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Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache
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Leitsatz (NV)
1. Ist die Hauptsacheerledigung auf ein nachtr盲glich eingetretenes au脽erprozessuales Ereignis (hier die Bescheinigung der Denkmalschutzbeh枚rde) zur眉ckzuf眉hren, ist nicht 搂 138 Abs. 2 FGO, sondern 搂 138 Abs. 1 FGO der Ma脽stab f眉r die Kostentragungspflicht.
2. Die insofern gebotene Ber眉cksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands verlangt nicht, schwierige rechtliche Fragen, die in der Hauptsache zu entscheiden gewesen w盲ren, erstmals zu pr眉fen.
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Normenkette
FGO 搂 138 Abs.听1-2; EStG 搂搂听7i, 10f; AO 搂听155 Abs. 2, 搂听162 Abs. 5
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kl盲ger und Revisionsbeklagten (Kl盲ger) erwarben eine unsanierte Eigentumswohnung in X, die sie im September 2010 bezogen. Sie reichten am 21. September 2010 beim Amt f眉r Bauordnung und Denkmalpflege der Stadt X (Denkmalschutzbeh枚rde) einen Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung gem盲脽 搂搂 7i, 10f und 11b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein, was von der Denkmalschutzbeh枚rde ebenso best盲tigt wurde wie die Tatsache, dass das erforderliche denkmalschutzrechtliche Abstimmungsverfahren eingehalten worden sei.
Rz. 2
In ihrer Steuererkl盲rung f眉r das Streitjahr 2010 begehrten die Kl盲ger gem盲脽 搂 10f Abs. 1 EStG die Ber眉cksichtigung von 24.480 鈧 als Aufwendungen f眉r Wohneigentum; dieses wurde von dem Beklagten und Revisionskl盲ger (Finanzamt --FA--) abgelehnt. Mit dem Urteil vom 11. Januar 2012 hat das Finanzgericht (FG) der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage teilweise stattgegeben und den Einkommensteuerbescheid 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2011 dahingehend ge盲ndert, dass weitere Sonderausgaben in H枚he von 22.032 鈧 zu ber眉cksichtigen seien. Das FA hat die zugelassene Revision fristgerecht eingelegt und begr眉ndet, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.
Rz. 3
Nachdem die Denkmalschutzbeh枚rde am 2. Mai 2012 Sanierungsaufwendungen in H枚he von 224.067,14 鈧 anerkannt hatte, 盲nderte das FA mit Bescheid vom 13. Juni 2012 den Einkommensteuerbescheid 2010 und legte nunmehr Sonderausgaben in H枚he von 20.167 鈧 als Aufwendungen f眉r die eigene Wohnung der Besteuerung der Kl盲ger zugrunde.
Rz. 4
Die Kl盲ger erkl盲rten am 18. Juli 2012 "den Rechtsstreit in der Hauptsache im Revisionsverfahren f眉r erledigt". Sie sind der Auffassung, dem FA seien die Kosten aufzuerlegen, weil das FA den urspr眉nglichen Einkommensteuerbescheid erlassen habe, ohne seiner Pflicht gem盲脽 搂搂 155 Abs. 2 und 162 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) nachzukommen und die Sonderausgaben gem盲脽 搂 10f EStG zu sch盲tzen.
Rz. 5
Das FA erkl盲rte am 9. August 2012 den Rechtsstreit in der Hauptsache f眉r erledigt. Es beantragt eine Kostenentscheidung gem盲脽 搂 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). F眉r eine Kostenentscheidung gem盲脽 搂 138 Abs. 2 FGO sei kein Raum, da der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2010 rechtm盲脽ig gewesen und der Grund f眉r die 脛nderung des Einkommensteuerbescheids von ihm nicht zu vertreten gewesen sei.
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Rz. 6
II. 1. Der Rechtsstreit ist wirksam in der Hauptsache f眉r erledigt erkl盲rt worden.
Rz. 7
a) Die Kl盲ger haben zwar "den Rechtsstreit in der Hauptsache im Revisionsverfahren f眉r erledigt" erkl盲rt. Die Bezugnahme in der Formulierung auf das Revisionsverfahren bedeutet indes keine Einschr盲nkung der Erledigungserkl盲rung auf das Rechtsmittelverfahren (vgl. dazu Gr盲ber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., 搂 138 Rz 60). Dies ergibt sich eindeutig aus dem Kontext mit den Schreiben des FA vom 12. Juni 2012 und der Gesch盲ftsstelle des angerufenen Senats vom 21. Juni 2012.
