üǰڱen des Arbeitgebers - eine Übersicht

Der Arbeitgeber ist im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses zum Schutz von Leben und Gesundheit der für ihn tätigen Arbeitnehmer verpflichtet. Neben öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzbestimmungen sind dabei auch privatrechtliche Fürsorgevorschriften zu beachten.
Öffentlich-rechtliche üǰڱen des Arbeitgebers
Öffentlich-rechtliche üǰڱen ergeben sich insbesondere aus folgenden Rechtsquellen:
- Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG),
- Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG),
- Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV),
- weitere Verordnungen zum Schutz der Arbeitnehmer (z. B. GefStoffV, BioStoffV),
- Regelwerk der Berufsgenossenschaften.
Beispiele für öffentlich-rechtliche üǰڱen des Arbeitgebers
Beispiele für öffentlich-rechtliche Schutz- und üǰڱen des Arbeitgebers sind:
- den Beschäftigten zu ermöglichen, sich je nach den spezifischen Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen (§ 11 ArbSchG, § 3 ArbMedVV),
- Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen (§ 5 Abs. 1 ArbSchG),
- die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit ausreichend und angemessen zu unterweisen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG),
- die Arbeitsplätze nach den Vorgaben entsprechender Verordnungen (ArbStättV) oder berufsgenossenschaftlicher Vorgaben einzurichten sowie
- auch Homeoffice-, mobile Arbeits- und Telearbeitsplätze (§ 2 Abs. 7 ArbStättV) nach den arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben zu gestalten.
Welche privatrechtlichen üǰڱen des Arbeitgebers gelten?
§ 618 Abs. 1 BGB regelt die privatrechtlichen üǰڱen des Arbeitsgebers. Beispiele dafür sind:
- Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und
- Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln,
dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, wie die Natur der Dienstleistung es gestattet.
Dabei sind selbstverständlich auch die öffentlich-rechtlichen Vorgaben zu beachten. Der Arbeitgeber hat darüber hinaus grundsätzlich auch einer gesundheitsschädigenden Überanstrengung der Arbeitnehmer entgegen zu wirken.
üǰڱen des Arbeitgebers können nicht ausgeschlossen werden
Die Verpflichtung, die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, kann nicht aufgehoben oder beschränkt werden, auch nicht im Rahmen eines Arbeitsvertrags, (§ 619 BGB).
Ist dem Arbeitgeber eine gesundheitlich bedingte Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bekannt, muss er dies unter dem Gesichtspunkt der üǰڱ berücksichtigen.
- Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer z. B. keine Arbeiten zuweisen, die dieser aufgrund eines vorgelegten ärztlichen Attests nicht ausüben darf.
- Je gravierender ein möglicher Schaden für Arbeitnehmer sein kann, umso stärkere Schutzmaßnahmen muss der Arbeitgeber ergreifen, um einen etwaigen Schadenseintritt zu verhindern.
Folgen bei Verletzung der üǰڱen des Arbeitgebers
Verstößt der Arbeitgeber gegen seine üǰڱen, kommen seitens des Arbeitnehmers grundsätzlich folgende Reaktionsmöglichkeiten in Betracht:
- Recht auf Zurückbehaltung der Arbeitsleistung
- Klage auf Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands,
- Anzeige bei der zuständigen Aufsichtsbehörde,
- Inanspruchnahme des allgemeinen arbeitsschutzrechtlichen Entfernungsrechts bei unmittelbarer erheblicher Gefahr.
Kommt es wegen Verletzung der üǰڱ oder einer Schutzvorschrift zu einem Unfall, besteht Anspruch auf Ersatz des Personenschadens, wenn die Gesundheit oder das Leben des Arbeitnehmers verletzt ist (s. unten Besonderheiten beim Arbeitsunfall).
Selbstverständlich kann der Arbeitnehmer auf Verstöße des Arbeitgebers auch durch eine eigene Kündigung reagieren. Ob insoweit ggf. sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung ohne voran gegangene Abmahnung durch den Arbeitnehmer in Betracht kommt, muss im Einzelfall geprüft werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Verletzung der üǰڱ derartig schwerwiegend ist, dass dem Arbeitnehmer eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist.
Das ist ggfs. auch dann zu prüfen, wenn dem Arbeitnehmer durch seine Eigenkündigung sozialversicherungsrechtliche Nachteile drohen (z. B. die Verhängung einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld durch die Agentur für Arbeit).
Verletzung der üǰڱen des Arbeitgebers - Besonderheiten bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit
Bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit besteht der Anspruch auf Heilbehandlung bzw. Schadensersatz auf Grund eines gesetzlichen Haftungsausschlusses (§ 104 SGB VII) regelmäßig nur gegenüber der zuständigen Berufsgenossenschaft.
Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Arbeitgeber den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat. In diesem Fall gilt der Haftungsausschluss nicht. Der Arbeitgeber haftet unmittelbar. Dabei muss sich der Vorsatz auf die Schadenszufügung und den erlittenen Schaden beiziehen (sog. „doppelter Vorsatz“).
Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers - Unterschiede zur üǰڱ
Die üǰڱ bedeutet, dass ein Arbeitgeber so für seine Arbeitnehmer sorgen muss, wie es allgemein üblich und unter normalen Umständen von „anständig und gerecht denkenden Menschen“ zu erwarten ist. Sie ist das Pendant zur Treuepflicht des Arbeitnehmers. Die Sorgfaltspflicht bedeutet hingegen die Verpflichtung des Arbeitgebers, die aus einem konkreten Verhalten oder Geschehen erwachsende Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut (hier vor allem die Gesundheit des Arbeitnehmers) zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten, also entweder die gefährliche Handlung zu unterlassen oder sie zumindest nur unter ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen zu unternehmen. Die Sorgfaltspflicht ist damit ein Bestandteil der üǰڱ.
üǰڱ vs. Vorsorgepflicht des Arbeitgebers - wo sind die Unterschiede?
Neben der üǰڱ des Arbeitgebers steht die Verpflichtung zur Vorsorge, die im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz hauptsächlich durch die arbeitsmedizinische Vorsorge erbracht wird. Diese Vorsorge ist vor allem in der Arbeitsmedizinischen Vorsorge-Verordnung (ArbMedVV) geregelt, die nach Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge unterscheidet. Auch andere Verordnungen, z. B. die BioStoffV, sehen Untersuchungen nach den Maßgaben der ArbMedVV vor.
üǰڱ bei Beamten
Die Schutz- und üǰڱ des Dienstherrn für seine Beamten ist verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 4 GG mit der Formulierung „öffentlich-rechtliches Dienst- und Treuverhältnis“ vorgegeben und gilt zugleich als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums mit Verfassungsrang. Der Begriff der üǰڱ ist hier weiter gefasst.
Für den Bereich des Bundes ist in § 78 BBG geregelt, dass der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen hat. Zudem schützt er die Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung. Eine gleichlautende Regelung für die Länder ist in § 45 BStG enthalten. Der Anspruch auf Fürsorge und Schutz steht jedem Beamten und seiner Familie ohne Rücksicht auf die Art des Beamtenverhältnisses zu.
Weitere Bereiche der üǰڱ des Arbeitgebers
Erkrankt ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres sechs oder mehr Wochen am Stück oder durch mehrfache kürzere Erkrankungen, hat er nach § 167 Abs. 2 SGB IX Anspruch auf ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM). Unter Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers werden die Möglichkeiten eruiert, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Hierbei handelt es sich um eine besondere Ausprägung der arbeitgeberseitigen üǰڱ, bei der der Erhalt des Arbeitsplatzes im Vordergrund steht.
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