Umsatzsteuerrecht für Kommunen - Rechtsstand

In den letzten Jahren wurde die finale Einführung von § 2b UStG bereits mehrfach verschoben. Zuletzt hat der Bund mit dem Jahressteuergesetz 2024 (Bundestagsdrucksache 369/24) die verpflichtende Einführung verschoben. Damit können die juristischen Personen die Übergangsfrist bis zum 31.12.2026 weiter nutzen. Aus den Unterlagen der Bundestagsvorlage geht hervor, dass es sich dabei um die letztmalige Verlängerung handelt. Dies bleibt abzuwarten. Es schafft zumindest kein Vertrauen, wenn angedachte gesetzliche Änderungen quasi per Handstrich immer wieder in ihrer Anwendung verschoben werden können, obwohl die Änderung europarechtlich dringend geboten erscheint.
Änderungen der Umsatzsteuerpflicht bereits 2015 eingeführt
Mit den Änderungen des UStG im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2015 (Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. 2015 I S. 1834) wurde
- neben der Neuregelung in § 2b UStG durch die Streichung von § 2 Abs. 3 UStG
- die Kopplung an die Körperschaftsteuer aufgehoben.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts (JPdöR) sollen damit marktrelevante, privatrechtliche Leistungen nach den gleichen Grundsätzen erbringen wie andere Marktteilnehmer. Auch Leistungen, die auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (z. B. Satzung und/oder Verwaltungsakt) erbracht werden, jedoch keinem generellen Marktausschluss unterliegen, können künftig einer Besteuerung unterliegen.
Unternehmereigenschaft nach dem UStG gilt auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts
Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Als solche kann jede Tätigkeit betrachtet werden, die nachhaltig der Erzielung von Einnahmen dient. Nicht erforderlich ist eine Gewinnerzielungsabsicht. Unternehmerfähig sind damit grundsätzlich auch jPdöR.
Das unternehmerische Handeln setzt dabei eine nachhaltige Tätigkeit voraus, mit der Leistungen gegen Entgelt erbracht werden. Die Unternehmensfähigkeit tritt ferner unabhängig von einer bestimmten Rechtsform ein, weshalb grundsätzlich auch jPdöR im Rahmen ihres gesetzlichen Etatrechts und unabhängig von der Einordnung einer Leistung in einen Regiebetrieb, als Produkt oder einer im Haushaltsplan definierten Leistung unternehmerisch tätig werden können. Umsatzsteuerlich relevant ist nur die Tätigkeit eines Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens. Erfasst wird dabei die unternehmerische Tätigkeit als Ganzes, d. h. der Besteuerung unterliegt nicht jede einzelne Leistung, sondern der Gesamtumsatz aller unternehmerischen Leistungen eines Unternehmers oder einer jPdöR.
Leistungserbringungen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nun umsatzsteuerpflichtig
Für die Behandlung von Leistungen einer jPdöR kommt es künftig nicht mehr darauf an, ob sie im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art (BgA) erbracht werden. Bei Erbringung von Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage gelten die allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuerrechts, d. h. soweit es sich um eine steuerbare und nicht um eine nach § 4 UStG steuerbefreite Leistung handelt, unterliegt die Leistungserbringung der Umsatzsteuer. Anders als in der Vergangenheit rückt damit die Form der Entgelterhebung (öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich) stärker in den Fokus.
Dabei gelten die allgemeinen Voraussetzungen des Unternehmerbegriffs nach § 2 Abs. 1 UStG. Hierunter fallen z. B.
- klassische gewerbsmäßige Leistungen, wie der Verkauf von Souvenirs in einem Fremdenverkehrsamt oder im Bürgerbüro,
- der Verkauf von Familienstammbüchern im Standesamt oder
- der Verkauf von Duschmarken in einer Berufsschule.
Aber auch die Erhebung von Entgelten für Kopien im Bürgeramt oder die Vermietung von Turnhallen oder Stellplätzen sind künftig nicht mehr generell einer Besteuerung entzogen. Die steuerlichen Fragen unterliegen dabei auch einer steten Fortschreibung, da sich die Leistungserbringung ändert. So dürfen ab Mai 2025 für Ausweisdokumente nur noch biometrische Passbilder verwendet werden, die in zertifizierten Studios oder durch die Behörde selbst hergestellt werden. Viele Kommunen erwerben deshalb derzeit Fotoautomaten oder Digitalkameras, um die Leistung künftig bürgerfreundlich erbringen zu können. Der Wettbewerb ist dabei nicht ausgeschlossen, weshalb sich beim Entgelt für die Erstellung der biometrischen Passfotos sofort umsatzsteuerliche Fragen stellen.
