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Entscheidungsstichwort (Thema)
脛nderung einer unrichtigen oder unrichtig gewordenen Kindergeldfestsetzung; Grenzen der R眉ckforderung zuviel gezahlten Kindergeldes
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Leitsatz (amtlich)
1. Eine Kindergeldfestsetzung ist ein zeitlich teilbarer Verwaltungsakt. Die Familienkasse ist daher befugt, eine unrichtige oder unrichtig gewordene Kindergeldfestsetzung in der Weise zu 盲ndern, dass sie f眉r verschiedene Zeitabschnitte (gesonderte) 脛nderungsbescheide erl盲sst.
2. 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 wird nicht durch 搂 70 Abs. 3 EStG verdr盲ngt; beide Vorschriften sind nebeneinander anwendbar.
3. Der R眉ckforderung zuviel gezahlten Kindergeldes kann der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen, wenn die Familienkasse mit der Geltendmachung des R眉ckforderungsanspruchs zu lange zuwartet.
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Normenkette
AO 1977 搂 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG 搂听32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, 搂听63 Abs. 1 S盲tze听1-2, 搂听66 Abs. 2, 搂听70 Abs.听2-3
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger) ist der Vater eines im Jahre 1970 geborenen Sohnes sowie zweier weiterer Kinder. Der Sohn des Kl盲gers nahm im Jahr 1994 ein Studium auf. Mit beh枚rdeninternen Verf眉gungen vom 21. Oktober 1994 und vom 29. November 1994 wurde f眉r ihn Kindergeld bewilligt. Im Juli 1995 heiratete der Sohn des Kl盲gers. In der Erkl盲rung zu den Eink眉nften und Bez眉gen eines 眉ber 18 Jahre alten Kindes vom 21. Mai 1996 und vom 4. Februar 1997 gab der Kl盲ger an, dass die Ehefrau seines Sohnes 眉ber ein Gehalt von monatlich 3 000 DM bzw. 3 250 DM verf眉ge.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1997 hob der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Arbeitsamt 鈥旻amilienkasse鈥) die Kindergeldfestsetzung f眉r den Sohn des Kl盲gers unter Berufung auf 搂 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab April 1997 auf und begr眉ndete dies damit, dass die H盲lfte des Nettoeinkommens der Ehefrau des Sohnes den Jahresgrenzbetrag des 搂 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in H枚he von 12 000 DM 眉bersteige. In dem Bescheid bat die Familienkasse um Mitteilung, in welcher H枚he der Kl盲ger seinem Sohn in der Zeit von August bis Dezember 1995 Unterhalt geleistet habe, und um Vorlage eines Einkommensnachweises der Ehefrau des Sohnes f眉r Dezember 1996. Weiter teilte die Familienkasse mit, dass sie 眉ber den Anspruch auf Kindergeld f眉r August 1995 bis M盲rz 1997 entscheiden werde, sobald die Nachweise vorl盲gen.
Mit Datum vom 28. August 1998 erlie脽 die Familienkasse einen als R眉ckforderungsbescheid bezeichneten Bescheid, mit dem sie die Kindergeldfestsetzung f眉r den Sohn des Kl盲gers von Januar 1996 bis M盲rz 1997 gem盲脽 搂 70 Abs. 2 EStG aufhob und das f眉r diese Zeit gezahlte Kindergeld in H枚he von insgesamt 4 500 DM (15 Monate 脿 300 DM) zur眉ckforderte.
Nach erfolglosem Vorverfahren hob das Finanzgericht (FG) den Bescheid vom 28. August 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 1999 auf und wies die Klage im 脺brigen ab. Es begr眉ndete dies im Wesentlichen damit, dass der Aufhebungsbescheid vom 16. Juni 1997 die Befugnis der Familienkasse zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung wegen bekannter ver盲nderter Verh盲ltnisse "konsumiert" habe. Am 16. Juni 1997 seien der Familienkasse alle Tatsachen bekannt gewesen, aus denen sich ergeben h盲tte, dass dem Kl盲ger f眉r seinen Sohn bereits seit Januar 1996 kein Kindergeld mehr zugestanden habe. Der streitige Bescheid vom 28. August 1998 habe insbesondere nicht auf 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gest眉tzt werden k枚nnen. Die Vorschrift sei neben 搂 70 Abs. 3 EStG nicht anwendbar, da anderenfalls der von 搂 70 Abs. 3 EStG ausgehende Schutz des Kindergeldberechtigten durch die Beschr盲nkung der Aufhebung des Kindergeldes f眉r die Zukunft unterlaufen werde. Zudem fehle es an einer neuen Tatsache.