Rz. 8
b) Es ist unerheblich, dass das BMF keine Erledigungserkl盲rung abgegeben hat. Hat sich der Rechtsstreit durch die 眉bereinstimmenden Erkl盲rungen der Kl盲ger und des FA in der Hauptsache erledigt, ist f眉r eine Erledigungserkl盲rung des dem Verfahren beigetretenen BMF kein Raum mehr (st盲ndige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. Beschl眉sse vom 14. Mai 1975 VII R 107/72, BFHE 115, 425, und vom 29. Juli 1996 III R 144/93, nicht ver枚ffentlicht, juris).
Rz. 9
c) Da die Erledigungserkl盲rungen im Revisionsverfahren abgegeben wurden, ist das angefochtene Urteil einschlie脽lich der darin enthaltenen Kostenentscheidung gegenstandslos geworden (BFH-Beschl眉sse vom 29. Mai 1996 I R 79/95, BFH/NV 1996, 846; vom 25. Januar 1994 V R 128/85, BFH/NV 1995, 918, und vom 30. M盲rz 2011 X R 13/11, nicht ver枚ffentlicht, juris).
Rz. 10
2. Nachdem die Beteiligten die Hauptsache 眉bereinstimmend f眉r erledigt erkl盲rt haben, hat der beschlie脽ende Senat nur noch 眉ber die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden (搂 138 Abs. 1 FGO).
Rz. 11
a) Zwar sind gem盲脽 搂 138 Abs. 2 FGO die Kosten der Beh枚rde aufzuerlegen, wenn sich ein Rechtsstreit dadurch erledigt, dass dem Antrag des Steuerpflichtigen durch R眉cknahme oder 脛nderung des angefochtenen Verwaltungsaktes stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt erlassen wird (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2002 I R 87/00, BFH/NV 2003, 785). Ist die Erledigung hingegen auf ein nachtr盲glich eingetretenes au脽erprozessuales Ereignis (hier die Bescheinigung der Denkmalschutzbeh枚rde) zur眉ckzuf眉hren, ist nicht 搂 138 Abs. 2 FGO sondern 搂 138 Abs. 1 Halbsatz 2 FGO der Ma脽stab f眉r die Kostentragungspflicht (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2001 X R 128/97, BFH/NV 2002, 337, m.w.N.; siehe dazu auch Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 搂 138 FGO Rz 61). Mithin h盲ngt die Kostenfolge von einer summarischen Beurteilung der Frage ab, wie --ausgehend vom bisherigen Sach- und Streitstand-- das Gericht voraussichtlich entschieden h盲tte, wenn es nicht zur Hauptsacheerledigung gekommen w盲re (Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 337). Dabei sind f眉r die Kostenentscheidung nicht die Erfolgsaussichten der Revision, sondern die des Rechtsstreits ma脽geblich (siehe Gr盲ber/ Ratschow, a.a.O., 搂 138 Rz 35).
Rz. 12
b) Die summarische Pr眉fung der Erfolgsaussichten ergibt im Streitfall, dass das FA zum gr枚脽ten Teil unterlegen w盲re und dementsprechend die Kosten zu tragen hat.
Rz. 13
aa) Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtm盲脽igkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2010 insoweit, als das FA den Antragstellern den vollst盲ndigen Sonderausgabenabzug gem盲脽 搂 10f EStG i.V.m. 搂 7i EStG versagt hat. Das FG hat unter ausdr眉cklicher Ber眉cksichtigung der Rechtsprechung des erkennenden Senats in dessen Beschluss vom 20. Juli 2010 X B 70/10 (BFH/NV 2010, 2007) entschieden, das FA habe nicht ohne Weiteres den Ansatz des geltend gemachten Abzugsbetrags vollst盲ndig unterlassen d眉rfen. Vielmehr h盲tte es den vorl盲ufigen Ansatz eines Abzugsbetrags im Wege der Sch盲tzung nach 搂 155 Abs. 2 AO i.V.m. 搂 162 Abs. 5 AO pr眉fen m眉ssen, da gem盲脽 搂 162 Abs. 5 AO alle in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen gesch盲tzt werden k枚nnten. Die Sch盲tzungsbefugnis nach 搂 162 Abs. 5 AO kn眉pfe in systematischer Hinsicht nicht an die Voraussetzungen des 搂 162 Abs. 1 und 2 AO an. Innerhalb der Sch盲tzungsbefugnis habe die Finanzbeh枚rde die Frage zu beantworten, ob sie im Streitfall die gesetzlichen Vorgaben eines Abzugsbetrags nach 搂 7i EStG vorl盲ufig als gegeben ansehe. Falls sie mit ihrer Sch盲tzung von der Steuererkl盲rung abweichen wolle, m眉sse sie auch insoweit 眉berpr眉fbar darlegen, aus welchem Grund die Anerkennung versagt werden solle.