Ausnahmen von der Umsatzsteuerpflicht: Handeln auf öffentlich-rechtlicher Grundlage
§ 2b UStG regelt als Ausnahmetatbestand die Umsatzbesteuerung der jPdöR beim Handeln auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Hierin hat der Gesetzgeber die Regelungen des Art. 13 MwStSystRL übernommen und 4 Voraussetzungen definiert:
- Handeln einer jPdöR,
- Ausübung einer ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeit,
- Fehlen größerer Wettbewerbsverzerrungen und
- Ausschluss einer Katalogtätigkeit nach § 2b Abs. 4 UStG.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Wettbewerbsverzerrung wird in § 2b Abs. 2 UStG näher definiert. Relevant ist hier insbesondere die prognostische Umsatzgrenze von 17.500 EUR aus gleichartigen Tätigkeiten. Das Überschreiten dieser Umsatzgrenze muss bereits mit der Haushaltsplanung dokumentiert werden. Auf ein tatsächliches Erreichen der Umsatzgrenze kommt es jedoch nicht an. Für die interkommunale Zusammenarbeit enthält § 2b Abs. 3 UStG weitere Ausnahmeregelungen.
Auslegungsfragen zu § 2b UStG in BMF-Schreiben geklärt
Das BMF veröffentlichte ein Anwendungsschreiben (BMF, Schreiben v. 16.12.2016, BStBl. I 2016 S. 1451), in dem wesentliche Auslegungsfragen zur Anwendung des § 2b UStG behandelt werden. Mit einem weiteren Anwendungsschreiben (BMF, Schreiben v. 27.7.2017, BStBl. 2017 I S. 1239) wurden die vorangehenden Entscheidungen des BFH zur Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG veröffentlicht.
Die Auslegung des § 2b Abs. 3 UStG ist Gegenstand der BMF-Schreiben vom 14.11.2019 (DOK 2019/0974402) sowie vom 20.2.2020 (DOK 2020/0155722). Im Hinblick auf die notwendige europarechtskonforme Auslegung des § 2b Abs. 3 UStG hat das BMF darin betont, dass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Buchstaben a) bis d) in Abs. 3 dennoch eine gesonderte Prüfung auf mögliche schädliche Wettbewerbsverzerrungen erforderlich ist. Damit wurde der Anwendungsbereich für eine steuerbefreite interkommunale Zusammenarbeit nochmals eingeschränkt. Das zeigen auch die Hinweise und Klarstellungen zu konkreten Leistungen und Aufgaben im BMF-Schreiben vom 20.02.2020 (DOK 2020/0155722). Weitere ergänzende Regelungen wurden in den BMF-Schreiben vom
- 5.8.2020 (DOK 2020/0767842) zur Umsatzsteuerpflicht der Konzessionsabgabe sowie vom
- 23.11.2020 (DOK 2020/1212492) zur Anwendung von § 2b UStG in Zusammenhang mit dem Friedhofs- und Bestattungswesen
getroffen.
Zwischenzeitlich liegen Aussagen von einzelnen Landesfinanzministerien vor, die die Umsatzsteuerpflicht auf die Konzessionsabgabe wieder aufweichen (so u. a. Bayern und Sachsen, welche grundsätzlich eine Umsatzsteuerfreiheit der Konzessionsabgabe annehmen, soweit die Verträge den verhandelten Musterkonzessionsverträgen entsprechen).
Als Wesentlich ist auch das BMF-Schreiben vom 12. Juni 2024 einzuordnen (). Nachdem für die Fragen des Vorsteuerabzugs bei unternehmerisch tätigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts lange nur der Entwurf eines BMF-Schreibens existierte, klärt das BMF-Schreiben wichtige Fragen zum pauschalen Vorsteuerabzug. Diese Frage ist insbesondere für teilunternehmerische Verwendung von Lieferungen und sonstigen Leistungen an die öffentliche Hand von Bedeutung, welche weit überwiegen dürfte.
Übergangszeitraum auf Antrag bis 2026 verlängert
Die Neuregelung ist zum 1.1.2017 in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hatte mit dem ebenfalls neu eingefügten § 27 Abs. 22 UStG die Möglichkeit eröffnet,
- durch eine einmalige, gegenüber dem Finanzamt bis zum 31.12.2016 abzugebende Erklärung
- zur Beibehaltung der Regelungen des § 2 Abs. 3 UStG in der Fassung vom 31.12.2015 zu optieren.
Die Erklärung war einmalig für sämtliche vor dem 1.1.2021 ausgeführten Leistungen abzugeben. Die jPdöR konnte damit im Übergangszeitraum die für sie im konkreten Fall günstigere Rechtslage zur Anwendung bestimmen. Durch das o. g. BMF-Schreiben v. 16.12.2016 wurde ferner die Möglichkeit der Rücknahme der Optionserklärung auch für einen zurückliegenden Zeitraum eröffnet.