Mit ihrer Revision r眉gt die Familienkasse die Verletzung der 搂搂 118 bis 128 AO 1977. Sie tr盲gt vor, mit dem Bescheid vom 16. Juni 1997 sei dem Kl盲ger zun盲chst die Befristung der Kindergeldbewilligung bis zum M盲rz 1997 bekannt gegeben worden. Damit sei nicht zum Ausdruck gebracht worden, dass eine weitere Aufhebung der Kindergeldfestsetzung unterbleiben werde. Es gebe keinen Grundsatz, dass ein Bescheid nicht in mehreren Schritten korrigiert werden k枚nne. Vertrauensschutz zugunsten des Kl盲gers scheide insbesondere auch deshalb aus, weil der Bescheid vom 16. Juni 1997 ausdr眉cklich mit dem Vermerk versehen worden sei, dass 眉ber den Anspruch auf Kindergeld f眉r die Monate August 1995 bis M盲rz 1997 noch entschieden werde. Im 脺brigen habe der Bescheid vom 28. August 1998 nicht den Bescheid vom 16. Juni 1997, sondern den urspr眉nglichen Bewilligungsbescheid ge盲ndert. Diese 脛nderung sei durch 搂 173 AO 1977 gedeckt. Entgegen der Auffassung des FG sei die Vorschrift lex specialis zu 搂 70 Abs. 3 EStG. Neue Tatsache i.S. des 搂 173 AO 1977 sei die Eheschlie脽ung des Sohnes des Kl盲gers im Juli 1995, die der Familienkasse fr眉hestens im Sommer 1996 bekannt geworden sei. Danach habe sie die Kindergeldfestsetzung r眉ckwirkend aufheben k枚nnen. Treu und Glauben st眉nden dem nicht entgegen, da der Kl盲ger seine Mitwirkungspflicht nach 搂 90 AO 1977 verletzt habe, indem er die Familienkasse nicht unverz眉glich von der Heirat seines Sohnes unterrichtet habe.
Die Familienkasse beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kl盲ger beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Er beruft sich daf眉r im Wesentlichen auf die Urteilsgr眉nde der Vorinstanz. Erg盲nzend tr盲gt er vor, dass er seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen sei, da er die Familienkasse bereits im Mai 1996 眉ber die Eheschlie脽ung seines Sohnes und die H枚he der Eink眉nfte seiner Schwiegertochter informiert habe.
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Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zur眉ckverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (搂 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung 鈥旻GO鈥).
1. Dem Kl盲ger stand f眉r seinen Sohn ab Januar 1996 kein Kindergeld mehr zu, da dieser bereits seit Juli 1995 verheiratet war. Ein verheiratetes Kind ist f眉r das Kindergeld grunds盲tzlich nicht ber眉cksichtigungsf盲hig, da in diesen F盲llen die f眉r den Anspruch auf Kindergeld vorausgesetzte typische Unterhaltssituation nicht mehr besteht (Senatsurteil vom 2. M盲rz 2000 VI R 13/99, BFHE 91, 69, BStBl II 2000, 522). Der Ausnahmefall, dass das Einkommen des Ehegatten des Kindes so gering ist, dass dieser zum Unterhalt des Kindes nicht in der Lage ist und die Eltern deshalb weiterhin f眉r das Kind aufkommen m眉ssen, ist hier offensichtlich nicht gegeben. Die Ehefrau des Sohnes des Kl盲gers verf眉gte 眉ber ein monatliches Einkommen von 3 000 DM.
