In der Schweiz wird mehrwertsteuerpflichtig, wer eine (jährliche) Umsatzgrenze in Höhe von CHF 100'000 überschreitet.
Umsatzgrenze 100´000 CHF weltweiter Umsatz
Seit dem 1. Januar 2018 wird bei der mehrwertsteuerbegründenden Umsatzgrenze von CHF 100'000 nicht nur auf den Umsatz in der Schweiz abgestellt, sondern vielmehr auf den weltweiten Umsatz. Beispielsweise wird ein deutscher Unternehmer, welcher in Deutschland einen Umsatz von 300'000 EUR erzielt hat, ab dem ersten "Umsatzfranken" in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig, da die weltweite mehrwertsteuerlich relevante Umsatzgrenze von CHF 100'000 deutlich überschritten ist. Wie hoch der Umsatz in der Schweiz ist, ist dabei nicht relevant.
Registrierungspflicht bei Mehrwertsteuerpflicht
Ein Unternehmen muss sich zu Jahresbeginn innerhalb von 30 Tagen als steuerpflichtige Person bei der Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) anmelden, wenn es sicher ist, dass es die Voraussetzungen für die Mehrwertsteuerpflicht in der Schweiz erfüllen wird. Dies ist der Regelfall.
Bei Unklarheit bezüglich der Mehrwertsteuerpflicht: Quartalsweise Hochrechnung
Ist zu Jahresbeginn noch unklar, ob das Unternehmen innerhalb des bevorstehenden Jahres die weltweite Umsatzhöhe von CHF 100'000 überschreiten wird, ist eine quartalsweise Hochrechnung basierend auf den bereits erzielten Umsätzen vorzunehmen. Für die Beurteilung, ob eine Mehrwertsteuerpflicht gegeben ist, sind äٱ Entgelte aus Leistungen zu berücksichtigen, welche nicht nach Art. 21 Abs. 2 des Schweizer Mehrwertsteuergesetzes (MwStG) von der Steuer ausgenommen sind (dort sind insbes. Leistungen im Medizinbereich, in der Erziehung und Bildung sowie im Kultur-, Sport-, Versicherungs- und Bankenbereich aufgeführt). Ergibt sich aus der Hochrechnung ein Umsatz von mindestens CHF 100'000, so muss die Anmeldung entweder für die Zukunft oder (freiwillig) rückwirkend auf den 1. Januar des laufenden Jahres erfolgen (Umkehrschluss aus Art. 10 Abs. 2 MwStG i.V.m. Art. 9a Mehrwertsteuerverordnung). Letzteres empfiehlt sich dann, wenn das Unternehmen bereits hohe vorsteuerbelastete Leistungen bezogen hat und die darauf entfallende Vorsteuer zurückfordern möchte.
Bestreitet ein ausländisches Unternehmen, welches in der Schweiz Leistungen erbringt, die maßgebende Umsatzgrenze von CHF 100'000 erreicht zu haben, ist es hierfür beweispflichtig.
Registrierung bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV): Was muss beachtet werden
Die Registrierung bei der ESTV hat – ohne entsprechenden Hinweis durch die Steuerbehörde – durch das Unternehmen zu erfolgen. Für die Anmeldung eines ausländischen Unternehmens ohne Wohn- bzw. Geschäftssitz oder Betriebsstätte in der Schweiz ist zusätzlich die Angabe eines in der Schweiz niedergelassenen Fiskalvertreters erforderlich. Des Weitern setzt die Eintragung ausländischer Unternehmer ins Schweizer Mehrwertsteuerregister eine Sicherstellung (Kaution oder Bürgschaft) in der Höhe von 3 % des erwarteten Inlandumsatzes in CH voraus. Nach der Eintragung muss quartalsweise die Steuer deklariert (dies ist auch unter möglich) und 60 Tage nach Ablauf der Abrechnungsperiode abgeliefert werden.
Seit 2025 ist es auf Antrag möglich, die Mehrwertsteuer nur einmal jährlich abzurechnen, was gerade für ausländische Unternehmen, die teilweise nur wenige Leistungen in der Schweiz erbringen, hilfreich ist. Allerdings setzt dies voraus, dass Ratenzahlungen entrichtet werden, diese werden von der ESTV – typischerweise auf den Vorjahreszahlen – festgesetzt.
Bei Versäumnis: Straflose Selbstanzeige (Art. 102 MwStG)
Wurde eine rechtzeitige Registrierung im Schweizer Mehrwertsteuerregister versäumt, so gibt es hierfür die Möglichkeit einer straflosen Selbstanzeige (Art. 102 MwStG). Voraussetzungen sind:
- dass die Widerhandlung keiner Behörde bekannt war,
- der Steuerpflichtige unterstützt die Behörde bei der Festsetzung der geschuldeten oder rückzuerstattenden Steuer in zumutbarer Weise und
- sich letztlich ernstlich um die Bezahlung der geschuldeten Steuer bemüht.
Bei der Überprüfung, ob ein ausländisches Unternehmen der Schweizer Mehrwertsteuer unterliegt, stellen wir teilweise fest, dass bereits in den Vorjahren Umsätze von mehr als CHF 100'000 in der Schweiz erzielt worden sind. Diese melden wir dann für die Mandanten im Rahmen einer straflosen Selbstanzeige nach und verhindern damit eine Strafzahlung.
