunkt entscheiden mu脽, hat die Rechtsfrage an den Gro脽en Senat verwiesen, weil er in dieser von der Rechtsauffassung des I. Senats abweichen wollte, wie sie in dem gem盲脽 搂搂 64 und 66 Abs. 1 AO f眉r alle Senate bindenden Urteil I 136/60 S vom 27. M盲rz 1962 (BStBl 1962 III S. 273, Slg. Bd. 75 S. 10) niedergelegt ist. Der I. Senat hat dieser Abweichung nicht zugestimmt.
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Der Gro脽e Senat hat beschlossen, den Grunds盲tzen des angef眉hrten Urteils I 136/60 S (a. a. O.) beizutreten.
Der Gro脽e Senat ist mit dem I. Senat der Auffassung, da脽 eine R眉ckw盲rtsberichtigung fehlerhafter Betriebsverm枚gen im Sinn des 搂 4 Abs. 1 Satz 1 EStG nur in Betracht kommt, wenn das fehlerhafte Betriebsverm枚gen einer Veranlagung noch nicht zugrunde gelegen hat, oder wenn die auf ihm beruhende Veranlagung nach allgemeinen Grunds盲tzen berichtigt oder ge盲ndert werden kann und berichtigt oder ge盲ndert worden ist. Ist dies nicht mehr m枚glich, so scheidet die steuerliche Berichtigung des Betriebsverm枚gens am Schlu脽 des Wirtschaftsjahres und infolge seiner Identit盲t mit dem Betriebsverm枚gen am Anfang des folgenden Wirtschaftsjahres auch dessen Berichtigung grunds盲tzlich aus. Mit zutreffenden Erw盲gungen hat sich der I. Senat f眉r seine Auffassung darauf berufen, da脽 es nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Sinn und Zweck des 搂 4 Abs. 1 EStG entspricht, bei der Gewinnermittlung durch Betriebsverm枚gensvergleich als Anfangsbetriebsverm枚gen das Betriebsverm枚gen zugrunde zu legen, auf dem die Veranlagung des Vorjahrsgewinns beruht, solange diese Veranlagung nicht ge盲ndert worden ist. Der Gro脽e Senat vermag der Auffassung des IV. Senats nicht darin zu folgen, da脽 der Begriff des Bilanzenzusammenhangs falsch verstanden werde, wenn er dazu dienen solle, den Totalgewinn eines Unternehmens unabh盲ngig vom einzelnen Periodengewinn zu erfassen, weil nach 搂 2 Abs. 1 EStG nur dieser der Einkommensteuer unterliege.
Der Regelung der abschnittsweisen steuerlichen Erfassung des Einkommens, das ein Steuerpflichtiger im Kalenderjahr bezogen hat, in 搂 2 Abs. 1 EStG kann nicht das Gewicht beigemessen werden, das sich insbesondere nach den Verj盲hrungsvorschriften bei den Verkehrsteuern ergibt. Bei diesen handelt es sich jeweils um die Besteuerung eines abgeschlossenen Vorganges, an den sich die Leistungspflicht kn眉pft. Die Einkommensteuer stellt dagegen eine laufende Steuer dar. Soweit das zu besteuernde Einkommen den Gewinn erfa脽t, ist oft eine absolut richtige Ermittlung f眉r den einzelnen Veranlagungsabschnitt nicht m枚glich. Das Betriebsverm枚gen des Kaufmanns wird durch die Bilanz ausgewiesen. Die in der Bilanz ausgewiesenen Aktiven und Passiven beruhen aber nicht auf feststehenden unbedingt zutreffenden Wertma脽st盲ben. F眉r den Ansatz dieser Wertma脽st盲be ergeben sich sowohl nach dem Handelsrecht wie nach dem Steuerrecht vielerlei Gesichtspunkte. Die zu w盲hlenden Wertma脽st盲be beruhen u. a. auf einem Wahlrecht oder auf einem Ermessen des Steuerpflichtigen. Dies gilt insbesondere auch f眉r die H枚he der Abschreibungen. Abschreibungen sind in der Bilanz deshalb auszuweisen, weil sie den Wertverzehr der Wirtschaftsg眉ter auf deren Lebensdauer verteilen m眉ssen. Dabei kann ein Steuerpflichtiger z. B. bei den geringwertigen Wirtschaftsg眉tern diese im Jahr der Anschaffung voll abschreiben, obwohl ein Wertverzehr auch hier erst im Laufe der Jahre eintritt. Er kann aber auch die Abschreibung auf deren Lebensdauer verteilen. Auch bei der Bewertung von Forderungen gibt es unterschiedliche Wertma脽st盲be, die vielfach nur mit Sch盲tzungen begr眉ndet werden k枚nnen. Streitige Forderungen k枚nnen in der Regel noch au脽er Ansatz bleiben. F眉r dem Grunde nach anerkannte Forderungen, die der H枚he nach noch bestritten sind, ist ein Wertansatz oft nur schwer zu finden. Bei Sonderabschreibungen auf Grund der 搂搂 7a ff. EStG ist es in das Ermessen des Steuerpflichtigen gestellt, ob er solche im Rahmen der zu erstellenden Bilanz vornehmen will. Aus alledem folgt, da脽 es ein absolut zutreffend bewertetes Betriebsverm枚gen und bei dessen Vergleich mit dem vorangegangenen Betriebsverm枚gen keinen absolut zutreffenden gewerblichen Gewinn, den allein richtigen Gewinn, geben kann. Wollte man der im Schrifttum ge盲u脽erten Kritik gegen