2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz war die Familienkasse auch nicht gehindert, nach Erlass des ersten 脛nderungsbescheides vom 16. Juni 1997 einen weiteren Bescheid zu erlassen, mit dem sie die urspr眉ngliche Kindergeldfestsetzung 鈥晆nd nicht etwa, wie das FG meint, den ersten 脛nderungsbescheid vom 16. Juni 1997鈥 盲nderte. Die Festsetzung von Kindergeld ist ein teilbarer Verwaltungsakt. Dies ergibt sich aus dem nach 搂 66 Abs. 2 EStG geltenden Monatsprinzip, nach dem Kindergeld f眉r jeden Monat gezahlt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Die Festsetzung umfasst somit einen Anspruch f眉r jeden Monat; entsprechend kann sie f眉r einzelne Monate aufgehoben oder ge盲ndert werden und f眉r andere Monate unver盲ndert bestehen bleiben. Es ist demnach auch nicht zu beanstanden, wenn die Beh枚rde eine Kindergeldfestsetzung mehrfach in der Weise 盲ndert, dass f眉r die verschiedenen Monate durch verschiedene Bescheide Regelungen getroffen werden.
3. Die in dem angefochtenen Bescheid vom 28. August 1998 ausgesprochene Aufhebung der Kindergeldfestsetzung f眉r die Monate Januar 1996 bis M盲rz 1997 war rechtm盲脽ig.
a) Die Familienkasse konnte die r眉ckwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung zwar nicht auf 搂 70 Abs. 2 EStG 蝉迟眉迟锄别苍. 搂 70 Abs. 2 EStG setzt voraus, dass sich die f眉r den Anspruch auf Kindergeld erheblichen Verh盲ltnisse nach Ergehen der Festsetzung ge盲ndert haben. Das Kindergeld f眉r den Sohn des Kl盲gers war bereits im Jahr 1994 festgesetzt worden. Nach 搂 78 Abs. 1 EStG a.F. gilt es in diesen F盲llen als nach den Vorschriften des EStG zum 1. Januar 1996 neu festgesetzt (vgl. Senatsurteil vom 12. Mai 2000 VI R 100/99, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 鈥旸StRE鈥 2000, 1031). Nach diesem Zeitpunkt haben sich jedoch die f眉r den Anspruch auf Kindergeld erheblichen Verh盲ltnisse nicht ge盲ndert. Der Sohn des Kl盲gers war vielmehr bereits seit Juli 1995 verheiratet.
b) Die Familienkasse konnte die Kindergeldfestsetzung jedoch gem盲脽 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 mit Wirkung f眉r die Vergangenheit aufheben.
aa) 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 wird entgegen der Ansicht des FG nicht durch 搂 70 Abs. 3 EStG verdr盲ngt (so auch die h.M., vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und K枚rperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 搂 70 EStG Anm. 16; Berlebach, Familienleistungsausgleich, 搂 70 EStG Rdnr. 22 ff.; Greite in Korn, 搂 70 EStG Rz. 13; R眉sken in Klein, Abgabenordnung, 7. Aufl. 2000, 搂 173 Rz. 9). Das Kindergeld wird seit der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) gem盲脽 搂 31 Satz 3 EStG als Steuerverg眉tung gezahlt. Auf die Festsetzung einer Steuerverg眉tung finden gem盲脽 搂 155 Abs. 4 AO 1977 die Vorschriften 眉ber die Steuerfestsetzung 鈥昦lso auch 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977鈥 sinngem盲脽 Anwendung. 搂 70 Abs. 2 und 3 EStG erg盲nzt diese Vorschriften lediglich im Hinblick darauf, dass die Bestimmungen der AO 1977 auf Dauerverwaltungsakte, wie es Kindergeldbescheide sind, nicht zugeschnitten sind (BTDrucks 13/3084, S. 21). 搂 70 Abs. 3 EStG betrifft dabei die F盲lle, in denen der zutreffende Sachverhalt der Familienkasse bekannt ist, sie die ihr bekannten Tatsachen jedoch rechtlich unzutreffend w眉rdigt, oder ihrer Entscheidung irrt眉mlich einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde legt. In diesen F盲llen schafft 搂 70 Abs. 3 EStG einen Interessenausgleich dahin gehend, dass die Familienkasse nicht 眉ber einen l盲ngeren Zeitraum hinweg an die sp盲ter als unrichtig erkannte Festsetzung gebunden bleibt (vgl. BTDrucks 13/3084, S. 21), w盲hrend der Kindergeldberechtigte f眉r die Vergangenheit Vertrauensschutz hinsichtlich der fehlerhaften Festsetzung genie脽t. 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 greift demgegen眉ber ein, wenn der Familienkasse der zutreffende Sachverhalt zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht bekannt war. F眉r die Gew盲hrung von Vertrauensschutz zugunsten des Kindergeldberechtigten besteht in diesen F盲llen 眉ber die Anwendung des 搂 176 AO 1977 hinaus kein Anlass.