Ausnahmen von der Registrierungspflicht und der Mehrwertsteuerpflicht
Ausgenommen vom oben beschriebenen Grundsatz und damit von der Mehrwertsteuerplicht befreit, ist ein Unternehmen, unabhängig vom Umsatz, wenn
- Leistungen im Sinne des Art. 23 MwStG erbracht werden oder
- ܲß Dienstleistungen erbracht werden, deren Empfängerort im Sinne des Art. 8 Abs. 1 MwStG im Inland liegt und welche der Bezugssteuer unterliegen.
Unter Art. 23 MwStG fallen Leistungen, die zwar nach den Bestimmungen über den Leistungsort im Inland (Schweiz) erbracht, aber im Ausland verbraucht werden, weshalb sie keine Steuerbelastung erfahren sollen.
Bei Leistungen gemäß Art. 8 Abs. 1 MwStG handelt es sich um Dienstleistungen wie beispielsweise Leistungen von Beratern oder Vermögensverwaltern oder Werbeleistungen.
Dienstleistungen werden nach dem Empfängerortprinzip besteuert
Dienstleistungen werden gemäß Grundregel von. Art. 8 Abs. 1 MwStG nach dem Empfängerortprinzip besteuert. Als Ort der Leistung gilt demnach der Ort, an dem der Empfänger der Dienstleistung den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine Betriebsstätte hat, für welche die Dienstleistung erbracht wird. Fehlt ein solcher Sitz oder eine solche Betriebsstätte, ist der Wohnort oder der Ort des üblichen Aufenthaltes maßgebend. Ausnahmen von dieser Grundregel sind in Art. 8 Abs. 2 MwStG geregelt.
Fällt eine Dienstleistung unter die Grundregel (Empfängerortprinzip) und unterliegt sie gleichzeitig der Bezugssteuer gemäß Art. 45 MwStG, ist der leistende ausländische Unternehmer von der Mehrwertsteuerpflicht in der Schweiz befreit, unabhängig von der Höhe des weltweiten Umsatzes, wenn er ܲß solche Leistungen in der Schweiz erbringt. Der Schweizer Empfänger muss aber, sofern er die Voraussetzungen nach Art. 45 Abs. 2 MwStG erfüllt, die Bezugssteuer entrichten.
Das heißt, dass Unternehmen mit Sitz im Ausland, die ܲß Leistungen erbringen, die in der Schweiz der Bezugssteuer unterliegen, unabhängig von ihrem weltweiten Umsatz von der Registrierungs- und somit von der Mehrwertsteuerpflicht befreit sind. Dies gilt beispielsweise für Treuhandbüros, sofern sie keine anderen Dienstleistungen als Beratungsleistungen anbieten. Werden hingegen (auch) andere Dienstleistungen erbracht, welche nicht der Bezugssteuer nach Art. 45 MwStG unterliegen, muss der Unternehmer äٱ gegenüber Schweizer Empfängern erbrachten Leistungen – also auch Dienstleistungen nach Art. 45 MwStG – versteuern. Wenn es dieser Pflicht nicht nachkommt, drohen Geldbußen bis zu CHF 800'000, wenn die hinterzogene Steuer den Rechnungsempfänger in der Schweiz zum Vorsteuerabzug berechtigt hat.
Für den ausländischen Dienstleister besteht keine Pflicht, auf die Bezugssteuer (sogenanntes Reverse-Charge-Verfahren) hinzuweisen – nett ist es allemal.
Nebenleistung: Keine Registrierungs- bzw. Mehrwertsteuerpflicht
Die erweitere Regelung der Mehrwertsteuerpflicht hatte zahlreiche zusätzliche Steuerpflichtige zur Folge, selbst wenn diese in der Schweiz nur eine minimale Leistung erbracht haben. Die ESTV hat daher ihre Praxis betreffend grenzüberschreitende Werklieferung in die Schweiz im Dezember 2018 angepasst. Während in der alten Praxis jede Montageleistung in der Schweiz eine werkvertragliche Lieferung und damit eine Registrierungspflicht ausgelöst hat, trifft dies nach der heutigen Praxis nicht mehr zu, sofern es sich um eine Montageleistung mit untergeordneter Bedeutung handelt, da dies eine Nebenleistung i.S.v. Art. 19 Abs. 4 MwStG ist. Die Definition des Begriffs "untergeordnet" ist nach wie vor unscharf. Im Zweifelsfall kann der Sachverhalt der ESTV zur verbindlichen und kostenlosen Prüfung vorgelegt werden. Bis zum Erhalt einer Antwort dauert es in der Regel rund vier Wochen.
Beispiel Nebenleistung: Zusammensetzen eines Möbelstücks nach Anlieferung
Als Nebenleistung qualifiziert die ESTV beispielsweise das bloße Zusammensetzen und Aufstellen eines gelieferten Möbelstücks. Da die Montageleistung als Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt, unterliegt sie lediglich dem Tatbestand der Einfuhrsteuer (vgl. nachfolgend Teil 3), hingegen beseht keine Registrierungs- bzw. Mehrwertsteuerpflicht in der Schweiz. Bei einer werkvertraglichen Lieferung liegt der Ort der Lieferung hingegen in der Schweiz und das ausländische Unternehmen wird bereits mit der ersten Inlandlieferung – sofern die weltweite Umsatzgrenze von 100'000 überschritten ist – in der Schweiz registrierungs- und mehrwertsteuerpflichtig. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn ein Einbauschrank vor Ort bearbeitet und an die spezifischen Gegebenheiten angepasst wird.