Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche unterliegen beim Grundstückserwerb mit noch zu errichtendem Gebäude als zusätzliche Leistungen der Grunderwerbsteuer nach §9 Abs.2 Nr.1 des Grunderwerbsteuergesetzes, wenn ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft vorliegt.
2. Dies gilt nicht für Hausanschlusskosten, wenn der Erwerber des Grundstücks zur Übernahme dieser Kosten sich bereits im Grundstückskaufvertrag verpflichtet hat.
3. Die Steuer ist in einem selbständigen Bescheid festzusetzen.
Normenkette
§ 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, § 105 Abs. 5 FGO
Sachverhalt
Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag von der X‐GbR (Veräußerin) einen Teil eines noch zu vermessenden Grundstücks mit einer Doppelhaushälfte als Ausbauhaus zu einem Festpreis. Die Veräußerin verpflichtete sich, das Doppelhaus auf dem Grundstück zu errichten.
Der Kaufpreis umfasste nach §3 des Vertrags die Kosten für den Grund und Boden sowie die Kosten für die Errichtung des Kaufobjekts einschließlich Architekten- und Statikergebühren. Bauweise, Größe und Ausstattung des Ausbauhauses richtete sich nach dem Vertrag und nach der Bau- und Leistungsbeschreibung, die Teil des Vertrags wurde.
Das FA setzte für den Grundstückserwerb GrESt fest. In der Bemessungsgrundlage berücksichtigte es den vereinbarten Kaufpreis sowie den Wert von einzutragenden Leitungsrechten.
Auf Nachfrage des FA übersandte der Kläger von der Veräußerin ausgestellte Rechnungen über zusätzlich erbrachte Leistungen. Das FA sah in dem von Kläger gezahlten Entgelt eine zusätzliche Gegenleistung i. S. d. §9 Abs.2 Nr.1 GrEStG und erließ einen weiteren GrESt-Bescheid, in dem es hierfür GrESt i. H. v. 978EUR festsetzte. Hierzu gehörten auch die von der Veräußerin in Rechnung gestellten Hausanschlusskosten.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 5.5.2021, 7K208/19, -Index 15367467).
Entscheidung
Die Revision war begründet. Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und der Klage insoweit stattgegeben, als das FA das Entgelt für die Hausanschlusskosten in die Bemessungsgrundlage bei der Festsetzung der GrESt mit einbezogen hat. Mit seinem weitergehenden Antrag hatte der Kläger keinen Erfolg.
Hinweis
1. Das Entgelt für von dem Kläger nachträglich beauftragte zusätzliche Leistungen unterlag – bis auf die Hausanschlusskosten – als Gegenleistung i. S. d. §9 Abs.2 Nr.1 GrEStG der GrESt. Diese war in einem selbstständigen Bescheid festzusetzen. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in den Praxis-Hinweisen zum BFH, Urteil vom 30.10.2024, IIR15/22, BFH/NV 2025, XXX, BFH/PR 2025, XXX, verwiesen.
2. Das Entgelt für die Hausanschlusskosten für Trinkwasser, Strom und Gas war keine zusätzliche Gegenleistung i. S. d. §9 Abs.2 Nr.1 GrEStG, da sich der Kläger als Erwerber bereits bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags zur Übernahme dieser Kosten verpflichtet hatte. Es gehörte daher nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zur Bemessungsgrundlage des Kaufvertrages über das Grundstück mit zu errichtender Doppelhaushälfte.
3. Der Zeitpunkt der Rechnungslegung oder der Zahlung der Gegenleistung ist für die Einordnung einer Gegenleistung nach §9 Abs.1 Nr.1 GrEStG oder nach §9 Abs.2 Nr.1 GrEStG unerheblich. Entscheiden ist allein, wann sich der Erwerber zur Übernahme der Kosten verpflichtet hat. Erfolgt dies bereits bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags, gehört das Entgelt zur Gegenleistung nach §9 Abs.1 Nr.1 GrEStG.
4. Zu beachten ist, dass der GrESt-Bescheid über den Kauf des Grundstücks nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war, sondern nur der zweite GrESt-Bescheid über die zusätzlich vereinbarten Gegenleistungen in Bezug auf die Sonderwünsche. Der BFH hat daher offengelassen, ob die Hausanschlusskosten als Gegenleistung nach §9 Abs.1 Nr.1 GrEStG in dem den ursprünglichen Grundstückserwerb betreffenden GrESt-Bescheid zu erfassen waren oder ob es sich um nicht der GrESt unterliegende eigennützige Erwerberleistungen handelte, die dem Erwerber allein zugutekommen. Solche "eigennützigen Erwerberleistungen" stellen keine Gegenleistung i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.10.2024 – IIR18/22