Auch wenn der Optionszeitraum vergleichsweise lang bemessen war, konnten dennoch nicht alle Probleme und offenen Fragen der kommunalen Ebene geklärt werden. Bereits im Jahr 2019 gab es daher vermehrt Bestrebungen, den Übergangszeitraum zu verlängern. Diesem Wunsch wurde zunächst mit dem Corona-Steuerhilfegesetz entsprochen. Das Gesetz sah eine Verlängerung der Optionsfrist für alle Leistungen vor, die vor dem 1.1.2023 ausgeführt werden. Mit der Beschlussfassung zum Jahressteuergesetz 2022 am 2.12.2022 wurde die Optionsfrist nochmals bis zum 31.12.2024 verlängert (vgl. Drucksache 20/4729, Artikel 16, § 27 Abs. 22a UStG). Wie eingangs bereits geschildert, folgte mit dem Jahressteuergesetz 2024 eine nochmalige Verlängerung bis zum 31.12.2026.
Auch mit der jüngsten Gesetzesänderung wurde die Optionsfrist kraft Gesetz verlängert, so lange die jPdÖR die Optionserklärung nicht widerruft. Damit müssen die Kommunen keine neue Optionserklärung abgeben, um die Verlängerung zu nutzen. Lediglich der Widerruf der Optionserklärung wäre schriftlich zu erklären und je nach örtlicher Befassungskompetenz durch einen Ratsbeschluss abzusichern.
Die nochmalige Verlängerung kommt – zumindest wird es von der kommunalen Praxis überwiegend so gesehen – eher überraschend. Die Kommunen haben sich umfassend auf die Einführung des § 2b UStG vorbereitet. Die Frage, ob diese Umstellung trotz der nochmaligen Verlängerung nunmehr vollzogen wird, wird von den Kommunen sehr unterschiedlich zu beantworten und maßgeblich durch politische Überlegungen geprägt sein. In vielen Leistungsbereichen führt die Umstellung zu einer Verteuerung der Leistung gegenüber dem Nutzer, ohne dass sich daraus ein adäquater Vorteil aus dem Vorsteuerabzug ergibt. Überwiegen die Nachteile für den Bürger, wird die Politik an einer Verschiebung der Umstellung festhalten, um die Bürger – auch bei den bestehenden Rahmenbedingungen – nicht zusätzlich zu belasten. Das führt dann zwangsläufig dazu, dass der bereits begonnene Umstellungsprozess zum Erliegen kommt und vorbereitende Arbeiten in 2026 erneut aufgegriffen werden müssen. Gleichzeitig besteht aber auch die Chance, weitergehende Themen, etwa die verpflichtende Einführung der eRechnung (vgl. BMF-Schreiben vom 15.10.2024; ) parallel zu bearbeiten und den Gesamtprozess zu betrachten.
Während bei der letzten Verlängerung der Bund die Ursache insbesondere bei der Belastung der Kommunen mit verschiedenen Aufgaben gesehen hat, führt der Bund nun auch eigene Defizite in der Vorbereitung bei Bund und Ländern an.
Eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs wird durch die erneute Verlängerung der Übergangsregelung weiterhin nicht gesehen (vgl. Formulierungshilfe zur Änderung von § 27 Abs. 22a UStG). Ob insgesamt überhaupt eine Wettbewerbsbeeinträchtigung nach einer dann fast 10-jährigen Einführungsphase noch festzustellen ist, muss zunehmend in Frage gestellt werden. Auffallend ist auch die Aussage in der Gesetzesbegründung, dass sich durch die nochmalige Verlängerung für die Verwaltung kein Erfüllungsaufwand ergibt. Das dürfte eine Vielzahl der Kommunen anders sehen. Nämlich die Kommunen, die trotz eines weiten Projektfortschrittes, im Interesse der Einwohner und Abgabenpflichtigen die Umstellung vorerst zurückstellen.
Praxis-Hinweis: Anwendung der Vorschriften ab 1.1.2027
Ab dem 1.1.2027 - nach heutigem Stand - gelten die neuen Vorschriften des UStG ausnahmslos für alle steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungen.
Wichtige Schritte zur Umsetzung der neuen Regelungen innerhalb der Verwaltung sind:
- Umfassende Leistungsanalyse zur Ermittlung der steuerrelevanten Leistungen
- Vorbereitung der Buchführung zur Erfassung der erbrachten und bezogenen Leistungen i. S. v. § 22 UStG
- Anpassung der Entgeltordnungen und Satzung bezogen auf den 1.1.2027
- Anpassung von Verträgen und Aufnahme einer Steuerklausel
- Prozessanalyse zum Erkennen von steuerlichen Risiken bei verwaltungsinternen Abläufen
- Sensibilisierung der Mitarbeiter auf allen Ebenen (Führungskräfte, Mitarbeiter in der Sachbearbeitung, Mitarbeiter im Finanzbereich)
- Automatisierung von Prozessen (u. a. Rechnungsworkflow für Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Vertragsmanagement)
- Verpflichtende Erstellung von E-Rechnungen ab 01.01.2027 bzw. 01.01.2028
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