bb) Die Voraussetzungen des 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 liegen vor. Nach dieser Vorschrift sind Bescheide aufzuheben oder zu 盲ndern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachtr盲glich bekannt werden, die zu einer h枚heren Steuer bzw. einer geringeren Steuerverg眉tung f眉hren. Der Umstand, dass der Sohn des Kl盲gers verheiratet war, ist eine Tatsache in diesem Sinn. Sie wurde der Familienkasse erst nach dem 1. Januar 1996 und somit nachtr盲glich bekannt. Dieser Umstand f眉hrt schlie脽lich auch zu einer niedrigeren Steuerverg眉tung, denn f眉r den Sohn des Kl盲gers bestand danach kein Anspruch auf Kindergeld.
4. Da aufgrund der rechtm盲脽igen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung f眉r den Sohn des Kl盲gers der rechtliche Grund f眉r die Zahlung des Kindergeldes ab Januar 1996 weggefallen war, konnte die Familienkasse gem盲脽 搂 37 Abs. 2 AO 1977 grunds盲tzlich das danach zuviel gezahlte Kindergeld in H枚he von 4 500 DM zur眉ckfordern.
a) Keine Zweifel bestehen an der Rechtm盲脽igkeit der R眉ckforderung des f眉r die Monate Januar bis Mai 1996 gezahlten Kindergeldes in H枚he von 1 500 DM. Da die Familienkasse erst nach dem 21. Mai 1996 von der Eheschlie脽ung des Sohnes des Kl盲gers und der H枚he der Eink眉nfte von dessen Ehefrau erfuhr, konnte sie die Festsetzung des Kindergeldes nicht vor Ende Mai 1996 aufheben.
b) Der Senat kann jedoch nicht entscheiden, ob Umst盲nde vorliegen, die die R眉ckforderung des dar眉ber hinaus zuviel gezahlten Kindergeldes ganz oder teilweise treuwidrig erscheinen lassen. Ein solcher Umstand k枚nnte darin liegen, dass die Familienkasse auf die Mitteilung des Kl盲gers vom 21. Mai 1996 眉ber die Eheschlie脽ung seines Sohnes und die H枚he der Eink眉nfte der Ehefrau des Sohnes das Kindergeld zun盲chst bis M盲rz 1997 weitergezahlt hat und eine endg眉ltige Entscheidung 眉ber die R眉ckforderung des 眉berzahlten Betrages erst im August 1998, also mehr als zwei Jahre nach der erstmaligen Kenntniserlangung von der Eheschlie脽ung des Sohnes, getroffen hat. Das FG hat 鈥晇on seinen Rechtsstandpunkt aus zu Recht鈥 dazu keine Feststellungen getroffen. Es wird daher aufzukl盲ren haben, ob die Bearbeitungsdauer der Familienkasse zu einem schutzw眉rdigen Vertrauen des Kl盲gers gef眉hrt hat, das einer R眉ckforderung insoweit entgegenstehen kann.
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Fundstellen
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BFH/NV 2002, 248 |
BStBl II 2002, 174 |
BFHE 196, 274 |
BFHE 2002, 274 |
BB 2002, 86 |
DStRE 2002, 318 |
HFR 2002, 182 |
StE 2002, 4 |