Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche unterliegen beim Grundstückserwerb mit noch zu errichtendem Gebäude als zusätzliche Leistungen der Grunderwerbsteuer nach §9 Abs.2 Nr.1 des Grunderwerbsteuergesetzes, wenn ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft vorliegt.
2. Die Steuer ist in einem selbständigen Bescheid festzusetzen.
Normenkette
§ 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG
Sachverhalt
Der Kläger erwarb von der X‐GmbH mit Kauf- und Werkvertrag die Hälfte von vier Miteigentumsanteilen an einem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an zwei Wohnungen nebst Abstellräumen sowie an zwei Tiefgaragenstellplätzen. Das Gebäude, in dem sich das veräußerte Sondereigentum befinden sollte, war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht errichtet. Die Veräußerin verpflichtete sich als Bauträgerin zur Errichtung des Gebäudes. Die notariell beglaubigte Teilungserklärung und Baubeschreibung wurden Teil des Vertrags.
In dem Kauf- und Werkvertrag wurde geregelt, dass Änderungswünsche des Käufers nur berücksichtigt werden, wenn dadurch entstehende Mehrkosten vom Käufer übernommen werden. Die Ausführung von Arbeiten durch den Käufer selbst oder von ihm direkt beauftragte Handwerker war vor der Übergabe des Objekts ausgeschlossen. Der Verkäufer war nicht berechtigt, den ausführenden Werkunternehmen ohne Zustimmung der Veräußerin unmittelbar eigene Aufträge zu erteilen.
Nach Beginn der Rohbauarbeiten beauftragten der Kläger bei der Veräußerin verschiedene Sonderwünsche, die zu Mehrkosten führten.
Das FA erließ zunächst gegenüber dem Kläger nicht streitige GrESt-Bescheide, denen als Bemessungsgrundlage die Hälfte des vereinbarten Kaufpreises zugrunde lag. Es erließ danach weitere GrESt-Bescheide gegenüber dem Kläger, denen als Bemessungsgrundlage ein "Gesamtbetrag der Gegenleistung" ("Kaufpreis Sonderwünsche") zugrunde gelegt wurde.
Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch machte der Kläger geltend, dass für die einzelnen Sonderwünsche ein GrESt-Tatbestand nicht erfüllt sei und diese auch keine zusätzlichen Leistungen i. S. d. §9 Abs.2 Nr.1 GrEStG. darstellten. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG Bremen, Urteil vom 9.8.2021, 2K77/21(1), -Index 14984093).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§126 Abs.2 FGO). Das FG hatte zu Recht entschieden, dass die vom Kläger nachträglich beauftragten Sonderwünsche als zusätzliche Leistungen der GrESt nach §9 Abs.2 Nr.1 GrEStG unterlagen. Die Steuer war in einem selbstständigen Bescheid festzusetzen.
Hinweis
1. Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer bestimmt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Nach §9 Abs.2 Nr.1 GrEStG gehören auch solche Leistungen zur Gegenleistung, die der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung, d. h. dem Entgelt, zusätzlich gewährt. Hierbei handelt es sich um ein zusätzlich gewährtes Entgelt.
2. Das Entstehen der Steuer für nachträglich gewährte zusätzliche Leistungen (Entgelte) i. S. d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist tatbestandsmäßig an zwei Voraussetzungen geknüpft. Zum einen muss bereits ein Erwerbsvorgang i. S. v. §1 Abs.1 GrEStG vorliegen, also ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet. Zum anderen muss ein rechtlicher Zusammenhang zwischen dem Erwerb und der zusätzlich gewährten Gegenleistung bestehen.
3. Der rechtliche Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft kann sich bei nachträglich vereinbarten Sonderwünschen dadurch ergeben, dass eine vom Veräußerer geschuldete, sich aus dem Erwerbsgeschäft ergebende Bauleistung konkretisiert, verändert oder beispielsweise durch qualitativ höherwertige Materialien ersetzt und dafür eine zusätzliche Gegenleistung (Entgelt) vereinbart wird. Auch eine Gegenleistung (Entgelt) für die bloße Erweiterung der Leistungspflicht des Veräußerers kann zu einer zusätzlichen Leistung i. S. d. §9 Abs.2 Nr.1 GrEStG führen, wenn im Übrigen die Regelungen des Erwerbsgeschäfts – ähnlich einem Rahmenvertrag – gelten sollen und nicht ein gänzlich neuer und unabhängig vom Erwerbsgeschäft geschlossener Vertrag vorliegt.
4. Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche stellen danach keine Gegenleistung dar, wenn die Vereinbarungen nicht mit dem Veräußerer oder der Veräußererseite, sondern unmittelbar mit einzelnen Handwerkern getroffen worden sind. Von dieser Ausnahme abgesehen, unterliegen Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche beim Grundstückserwerb mit noch zu errichtendem Gebäude als zusätzliche Leistungen der GrESt nach §9 Abs.2 Nr.1 GrEStG
5. Im vorliegenden Fall standen die zusätzlichen Leistungen für die Sonderwünsche in einem rechtlichen Zusammenhang mit dem notariell beurkundeten Vertrag. Da der Kläger nach dem Vertrag zur Übernahme der mit den Sonderwünschen entstandenen Mehrkosten verpflichtet und die Ausführung von Arbeiten durch den Käufer selbst oder von ihm direkt beauftrag...