Rz. 14
bb) Das FA hat eine entsprechende Sch盲tzung nicht vorgenommen, so dass nunmehr im Rahmen der Kostenentscheidung die beg眉nstigten Aufwendungen zu sch盲tzen sind. Ebenso wie das FG ist davon auszugehen, dass die wesentlichen Voraussetzungen des 搂 7i EStG dem Grunde nach als gegeben angesehen werden k枚nnen. Durch die vorgelegten Unterlagen steht fest, dass die Kl盲ger eine Wohnung in einem denkmalgesch眉tzten Geb盲ude erworben haben. Es steht auch fest, dass ihnen daraus Herstellungskosten f眉r Bauma脽nahmen entstanden sind, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Geb盲udes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich waren, da das Geb盲ude so saniert wurde, dass die Kl盲ger die Wohnung im September 2010 beziehen konnten.
Rz. 15
cc) Wegen der Sanierungsaufwendungen, die m枚glicherweise nicht die Voraussetzungen des 搂 7i EStG erf眉llten, sah das FG einen Sicherheitsabschlag von 10 % als gerechtfertigt an. Es bestehen keine Bedenken, im Rahmen der Kostenentscheidung ebenfalls diesen Sicherheitsabschlag zugrunde zu legen.
Rz. 16
Aufgrund der Bescheinigung der Denkmalschutzbeh枚rde steht zwar zwischenzeitlich fest, dass die beg眉nstigten Sanierungsaufwendungen 224.067,14 鈧 betragen; damit sind im Streitjahr Aufwendungen in H枚he von 20.167 鈧 als Sonderausgaben anzuerkennen. Demgegen眉ber haben die Kl盲ger im Klageverfahren den Abzug von 24.280 鈧 beantragt, so dass sie in H枚he von 4.113 鈧, d.h. zu ca. 17 %, nicht obsiegt h盲tten. Dennoch sind ihnen nur 10 % der Kosten aufzuerlegen, da im Rahmen der Kostenentscheidung gem盲脽 搂 138 Abs. 1 FGO das materiell erledigende Ereignis --hier die Bescheinigung der Denkmalschutzbeh枚rde-- unber眉cksichtigt bleibt (vgl. BFH-Beschl眉sse vom 19. Dezember 2006 X B 192/03, BFH/NV 2007, 497; vom 29. November 2011 VII B 110/09, BFH/NV 2012, 797; vgl. Gr盲ber/Ratschow, a.a.O., 搂 138 Rz 30).
Rz. 17
c) Es kann dahinstehen, dass die dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 2007 zugrunde liegende Rechtsauffassung in dem anh盲ngigen Revisionsverfahren X R 7/12 nochmals einer 脺berpr眉fung unterzogen wird. Eine in dem vorliegenden Verfahren vorzunehmende erneute sachliche Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Argumenten w眉rde einen Aufwand erfordern, der die Begr眉ndung einer Kostenentscheidung 眉berspannt. Die im Rahmen von 搂 138 Abs. 1 FGO gebotene Ber眉cksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands dient nicht dazu, schwierige rechtliche Fragen, die in der Hauptsache zu entscheiden gewesen w盲ren, erstmals einer Pr眉fung zu unterziehen (BFH-Beschluss vom 27. M盲rz 2012 VIII B 176/11, BFH/NV 2012, 1163). Entsprechendes gilt, wenn die Rechtsfrage erstmals in einem Revisionsverfahren zu kl盲ren gewesen w盲re.
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Fundstellen
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BFH/NV 2013, 53 |