das Urteil I 136/60 S (a. a. O.), das auf der vom Reichsfinanzhof und Bundesfinanzhof entwickelten Rechtsprechung beruht, - so insbesondere Littmann in "Der Betrieb" 1961 S. 1271 und 1962 S. 813; Berger in "Aus Beruf und Praxis" 1961 S. 3 und Steuerberaterjahrbuch 1961/62 S. 278; Mittelbach, Der Steuerberater 1959, S. 92, und Besprechung bei Loepelmann zu Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 136/60 S; ebendort auch Paulick und Weisensee - folgen, so m眉脽ten bei der Veranlagung jeden Jahres die Bilanzen der Steuerpflichtigen auf das Genaueste 眉berpr眉ft werden, weil ein fehlerhafter Ansatz zu einem Ausfall von Steueranspr眉chen oder einem Zuviel an Steuern f眉hren m眉脽te und weil nach Rechtskraft der Veranlagung, der eine solche Bilanz zugrunde gelegen hat, deren Berichtigung nicht mehr m枚glich ist. Wenn 搂 4 Abs. 1 Satz 1 EStG als Gewinn den Unterschiedsbetrag zwischen den beiden Betriebsverm枚gen am Schlu脽 des vorangegangenen und des laufenden Wirtschaftsjahrs anspricht, so kann darunter im Sinne des Grundsatzurteils I 136/60 S (a. a. O.) nur das der Veranlagung des Vorjahres zugrunde gelegte Betriebsverm枚gen verstanden werden. Das EStG 1925 hatte dies in 搂 13 auch ausdr眉cklich ausgesprochen. Wenn die entsprechende Vorschrift des 搂 4 Abs. 1 seit dem EStG 1934 das nicht mehr ausdr眉cklich anf眉hrt, so ist in nichts ersichtlich, da脽 mit der Neufassung des gesetzlichen Tatbestandes eine Rechts盲nderung beabsichtigt war. Nach der Lehre vom Bilanzenzusammenhang und dem sich damit ergebenden automatischen Fehlerausgleich, erscheint der Hinweis in 搂 13 auf das der vorangegangenen Veranlagung zugrunde gelegte Betriebsverm枚gen, weil selbstverst盲ndlich, als 眉berfl眉ssig. Das der Veranlagung zugrunde gelegte Betriebsverm枚gen ist damit zu einem Besteuerungsmerkmal geworden, weil dieses Betriebsverm枚gen durch ein vom Steuerpflichtigen nach seinen Wahlrechten und dem ihm zustehenden Ermessen in der Veranlagungsbilanz ausgewiesen worden ist. Durch den Bilanzenzusammenhang und die Zweischneidigkeit der Bilanz ergibt sich notwendigerweise ein Fehlerausgleich, der in der Regel gleicherma脽en den Interessen des Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung entspricht. Mit Herrmann-Heuer (Kommentar zur Einkommensteuer und K枚rperschaftsteuer, Anm. 77 c zu 搂 4 EStG) und dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 185/58 U, a. a. O., erscheint die periodengerechte Ermittlung des Gewinns weniger wichtig als die richtige Besteuerung des einzelnen Gesch盲ftsvorfalls. Damit erscheint es zutreffend, einen r眉ckwirkenden Fehlerausgleich nur insoweit vorzunehmen, als vorangegangene Veranlagungen und die ihnen zugrunde liegenden Bilanzen noch ge盲ndert werden k枚nnen und ge盲ndert worden sind oder ein Fehler in diesen Bilanzen sich bisher steuerlich nicht ausgewirkt hat. Dabei sind die Grunds盲tze von Treu und Glauben zu beachten. Nach 搂 4 Abs. 2 EStG kann ein Steuerpflichtiger die Berichtigung fr眉herer unrichtiger Bilanzen verlangen, aber auch nur im Rahmen der Grunds盲tze von Treu und Glauben. Hat er die Bilanz selbst aufgestellt und bestimmte Forderungen oder Schulden nicht ausgewiesen, so kann er eine r眉ckwirkende Bilanzberichtigung nicht f眉r einen Veranlagungszeitraum verlangen, dessen Veranlagung nicht mehr ge盲ndert werden kann.
F眉r die Beurteilung des Streitfalles mu脽 von diesen in dem angef眉hrten Urteil I 136/60 S vertretenen Grunds盲tzen ausgegangen werden. Daraus folgt, da脽 es hier dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen w眉rde, wenn der Steuerpflichtige, nachdem die Veranlagung 1955 nicht mehr ge盲ndert werden kann, die Berichtigung der dieser zugrunde gelegten Bilanz hinsichtlich der Tagegeldanspr眉che beanspruchen wollte. Kann er selbst diese Berichtigung nicht mehr verlangen, so kann eine solche Bilanzberichtigung nicht von Amts wegen durch die Steuergerichte vorgenommen werden. Eine andere Beurteilung w眉rde zu einer groben Verzerrung der Gewinnermittlung f眉hren.
Der f眉r die Entscheidung 眉ber die Rb. des Steuerpflichtigen zust盲ndige IV. Senat hat bei der Beurteilung der Rechtsfrage in diesem Streitpunkt die Grunds盲tze dieses Beschlusses zugrunde zu legen.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 411878 |
BStBl III 1966, 142 |
BFHE 84, 392 |
BB 1966, 317 |
DB 1966, 445 |